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Zur Geschichte der KPD/ML-Zentralbüro

Kapitel 30

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen


30: Die Auflösungsphase

Die schlichte, harte Tatsache, dass die „Reorganisation“ nicht reorganisieren konnte, und die Illegalität, die mitunter als Selbstreinigung verstanden worden war, nur noch in einer improvisierten Form der Domestizierung bestand, um den offenen Konflikt zu meiden, brachte die praktische Sprengung zwischen den Führungskadern und den Manövriermassen hervor. Mit der Einsetzung der PPL und der KK fand kein Umbruchprozess statt. Sie signalisierten vielmehr, dass das Rest-ZB einer weiteren Führungsclique den Weg ebnen sollte. Es war auch eine Illusion, zu glauben, dass ein neuer zu beschreitender Weg eine Lösung hervorbringen könne. Zumindest nahm das die PPL an, die noch vollmundig in einem Papier vom 26.1.1973 die „Ursachen der Fehler des ZB“ beschreiben zu gedachte und sich um eine „Konsolidierung“ der Parteirestbestände bemühte. (1)

Das sollte auch ein neues Gremium leisten. Am 28.1.1973 fand in NRW eine Landesfunktionärskonferenz statt (LFK) statt, die zur Vorbereitung einer Landesdelegiertenkonferenz am 3./4.2.1973 dienen sollte. (2) Die Lager waren hier schon nicht mehr überschaubar. Wer Spitzel war, Trotzkist, Versöhnler, Rechtsopportunist, Liquidator, Menschewist oder Kapitulant, wer einer Minderheitsposition zugehörte, sich gar mit einer (zusammengezimmerten) Mehrheitsposition anfreunden konnte, war obsolet geworden. Insofern war eine „Untersuchungskommission“, die auf der LDK ins Leben gerufen werden sollte, nichts anderes als eine Wiederholung des Dickhutschen LKK-Konzeptes aus der Anfangsphase des ZB. Der „Kampf gegen die ZB-Clique“ sollte vom „Klassenstandpunkt“ aus geführt werden.

Die Debatte um einen richtigen „proletarischen Kurs“ schien erneut zu beginnen. Die Gegensätze waren allerdings die gleichen wie 1970: Spontaneität und bewusstes Element, Massen und Avantgarde, Praxis oder Theorie, Führer und Geführte. Offenkundig war, dass sie zu demagogischen Zwecken missbraucht wurden. Eine Konvergenz gab es nicht. Das Provisorische Landessekretariat NRW stand in heftiger Fehde mit dem LV Baden Württemberg, der auch ein Mitglied der PPL stellte. Dieser wiederum teilte nicht den Standpunkt der Westberliner, die immer noch von „richtigen Grundlagen“ des ZB sprachen. Eine Landesdelegiertenkonferenz in Hessen vom 26.1.1973 meinte, dass sich mit der Entfaltung der „Massenkritik“, die als wichtige Voraussetzung für die Behebung der Krise“ angegeben wurde, ein „neues proletarisches Zentrum“ herauskristallisieren ließe. (3)

Das entscheidende Treibmittel für die schon böswilligen Anfeindungen dürfte die fundamentale Veränderung des Tons und des Klimas in der KPD/ML gewesen sein. Aufruf aus Wetzlar und Marburg an alle Marxisten_Leninisten in der Gruppe Rote Fahne Bochum zur Einheit in der KPD/ML (Roter Morgen) Die aggressiven Abwehrmittel gegen die „Konterrevolution in den eigenen Reihen“ erreichten nicht selten die Form von Handgreiflichkeiten in den Versammlungen. Daran waren die Vertreter des „Roten Morgen“ auch immer wieder beteiligt, die sich u.a. durch eingeschleuste „Beauftragte“ das Rederecht sicherten. Die KPD/ML-ZK brachte laufend Sonderausgaben des „Roten Morgen“ heraus, die sich mit der „richtigen Linie“ beim Parteiaufbau beschäftigten, und den „Revisionismus“ und das „Liquidatorentum“ des ZB zu geißeln verstanden. So waren im „Roten Morgen“, Nr. 3/1973, vom 27.1.1973 Ergebenheitserklärungen ehemaliger Abtrünniger zu lesen. Aus Hessen erklärte die OG Wetzlar der KPD/ML-ZB, des KJVD und der Stützpunkt Marburg der KPD/ML-ZB, dass sie sich der KPD/ML-ZK „angeschlossen“ hätten. (4)

Ein Aufruf der KPD/ML-ZK an die KPD/ML-ZB vom 5.2.1973 hatte den Wortlaut:

„AN DIE PROVOSORISCHE POLITISCHE LEITUNG (PPL) DER GRUPPE ROTE FAHNE BOCHUM: AUFRUF ZUR EINHEIT DER MARXISTEN-LENINISTEN IN DER KPD/ML

Gegenwärtig gewinnt der Kampf um die Einheit der wirklichen Marxisten-Leninisten in einer einheitlichen Partei besondere Bedeutung. Die ZB-Organisation, die aus der Abspaltung von unserer Partei im Frühjahr 1970 entstanden ist, zerfällt. Es besteht die Möglichkeit und die große Aufgabe für uns, den Kampf um die Einheit der Marxisten-Leninisten in der KPD/ML entscheidend voranzutreiben. Viele Genossen Eurer Organisation haben bereits im praktischen und theoretischen Kampf gegen die revisionistische Linie im alten Zentralbüro erkannt, dass letzten Endes das Eindringen des modernen Revisionismus in die marxistisch-leninistische Bewegung Ursache für die Zersplitterung und Spaltung unserer Kräfte ist. Ein Teil von ihnen hat den Schritt in die Reihen der KPD/ML gemacht, in die Partei, die in der revolutionären Bewegung entstanden ist.

Die KPD/ML hat im ständigen Kampf gegen den modernen Revisionismus nicht nur die Stärkung und Festigung ihrer eigenen Reihen vorangetrieben, sondern dadurch auch den entscheidenden Beitrag für die Einheit der Marxisten-Leninisten geleistet. Jetzt kommt es darauf an, in prinzipienfester Klärung der uns noch trennenden Fragen den Weg zur Einheit in der KPD/ML zu gehen. Dem Zirkelwesen und allen Kräften, die objektiv mit ihrem Spaltertum nur dem Klassenfeind nutzen, muss ein kräftiger Schlag versetzt werden. Darum wenden wir uns mit diesem Aufruf an Euch: Lasst nicht zu, dass unter dem Deckmantel einiger 'Korrekturen' an der neorevisionistischen Linie des alten ZB, eine Spalterorganisation wiederbelebt wird! Lasst nicht zu, dass liquidatorische Kräfte viele aufrichtige Genossen in die Arme der offenen Revisionisten, zurück ins Zirkelwesen oder ins 'Privatleben' treiben können. Kämpfen wir um jeden aufrichtigen Genossen für die marxistisch-leninistische Partei, die KPD/ML! Die bolschewistische Partei ist stärker als alle Liquidatoren.

Genossen, die KPD/ML hat von ihrem II. Parteitag im Sommer 1972 den Auftrag erhalten, den Kampf um die Einheit der Marxisten-Leninisten in ihren Reihen offensiver und ernsthafter als zuvor zu führen. Das war nur möglich unter selbstkritischer Zurückweisung eigener Fehler der Partei, die diesem Kampf geschadet haben. In der Selbstkritik des 1. ZK, nach der Verjagung der Revisionisten und Liquidatoren aus der Partei und auf dem II. Parteitag wurden schwere Fehler in der Plattform vom Frühjahr 1970 aufgedeckt. Die gesamte Partei hat in einer breiten Diskussion 'linke' und rechte Abweichungen analysiert und weitgehend überwunden. Die Partei hat dabei besonders auch den liquidatorischen Standpunkt des Parteiaufbaus und des Kampfes um die Einheit losgelöst vom Klassenkampf zurückgewiesen. Innerhalb der Aufgaben, die uns der Klassenkampf, die Arbeiterbewegung stellen, müssen diese Fragen gesehen werden. Die Richtigkeit dieser Linie hat sich im Kampf gegen die liquidatorischen und 'links'-sektiererischen Überreste aus der Vergangenheit der Partei erwiesen. Das Prinzip Parteiaufbau und Einheit der Marxisten-Leninisten innerhalb des Klassenkampfes anzugehen, gilt genauso für den Kampf um die Einheit mit Euch, Genossen.

