Recklinghausen
Druckindustrie

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin


Hier werden allein die Aktivitäten der graphischen Abteilung der Roten Garde Recklinghausen bzw. bald des KJVD-Druckkollektivs Recklinghausen, die sich nicht zuletzt in der Branchenzeitung für die Druckindustrie Recklinghausens, der 'Roten Letter' (vgl. 6.3.1970, Apr. 1970) niederschlagen behandelt. Den Anstoß zur Herausgabe gaben eventuell Mitglieder der B1 (vgl. März 1970). Eingegangen wird in der Berichterstattung der 'Roten Letter' außer auf den mythenhaften Lehrlingsstreik bei KFZ-Neuhaus Gelsenkirchen (vgl. 13.5.1970) fast ausschließlich auf den Jugendbereich, während erwachsene Mitglieder der IG DruPa Recklinghausen sich im örtlichen Einzelhandel engagieren.

Der KJVD Recklinghausen bemüht sich um die Beeinflussung der Betriebsratswahlen bei Bitter (vgl. 9.6.1970), vermag die Beschränkung auf den Jugendbereich aber vermutlich nicht aufzuheben (vgl. 25.6.1970), tritt zum Schluß dieser wie immer unvollständigen Darstellung im DGB Kreisjugendausschuß offenbar als Jugendgruppe der IG DruPa auf (vgl. 20.2.1971).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

März 1970:
Laut MLPD (2) werden Mitglieder der B1 Bochum vom Landeskomitee (LK) der Roten Garde (RG der KPD/ML) NRW in die Organisation aufgenommen und auf Rote Garde Gruppen im Ruhrgebiet verteilt, wo sie grundorganisiert werden. Nach unserem Kenntnisstand handelt es sich dabei u.a. um die Ortsgruppen Recklinghausen, Gelsenkirchen, Essen und Bochum/Wattenscheid.
Quelle: MLPD-ZK:Geschichte der MLPD,I.Teil,Stuttgart 1985,S.149;
Eigener Bericht

06.03.1970:
Die 'Rote Letter' Nr. 1 - Herausgegeben vom Redaktionskollektiv der graphischen Abteilung der Roten Garde (RG) Recklinghausen der KPD/ML erscheint (vgl. Apr. 1970).

Verantwortlich ist das Rote Garde Kollektiv Recklinghausen, das sich gut einen Monat später in KJVD-Recklinghausen umbenennen wird. Der Hauptartikel der Ausgabe lautet "Schluss mit der Arbeit, die nicht unserer Ausbildung dient."

Der KJVD der späteren KPD/ML-ZB (vgl. Apr. 1970) berichtet vermutlich über diese Ausgabe: "
STATT AUSBILDUNG… AUSBEUTUNG!

Die Recklinghäuser Genossen berichteten uns über ihre Druckerzeitung 'ROTE LETTER'. Darin haben sie die Mißstände in einigen Recklinghäuser Druckereibetrieben aufgedeckt und klar gesagt, was die Ursachen sind.

Das berichteten Lehrlinge aus diesen Betrieben in der ROTEN LETTER: 'Ich mußte ein Buch von ungefähr 1 000 Seiten abziehen. Ich habe drei Monate daran geschuftet. Ich durfte die Seiten auf der primitivsten Nudel abziehen: Mit Handwalze einfärben, Blatt mit Hand auflegen und die Nudel mit großer Kraft über den Satz ziehen. Abends konnte ich den Arm nicht mehr bewegen. - Natürlich gab es auch kurze Unterbrechungen. Ich mußte zum Beispiel für den Meister Pommes einkaufen und Lottoscheine holen und wegbringen.'

Ein anderer Lehrling berichtete in der Zeitung, wie er die Waschbecken von der Waschpaste reinigen muß:

'Es stinkt wie in einer schlecht gelüfteten Kloake. man muß mit einer Schaufel die stinkende, schlammige Paste in einen Eimer schippen. Das hältst Du keine Minute aus, sonst erstickst Du. Immer wieder mußt Du weg und Luft schnappen, und dann gehts weiter. Wenn wir die zwei Eimer voll haben, müssen wir die Scheiße raustragen.'

Wir Lehrlinge werden nicht ausgebildet, wir werden ausgebeutet! Die dreckigste Arbeit müssen wir machen! Nicht, daß wir uns zu fein dafür sind - aber wenn wir nur solche Arbeiten machen, dann hat das nichts mit Ausbildung zu tun!

