Chilesolidarität im Saarland

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 16.1.2014

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Aus dem Saarland werden hier derzeit nur wenige Dokumente und Hinweise zur Chilesolidarität erschlossen (wir bitten um Ergänzungen), wobei die Berichterstattung in der linken Presse des Saarlands, nach unserer wie immer unvollständigen Quellenauswertung, erst mit dem Putsch 1973 beginnt.

Es berichten so einerseits die Anhänger des Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschland (KABD - vgl. Sept. 1973, 8.10.1973) bzw. die Bezirke Saar von RJVD und KBAD, die sich auch der überfraktionellen Protestdemonstration in Saarbrücken anschließen (vgl. 3.11.1973), und in Neunkirchen in einem Chilekomitee mitarbeiten (vgl. Apr. 1974), und andererseits die Rote-Fahne-Organisation (RFO) Saarland in ihren Betriebszeitungen, der 'Roten Fahne' für Röchling Völklingen (vgl. Feb. 1974, 2.9.1974, 10.9.1974), die sich in der Chile-Aktionseinheit Völklingen engagiert (vgl. 11.9.1974) und der 'Roten Fahne' im Saarbergbau (vgl. 16.8.1974).

Aktiv in der Chilesolidarität ist auch der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW) mit seiner Sympathisantengruppe Saarbrücken, die im Chile-Komitee Saarbrücken (vgl. 7.9.1974, 14.9.1974, Okt. 1974, Apr. 1975) mitarbeitet, an dem sich auch die RFO beteiligt sowie vermutlich auch die Gruppe Internationaler Marxisten (GIM).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

September 1973:
Die Ortsgruppe Völklingen des RJVD gibt ihre Berufsschulzeitung 'Der Flitzer' Nr. 9 für September (vgl. Aug. 1973, Sept. 1973) heraus mit dem Leitartikel "Nach Indochina: US-Imperialismus gibt immer noch nicht auf" zu Chile und Kambodscha.
Quelle: Der Flitzer Nr. 9, Völklingen Sept. 1973, S. 1f

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08.10.1973:
Die RJVD-Bezirksleitung Saar verschickt Materialien zum Nahostkrieg, die sofort an alle Genossen verteilt und in den Zellen gründlich diskutiert werden sollen. Im einleitenden Schreiben dazu heißt es auch:"
Unsere Agitation zum Nahost-Krieg ist viel schwerer als zu Indochina oder Chile, weil die Informationen (auch bei Genossen) viel geringer sind, weil sehr viele Sympathien bei fortschrittlichen Kollegen bestehen, da die Juden im dritten Reich verfolgt wurden und weil durch die Terrorakte arabischer Anarchisten (München) eine breite Stimmung gegen die arabischen Völker geschaffen haben. Das darf uns auf keinen Fall davon abhalten entschieden zu dem gerechten Kampf der arabischen Völker Stellung zu nehmen. Es gilt vor allem aufzuzeigen, daß der Kampf in Indochina, in Chile, im Nahen Osten und der Kampf aller Befreiungsbewegungen eine Einheit bildet. Es ist der Kampf um die nationale und letztlich auch soziale Befreiung, der sich vor allem gegen die imperialistischen Supermächte richtet."
Q: RJVD-Bezirksleitung Saar: Liebe Genossen!, O. O. 8.10.1973

03.11.1973:
In Saarbrücken beteiligen sich, laut und mit RJVD, rund 2 000 Menschen an einer Chile-Demonstration. Aufgerufen hatten konfessionelle Verbände, der Juso-Landesverband, die Jungdemokraten, die DKP, Gewerkschaftsgruppen sowie KABD und RJVD im eigenen Block, da die DKP die Einheit verweigert habe.