Allerdings wurden hierbei auf der anderen Seite von uns Fehler gemacht. Die momentane Bedeutung des Kampfes für die Einheit wurde unterschätzt. Die ideologische Auseinandersetzung mit der Linie des alten ZB wurde zwar von unserem Zentralorgan 'Roter Morgen' so intensiv wie nie geführt, die Ausrichtung der gesamten Partei auf die Überwindung sektiererischen Herangehens in der Frage der Einheit jedoch nicht genügend bzw. rechtzeitig betrieben. Mit diesem Aufruf, der auch an alle Genossen unserer Partei geht, nehmen wir gleichzeitig den Kampf gegen sektiererische und überhebliche Haltungen gegenüber Genossen anderer marxistisch-leninistischer Organisationen auf. Wir schlagen folgendes vor:

Veröffentlicht diesen Aufruf in Eurer Organisation. Macht Euren Genossen den 'Roten Morgen' zugänglich. In einer Beilage zum 'Roten Morgen' Nr. 5 legen wir nochmals unsere Vorstellungen vom Weg der Einheit dar. Setzen wir uns in allen Orten und auf allen Ebenen zusammen. Klären wir in sachlicher und solidarischer Diskussion die prinzipiellen Fragen, die uns noch trennen. Kämpfen wir für die Einheit aller Marxisten-Leninisten in der KPD/ML! Für eine starke bolschewisische Partei des Proletariats! Nieder mit dem modernen Revisionismus und dem Trotzkismus in allen Schattierungen! Für die proletarische Revolution!“ (5)

Die „Einheit der Marxisten-Leninisten“, der Schlachtruf der KPD/ML-ZK, wie nachzulesen, war von besonderer Güte. Das Fraktionieren, Spalten, Ausschließen und Anschließen gehörte seit Bestehen zu ihrer eigentlichen Konfrontationsstellung. Aufrufe zur Einheit der Marxisten_Leninisten in der KPD/ML (Roter Morgen) Und sie stand ständig unter Legitimationsdruck; denn als „revolutionäres Subjekt“ musste sie Politik als Machtkampf in den eigenen Reihen verstehen. Auch wenn sie am Ende ins Museum gebracht wurde, so ging es 1973 darum, all diejenigen zu verurteilen, die im Grunde nur fehlgeleitete Irrlichter waren. Der „Weg der Einheit“ entsprach dem großspurigen Wahn der ML-Bewegung. Die Auseinandersetzungen liefen immer auf die Schaffung einer Gegenorganisation hinaus, um die Anerkennung des Status quo einer schon bestehenden Gruppierung.

Für die maoistischen Gruppen, auch das war bezeichnend für die Situation um 1973, bestand der Organisationsdünkel darin, mit einem streng zentralistisch geführten Regime eine Art Kommandodiktatur auszuüben. Im Übrigen unterschieden sie sich dabei gar nicht von den bürgerlichen Parteien, die sie ständig anzugreifen gedachten. Denn das Demokratiegehabe dieser war auch nur ein Kunstprodukt, das aus den Organisationspotenzen der alten Bewegungsparteien und Kaderorganisationen bestand. Die darin schon angelegten Differenzen, die mit proletarischer Volkstümlichkeit gepaart waren, konnten unbekümmert ins neue Organisationsnetz übernommen werden. Somit waren sie keine Emanzipationsbewegungen, die den kritisieren Sozialdemokratismus hätten überwinden können. Vielleicht waren die K-Gruppen auch nur die moralischste Variante der Sozialdemokratie; denn beide beriefen sich auf die Grundsätze einer proletarischen Bewegtheit, die seit dem Beginn der Arbeiterbewegung das Typische im Klassenkampf sein sollte.

Das Typische in einem ML-Organisationsverband war neben den Vereinigungen mit anderen Gruppen der „ideologische Kampf“, der aus zunächst unüberbrückbaren Gegensätzen und der Feindschaft das Ideal des vereinheitlichten Klassenstandpunktes hervorbringen sollte. Die Parteihierarchie verlangte jedoch auch die strikte Unterordnung unter einmal gefasste Beschlüsse. Mit dieser doppelten Situation konnte niemand fertig werden. Zum einen ging es 1973 darum, diesen Fetisch abzuwehren, zum anderen, ihn doch irgendwo zu erhalten. Somit stellte sich keine bewusste neue Alternative.

Durch die Veröffentlichung aller Dokumente, so die Stellungnahme des Kreisverbandes Recklinghausen der KPD/ML-ZB, sollte ein Wandel vollzogen werden, der das ZB aus seiner Neutralität gegenüber dem Parteivolk herausholen sollte. Das allumfassende totale Wissen sollte mit in den Einheitsgedanken einfließen und das demoralisierende und fatalistische ZB-Konzept entlarven.

Am 11.2.1973 verfasste dieser einen „Offenen Brief an die Provisorische Politische Leitung der KPD/ML-ZB und an das ZK der KPD/ML-ZK“, aus dem hervorging, „dass alle Unterlagen über die Spaltung von 1970 veröffentlicht werden“ müssten und dass es nur so möglich sei, „einer prinzipienlosen Vereinigungsprojektmacherei“ zwischen KPD/ML (RF) und KPD/ML (RM) entgegenzutreten. Diejenigen müssten zurückgewiesen werden, „die die Prinzipien der Gründung und Einheit im Munde führen, aber in Wirklichkeit Schritte unternehmen wollen, den korrekten Weg zur Einheit zu sabotieren“. Ziel sei es, die „Einheit der Marxisten-Leninisten in der KPD/ML“ herzustellen. (6)

Der „korrekte Weg zur Einheit“ war der Kurswechsel, der nach Möglichkeit die Unfähigkeiten der einen, die Fähigkeiten der anderen herausstellen sollte. Als Glaubenscredo formuliert, unterstellte dieser Einheitsgedanke, dass es letztlich gelingen könnte, die „Reformisten“ und die „Revolutionäre“ voneinander zu trennen, um eine wirkliche marxistisch-leninistische Parteitheorie im Sinne Lenins entwickeln zu können.