Wir müssen Arbeiten machen, bei denen selbst ein erwachsener Kollege todmüde wird. Doch ausgelernte Kollegen kosten den Alten zuviel! Lehrling sind eben billiger! - Wenn die Kapitalisten mehr ältere Kollegen einstellen würden, so würde ihr Profit sinken. Das Ziel aller Kapitalisten ist es nämlich, aus den Arbeitern soviel Profit wie möglich zu scheffeln. Das können sie nur, indem sie uns Arbeiter, Lehrlinge und Angestellte ausbeuten. Den einen mehr, den anderen weniger.

EINEN FINGER KANN MAN BRECHEN, FÜNF FINGER BILDEN EINE FAUST

Ein andrer Artikel zeigt, daß wir im Betrieb nur was erreichen können, wenn wir uns zusammenschließen. 'Der Meister wollte vor kurzem die Arbeitshetze bei den Maschinensetzerkollegen verstärken. Obwohl die Kollegen schon jetzt auf ihrem Arbeitszettel eintragen müssen, was sie gesetzt haben, wollte dieser Kapitalistenknecht die Kollegen noch mehr antreiben. Er hatte eine Idee, sofort lief er zum Chef und schlug diesem vor, daß jeder Maschinensetzer über jede gesetzte Spalte seinen Namen setzen sollte, damit man hinterher nachprüfen kann, wieviel der und der getan hat. Natürlich war der Chef damit sofort einverstanden, denn er versprach sich davon mehr Arbeit und damit mehr Profite. Doch die Kollegen gaben ihm eine klare Absage. Sie weigerten sich, ihren Namen darüber zu setzen. Sie arbeiteten schon genug, und außerdem trügen sie ihre Arbeitsleistung auf dem Zettel ein. Sie wußten, daß das Schikanen von der Betriebsleitung waren. Ein Kollege in diesem Betrieb meinte, daß er schon 20 Jahre in diesem arbeiten würde und daß er immer anständig geschuftet hätte und daß ihm das reiche. Der Chef und sein Meister konnten nichts machen. Sie mußten sich angesichts der geschlossenen Front der Arbeiter geschlagen geben. Das zeigt wieder einmal, daß wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen dürfen. Das nützt nur den Kapitalisten.'

WERDEN WIR NOCH AUSGEBEUTET?

Die Recklinghäuser Genossen schreiben: Ausbeutung heißt, daß der Arbeiter ein Produkt herstellt, und daß der Kapitalist ihm dieses Produkt abnimmt, ihm aber nicht den vollen Gegenwert für seine Arbeit zahlt, sondern nur den geringeren Teil, und sich den größeren Teil in die eigene Tasche steckt. Er hat dafür aber nicht gearbeitet. Ist das heute immer noch so? Eine Satzstunde koset die Kunden mindestens 23 DM - wieviel bekommt der Arbeiter für diese Satzstunde? Der ausgelernte Kollege bekommt höchstens 8 DM dafür, der Lehrling im Durchschnitt 1 DM. Dann gehen noch für Abnutzung, Strom, Miete, Steuern und andere Kosten einige DM ab.

Das übrige steckt sich der Kapitalist in die eigene Tasche. Dabei hat er seine 10 DM Profit. Ausbeutung gibt es so lange, wie der Kapitalismus besteht. Das Proletariat wird nie frei, wenn es nicht seine eigene Ausbeutung abschafft, indem es die Kapitalistenmacht bricht. Karl Marx hatte also recht, wenn er sagte: 'Was das Volk produziert, soll des Volkes eigen sein.'

Als die 'Rote Letter' zu Beginn der Normalschicht verteilt wurde, fand sie großes Interesse. Einige Kollegen unterbrachen die Arbeit, kamen heraus, um sich auch ein Exemplar zu holen. Viele unterbrachen die Arbeit um die Zeitung gleich zu lesen. Die Lehrlinge, um deren Probleme es in der Zeitung ja vor allem ging, fanden die Zeitung gut.

DEN FRECHHEITEN DER KAPITALISTEN UNSERE SOLIDARITÄT ENTGEGENSETZEN!