Laut RJVD-Bezirksleitung Saar (vgl. Apr. 1974) waren es über 2 000.
Q: Rebell Nr. 12, Tübingen Dez. 1973, S. 11; RJVD-Bezirk Saar: Rechenschaftsbericht der Bezirksleitung, O. O. o. J. (1974), S. 6

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Februar 1974:
Die Rote Fahne Organisation (RFO) Saarland gibt bei Röchling Völklingen eine 'Rote Fahne' (vgl. 26.10.1973, Mai 1974) heraus mit dem Artikel "Terror und Verelendung" zu Chile.
Q: Rote Fahne - Röchling Weniger als vorher!, Völklingen Feb. 1974, S. 3f

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April 1974:
Vermutlich im April erscheint das 'Rote Signal' der MLSG des KABD Nr. 3/4 für März und April (vgl. Feb. 1974). Aus Neunkirchen wird berichtet von der Chilesolidarität, wobei zwei Filme vorgestellt werden.
Q: Rotes Signal Nr. 3/4, Erlangen März/Apr. 1974, S. 28

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April 1974:
Zum 2. Bezirksdelegiertentag des RJVD Saar heißt es im "Rechenschaftsbericht der Bezirksleitung" auch:"
Im September erschreckte uns alle eine Nachricht: In Chile wurde die Regierung Allende gestürzt und ein faschistisches Regime wurde errichtet. Tausende von Arbeitern und fortschrittliche Menschen mußten ihr Leben lassen. Uns wurde wieder klar vor Augen geführt, daß der US-Imperialismus nichts von seiner Volksfeindlichkeit verloren hat. Aber auch eine andere Erkenntnis von uns Kommunisten wurde bestätigt: Die Kapitalisten verzichten nicht freiwillig auf ihre Macht. Sie sind zu allem bereit, um ihre Macht aufrecht zu erhalten. Das chilenische Volk mußte den Revisionismus seiner Führer mit Blut bezahlen. In den Zellen wurde die Frage des friedlichen Wegs diskutiert. Wir beteiligten uns an einer machtvollen Aktionseinheit für den Kampf des chilenischen Volks. Über 2 000 Menschen demonstrierten in Saarbrücken (vgl. 3.11.1973, d. Vf.). Doch nach der Demonstration war unsere Solidarität für das chilenische Volk nicht beendet. Schon vor der Demonstration wurden in Neunkirchen, Völklingen und Saarbrücken Veranstaltungen zu Chile durchgeführt. Nach der Demonstration wurde das Chile-Komitee in Neunkirchen weitergeführt, in dem auch der RJVD mitarbeitet. Dieses Komitee führte bereits einige Veranstaltungen durch und verbreitet eine selbst hergestellte Broschüre."
Q: RJVD-Bezirk Saar: Rechenschaftsbericht der Bezirksleitung, O. O. o. J. (1974), S. 6

16.08.1974:
Die Sozialistische Betriebsgruppe Saarberg bzw. die Rote Fahne Organisation (RFO) Saarland geben die 'Rote Fahne' für die Gruben Reden und Maybach (vgl. 9.8.1974, Okt. 1974) heraus mit dem Artikel "11. September 1974. 1 Jahr Militärdiktatur in Chile" wobei aufgerufen wird zur Demonstration in Frankfurt und zur Mitarbeit im Chile-Komitee Saarbrücken.
Q: Rote Fahne - Reden und Maybach Der Lohn für die Murkserei!, Völklingen 16.8.1974, S. 4

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02.09.1974:
Die Rote Fahne Organisation (RFO) Saarland gibt bei Röchling Völklingen vermutlich bereits in dieser Woche eine auf September datierte 'Rote Fahne' (vgl. 11.6.1974, 10.9.1974) heraus mit dem Artikel "11. September 1974. 1 Jahr Militärdiktatur in Chile", in dem zur Chiledemonstration in Frankfurt (vgl. 14.9.1974) aufgerufen wird. Zu dieser Demonstration rufe auch das Chile-Komitee Saarbrücken auf, welches sich in der ESG, Saarbrücken Waldhausweg 7, treffe.
Q: Rote Fahne - Röchling Wir sollen uns zurückhalten!, Völklingen Sept. 1974, S. 5f