Eine Politleiterkonferenz, die am 18.2.1973 an einem unbekannten Ort stattfand und an der alle Politleiter der Landesverbände der KPD/ML-ZB teilnahmen, sollte „die vorhandenen Widersprüche in der Organisation (zu) klären“. (7) Zu „klären“ gab es indes nur noch wenig. Nach Angaben der „PPL“ des KJVD fand am 19.2.1973 in Essen zwischen „der PBL des KJVD und einem Bundesbeauftragten des ZK der KPD/ML-ZK ein Gespräch statt, bei dem in einem „Gemeinsamen Kommunique zwischen der KPD/ML und der Provisorischen Bundesleitung des KJVD“ festgestellt wurde, dass „die PBL an die KPD/ML (Roter Morgen) herangetreten ist, mit dem Ziel der Diskussion um die Einheit der Marxisten-Leninisten in der KPD/ML“ zu führen. (8) Damit war ein Übertritt von Teilen des KJVD zur RG der KPD/ML-ZK vorbereitet worden. Die Provisorische Landesleitung (PLL) NRW der KPD/ML-ZB verfasste am 20.2.1973 eine fast gleichlautende Stellungnahme, aus der hervorging, dass auch sie den „Anschluss an die KPD/ML-ZK“ favorisierten. (9)

Die Organisation zerfiel nun in viele, nicht mehr überschaubare Teile. Neue Leitungen wurden ohne Legitimation gebildet, Landesverbände einfach aufgelöst und neue gebildet, die Welle von Parteiaustritten und -übertritten nahm kein Ende. Jede/r meinte, sich mit eigenen Papieren profilieren zu müssen, die sich nicht nur durch eine unlesbare Länge auszeichneten, sondern auch wirkliche Pamphlete waren, die nur die politischen Positionen der jeweils bevorzugten Gruppierung wiedergaben. Im Wesentlichen gehörten diese Postulate in die Kategorie: Absurditäten der ML-Bewegung. (10) Meistens war von diesen fraktionellen Auseinandersetzungen auch der FTA betroffen, der in die jeweils neue Organisationsstruktur einfach mit übernommen wurde. Faktisch herrschte ein unüberschaubares Chaos.

Als sich am 25.2.1973 auf einer Landesdelegiertenkonferenz des LV NRW der KPD/ML-ZB die gegensätzlichen Gruppen gegenseitig befehdeten und unter Gejohle und Gepfeife das Rednerpult betraten, bestand der Apparat nur noch aus Stillstand, Resthaufen und den Angehörigen der Machtzentren. Meinte die eine Seite, dass „die Gründung der KPD/ML 1968 ein Sieg gegen den modernen Revisionismus war“ und jedem Marxisten-Leninisten in Westdeutschland und Westberlin die Verpflichtung mit auf den Weg gab, in dieser Partei für die sozialistische Revolution zu kämpfen“ und dass „als wesentliche Aufgabe der Kampf um die Einheit mit dem RM vor uns stehe“, „um die Aufgaben der ersten Etappe des Parteiaufbaus vollenden zu können, die auch die Einheit aller Marxisten-Leninisten in dieser 1968 gegründeten Partei beinhaltet“, so sprach die andere Seite immer noch von einer „Reorganisation“: „Wir müssen unsere Organisation ideologisch, politisch und organisatorisch rekonstruieren mit einem politischen Zentrum und einem Zentralorgan, dass die weitere Vereinheitlichung unserer Organisation vorantreibt“. (11)

Zumindest wurden diese konträren Positionen, was für die damaligen Zeiten unüblich war, in einem „Diskussionsorgan“ veröffentlicht. Zum 27.2.1973 soll die KK der KPD/ML-ZB den Auftrag erhalten haben, „dort Stellungnahmen aus der Organisation“ zu veröffentlichen. Die Nr. 1. des „Diskussionsorgans der KPD/ML (Rote Fahne)“ erschien vermutlich zum 1. März 1973. (12)

Die Redaktion des „Kampf der Arbeiterjugend“, die zwischenzeitlich auf die KPD/ML-ZK Positionen übergewechselt war, veröffentlichte Anfang März 1973 seine letzte reguläre Ausgabe. Herausgegeben wurde sie von einer „Mehrheitsfraktion“ der PBL des KJVD, die sich mit dieser Ausgabe „der KPD/ML-ZK unterstellt“ hatte.

Kampf der Arbeiterjugend _ Letzte Ausgabe (Ausschnitt)

Die PBL gab dort bekannt, „dass die ZB-Organisation (KPD/ML) mit dem Zentralorgan Rote Fahne politisch zusammengebrochen ist. Unserer Meinung nach hatte sie von Anfang an eine falsche, eine revisionistische politische Linie. Nach langem Schwanken und Unentschiedenheit hat sich die Provisorische Bundesleitung des KJVD jetzt entschlossen, die politische Anleitung des KJVD unter der politischen Führung der KPD/ML mit dem Zentralorgan Roter Morgen wieder aufzunehmen. Wir verfolgen das Ziel, dass sich der gesamte KJVD der Führung durch die KPD/ML unterordnet.“

Und: „Der KJVD hat seine Existenzberechtigung und seine Zukunft im Streben, die Massen der Arbeiterjugend in seinen Reihen zu vereinigen und sie unter der Führung der Partei des westdeutschen Proletariats, der KPD/ML (RM) zu erziehen und ihre Teilnahme am Klassenkampf zu organisieren, sowie in der entschiedenen Abgrenzung vom modernen Revisionismus. Die Zukunft des KJVD kann daher nur heißen: Unterordnung unter die politische und ideologische Führung der KPD/ML (RM). Vereinigung mit der Jugendorganisation der KPD/ML, der Roten Garde, auf der Grundlage der Anerkennung der politischen Linie der KPD/ML und des Statuts der Roten Garde" (RG). Die PBL erklärt auch weiter, dass der KJVD von Anfang an eine Spalterorganisation gewesen sei, die unter der Führung „einer Handvoll Spalter“ stand. Sie führten den KJVD „zum Kampf gegen Rote Garde und gegen die KPD/ML“. Ihnen ging es nicht um organisatorische Selbständigkeit, „sondern um die Spaltung der Partei“. Jetzt ist es die Aufgabe, mit der Roten Garde zu kämpfen: “In der gemeinsamen solidarischen Aktion mit den Genossen der Roten Garde muss auch die solidarische Auseinandersetzung und Diskussion um die Einheit der ML-Bewegung geführt werden.“ (13)

In Formulierungen wie diesen enthüllte sich die eigentliche Nichtkenntnis der abgelaufenen Prozesse seit 1970: Denn auch sie bestandenen nur aus einer kolportierten Verfälschung der ideologischen Vorfahren der KPD/ML. So sollte das reinigende Gewitter die „Teilnahme am Klassenkampf“ sein. Da waren sie wieder, die Revolutionstouristen, die nach dem Wechseln der Kleider genauso kopflos und theorielos agierten wie vorher. Kennzeichnend für diese Art von Debatten war der idealtypische Abriss über die politische Lage und die organisationsstrategischen Disziplinierungsversuche mit negativen Integrationselementen. Die neuen Organisationsversuche waren in der Tat gleichzusetzen mit einer eigentlichen Abrechnung der politisch Verschmähten. Der verbissene Kampf um die leninistische Linie erinnert an die Abrechnungen des „KDAJ“ und der „Roten Fahne“ mit ihren politischen Gegnern, die sie vor Monaten noch mit derselben Stoßrichtung bekämpft hatten.

Ende Februar/Anfang März 1973 fanden in allen Landesverbänden Konferenzen und Sitzungen der Rest-ZB-Organisation statt. Sie als „Abrechnungskonferenzen“ bezeichnen zu wollen, wäre falsch, obwohl das berechtigte Interesse der Teilnehmer wohl darin bestanden haben dürfte, mehr als bisher über die Geschichte der KPD/ML-ZB zu erfahren. Der eigentliche Konstituierungsprozess dürfte nur wenigen wirklich bekannt gewesen sein. Und er sollte auch den meisten nicht bewusst werden. Da das ZB kein Interesse daran hatte, Offenheit und Öffentlichkeit zu praktizieren, und sich weigerte, die parteilichen Institutionen durchlässig zu gestalten, musste die ML-Krise ohne Vorwarnung ausbrechen. Sie steigerte sich seit 1970 sozusagen von Aktion zu Aktion, von einer „Roten Fahne“ zu anderen. In seinen politischen Möglichkeiten und Fähigkeiten überschätzte sich das ZB total. Und den wirklichen gesellschaftlichen Konfliktsituationen stand es unfähig gegenüber.