In einer anderen Druckerei wurde noch am selben Tag von der Geschäftsleitung eine Betriebsversammlung (BV, d.Vf.) einberufen. Vorher hatten die leitenden Angestellten und die Abteilungsleiter versucht, möglichst schnell herauszukriegen welche Kollegen etwas mit der Druckerzeitung zu tun haben könnten, so ziemlich jeder wurde darauf angesprochen. Aber ohne Erfolg. Die Kollegen sagten, sie wüßten nicht, wer etwas mit der zeitung zu tun hat, und gaben zu verstehen, daß sie der Geschäftsleitung SOWIESO KEINE NAMEN NENNEN WÜRDEN. So konnten die Kapitalisten die 'Schuldigen' nicht ermitteln und also auch nicht schikanieren."
Quellen: Der Kampf der Arbeiterjugend Nr. 1, Bochum Apr. 1970, S. 4ff; Rote Letter Nr. 1, Recklinghausen 6.3.1970

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April 1970:
Vermutlich im April erscheint in Recklinghausen die 'Rote Letter' Nr.2 (vgl. 6.3.1970, 19.5.1970) für den Druckbereich, die uns bisher nicht vorlag, durch das Druckerkollektiv der Roten Garde (RG) Recklinghausen der KPD/ML.
Q: Rote Letter Nr.1 und 3,Recklinghausen 6.3.1970 bzw. Mai 1970

13.05.1970:
In Recklinghausen berichten der KJVD und die spätere KPD/ML-ZB im DruPa-Bereich (vgl. 19.5.1970):"
LEHRLINGSSTREIK BRACHTE VOLLEN ERFOLG

In Gelsenkirchen haben unter Führung des Kommunistischen Jugendverbands Deutschland die Lehrlinge der KFZ-Reparaturwerkstatt Neuhaus gestreikt. Ihre Forderungen waren:
KEINE ÜBERSTUNDEN MEHR!

Strikte Einhaltung des Achtstundentages!

DAS WERKZEUG MUSS DIE FIRMA STELLEN!

Wir arbeiten schließlich damit nicht für uns, sondern für den Unternehmer!

FÜR ARBEIT IN DER PRODUKTION - ARBEITER- ODER GESELLENLOHN!

Wenn wir schon nichts für unseren Beruf lernen, sondern Frühstücksraum und Klos putzen müssen, wollen wir auch wie eine Putzfrau bezahlt werden!

Einstufung der Angestellten in die Lohngruppe, die ihnen zusteht!

Die Forderungen des Streiks wurden erfüllt! Unter dem Zwang des Streikes konnte auch der Jugendsekretär der Gewerkschaft nichts anderes mehr tun, als einen Teil der Forderungen der Kollegen zu unterstützen.

Neuhaus ist ein kleiner Betrieb, in dem die Lehrlinge als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Neuhaus hat mehr Lehrlinge als Gesellen! Was zeigt uns dieser Streik?

WIR KÖNNEN UNSERE FORDERUNGEN DURCHSETZEN WENN WIR UNS EINIG SIND UND EINE STARKE KAMPFORGANISATION HABEN!

Wir können die Gewerkschaftsfunktionäre zwingen, für uns einzutreten.

DIE KAPITALISTEN SIND AUF UNS ANGEWIESEN!

Ohne uns Lehrlinge und junge Arbeiter können sie kein Geld verdienen!
Kämpft für die Forderungen der Lehrlinge und jungen Arbeiter. Stärkt den Kommunistischen Jugendverband."
Q: Rote Letter Nr.3,Recklinghausen Mai 1970,S.4

19.05.1970:
In Recklinghausen gibt das Druckerkollektiv der KPD/ML (später KPD/ML-ZB) und des KJVD die Nr.3 der 'Roten Letter' (vgl. Apr. 1970) vermutlich in dieser Woche vermutlich frühestens heute mit einem Umfang von 6 Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Peter Weinfurth in Bochum zur BRW heraus:"
BETRIEBSRATSWAHL
BETRIEBSVERSAMMLUNG BIS ZUM 5. JUNI!

Am 9. Juni wählen wir bei Bitter den neuen Betriebsrat. Die Liste ist schon geschlossen: Von 7 Kandidaten sind 3 aus dem alten Betriebsrat dabei - an der Spitze 'unser' Betriebsratsvorsitzender Heinz Klein-Erwig! Der neue Betriebsrat darf nicht so werden wie der alte!

