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Mit der Bestellung eines neuen Geschäftsführers für die Schalker Eisenhütte in Gelsenkirchen 1996 verschärfte sich ein schleichender Tarifkonflikt, der durch den Austritt des Unternehmens aus dem Arbeitgeberverband und der Nichtunterzeichnung eines „Anerkennungstarifvertrages“ für Unruhe in der Belegschaft sorgte.
Durch den Austritt des Unternehmens aus dem Arbeitgeberverband ist der Arbeitgeber nicht mehr an geltende Tarifverträge gebunden. Sinn und Zweck eines solches Schritts ist in der Regel, dass schlechtere Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden sollen, z. B. die Arbeitszeit verlängert, Akkordlöhne gekürzt werden sollen oder andere Kostensenkungen (weniger Weihnachts- oder Urlaubsgeld) eingeplant werden.
Zunächst hat ein Verbandsaustritt aber keine Wirkung. Verlässt ein Unternehmen den Arbeitgeberverband, dann müssen die geltenden Tarifverträge nach § 3 Abs. 3 TVG eingehalten werden. Diese Tarifbindung hängt nicht von der Dauer einer Verbandsmitgliedschaft ab, sondern von der Laufzeit des Tarifvertrages.
Eine Variante zum Flächentarifvertrag bildet der „Anerkennungstarifvertrag“. Mit einer solchen Vereinbarung erklären Betriebe, die keinem Tarifträgerverband der Metall- und Eisenindustrie angehören, dass sie den Flächentarifvertrag komplett oder in wesentlichen Teilen übernehmen. Bei diesem Regelwerk fehlt meistens die Schutzfunktion des verbandlichen Flächentarifvertrages.
Am 10. September 1996 kam es wegen des Tarifkonflikts zu einem ersten Warnstreik im Betrieb, der Schalker Eisenhütte in Gelsenkirchen, auf den weitere Aktionen folgen sollten.
Mit einem Schreiben der Unternehmensleitung vom 19. September eskalierte der Konflikt weiter.
Ein Leserbrief zweier Beschäftiger in den Lokalzeitungen sorgte weiter für reichhaltigen Zündstoff. Den beiden Beschäftigten flatterte daraufhin eine „Abmahnung“ ins Haus, in der es u. a. hieß: „Wir sind nicht bereit, dieses arbeitsvertragswidrige Verhalten zu dulden und mahnen Sie deshalb hier förmlich ab. Im Wiederholungsfalle werden wir die notwendigen arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung ziehen.“
Am 21. September wurden die Verhandlungen der Unternehmensleitung über einen Anerkennungstarifvertrag mit der IG Metall (Verhandlungsführer Alfred Schleu und R. Sadowski) abgebrochen. Damit spitzte sich der Tarifkonflikt merklich zu. Ein langwieriger Streik war somit möglich geworden.
Die Unternehmensleitung war nicht bereit, die „Abmahnungen“ zurückzunehmen. Das führte innerhalb des Betriebes zu verschiedenen Solidaritätsaktionen. Vor allem wurde auch auf Belegschaftsversammlungen die Forderung „Rücknahme der Abmahnungen“ erhoben.
Verschiedene Leserbriefe in der „WAZ“ der „Buerschen Zeitung“ und der „Ruhrnachrichten“, erklärten sich ebenfalls solidarisch.
Ein längerer Artikel erschien am 14. Oktober 1996 in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Darauf folgte am 22. Oktober ein weiterer „Leserbrief“.
Auch die Kreisleitung Gelsenkirchen der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) erklärte sich in einem Schreiben vom 14.10. (als einzige Partei in Gelsenkirchen) mit den zwei Leserbriefschreibern solidarisch und forderte die Zurücknahme der Abmahnung. Zudem beteuerte sie, den Protest der Kollegen gegen die Ausweitung der Arbeitszeit und die Kürzung des Akkordlohnes zu unterstützen.
Der Konflikt wurde durch den Eintritt des Unternehmens in den Arbeitgeberverband beendet. Erst zwei Jahre später wurde die „Abmahnung“ an einen Beschäftigten zurückgenommen und aus der Personalakte getilgt.
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