Die „Krise der Organisation“ aufzuhalten oder sie noch ins Positive kehren zu können, war ein Unding geworden. Das Spezifikum der Krise war der Marxismus-Leninismus selbst. Die Resteverwerter mit revolutionärer Globalperspektive begriffen nicht, dass eine Behebung dieser „Krise“ nur durch eine schonungslose Kritik an ihm selbst möglich gewesen wäre. Doch anstatt die Generaldebatte zu starten, vergewisserten sie sich des marxistisch-strategischen Hebelpunktes, nach dem es möglich sei, alle Konflikte zu bündeln und sie nach Reinigung von allen Schlacken in den einheitlichen Verband überführen zu können. Dieser Trugschluss war gleichzeitig ein Fehlschuss.

Selbst die so genannte „Rebellionsbewegung NRW“, die sich im März 1973 gebildet haben dürfte und deren erklärtes Ziel gewesen sein soll, „die Reste der ZB-Organisation aufrechtzuerhalten, um zu verhindern, dass Genossen aus der Konkursmasse der KPD/ML-ZB sich der KPD/ML-ZK, zu der es heftige Differenzen gab, anschließen“, (14) machte weiter in Politik und stützte sich auf die alten „Kampferfahrungen“, mit denen sie die Organisation drei Jahre lang begleitet hatte.

Auf gefährlich-beunruhigende Weise ging das Ende des ZB über die Bühne. Im Monat März brachen die antagonistischen Widersprüche zwischen KPD/ML-ZK und Zentralbüro nun offen aus. Dabei muss betrachtet werden, dass es um die alten Formen zwischen Minderheiten und zusammengezimmerten Mehrheiten ging. Da kaum jemand die manipulative Umorientierung in diesen Konflikten fassbar machen konnte, verliefen sie auch unkontrolliert. Die Führungsgruppen oder die, die sich dafür hielten, hielten ihr Auftreten für mehr als angebracht; denn sie wähnten sich politisch im Recht. Als es um den Nationalen Arbeiterverlag nebst Druckerei in NRW ging, hatte die politische Schnelllösung bereits schon zugeschlagen. Auf einer Sitzung der PPL NRW der KPD/ML-ZB in Dortmund, die vermutlich am 31.3. stattgefunden haben dürfte, wurden Druckanlagen und Bibliothek (NAV) durch einen fingierten „Mehrheitsbeschluss“ der KPD/ML-ZK zugeschanzt. (15) Damit war auch dem Rest-ZB die eigentliche Publikationsmöglichkeit genommen.

In der Nr. 7/1973 des „Roten Morgen“ vom 24.2.1973 sowie in der Ausgabe Nr. 8/1973 vom 3.3.1973 äußerten sich die geläuterten Anhänger in der neuen Organisation (KPD/ML-ZK) bereits emphatisch. Noch ehe der Sarg in die Erde gelassen wurde, standen die Erbschleicher schon Gewehr bei Fuß. Die Nr. 7 enthielt ein „Gemeinsames Kommunique des ZK der KPD/ML-ZK und der Provisorischen Bundesleitung des KJVD“. Was ehemals „Vorwärts mit dem KJVD“ hieß, lautete jetzt „Vorwärts mit der Roten Garde“. Den politische Wechselbalg gab es auch in der Nr. 8/1973 des „Roten Morgen“ vom 3.3.1973. Dort veröffentlichte bereits die PBL des KJVD eigene Artikel. (16) Offenbar war das bereits so verbindlich, dass es den Anschein hatte, als ob die Alternative KPD/ML-ZK schon immer bestanden hatte.

Eher schon als Warnung vor der KPD/ML-ZK konnte die letzte Ausgabe der „Roten Fahne, Sondernummer“ des Zentralbüros verstanden werden. Diese erschien am 31.3.1973 nach fast einem halben Jahr wieder. Die Ausgabe war in der Form eines Flugblatts gehalten und verzichtete auf das alte Format. Die Nummer berichtete von einer Konferenz zur Vorbereitung auf eine Nationale Delegiertenkonferenz. Die unbekannten Verfasser formulierten dort:

„Die Provisorische Politische Leitung (PPL) der KPD/ML(RF), die Vertreter des LV Hessen der KPD/ML(RF), der Provisorischen Leitung des LV NRW der KPD/ML(RF) und weitere konsultierte Vertreter aus Westberlin und Niedersachsen wenden sich an die westdeutsche Arbeiterklasse! An die marxistisch-leninistische Bewegung! An alle Mitglieder und Sympathisanten der KPD/ML (Rote Fahne)!

ERNST AUSTS BEITRAG FÜR DIE EINHEIT DER ML: KPD/ML (RF) DURCH AGENTEN DER RM - FÜHRER GESPALTEN!
BIBLIOTHEK, ARCHIV, DRUCKEREI UND NEUER ARBEITERVERLAG DURCH SCHLÄGERTRUPPS DES RM GESTOHLEN!

Dortmund/Bochum 31.3.1973

Heute am 31.3.1973 fand eine Konferenz zur Vorbereitung der nationalen Delegiertenkonferenz der KPD/ML (RF) statt. Die Provisorische Politische Leitung hatte die Vertreter aus allen Landesverbänden eingeladen, um über die Vorbereitung und den Ablauf der NDK zu beschließen. Nach mehrstündiger Beratung wurden einige Genossen, die schon seit langer Zeit politisch, ideologisch und organisatorisch dem Roten Morgen (KPD/ML-ZK, d. Vf.) unterstellt sind und in unseren Reihen fraktionierten, in die Enge getrieben. Sie mussten zugeben, dass sie schon lange vor dieser Konferenz den NAV unter ihre Kontrolle gebracht und dem ZK des Roten Morgen überschrieben hatten, dass sie weiterhin das Archiv und die Bibliothek unserer Organisation für das ZK gestohlen haben. Damit hat das ZK die wertvollste Bibliothek in der ml-Bewegung und eine der wertvollsten Druckanlagen sich angeeignet. Daraufhin wurde die gemeinsame Konferenz sofort abgebrochen. Die PPL und die Vertreter, die sich für die Durchführung der NDK einsetzen, stellten fest, dass diese Vertreter die Spaltung bewusst vollzogen und somit die Einheit der Aktion vorzeitig aufgegeben haben.

DIE KRISE DER KPD/ML RF UND DIE ROLLE DER RM-FÜHRER!

Seit längerer Zeit ist die KPD/ML RF in einer Krise, die an den Grundlagen der Organisation rüttelt. Das ZB wurde von den Massen der Mitglieder nicht mehr anerkannt, weil sich der Anspruch, Partei der Arbeiter zu sein (den das ZB stellte), immer mehr als hohl erwiesen hatte. Dieser Anspruch wurde von der Masse der Mitglieder infragegestellt, eine breite Diskussion um die Grundlagen der ML-Bewegung wurde an der Basis geführt. Doch das ZB war unfähig, diese Kritik zusammenzufassen und zu vereinheitlichen. Es war unfähig, sich als Kern der Kommunistischen Partei Infragezustellen und konkret um die Einheit der ML-Bewegung zu kämpfen. Seine Antwort konnte und musste nur die Unterdrückung des ideologischen Kampfes sein (Nichtbeantwortung von Kritiken, Liquidation des demokratischen Zentralismus, Trennung von Theorie und Praxis, ODR-Konzept). In dieser Lage wurde das ZB von seinen Mitgliedern gestürzt.