UNSERE FORDERUNGEN AN DEN NEUEN BETRIEBSRAT

- Wir fordern vom Betriebsrat, daß er die Augen aufmacht im Betrieb! Daß er die Mißstände sieht und beim Kampf gegen die Unternehmer auf unserer Seite steht! In der Zeitungsdruckerei z.B. fallen ständig Überstunden an. In den anderen Abteilungen stehen sie uns bevor. Denn Bitters Auftragsbücher beginnen sich wieder mal zu füllen und bald müssen wir wieder so schuften wie im letzten Herbst. Wehren wir uns gegen die bevorstehenden Überstunden in der Zeitungssetzerei! Dazu brauchen wir die volle Unterstützung des Betriebsrats.

Unser Ziel muß sein:
ABSCHAFFUNG DER ÜBERSTUNDEN BEI VOLLEM LOHNAUSGLEICH!
50 PF. MEHR PRO STUNDEN FÜR ALLE KOLLEGEN!

- Schluß mit der Geheimniskrämerei bei Betriebsratssitzungen! Schluß mit dem Gemauschel zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung! Wie sollen wir wissen, ob der Betriebsrat unsere Interessen vertritt, wenn wir nicht einmal erfahren, was er unter sich und was er mit der Geschäftsleitung verhandelt?

Darum:
BEKANNTGABE VON TAGESORDNUNG UND ERGEBNIS BEI BETRIEBSRATSSITZUNG UND JEDER SITZUNG MIT DER GESCHÄFTSLEITUNG!

- Regelmäßige Rechenschaft des Betriebsrates vor allen Kollegen! Geben wir uns nicht länger mit einer einzigen Betriebsversammlung im Jahr und einer einzigen schönen Rede des Betriebsrats zufrieden! Denn dann ist eine Kontrolle des Betriebsrats durch alle Kollegen unmöglich.

Darum:
MINDESTENS VIER BETRIEBSVERSAMMLUNGEN WÄHREND DER ARBEITSZEIT IM JAHR, DENN SOVIEL STEHT UNS LAUT BETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ (BVG,d.Vf.) ZU!

DER NEUE BETRIEBSRAT DARF NICHT SO WERDEN WIE DER ALTE

Dieser Betriebsrat hat für Handtücher gesorgt und einen Getränkeautomaten 'erkämpft'. Er hat oft gesagt, 'daß noch viel verändert werden muß im Betrieb' (Klein-Erwig). Beim Reden ist es geblieben!

Was tut er gegen die ständigen Überstunden in der Zeitungssetzerei? NICHTS! Was hat er gegen die Überstundenschinderei im letzten Herbst getan? NICHTS! Was tut er gegen die Überstunden, die uns jetzt wieder bevorstehen? NICHTS! Was hat er gegen die Arbeitshetze der Antreiber Böllinghaus, Schenner und Bartels unternommen? NICHTS! Was hat er gegen die Entlassungen und die 'freiwilligen' Kündigungen von fünf Kollegen im Februar getan? NICHTS! - die hat er selbst mit der Geschäftsleitung ausgemauschelt! Was erfahren wir überhaupt von der Arbeit dieses Betriebsrats und seinen Geheimnissen mit der Geschäftsleitung? NICHTS - denn außer einer einzigen schönen Festrede auf einer einzigen Betriebsversammlung im Jahr bekommen wir von ihm nichts zu hören! Dieser Betriebsrat nützt der Geschäftsleitung mehr als uns. Vor den Mißständen im Betrieb verschließt er die Augen - stattdessen paktiert er mit der Geschäftsleitung und hilft ihr den Betriebsfrieden gleich Ausbeutungsfrieden zu erhalten!

DER BETRIEBSRAT MUSS U N S E R E INTERESSEN VERTRETEN

Es liegt ja nicht nur am persönlichen Versagen des alten Betriebsrats, daß er unsere Interessen nicht vertreten hat. Die allermeisten Betriebsräte paktieren mit den Kapitalisten ja nicht, weil sie böse Leute sind. Das Betriebsverfassungsgesetz, das auch noch von Kapitalisten gemacht worden ist, zwingt den Betriebsrat an einen Tisch mit dem Unternehmer, und darum ist die Gefahr groß, daß er zum bloßen Handlanger des Kapitalisten wird! Das heißt nicht, daß wir auf den Betriebsrat pfeifen sollen, wenn es um unsere Interessen geht. das heißt: Wir selbst müssen dafür sorgen, daß er wieder zu unserem Betriebsrat wird! Wir selbst müssen klare Forderungen an ihn richten und ihn zwingen, sich dafür einzusetzen! Wir selbst müssen die Paktiererei mit der Geschäftsleitung beenden, indem wir den betriebsrat kontrollieren und ihm auf die Finger klopfen!