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07.09.1974:
Laut KBW (vgl. 24.7.1974) soll auf Initiative des Komitees Solidarität mit Chile, eine Chile-Woche vom 7.9. bis 14.9.1974 durchgeführt werden. Ein "Aufruf zur Chile-Solidarität" ist unterzeichnet von den Chile Komitees Aachen, Berlin, Bochum, Bremen, Düsseldorf, Esslingen, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Heidelberg, Kiel, Köln, Frankfurt, Saarbrücken, Wolfsburg, vom Chile Aktiv Göttingen, KELA Frankfurt und FOLA München.
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 15, Mannheim 24.7.1974, S. 16

10.09.1974:
Die Rote Fahne Organisation (RFO) Saarland gibt bei Röchling Völklingen eine 'Rote Fahne' (vgl. 2.9.1974, 30.9.1974) heraus mit dem Artikel "Chiles Mörder ist das Kapital!", wobei auch über die Völklinger Chile-Solidarität (vgl. 11.9.1974) berichtet wird.
Q: Rote Fahne - Röchling Unternehmer-Argument: Arbeiter fordert wenig Lohn, die Steuerreform bringt Euch mehr Geld!, Völklingen 10.9.1974, S. 3f

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11.09.1974:
In Völklingen will die Aktionseinheit Chile-Solidarität, laut und mit RFO Saarland, einen Infostand gegenüber dem alten Rathaus durchführen.
Q: Rote Fahne - Röchling nternehmer-Argument: Arbeiter fordert wenig Lohn, die Steuerreform bringt Euch mehr Geld!, Völklingen 10.9.1974, S. 4

14.09.1974:
Zum Abschluß der bundesweiten Chile-Woche ab 7.9.1974 findet heute in Frankfurt eine bundesweite Demonstration zum Jahrestags des Putsches statt.
Auch das Chile-Komitee Saarbrücken unterstützt, laut und mit RFO, die Demonstration.
Q: Rote Fahne - Röchling Wir sollen uns zurückhalten!, Völklingen Sept. 1974; Rote Fahne - Reden/Maybach, Völklingen 16.8.1974

30.09.1974:
Die Rote Fahne Organisation (RFO) Saarland gibt bei Röchling Völklingen eine 'Rote Fahne' (vgl. 10.9.1974, 5.11.1974) heraus mit den Artikeln "Wir sind keine Chilenen!" zur Chile-Solidaritätswoche und dem "Vorschlag eines Berliner Kollegen" zu einer Kampagne "Ein Stundenlohn für Chile".
Q: Rote Fahne - Röchling Röchling: Vati gehört am Wochenende uns!, Völklingen 30.9.1974, S. 3f

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Oktober 1974:
Es erscheint die Broschüre "Politischer Bericht der Sympathisantengruppe des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) Saarbrücken" mit dem Entwurf des Politischen Berichts. Im Abschnitt "Falsche Entwicklungen in der Gruppe" geht es um den Austritt von zwei Genossen, es wird aber auch berichtet von der "totalen Unlust vieler Genossen, irgendeine - sei es auch nur eine kleine - Aufgabe anzupacken: Protokolle werden nicht mehr regelmäßig geschrieben, übernommene Aufträge werden nicht ausgeführt, die Arbeit im Chilekomitee wird stark vernachlässigt, um nur einige Beispiele zu nennen.
Welche Ursache sind hiefür maßgebend? Ich denke, es gibt drei wesentliche Gründe für diesen Zustand.
1. Die Genossen, die mit einer bestimmten Arbeit beauftragt waren, wurden bei dieser Arbeit allein gelassen. Es wurden keine politischen Richtlinien für diese Arbeit festgelegt, und die bei der Arbeit auftretenden ideologischen Schwierigkeiten wurden nicht diskutiert. Das eklatanteste Beispiel dafür ist die Arbeit im Chile-Komitee; die dafür verantwortliche Genossin wurde dort mit trotzkistischen und spontaneistischen Auffassungen konfrontiert, sie konnte aber keinen Rückhalt in der Gruppe finden. Dies hat dazu geführt, daß die Genossin mittlerweile einige Zweifel an der Notwendigkeit einer demokratisch-zentralistischen Kaderorganisation hat. Desweiteren wurde die relative Erfolglosigkeit der Chile-Arbeit hier in Saarbrücken nicht diskutiert, die Genossin wurde mit ihrer Frustration allein gelassen, was sicher ein wichtiger Grund dafür ist, daß die Genossin in der folgenden Zeit die Chilearbeit ziemlich vernachlässigt hat."

