22. Juni 1972 - Gesetz zur Einführung der Vorbeugehaft für Wiederholungstäter, Gesetz über den Bundesgrenzschutz, Gesetz über den Verfassungsschutz, Waffengesetz

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 22.6.2012

Das am 22. Juni 1972 verabschiedete Gesetzespaket wurden zwar von den linken Gruppen vielfach mit den Notstandsgesetzen der 1960er Jahre gleichgesetzt, die Proteste dagegen allerdings erreichten im Gegensatz zu den Aktionen in den 1960er Jahren kaum Bedeutung, waren diese Gesetzesänderungen doch nur eine der vielen Maßnahmen der Brandt-Scheel-Regierung zur Stärkung der 'Inneren Sicherheit' und dem Abbau der demokratischen Rechte, die vor allem mit der Verfolgung der Roten Armee Fraktion (RAF) begründet wurden.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

22.06.1972:
Der Bundestag verabschiedet Gesetze zur "Inneren Sicherheit": Gesetze zur Einführung der Vorbeugehaft für Wiederholungstäter, Gesetz über den Bundesgrenzschutz (BGS - vgl. 19.1.1972), Gesetz über den Verfassungsschutz, Waffengesetz. Diese werden oft als neue 'Notstandsgesetze' (NSG - vgl. 30.5.1968) bezeichnet.

Laut KPD/ML-ZB besagen die Gesetze im einzelnen:

- Vorbeugehaftgesetz: Danach können Täter und Tätergruppen nach einmaliger Verurteilung jederzeit ohne richterliches Urteil bis zu einem Jahr in Vorbeugehaft genommen werden,

- Bundesverfassungsschutzgesetz: Die Verfassungsschutzämter können künftig auch zum Schutz der Sicherheit des Bundes oder eines Landes aktiv werden. Die Vorschriften beziehen sich nun auch auf Ausländergruppen in der 'BRD', die durch Gewalthandlungen die Belange der 'BRD' gefährden, wie auf Deutsche, die etwa zur Unterstützung gewalttätiger Bewegungen im Ausland in der 'BRD' Geld sammeln,

- Bundesgrenzschutzgesetz: Danach ist der BGS jetzt auch offiziell als Bundespolizeireserve einzusetzen, die umfassende Vollmachten hat,

- Waffengesetz: Danach kann jetzt jeder eine Waffe erwerben, wenn die Person als zuverlässig gilt, sie vorsichtig und sachgemäß mit der Waffe umgeht. Der Waffenbesitz für loyale Kräfte wird ermöglicht und ihre Bewaffnung zusätzlich zur staatlichen Macht offengehalten. Sie bedeuten, laut KPD/ML-ZB, in Konsequenz, daß die Bonner Verfassung immer mehr zu einer reinen Notstandsverfassung wird.

Die Rote Hilfe (RH) e.V. der KPD berichtet:"
Am 22.6. wird im Bundestag das Programm zur 'Inneren Sicherheit' durchgepeitscht, das den Aufbau und die Zentralisierung des staatlichen Gewaltapparates rechtlich absichert. Direktmaßnahmen dieses Kataloges sind: Erweiterung der Polizei um 15 000 Mann, der zentralen Polizeitruppen (BGS, Bundeskriminalamt) um 3 000 Mann. Die Mehrkosten betragen bis 1975 ca 5,5 Mrd. DM.

Als flankierende Maßnahmen werden vier Gesetze verabschiedet:
- Der BGS wird, nun auch gesetzlich verankert, zur Bundeselitepolizei. Er besitzt gegenüber der normalen Polizei für die Bourgeoisie wesentliche Vorteile. Er ist eine ideologisch gefestigte Elitetruppe. Er ist militärisch ausgerüstet, ausgebildet und besitzt eine militärische Befehlsstruktur. Zwar ist er für polizeiliche Einsätze ungeeignet, dafür eignet er sich hervorragend als Bürgerkriegsarmee. Auf Grund seiner Ausrüstung mit Kampfhubschraubern und Panzerfahrzeugen ist er überall schnell einsetzbar. …
- Durch die Änderung der Strafprozeßordnung (StPO,d.Vf.) wird die Vorbeugehaft eingeführt.
- Das Waffengesetz regelt die gesetzliche Absicherung und Ausweitung des staatlichen Gewaltmonopols.
- Die Kompetenzen des Verfassungschutzes werden erweitert, vor allem gegenüber Ausländern.

Der Staatsapparat ist damit für die Aufgaben gerüstet, die die Bourgeoisie an ihn stellt."