FORDERN WIR EINE BETRIEBSVERSAMMLUNG BIS ZUM 5. JUNI

Kollegen, nur auf einer Betriebsversammlung vor der Wahl können wir uns Klarheit verschaffen, was wir von den einzelnen Kandidaten zu erwarten haben. Wir, das Druckerkollektiv der KPD/ML und des Kommunistischen Jugendverbandes, schlagen Euch deshalb vor:

- Sammelt Unterschriften in den verschiedenen Abteilungen. Wenn 25% aller Kollegen eine Unterschriftenliste unterschreiben, ist der Betriebsrat gezwungen, die Versammlung einzuberufen! Denn wir haben noch genug Versammlungen nachzuholen.

- Setzt eine Tagesordnung für die Versammlung fest. Sie muß die Punkte enthalten, die wir hier als Forderungen aufgestellt haben!

- Fordert die Betriebsratskandidaten auf, zu diesen Punkten Stellung zu nehmen! Zeigen wir ihnen, daß wir mit Getränkeautomaten allein nicht zufrieden sind!"

Festgestellt wird:"
BETRIEBSVERSAMMLUNG: GUTES GESCHÄFT FÜR HERRN BITTER

Seit dem letzten Juni hat es bei Bitter nur eine einzige Betriebsversammlung gegeben. Sie fand an einem Samstag statt, also außerhalb der Arbeitszeit. Jedem Teilnehmer zahlte Herr Bitter großzügig 12 DM Lohn für etwa zwei Arbeitsstunden.
Ein gutes Geschäft - aber nicht für uns, sondern Herrn Bitter! Laut Betriebsverfassungsgesetz stehen uns nämlich mindestens vier Betriebsversammlungen im Jahr zu (alle drei Monate eine). Sie haben innerhalb der Arbeitszeit stattzufinden, und zwar für mindestens zwei Stunden! Herr Bitter hat uns also mit seiner Sonderregelung um drei Betriebsversammlungen gebracht. Vorteile für Bitter: Er sparte damit acht Stunden Arbeitsausfall und Lohnkosten für sechs Arbeitsstunden ein! Nachteile für uns: Wir hatten keine Möglichkeit, unseren Betriebsrat regelmäßig zur Rechenschaft zu ziehen!
WIR FORDERN VIER BETRIEBSVERSAMMLUNGEN IM JAHR, UND ZWAR WÄHREND DER ARBEITSZEIT!"

Erklärt wird auch:"
WARUM 50 PF MEHR PRO STUNDEN FÜR ALLE KOLLEGEN?

Wir haben bei Bitter bisher die Überstundenschinderei mitgemacht und machen ständig mehr Überstunden. Wir MÜSSEN die Überstunden machen, weil die 40- Stunden-Woche nur auf dem Papier, aber nicht mehr in der Lohntüte stimmt! Der Miet- und Preiswucher der Kapitalisten frißt die 40-Stunden-Löhne auf und zwingt uns, den Lohnverlust durch ständige Überstunden auszugleichen. Damit wir auf die Überstunden nicht länger angewiesen sind, müssen unsere Löhne entsprechend erhöht werden! Darum:
Abschaffung der Überstunden bei vollem Lohnausgleich!
Bei 50 Pf. Lohnerhöhung pro Stunde werden für uns, gerechnet am Tariflohn, rund zehn Überstunden im Monat überflüssig! Auf zehn Überstunden pro Monat kommt bei Bitter bestimmt jeder. Soviel müssen manche von uns in einer Woche zulegen.

Darum:
50 Pf. mehr pro Stunde als Lohnausgleich für zehn Überstunden im Monat!"

Berichtet wird über den Streik bei Neuhaus Gelsenkirchen (IGM-Bereich - vgl. 13.5.1970) und auch von der BETR der IGBE (vgl. 10.5.1970):"
SCHLUSS MIT DEN LANGEN TARIFLAUFZEITEN!