Die folgenden Diskussionen in den Landesverbänden untersuchten die KPD/ML und ihre Geschichte. Dazu waren eine ganze Reihe führender Genossen nicht bereit und setzten die alte Linie der Unterdrückung des ideologischen Kampfes fort. Die Gruppe Roter Morgen sah darin natürlich eine Chance, ihren organisatorischen und technischen Apparat zu stärken. Auf der anderen Seite mussten sie unbedingt verhindern, dass unsere Organisation die Geschichte der KPD/ML überhaupt infragestellte, weil eben das an ihre eigene Grundlage rührt, weil eben das ihren eigenen Mitgliedern die Augen öffnen werden. So machten sich die Herren vom ZK lieber daran, die Einheit der ML in der KPD/ML (sprich: GRM) zu schmieden. Sie verbündeten sich mit Teilen unserer ehemaligen Führungsschicht und unterstützten sie tatkräftig dabei, den einfachen Mitgliedern unserer Organisation Sand in die Augen zu streuen und den ideologischen Kampf weiter zu unterdrücken. Um nicht grundsätzlich ihr Parteiaufbaukonzept Infragezustellen, redete man den einfachen Mitgliedern ein, es läge nur an der falschen Spaltung 1970 - daraus entstand die ZB-Organisation - aus einer rechten Kritik an den 'linken' Fehlern des ZK.

Gleichzeitig riss man sich planmäßig mit den Mitteln der Bestechung, der Demagogie und des Gerüchtewesens den gesamten finanz-technischen Apparat (FTA, d. Vf.) der KPD/ML RF unter den Nagel. Der ideologische Kampf wurde nicht offen geführt, die Agenten des RM verhinderten ihn tatkräftig. Mehrere Ortsgruppen wurden mit den berühmten Schallplattenerklärungen, die man immer wieder im Zentralorgan der GRM lesen kann, schnell aus der KPD/ML RF herausgebrochen. Die verräterischen Landesleitungen in West-Berlin und Baden-Württemberg vertuschten vor ihren Mitgliedern die Lage in der Organisation und den Stand der Diskussion im Bundesmaßstab. Die hartnäckigen Zweifler am Parteianspruch, an der angeblich korrekten KPD/ML-Gründung des Herrn Aust wurden entweder ausgeschlossen, oder man versuchte, sie zu isolieren. Aber der Kampf der Mitglieder unserer Organisation lässt sich nicht unterdrücken! Die Genossen nahmen Verbindung zur PPL auf, heute gibt es in beiden Landesverbänden eine starke Opposition gegen die spalterischen und unkommunistischen Machenschaften der Roten Morgen-Agenten. Die Mehrheit der übrigen Landesverbände hat Austs 5. Kolonne längst isoliert.

In dieser Situation sollte heute eine nationale Delegiertenkonferenz vorbereitet werden. Auf dieser Konferenz mit Genossen der Grundeinheiten wäre die Wahrheit endgültig ans Licht gekommen. Aber genau davor hatten die RM-Führer Angst, ihre zurechtgeschusterten Mehrheiten endgültig zu verlieren. Deshalb versuchten sie alles so gut wie möglich vorzubereiten. Die NDK dürfe nicht stattfinden! Während ihre Agenten der PPL und den Delegierten die Hucke volllogen und die NDK unter den Tisch zu kehren versuchten, warteten die Alarmtrupps vor dem Versammlungslokal, im NAV und anderswo auf den Einsatzbefehl. Der kam, als mit Lügen und Hinhaltetaktik nichts mehr zu machen war, als die Wahrheit auf den Tisch musste. Mit Brachialgewalt wurden Wohnungen aufgebrochen und das gesamte Material der KPD/ML RF 'beschlagnahmt', während auf der Konferenz die 'Gruppe Rote Fahne' von den Agenten für aufgelöst erklärt wurde.

Das ist kein Einzelfall. Mit diesen Methoden hält sich die Aust-Clique schon lange über Wasser. Hatte es doch 1971 bei der letzten Spaltung der GRM ihr Landesverband Wasserkante gewagt, die Absetzung der spalterischen und karrieristischen Führung zu verlangen. Während noch durch schnell erdachte Lügenmärchen der Ausschluss der Genossen auf dem Parteitag (vgl. 27.11.1971, d. Vf.) betrieben wurde, sicherte sich währenddessen Herr Aust mit seinen Schlägertrupps den gesamten finanztechnischen Apparat der GRM. Von einer Selbstkritik dieser Führung hatte man nicht als die übliche RoMo-Schallplatte gehört: In der Hauptseite hatte Ernst Aust doch immer Recht gehabt.

Recht kann ihm aber nur die Arbeiterklasse und die ML-Bewegung geben. Mit seinen Methoden - Unterdrückung des ideologischen Kampfes, Verhinderung des Klärungsprozesses in den Köpfen der Genossen, Raub der technischen Mittel anderer Organisationen - versucht er nur, seinen angekratzten Ruf als Führer der deutschen Arbeiterklasse zu retten, wo ihn doch das Proletariat selbst nicht anerkennt. Die Partei des Proletariats erkennt man unter anderem daran, ob und wie sie den Kampf zweier Linien führt. Die RM-Führer versuchen ihn seit Jahren in ihrer eigenen Organisation zu verhindern. Sie suchten ihn vergeblich durch gezielt fraktionistische Methoden in unseren Reihen zu verhindern.

Perspektiven:
Wir stehen also heute vor der Tatsache, dass über das Schicksal der KPD/ML RF schon praktisch auf einer nationalen Funktionärskonferenz mit Lüge und Betrug entschieden werden sollte. Die Aust-Agenten in unseren Reihen haben den ideologischen Kampf umgangen, sie haben ihn abgewürgt, eben weil sie gar kein Interesse haben an der Entlarvung unserer Fehler, sondern nur das einzige Interesse hatten, den finanztechnischen Apparat sich verbrecherisch zu klauen und sich organisatorisch zu stärken. Sie leisten damit den rechten Liquidatoren in unseren Reihen Vorschub, die ebenfalls kein Interesse an der Bewältigung unserer Vergangenheit haben; Einigen Rechten wird es so leicht gemacht, dass ihre Linie der Zersplitterung in kleine und kleinste Grüppchen breiteren Einfluss gewinnt, aber schwankende, ehrliche Genossen in den rechten Sumpf gezogen werden. Der bewusste Aufbau der KP wird dadurch sabotiert.

Wir treten allen Anschlüssen an andere Organisationen zum jetzigen Zeitpunkt entgegen. Wir fordern die vorübergehende Erhaltung der nationalen Organisation, zunächst zu dem Zweck, die Fehler und die positiven Seiten der ZB-Organisation herauszuarbeiten. Wir sind der Meinung, dass drei Jahre Arbeit in der Organisation KPD/ML RF ausgewertet werden müssen. Diese Erfahrungen stellen unserer Meinung nach einen äußerst wichtigen Teil der Erfahrungen der ML-Bewegung insgesamt, die in die ML-Bewegung hineingetragen werden müssen. Wir werden gleichzeitig an der Diskussion in der ML-Bewegung und in der Arbeiterklasse über theoretische und programmatische Ansätze teilnehmen. Ganz klar steht für uns als Hauptaufgabe dieser Diskussion die Frage an, wie man an die Marxistisch-Leninistische KP des westdeutschen und Westberliner Proletariats herankommt. Das weitere Schicksal unserer Organisation bestimmt sich allein danach, wie diese Frage in unserer Organisation beantwortet wird. Grundsätzlich werden wir an den ideologischen Kampf zwischen Zirkeln und 'Parteien' mit der Methode herangehen, dass wir ausgehen von der Praxis der verschiedenen Organisationen, d.h.: Wir werden ausgehen von der Analyse, wie die einzelnen Organisationen mit der Arbeiterklasse und ihren Kämpfen verbunden sind, wie sie den Marxismus-Leninismus mit der spontanen Arbeiterbewegung verbinden, wie sie die Erfahrungen der organisierten Massen und der unorganisierten Massen aufgreifen, verwerten, konzentrieren und wieder in die Praxis zurücktragen. Das Schwergewicht wird also liegen auf der Analyse des jeweiligen Theorie-Praxis Verhältnisses, der Entfaltung und Durchführung von Kritik und Selbstkritik und des demokratischen Zentralismus. Wesentlich von daher werden dann die theoretischen und programmatischen Aussagen beurteilt. Wir werden beim Eingreifen in die Auseinandersetzung in der ML-Bewegung zunächst die Kritik am RM entfalten. Hier werden wir ganz klar aufzeigen müssen, wie das neuerliche verbrecherische Abenteuer des Aust-ZK eingeordnet werden muss in die Politik dieser Clique insgesamt.

