Westberlin: Kommunistische Arbeiterpresse - Ausgabe AEG Telefunken, Jg. 2, Nr. 28, Nov. 1971

08.11.1971:
Vermutlich heute gibt die KPD in Berlin die Nr. 28 der 'Kommunistischen Arbeiterpresse - Ausgabe AEG Telefunken' (KAP - vgl. 11.10.1971, 15.11.1971) für November heraus, die sich auf ihren 8 Seiten unter Verantwortung von Maria Bergmann und unter der Schlagzeile "Kampf der 7,5%-Schlichtung! Für sofortige Urabstimmung!" u.a. mit der Metalltarifrunde (MTR) befaßt. Hierzu wird eine Urabstimmung gefordert und von einer Reihe von Streiks, u.a. in Hamburg (vgl. 22.10.1971) und bei der MF Losert und Wolf Karlsruhe (vgl. 18.10.1971) berichtet sowie in einer Arbeiterkorrespondenz ("4,5 %-Erpressungsversuch der Kapitalisten!") die sofortige Urabstimmung gefordert. Eingegangen wird auch auf das BVG (vgl. 10.11.1971).

Aufgerufen wird zum Besuch einer Arbeiterrunde zum BVG (vgl. 12.11.1971), die einmal als Aktion der Betriebszelle AEG angekündigt wird, auf einer anderen Seite aber als gemeinsame Aktion dieser Gruppe mit den Zellen Borsig und DWM.

Neben einem Artikel über die Preiserhöhungen bei BVG, Gasag und Bewag (vgl. 23.10.1971), wo die Kampfkomitees bereits 14 000 Unterschriften gesammelt hätten, geht man im weiteren auch noch auf Spanien und den Jugendmonat der IGM ein und veröffentlicht zwei Lehrlingsberichte. Einerseits "Zentrale Jugendstunde wieder verschoben!", wobei der Vorstand der zentralen Betriebsjugendvertretung AEG-Telefunken angegriffen wird und "Ausbildung bei AEG". Die KPD zitiert diesen Bericht auch in ihrer 'Roten Fahne' (RF - vgl. 19.11.1971):"
ARBEITERKORRESPONDENZ
AUSBILDUNG BEI AEG

Während meiner Ausbildung als Elektromechaniker bei AEG Telefunken durchlief ich in den ersten zwei Jahren einen Grundlehrgang, in dem ich die Fähigkeit für meinen späteren Beruf erlernen sollte.

Zu diesen zwei Jahren ist u.a. zu sagen, daß man an Maschinen ausgebildet wird, die derart überaltert sind, daß man sie kaum in einer Werkstatt finden wird. Weiterhin ist zu bemerken, daß die Ausbildung in mechanischen Fähigkeiten wie z.B. Feilen, Drehen, Schweißen, Schmieden, soweit ausgedehnt wurde, daß für die Erlernung der Fähigkeiten, die ich für meinen Beruf in der Praxis brauche, wie z.B. Lesen von Schaltplänen, Aufbau und Verdrahtung von Schaltungen, nur vier Monte übrigblieben.

Das ist die Grundausbildung bei AEG.

Der Konzern hat kein Interesse daran, daß ich eine möglichst breite Ausbildung erhalte. Für ihn bringt es mehr Profit, wenn ich zwei Jahre lang als Hilfsarbeiter arbeite. das hat nichts mehr mit Ausbildung zu tun, das heißt: Hier wird die billige Arbeitskraft 'Lehrling' ausgebeutet.

Das erste, was mir dort vom Ausbildungsleiter erklärt wurde, war, daß die Lehrlinge nur eine Belastung für die Abteilung sind. Was ich davon zu halten hatte, merkte ich gleich darauf:

Ich wurde dem Prüffeld zugeteilt; der Meister zeigte mir meinen Arbeitsplatz und erklärte mir meine Arbeit. Sie bestand darin, die Verdrahtung der Gleichrichterschränke anhand eines Verdrahtungsplanes zu kontrollieren. Diese Beschäftigung führte ich acht Wochen lang aus. Danach kam ich in die Fertigung, dort bestand meine Arbeit aus dem Montieren und Verdrahten von Gleichrichterschränken, aus dem Bestücken von Leiterplatten und Reparieren alter Geräte.

Das war schon nicht mehr die Grundausbildung. Hier sollte ich in die Feinheiten der Produktion eingeführt werden. Der Ausbildungsleiter hätte dabei besser den Namen 'Meister' verdient, denn ausgebildet hat er mich nicht. Worin die Belastung der Abteilung durch mich bestand, ist mir heute noch unklar; denn ich habe genausoviel wie ein Facharbeiter gearbeitet, dabei aber doch viel weniger verdient. Alle Arbeiten, die ich gemacht habe, waren Facharbeiten, aber keine Lehrlingsarbeiten.

War gerade nichts zu tun, dann mußte ich sogar Bier holen gehen oder ausfegen. Das hat nun wirklich nichts mehr mit Ausbildung zu tun. Unter den Lehrlingen geht schon der Spruch um: 'Nach der Lehrzeit sind wir gut im Bier holen und Ausfegen ausgebildet!' Wenn das die Lehrlinge nicht machen würden, hieße das, entweder die Arbeiter kriegen mehr Pausen, oder die Kapitalisten stellen dafür einen Arbeiter ein. Wir Lehrlinge werden vom AEG-Konzern als besonders billige und profitbringende Arbeitskräfte gebraucht.

Eine Ausbildung kriegen wir nur soweit, wie sie dem Konzern selbst nützt.

Während der Zeit in der Fabrik wurde mir von den Meistern und Ausbildungsleitern keine Erklärung über die Funktion und den Verwendungszweck der von mir gefertigten Teile gegeben. Das liegt den AEG-Kapitalisten auch gar nicht im Sinn. Im Sinn liegt ihnen die billige Arbeitskraft und der hohe Verdienst an ihr.

Wir sind ihnen nur deswegen so billig, weil unsere Eltern den Unterschied zwischen unserer 'Vergütung' und unseren Lebenshaltungskosten draufzahlen.

Und dieser Unterschied wird immer größer. Die Eltern, die für 3 1/2 Jahre 'verlängerte Kindheit' nicht aufkommen können, können die Ausbildungshoffnungen für ihr Kind begraben. Deswegen werden viele von uns 'nur' Hilfsarbeiter.

Meiner Meinung nach müssen die, die an uns verdienen, auch unseren Unterhalt zahlen:
EXISTENZLOHN FÜR LEHRLINGE: HEUTE 500 DM!

EINEN ZWEITEN BERUFSSCHULTAG FÜR LEHRLING UND JUNGARBEITER!

Bei den Tarifverhandlungen (MTR,d.Vf.) wollen uns Voigt und Wagner (westberliner IG-Metall-Führer) auf der einen Seite, die Kapitalisten auf der anderen Seite schon wieder von den erwachsenen Kollegen trennen. Wir sind aber auch Arbeiter und gehören zur Arbeiterklasse, auch wenn wir in der Ausbildung stehen! So wie es jetzt ist, fällt es den Kapitalisten leicht, uns gegen die erwachsenen Kollegen als Streikbrecher auszuspielen. Daher brauchen wir das

STREIKRECHT FÜR LEHRLINGE!

GLEICHZEITIGE TARIFVERHANDLUNGEN FÜR LEHRLINGE, ARBEITER UND ANGESTELLTE!"
Q: Rote Fahne Nr.30,Berlin 19.11.1971,S. 2 und 9; Kommunistische Arbeiterpresse AEG Telefunken Nr. 28, Berlin Nov. 1971

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