Die Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund (vgl. 12.10.1972) berichten, "daß folgende Gesetze verabschiedet wurden:
- das BGS-Gesetz, daß den Bundesgrenzschutz zu einer Bundespolizei macht, die auf Antrag der einzelnen Länder jederzeit 'zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung' zur Unterstützung der Länderpolizeien angefordert werden kann
- die Einführung der Vorbeugehaft, die sich gegen 'Serientäter' wendet, unter die sicherlich auch die Menschen fallen, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung nicht aufhören werden, gegen den BRD-Imperialismus zu kämpfen
- das Gesetz zur Änderung des Waffenrechts, durch daß das staatliche Waffenmonopol erhalten und ausgebaut werden soll
- das Gesetz zum Ausbau des Verfassungsschutzes, mit dem noch mehr 'legale' Möglichkeiten der Überwachung, Bespitzelung, Verfolgung fortschrittlicher und revolutionärer Menschen und Organisationen geschaffen werden."

Berichtet wird auch durch die KPD (vgl. 24.3.1972, 14.6.1972, 26.6.1972), die MLSG (vgl. Juli 1972), durch das Nationale Vietnamkomitee (NVK) der LgdI der KPD anläßlich der Olympiade (vgl. 21.8.1972), im Deutschen Bundestag (vgl. 13.3.1975) und in:
- Baden-Württemberg durch den Südwestdeutschen Referendarverband - Vereinigung der Gerichtsreferendare in Baden-Württemberg (vgl. 2.5.1972) den Bund Kommunistischer Arbeiter (BKA) Freiburg und die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg (vgl. 12.4.1972) sowie durch die KG (NRF) (vgl. 3.10.1972) in einem Bericht über die DKP (vgl. Sept. 1972) und durch den BKA Freiburg (vgl. 20.4.1972);
- Bayern durch KHB/ML und RSF (vgl. Juli 1972);
- Berlin durch eine Aktionseinheit (vgl. 1.7.1972) und durch die KPD/ML-ZB (vgl. 19.6.1972, 21.6.1972, 28.6.1972);
- Bremen durch den Kommunistischen Bund Bremen (KBB - vgl. 3.4.1972);
- Hamburg durch die Marxistisch-Leninistische Organisation zum Parteiaufbau (MLOzP - vgl. Juli 1972);
- Niedersachen in Göttingen durch die Zelle Jura des KSB (vgl. 7.7.1972) und in Hannover durch die RJ/ML des KABD (vgl. Okt. 1972);
- NRW durch das KPD-RK (vgl. 24.1.1977), in Bielefeld von der KPD (vgl. 26.5.1975), in Bochum von den Marxisten-Leninisten (ML) Bochum (vgl. März 1973) und im IGM-Bereich auf einer Veranstaltung zu Opel (vgl. 17.10.1972), in Dortmund im IGM-Bereich bei Hoesch von der KPD/ML-ZB (vgl. 20.6.1972, 22.6.1972, 9.8.1972) und der KPD (vgl. 22.6.1972), im IGBE-Bereich durch die KPD/ML-ZB (vgl. 19.6.1972), vom KJVD der KPD/ML-ZB bei Minister Stein/Hardenberg (IGBE-Bereich - vgl. 21.8.1972), von der GEW-AG an der PH (vgl. 22.1.1973), dem Vorbereitenden Komitee Dortmunder Hochschulen Kampf dem Ausländergesetz und der politischen Unterdrückung (vgl. 4.9.1972), dem Vorbereitenden Komitee Huckarde Kampf dem Ausländergesetz und der politischen Unterdrückung (vgl. 4.9.1972), dem AStA der PH (vgl. 22.6.1972, 26.6.1972, 16.10.1972, 13.11.1972, 12.2.1973, 9.4.1973) bzw. der dortigen Studentenkonferenz (SK - vgl. 21.6.1972) und den Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund (vgl. 31.7.1972, 16.10.1972, 25.10.1972, 13.11.1972) und in Köln durch die Conföderation Iranischer Studenten/National Union (CISNU) auf einem Kongreß gegen die Ausländergesetze (vgl. 15.11.1972).