Im Bergbau ist letzte Woche ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen worden: 7,75% und zwölf Monate Laufzeit. Keine der Forderungen der Kumpel ist voll durchgekommen. Durch geheime Tarifverhandlungen drei Tage vor der Urabstimmung haben die IGBE-Bonzen den bevorstehenden Arbeitskampf der Bergleute in letzter Minute verhindert. Mit den zwölf Monaten an die Kette gelegt, während den Kumpeln jede Möglichkeit, etwas gegen die Preisstiegerungen in der nächsten Zeit zu unternehmen (?,d.Vf.). Kollegen auch unsere Forderung von 12% wurde im Februar von den Bonzen der IG Druck und Papier nicht durchgebracht. Auch wir sind durch eine Laufzeit von zwölf Monaten an die Kette gelegt, während dem Preis- und Mietwucher der Kapitalisten keine Grenzen gesetzt sind! Schon in den nächsten drei Monaten werden die Preise so unverschämt steigen, daß von der Lohnerhöhung nichts übrig bleibt. Kollegen, der gewerkschaftliche Kampf muß jederzeit möglich sein, denn nur dann ist er eine wirksame Waffe gegen den ständigen Lohnraub und Preiswucher der Kapitalisten. Lassen wir es nicht länger zu, daß uns die Bonzen in Spitzengesprächen auf lange Laufzeiten festlegen! Keine Laufzeit und vier Wochen Kündigungsfrist!"

Im letzten Beitrag wendet man sich:"
AN ALLE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN

Bisher haben wir in der 'Roten Letter' vorwiegend Mißstände in der Lehrlingsausbildung angeprangert. Einige der älteren Kollegen meinten deshalb, der Inhalt der 'Roten Letter' ginge sie deshalb nicht viel an und fragten, wann denn mal etwas für sie drinstände. Gerade in dieser Nummer der Zeitung wenden wir uns auch an die älteren Kollegen, denn alle Arbeiter sind der Arbeitshetze und der wachsenden Ausbeutung durch die Kapitalisten ausgesetzt! Um uns gegen die Kapitalisten zu wehren, brauchen wir die Solidarität aller Arbeiter, Jungarbeiter und Lehrlinge. Die Herausgeber dieser Zeitung, Kollegen aus verschiedenen Recklinghäuser Druckereien, kennt ihr bisher nur als Druckerkollektiv der ehemaligen Roten Garde ((RG,d.Vf.) jetzt KJVD, Kommunistischer Jugendverband Deutschlands). Im KJVD sind Lehrlinge und Jungarbeiter zum Kampf gegen die kapitalistische Erziehung und die besondere Ausbeutung der Jugendlichen zusammengeschlossen. der KJVD ist die Jugendorganisation der KPD/ML (Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten).

Kollegen, wir werden Euch in dieser Zeitung regelmäßig von den Mißständen in den verschiedenen Druckereibetrieben berichten, damit sie allen Kollegen bekannt werden und wir gemeinsam dagegen vorgehen können. Wir werden Euch auch über den Kampf der Kollegen in den Betrieben anderer Branchen informieren, damit wir aus ihren Erfahrungen lernen können.

Arbeitet mit im
Druckerkollektiv der KPD/ML und des Kommunistischen Jugendverbands Deutschlands

Recklinghausen-Süd
Berghauser Str.2
rechter Eingang/Schmitz"
Q: Rote Letter Nr.3, Recklinghausen, Mai 1970

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09.06.1970:
Im Druckbetrieb Bitter Recklinghausen finden, laut KJVD und späterer KPD/ML-ZB (vgl. 19.5.1970), die Betriebsratswahlen (BRW) statt.
Q: Rote Letter Nr.3,Recklinghausen Mai 1970,S.1

25.06.1970:
In der Nr.9 des 'KND' (vgl. 22.6.1970, 29.6.1970) berichtet die KPD/ML-ZB u.a., daß in Recklinghausen die Nr.4 der 'Roten Letter' als Sondernr. für Lehrlinge erschienen sei, das dortige Druckerkollektiv aber betone, daß dies die letzte Lehrlingsnummer sei, weil in Zukunft der gemeinsame Kampf aller Lehrlinge und Jungarbeiter durch den 'Kampf der Arbeiterjugend' vorangetrieben werden solle.
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.9,Bochum 25.6.1970

20.02.1971:
Der KJVD Recklinghausen der KPD/ML-ZB berichtet:"
DGB-KREISJUGENDKONFERENZ IN RECKLINGHAUSEN

Von den eingeladenen 39 Stimmberechtigten kamen 25 zur KJK am 20. Februar um 15 Uhr im DGB-Haus zusammen. Gewählt werden sollte der KJA, der sich bisher zusammengefunden hatte, ohne von jemandem einen Auftrag bekommen zu haben.