Im Abschnitt "Welche Aufgaben müssen wir in der nächsten Zeit anpacken?" heißt es: "Auch die Arbeit im Saarbrücker Chile-Komitee muß fortgesetzt werden. Wenn wir diese Arbeit nicht weiterführen, wird das Komitee sehr wahrscheinlich auseinanderfallen; andererseits ist die Solidaritätsarbeit eine sehr wichtige Sache, und mit ihr können Menschen angesprochen werden, die wir anders nur sehr schwer erreichen können. Durch die bisherige Arbeit im Chilekomitee ist es uns gelungen, mindestens zwei oder drei Menschen für unsere Anschauungen zu gewinnen, zumindest was Chile betrifft, und man kann erwarten, daß sich dies fortsetzen wird."
Q: Politischer Bericht der Sympathisantengruppe des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) Saarbrücken, Saarbrücken Okt. 1974, S. 12ff

April 1975:
Es erscheint die Broschüre "Politischer Bericht der Sympathisantengruppe Saarbrücken des Kommunistischen Bundes Westdeutschland KBW November 1974 bis März 1975". Im Abschnitt "Unser Eingreifen in die bestehenden Widersprüche: einige Punkte und 'Kampagnen' bei unserer politischen Arbeit" heißt es auch:"
Die Arbeit im Chile-Komitee

Die Arbeit im Chile-Komitee haben wir, wenigstens ansatzweise, in unserer Gruppe diskutiert. Gut war, daß praktisch alle Genossen sich an der Sammelaktion des Chilekomitees zur Unterstützung des chilenischen Widerstandes vor Weihnachten beteiligt haben. Diese Sammelaktion war im Übrigen ein großer Erfolg: es kamen 1 200,- DM zusammen. Außerdem haben einzelne Genossen sich aktiv an der Durchführung der Film-Aktion des Chile-Komitees beteiligt (Dabei wurde ein Film über die Entwicklung in Chile in verschiedenen Jugendzentren und Jugendgruppen im Saarland vorgeführt, mit anschließender Diskussion. Diese Veranstaltungsreihe war auf unsere Initiative hin zustande gekommen)"

Im Abschnitt "Arbeitsbereiche" heißt es auch:"
Chile-Komitee

Die Arbeit im Chile-Komitee ist von einem anderen Genossen fortgesetzt worden. Wir haben in der Gruppe ansatzweise über diese Arbeit diskutiert, es darf aber nicht bei einer einmaligen Diskussion dieses Problems bleiben, sondern es müssen regelmäßige Berichte über die Entwicklung der Komiteearbeit angefertigt werden und wo nötig, müssen auftretende Schwierigkeiten diskutiert und Fehler korrigiert werden. Die Einschätzung im letzten Politischen Bericht, daß das Komitee wohl auseinanderfallen wird, wenn wir die Arbeit in ihm nicht fortsetzen, war wahrscheinlich falsch. Das Komitee arbeitet durchaus auch ohne unseren Genossen weiter. Die Frage ist nur, in welche Richtung sich dann diese Arbeit entwickelt. Wir müssen die Arbeit im Chile-Komitee sorgfältig weiterführen; die Ausgangsbedingungen dafür, daß wir eine Reihe von Menschen für unsere Linie in Bezug auf Chile gewinnen, sind günstig."
Q: Politischer Bericht der Sympathisantengruppe Saarbrücken des Kommunistischen Bundes Westdeutschland KBW November 1974 bis März 1975, Saarbrücken Apr. 1975, S. 4f und 8

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