Diese Auseinandersetzung um die politischen Inhalte, um den Aufbau und den Weg zur Schaffung der KP bleibt leblos und tot ohne die Teilnahme am Klassenkampf, ohne die Verbindung mit der Arbeiterklasse und den übrigen werktätigen Massen und ihren Kämpfen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, die organisierte politische Praxis wieder aufzunehmen. Dabei - und das als Abgrenzung von der alten ZB-Praxis - geht es nicht um die Führung der Millionenmassen, sondern um die Gewinnung der Fortschrittlichsten. Die Hauptseite der Praxis liegt also auf der Propaganda für den Marxismus-Leninismus und für den Sozialismus. In diesen Rahmen gehört unbedingt auch das Hineintragen der Programmdiskussion in die Arbeiterklasse.

Die Diskussion um die Auswertung der Vergangenheit unserer Organisation wird öffentlich geführt werden. Eine politische Leitung wird dazu ein theoretisches Organ herausgeben. Anhand dieses Organs wird die Diskussion geführt und ausgerichtet. Eine politische Leitung ist unbedingt notwendig, aber zur Zeit nicht möglich. Wie kommen wir an diese Leitung heran? Auf einer in den nächsten Wochen stattfindenden nationalen Funktionärskonferenz (NFK, d. Vf.) wird ein Gremium gebildet, das die Aufgabe hat (und dies ist in einem entsprechenden Plan festzulegen), die Diskussion in den LV's um eine gemeinsame Plattform voranzutreiben. Auf einer etwa in vier bis sechs Wochen stattfindenden NDK werden die weiteren Schritte bestimmt. Hier wird dann eine nationale politische Leitung gewählt. Diese Leitung hat dann folgende Aufgaben:

  1. Führung, Zusammenfassung und Delegierung der Kritik an unserer bisherigen Praxis und der Programmdiskussion.
  2. Zentrale Anleitung der praktischen, politischen Arbeit in dem Umfang, wie sie in der Plattform, auf deren Grundlage diese Leitung gebildet ist, festgelegt ist.

Mit Wirkung vom heutigen Tage (31.3.1973) sind die Landesleitungen von Westberlin, Baden-Württemberg und NRW (RM-Fraktion) abgesetzt. Alle Genossen, die sich nicht offen und ehrlich vom Vorgehen der RM-Führer vom heutigen Tag distanzieren, sind von ihren Grundorganisationen sofort auszuschließen. Wir fordern die Genossen des KJVD auf, mit den RM-Agenten in ihren Reihen ebenfalls aufzuräumen. Wir schlagen vor, die Trennung zwischen den beiden nationalen Organisationen der KPD/ML RF und dem KJVD aufzuheben und gemeinsam die Fehler der alten Organisation zu untersuchen. Die Leitung des Jugendverbandes sollte zu diesem Zweck (und zwecks der in dieser Woche stattfindenden NDK (vgl. 14.4.1973, d. Vf.) mit der provisorischen politischen Leitung Verbindung aufnehmen.

Wir fordern alle Genossen auf, diese Diskussion und unsere Vorschläge möglichst breit zu diskutieren und in die ML-Bewegung hineinzutragen. Wir werden in Kürze noch genauer zum weiteren Vorgehen Stellung nehmen. Wir fordern euch auf, zu den Vorgängen Stellung zu nehmen und Kritik daran zu üben.

VORWÄRTS ZUR SCHAFFUNG DER EINHEITLICHEN KPD/ML!
FÜR DIE EINHEIT DER MARXISTEN-LENINISTEN!
NIEDER MIT DER SPALTERISCHEN AUST-CLIQUE UND IHREN AGENTEN!“ (17)

Dieser subjektivistisch gefärbte Bericht enthielt vermutlich mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Die „höhere Form“ der marxistischen Kritik äußerte sich eben auch in einem ordinär-irrationalen Zerstörungsprozess. Derartiges närrische Vorgehen der „Schlägertrupps“, wie die „Sonderausgabe“ formulierte, warf ein krudes Licht auf illustre Geschichte der KPD/ML, aber auch der gesamten Mao-Bewegung, die per Selbstdefinition ihr Produkt des Marxismus-Leninismus „handfest“ und damit mit einer Gewissenlosigkeit sondergleichen zu legitimieren gedachte. Der Einsatz von Macht und Repression schielte auch darauf, die Konflikte in den regionalen Räumen für sich politisch zu vereinnahmen. Der regional-hegemoniale Gedanke, wie er als erster von Jürgen Schröder formuliert worden war (18), wäre hier aufzugreifen. Und hinzuzufügen: ohne eine „Abrechnung“ mit dem Gegner, der sich mit Gerüchten, übler Nachrede, Denunziationen und Hau-Drauf-Mentalität in Ramboart politisches Gehör zu verschaffen gedachte, wären die (politischen) Räume nicht zu gehalten gewesen.

Was an dieser Inszenierung der Wahrheit entsprach, was nicht, kann im Detail nicht mehr beurteilt werden. Fakt war allerdings, dass es zu Handgreiflichkeiten und zu den in der ML-Bewegung üblichen „Enteignungen“ kam, die hier und dort auch eskalierten. Diese brachialen Durchsetzungstendenzen, von denen die „Rote Fahne“ sprach, legten möglicherweise den Schluss nahe, dass die KPD/ML-ZK die immer beargwöhnten Nebenbuhler aus ihrem Umfeld „beseitigen“ wollte. Dafür schien jetzt die Zeit gekommen zu sein; denn in NRW, dem Stammsitz des Zentralbüros, führte sie ein Schattendasein. Und wurde dort vom übermächtigen Zentralbüro in die Schranken gewiesen. Zur Legitimation ihrer Haltung fiel einigen bauernschlauen Köpfen nichts anderes ein, als sich, den Spielregeln der modernen bürgerlichen Gesellschaft entsprechend, ihre eigene Lebenslüge symbolträchtig zurückzuerobern. Der unmittelbare Eingriff insistierte auf die Umkehrung oder Rückgängigmachung der Verhältnisse, wobei die politische Abgrenzung voneinander hier wahrscheinlich gar nicht mehr ins Gewicht fiel.

Diskussionsorgan Nr. 1 der ehemaligen KPD/ML (RF) vom März 1973

Ein „Redaktionsausschuss Kiel“ druckte mit der Nr. 1 des „Diskussionsorgans der KPD/ML (RF)“ ab dem April noch einmal Stellungnahmen aus der Rest-ZB-Organisation ab. (19) Im Vorwort schrieb der Redaktionsausschuss:

„Das erste von der Restorganisation der KPD/ML (RF) (diese umfasst entgegen anderslautender Aussagen im RM insgesamt die Mehrheit der ehemaligen ZB-Organisation) herausgegebene Diskussionsorgan erscheint leider sehr viel später als ursprünglich geplant ... Die Beiträge, die wir erhalten hatten, entsprachen nicht den Anforderungen, die wir auf der nationalen Konferenz vom 7.4.1973 aufgestellt hatten.“ (20)

In gewisser Weise war das ZB immer noch populär. Obwohl die Hoffnung illusorisch war, dass man dieses Stückwerk noch irgendwie reformieren konnte, war der Gedanke quälend, dass die KPD/ML-ZK ihre eigentümliche politische Linie nun mit mehr Quantität zum Ausdruck bringen könnte. Das konnte aus dem mächtigen Wunsch des „Redaktionsausschuss“ herausgelesen werden. Was nicht sein kann, das nicht sein darf. Schließlich war das genau die Absicht, die glaubwürdigen ZB-Patrioten zu spielen, sich harmonisch zu ergänzen und in universalisierender Form Kritik zu äußern. Der politische Disput konzentrierte sich somit auf die Frage: Wer hatte nun welche Mehrheiten? Sie wurde zu einer für die Organisationsopportunisten charakteristischen und stets wiederholbaren metaphorischen Formel, zu einem günstigen und profitablen Ersatz für wirkliche Argumente.