Quellen: AStA PH Dortmund:AStA-Information Gegen die Bonner Notstandsgesetze und Nr. 13,Dortmund o.J. (Juni 1972) bzw. o.J. (Juni 1972),S.1ff bzw. S.2; Arbeiter-Zeitung Extrablatt und Nr. 8,Mannheim/Heidelberg 12.4.1972 bzw. Okt. 1972,S.2 bzw. S.2;Dem Volke dienen Nr. 3,Dortmund 22.11.1972,S.4;DOS Sdr.Nr. Einführung in das PH-Studium, Nr. 15, Extra Nr. 1 und Extra Sdr.Nr. Einführung in das PH-Studium Ergänzung SS 73,Dortmund o.J. (1972), o.J. (13.11.1972), o.J. (1973) bzw. o.J. (Apr. 1973),S.36, S.3, S.4 bzw. S.7;Vorbereitendes Komitee Dortmund Kampf dem Ausländergesetz und der politischen Unterdrückung:Solidarität mit dem Kampf der OPEL-Arbeiter,Dortmund o.J. (Okt. 1972),S.1;Vorbereitendes Komitee Dortmunder Hochschulen Kampf dem Ausländergesetz und der politischen Unterdrückung:Aufruf zum Kampf gegen das reaktionäre Ausländergesetz,Dortmund o.J. (1972),S.2;Vorbereitendes Komitee Huckarde:Kampf dem Ausländergesetz und der politischen Unterdrückung:Aufruf zum Kampf gegen das reaktionäre Ausländergesetz,Dortmund o.J. (Sept. 1972),S.1ff;Wahrheit Nr. 3,Bremen Apr. 1972,S.3;KPD-Büro Bielefeld:Wen schützt die Polizei?,Bielefeld o.J. (Mai 1975),S.1;KPD-RK NRW: Fünf Jahre Radikalenerlaß,Dortmund o.J. (Jan. 1977),S.1;KPD/ML-ZB, KJVD, OGML, PEF, KSG, SGdKB, SGK:Aufruf zur Demonstration Kampf dem Bonner Notstandskurs,Berlin o.J. (Juni 1972),S.1;KPD/ML-ZB: Extrablatt der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten,Berlin 19.6.1972, 21.6.1972 bzw. 28.6.1972,S.2, S.1f bzw. S.1;ML Bochum: Schlag zu und schon geht es los. Die KPD/ML und der Klassenkampf in der BRD,Bochum o.J. (1973),S.17;NVK:Olympiaillustrierte,Bonn o.J. (1972),S.3;Jugend-Rutsche Mißlungene Jugendversammlung? - Aus Fehlern lernen!,Dortmund o.J. (Aug. 1972),S.5;Rutsche Prämienpunktsystem? Nein!,Dortmund o.J. (Okt. 1972),S.4;Rote Hilfe Nr. 1,Dortmund o.J. (1973),S.9;Rote Fahne Nr. 39, 47, 50 und 18,Dortmund 24.3.1972, 14.6.1972, 5.7.1972 bzw. 2.5.1973,S.2, S.1 und 3, S.5 bzw. S.2;Die Rote Front Nr. 1, Extra Polizei verhaftet 5 Streikposten bei Opel-Bochum!, Nr. 2 und 3,Dortmund Okt. 1972, Okt. 1972, Okt. 1972 bzw. Nov. 1972, S.5, S.2, S.2 und 12 bzw. S.5;Rote Robe Nr. 2, Heidelberg 2.5.1972, S. 61ff;Rotes Signal Nr. 6,Erlangen Juli 1972,S.4f und 15f;Klassenkampf Extrablatt und Nr. 20, Freiburg 12.4.1972 bzw. 20.4.1972,S.2 bzw. S.4;Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 43,Bochum 28.6.1972,S.*;Kommunistische Studentenzeitung Nr. 8, München Juli 1972, S. 1 und 9ff;MLOzP: Bundestag macht den Faschismus zur Grundlage der 'freiheitlich-demokratischen Grundordnung', Hamburg o. J. (1972);Rote Juristenzeitung Nr. 5,Göttingen 7.7.1972,S.1ff;Rote Presse Korrespondenz Nr. 9/10,Berlin *** 1972,S.22;Roter Berufsschüler Nr. 1,Hannover Okt. 1972,S.3;Das Rote Schwungrad Kollegen, Genossen! Weg mit dem Vorbeugehaftgesetz und Kein Stillhalten bis 1973! und Der Kampf um höhere Löhne in der Tarifrunde,Dortmund o.J. (Juni 1972), o.J. (Aug. 1972) bzw. o.J. (Okt. 1972),S.1ff, S.4 bzw. S.6;Die Rote Westfalenwalze Kollegen, Genossen! Weg mit dem Vorbeugehaftgesetz,Dortmund o.J. (Juni 1972),S.1ff;Das Rote Schwungrad/Die Rote Westfalenwalze Bundesgrenzschutz darf auf Streikende schießen,Dortmund o.J. (Juni 1972),S.1;Extrablatt der RAG-Betriebsgruppen der KPD/ML Jetzt reicht's - Urabstimmung und Streik!,Bochum o.J. (19.6.1972),S.1f;Klassenkampf und Programm Nr. 1,Dortmund Dez. 1972,S.30ff;Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Westfalenhütte Nr. 14,Dortmund 22.6.1972,S.6;GEW-AG:Politische Disziplinierung in der BRD,o.O. (Dortmund) o.J. (1973),S.2;N.N. (ML Dortmund):Plattform für den Kampf gegen das Ausländergesetz und die politische Unterdrückung,o.O. (Dortmund) o.J. (1972),S.1ff;Der Bundesminister des Innern teilt mit,Bonn 13.3.1975,S.15

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