Außer den Jugendlichen waren etwa zehn ältere Funktionäre des DGB anwesend. Der Kreisvorsitzende, ein Sozialfaschist übelster Sorte, der jedem die Tür weist, der sich nicht 'auf dem Boden der Grundsätze der Gewerkschaftsjugend bewegt', und dabei kräftig Werbung für die SPD macht, spendierte Brötchen und Getränke.

Außerdem waren drei SDAJler (der DKP,d.Vf.) und ein Jusofunktionär anwesend.

Vom KJVD waren zwei Genossen da. Wir beteiligten uns nicht an der Kandidatenaufstellung.

Es wurde von einem Jugendfunktionär des DGB ein Referat über die Aufgaben der Gewerkschaftsjugend gehalten. Das diente aber nur zur Verwirrung und Einschläferung der Kollegen, denn über den zu verschleiernden Inhalt sollten wahre Haufen von Fremdwörtern hinwegtäuschen. Allerdings wurden aber die Jugendforderungen des DGB für das Jahr des 'jungen Arbeitnehmers' gepriesen.

Es wurde Bildungsurlaub gefordert und gesagt, daß keine Jugendbildungsstätte in NRW sei.

Im Anschluß daran wurden die gestellten Anträge und Resolutionen der Teilnehmer zur Abstimmung gebracht.

Wir hatten im Namen der Jugendgruppe der IG Druck (DP,d.Vf.) folgende Anträge gestellt:

a) Hiermit fordert die JG, daß das Streikrecht für Lehrlinge gesetzlich verankert wird. Es reicht nicht aus, wenn von Seiten des DGB festgestellt wird, Lehrlinge dürften streiken. Den Lehrlingen müssen die Rechte zustehen, die auch die älteren Kollegen besitzen. Der Antrag wurde mit nur einer Enthaltung angenommen.

b) Die Prozenttarife (z.B. 40, 60, 70) halten wir für falsch. Durch diese Tarife wird die Forderung der Lehrlinge nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit nicht berücksichtigt. Unsere Forderung lautet: 60 Prozent des Ecklohns für die Zeit der Ausbildung, 100 Prozent für alle Lehrjahre für die Zeit in der Produktion. Der Antrag wurde mit neun Jastimmen gegen vier Neinstimmen und sieben Enthaltungen angenommen. Die SDAJler stimmten dagegen.

c) Alle Gewerkschaften, in deren Bereichen Tarifabschläge für Jungarbeiter bestehen, sind aufgefordert, diese in den nächsten Tarifverhandlungen abzubauen und zu beseitigen. Der Antrag wurde mit 21 Jastimmen bei zwei Enthaltungen angenommen.

Dann wurde von uns noch ein Antrag zu den Lohnleitlinien gestellt.

Angesichts der miserablen Tarifergebnisse der IG Druck und Papier in ihren Verhandlungen wehren wir Gewerkschafter uns auf das schärfste gegen Erscheinungen in den Tarifverhandlungen, sich auf die 'Lohnleitlinien' des Prof. Schiller, die gegen die Interessen der Arbeitnehmer gerichtet sind, festlegen zu lassen.

Es gab eine heftige Diskussion über diesen Antrag. Wir legten unsere Meinung als Gewerkschafter dazu vor, doch war das Gerede der alten Funktionäre, wie - es ist nicht der richtige Platz für diese Resolution - angesichts der vorgerückten Zeit doch von größerem Gewicht für die jungen Kollegen. Dabei hatten wir diesen Antrag von etwa zehn Jugendlichen vorher unterschreiben lassen und dann vorgelegt. Trotz allem wurde der Antrag gegen drei Jastimmen abgelehnt.

Doch wenn sich auch viele Jugendliche enthalten hatten, so konnten wir doch mit ihnen große Gemeinsamkeiten gegen den Verrat und das falsche Gerede der Funktionäre erzielen."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.22,Bochum 20.3.1971,S.8f


Letzte Änderung: 30.07.2023