So betrachtet, bestand die Wirkung für beide Organisationsteile darin, politische Loyalität bei gleichzeitiger Instabilität zu erreichen. Womöglich gelang das dem „Roten Morgen“ eher als der „Roten Fahne“; denn letztere fiel mit einem neuen Modell ja schon früh aus dem Parteirahmen heraus. Die wahre revolutionäre Tradition war universal und international. Für die KPD/ML hatte diese Idee der Kontinuität überragende geschichtliche Bedeutung. Schließlich half sie, ihr eigene Identität und Rolle zu erklären. Die wesentlichen Schwierigkeiten begannen dort, wo sie ihre Politik mit Elementen aus der traditionellen Arbeiterbewegtheit zu füllen gedachte. In dem naiven Glauben, dass sie eine optimistische Philosophie für Generationen entwickeln könnte und die Kommunistische Partei für Frieden, Abschaffung der Ausbeutung, Herrschaft des Proletariats und übergreifende kulturelle Völkerverständigung stehen könnte, prägte sie einen Sozialromantizismus als mögliche Neuformulierung des Marxismus der KPD und Komintern.

Am 14.4.1973 fiel der letzte Vorhang. Auf einer Bundesdelegiertenkonferenz der PBL des KJVD wollte diese die „Mehrheit der Landesverbände des KJVD in die Rote Garde (RG) der KPD/ML-ZK“ überführen. Zu dieser Konferenz gab es unterschiedliche Berichte. Die Zeitung „Klassenkampf und Programm“ und ein Teil der Gruppe Rote Fahne Landesverband NRW berichteten darüber:

„Nicht eingeladen wurde die Mehrheit des LV NRW (2. und 3. LV), die Mehrheit von Hessen sowie etwa die Hälfte von Baden-Württemberg. ... Delegiertenwahlen durch den gesamten LV wurden nur in WB (Westberlin, d. Vf.), WK (Wasserkante, d. Vf.) und NS (Niedersachsen, d. Vf.) durchgeführt ... Aus Wetzlar (Hessen, d. Vf.) und BaWü (Baden-Württemberg, d. Vf.) kamen Ortsgruppenvertreter der RG (Rote Garde der KPD/ML-ZK, d. Vf.). Aus Hessen wurde außerdem eine Darmstädter Gruppe eingeladen, die dem RM nahe steht ... Als Nichteingeladene oder Beobachter erschienen: die RG-Minderheit aus WB ... Vertreter der Mehrheit von Hessen ... Außerdem waren von der PBL 2 Vertreter der GRM und 2 der RG eingeladen worden ... Nach der Mandatsprüfung brachten ... WB, NS, 2. LV NRW, Hessen, eine Resolution ein, die nur WB, WK und NS als ordentliche Delegierte anerkannte, alle weiteren Personen könnten als Beobachter anwesend bleiben. Dies wurde von der RG natürlich nicht anerkannt und als von der PBL den Gästen der GRM das Wort gegeben wurde, verließen alle aus der RG und Darmstadt den Saal. Der KJVD als eigenständige nationale Organisation wurde von beiden Fraktionen getrennt aufgelöst. Unser Teil beteiligt sich an der nationalen Diskussion zusammen mit den entsprechenden Teilen der GRF.“ (21)

Die Konferenz war ein Putsch. Hier bastelten sich Cliquen eine Mehrheit zurecht. Delegierte, die eine Minderheitsposition vertraten, waren nicht eingeladen oder ausgeladen worden. Die Mandatsprüfung erwies sich als Hohn, weil niemand ein Mandat hatte und mit einer „Überwindung der Spaltung“ nichts Inhaltliches anfangen konnte. Da sowieso die „Mehrheit der Delegierten“ bereits auf KPD/ML-ZK-Linie war, musste sie von Anfang an zu einer Farce werden. Sie war eine Inszenierung, so wie die KPD/ML immer großmäulerisch vorgegangen war, wenn es um Mehrheiten ging. Diese alten und neuen Leitungsgremien waren von den Mitgliedern niemals gewählt worden und repräsentierten diese auch nicht. Es gab keine Rechenschaftslegung. Vor allem die PPL und die KK, die letzten Reformer des ZB, waren in diesen Prozess nicht involviert. Sie hatten nach dem bisherigen Kenntnisstand noch nicht einmal Rederecht.

Die nun gültige Linie wurde im „Roten Morgen“, Nr. 15, vom 21.4.1973 und „Roten Morgen“, Nr. 17, vom 5.5.1973 abgesegnet. Dort wurde die Beilage: „Delegiertenkonferenz der Gruppe Rote Fahne beschließt Auflösung“ als „Resolution“ veröffentlicht. In der Präambel schrieben die heroischen Kämpfer des ehemaligen Jugendverbandes:

„Die Delegierten der GRF aus Bawü, Hessen, NRW, WB und WK beschließen die Auflösung der GRF. Sie rufen alle Mitglieder und Sympathisanten auf, sich der KPD/ML zu unterstellen, um auf dem Weg zum politischen Ziel der westdeutschen Arbeiterklasse, der Diktatur des Proletariats und der sozialistischen Revolution voranzuschreiten. Wir fassen diesen Beschluss, um die weitere Existenz einer Spalterorganisation in der westdeutschen Arbeiterklasse zu beenden. Wir wollen damit die marxistisch-leninistische Partei des westdeutschen Proletariats, die KPD/ML, stärken.“ (22)

Aufgelöst wurde die KPD/ML-ZB nie. Sie zerfiel eher in viele kleine, kaum überschaubare Gruppen und Zirkel, die sich mit den unangenehmen Widersprüchen auseinanderzusetzen hatten, jetzt politische Partisanen zu sein. Die Gruppierungen, die den Weg zurück in die KPD/ML-ZK fanden, ereiferten sich, ihren ehemaligen Kampfgefährten mit der Terminologie des „Verrats“ zu kommen. So konnte der Terminus „Spalterorganisation“ greifen. Die Wegbereitung wurde in der Regeneration der KPD/ML gesehen, nicht in der „Reorganisation“. Aber es gab auch keine Rekonstruktion. Die ursprünglichen Absichten und Wirkungen waren stumpf geworden. Erzeugt wurden nur neue geschwätzige Monster trister Politik. Die Kritik der dialektischen Vernunft war ein Fremdwort und paranoider Traum. Die verstümmelte Kritik der Rebellion bezeugte auch das Ende, überhaupt noch eine politische Gemeinschaft sichern zu können.

Die Geschichte der KPD/ML-ZB dürfte vor allem eine der Rückschrittlichkeit gewesen sein. Mit ihr ging eine Epoche ohne Fortschritt zu Ende. Warum musste aber der Zusammenbruch erfolgen? Er kann nicht als Knall gedacht werden, sehr wohl aber als ein schleichender Prozess. Mit der Selbstvergatterung auf den Marxismus-Leninismus wurde eine eigenständige Politik nahezu verunmöglicht, woran im Übrigen auch alle Gruppen nach dem ZB (er-)krankten. Die Rückwendungen auf die alten Ebenen der Politikfelder hinterließen im Ergebnis die Abneigung und Verachtung eines revolutionären Diskurses, der m.E. den Marxismus als eine Geschichte der fortschreitenden Selbstemanzipation hätte begreifen können. (23)

Was blieb? Es erschien noch das vom Landesverband NRW der Gruppe Rote Fahne herausgegebene „Diskussionsorgan Nr.2“ mit verschiedenen Stellungnahmen aus NRW (24) vom 19.4. Etwa zur gleichen Zeit wurde vom Zentrum 2 des KJVD/Westberlin die Schrift „Vorwärts auf dem Weg zur Schaffung der marxistisch-leninistischen Partei in der BRD und WB“ herausgegeben, in der es u. a. in der Vorbemerkung hieß:

„Dieser Plattformentwurf ist im Zeitraum von einer Woche entstanden, nachdem im KJVD-WB auf einer Landesfunktionärskonferenz (LFK) die bisherige uneinheitliche Leitung aufgelöst wurde und stattdessen bis zur Landesdelegiertenkonferenz (LDK) zwei Zentren gebildet wurden. Die beiden Zentren sollten auf Beschluss der LFK bis zur LDK in 10 Tagen den Kampf zweier Linien (KZL) breit in die Jugendbetriebszellen (JBZs), Stadtteilkomitees (SKs) und Jugendunterstützungsgruppen (JUGs) tragen. Das Zentrum 1 vertritt die Position der großen Mehrheit der Genossen der ehemaligen ZB-Organisation im Landesverband WB, die den Landesverband aufgelöst haben und zur Gruppe Roter Morgen (GRM) (KPD/ML-ZK, der Vf.) übergetreten sind. Das Zentrum 1 meint ebenso wie die zur GRM übergetretenen Genossen, '1968 wurde die KPD/ML, der Kampfstab der westdeutschen Arbeiterklasse gegründet' und damit ist für sie die GRM die Partei der Arbeiterklasse ... Genossen des Zentrums 2 vertreten die Ansicht, dass die ML-Partei in unserem Land erst noch gegründet und geschaffen werden muss. Um das Zentrum 2 haben sich in der kurzen Zeit seit dessen Bildung rund 2 Dutzend Genossen in der Frage zum Parteiaufbau zur Frage der ML-Bewegung, zu unserem Hauptfehler und im Hinblick auf unsere nächsten Aufgaben vereinheitlichen können. Die rund zwei Dutzend Genossen haben, auf der Grundlage dieses Papiers, eine neue vorläufige Leitung gewählt. Die neue Leitung hat die Aufgabe, die politisch-ideologischen Diskussionen zu organisieren und die Vereinheitlichung mit den Genossen und Einheiten vorzunehmen … Die neue Leitung wird weiterhin die Aufgabe haben, in enger Zusammenarbeit mit den mehrheitlich oder geschlossen auf der bisher erarbeiteten Einschätzung stehenden Einheiten die praktische Arbeit wiederaufzunehmen. Weiter ist es eine sofort anzugehende Aufgabe, die nationale Diskussion, zu der in der letzten Woche ein Treffen stattgefunden hat, insbesondere mit den Genossen unserer ehemaligen Organisation fortzuführen, mit dem Ziel der Vereinheitlichung.“ (25)

Ein letztes Mal wurde versucht, die mythische Geschichte des ZB in die sagenumwobene „Vereinheitlichung“ zu gießen. Diese verstümmelte Kritik sollte einen Ansatz für die Neukonstruktion einer politischen Identität liefern. Daher auch der Hinweis auf die „praktische Arbeit“, die gemeinhin im Auftreten der Maoisten die „gelebte Erfahrung“ des Klassenkampfes widerspiegeln sollten. Diese Neuformulierungen, die noch mit dem Hinweis versehen waren, „die nationale Diskussion“ fortzuführen, konnten mit keinerlei neuartigen Konzeption mehr aufwarten. Die plastischen Begrifflichkeiten aus der ZB-Ära überwiegten eindeutig. Und die Beziehung zur Praxis knüpfte an die alten Modelle ureigenster ZB-Politik an.

Versprengte Einzelkämpfer des ZB nahmen zum 1. Mai 1973 an Veranstaltungen der diversen Maikomitees in der BRD teil, die Ortsgruppe Essen der ehemaligen RF-Organisation (firmierte auch unter Marxisten-Leninisten Essen, d. Vf.) gab sogar noch eine eigene 1.-Mai-Zeitung heraus, die auf dem Kennedy-Platz in Essen am 1. Mai verteilt wurde. Vermutlich gehörte sie zu den Irrläufern der ZB-Reste, die womöglich mit dem Regionalen Maikomitee im Ruhrgebiet, den Sozialistischen Schülergruppen NRW, der KFR für den Wiederaufbau der KPD und der Marxistisch-Leninistischen Initiativgruppe Essen über den 1. Mai hinaus auf politischer Ebene zusammenarbeitete. Dass sie aber überhaupt danach noch als eigenständige Gruppierung der ehemaligen ZB-Organisation weiterarbeitete und auftrat, dürfte ausgeschlossen sein.

Spätestens ab dem 1. Mai 1973 waren landesweit keine erwähnenswerten Aktionen der Reste des Zentralbüros mehr festzustellen. Die Nabelschnur war durchtrennt. Das ZB existierte nur noch in den Köpfen der Ehemaligen, die sich später auch immer wieder erinnerten und sich auch trafen, um Erfahrungen aus der Rubrik „die marxistisch-leninistische Weltbewegung wächst und erstarkt“ (Sendereihe von Radio Tirana) auszutauschen. Womöglich warteten sie hier und da sogar auf den großen Disput, der aber nie zustande kam. Zur Auflösung des Zentralbüros erschienen in den verschiedenen Publikationen der ML-Bewegung Artikel und Stellungnahmen, die wenig Erwähnenswertes enthielten. Die wohl umfassendste Publikation dürfte die Nr. 3/1973 (April) von „Klassenkampf und Programm“ der KFR gewesen sein. (26)

Damit war die wohl schillerndste Organisation der ML-Bewegung vom gesellschaftlichen Boden verschwunden. Das ZB, dass in einem der wichtigsten politischen Zeitabschnitte der BRD entstand und auch wieder unterging, war mit dem gewaltigen Anspruch aufgetreten, praxisorientierte Politik zu machen. Es scheiterte an seiner ziellosen Tätigkeit, an der Überschätzung der eigenen Subjektivität, an dem Irrglauben, dass der Marxismus, nationale und internationale Arbeiterbewegung, vor allem aber die Theorie vom Klassenkampf, sich einfach auf die kapitalistischen Verhältnisse in der BRD übertragen ließen. Womöglich war damit jede emanzipatorische Idee von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Die Folie der alten Linken führte sie in eine negativ zu besetzende Kontinuität, die selbstredend den Niedergang involvierte. Schließlich dürfte das mumifizierte Konzept des Parteiaufbaus und die Verunmöglichung einer radikalen Gesellschaftskritik nur den traditionalistischen Altmarxismus hoffähig gemacht haben. Eine politische, gar philosophische und theoretische Neubewertung konnte unter dieser Rezeptur nicht entstehen. Mit seiner Integration in die Avantgarderolle, die sie in alle Formen und Resultate der gesellschaftlichen Kämpfe einbrachte, hatte die KPD/ML-ZB, wie alle anderen ML-Organisationen, ihre Mission als Systemopposition erfüllt und in gewisser Weise auch gesellschaftlich beendet. Der arbeiterbewegte Marxismus der 70er Jahre war die Endmoräne einer langen Entwicklung. Der bolschewistische Traum von der neuen Gesellschaft vollendete sich auf groteske Weise als Alptraum.

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