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Jülich

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 5.12.2007

Aus Jülich im Kreis Düren lag uns kein lokales Material vor. Bekannt wird Jülich vor allem durch seine Kernforschungsanlage (KFA), die einleitend für diese wie immer lückenhafte Darstellung, durch die um die Zukunft des Steinkohlebergbaus besorgte DKP gepriesen wird (vgl. 24.7.1969), später allerdings erfährt die KFA Jülich eher einhellige Ablehnung in den hier erschlossenen Quellen (vgl. 12.2.1975, 30.4.1975, 14.5.1975, 2.4.1976, 17.8.1977), so dass diese für die Polizei offenbar zum zu schützenden Objekt wird (vgl. 6.7.1976), ohne dass hier Hinweise auf irgendwelche Protestaktionen gegeben werden könnten.

Außer durch Atomforschung wird Jülich auch durch die örtliche Abteilung der Fachhochschule Aachen/Jülich bekannt (vgl. 7.1.1971, 14.10.1971), wobei dort auch eine Zelle des KSV der KPD aktiv war (vgl. 9.1.1974), die aber hier nicht direkt auftaucht, im Gegensatz zur Ortsgruppe Jülich der Liga gegen den Imperialismus (LgdI) der KPD (vgl. 31.10.1972). Die Freunde der KPD an den Oberschulen waren vermutlich in Jülich nicht präsent, auch wenn sie sich auf Landesebene wiederholt des Beispiels für politische Disziplinierung aus Jülich bedienen (vgl. 6.11.1972, 1.12.1972). Die Jülicher Freunde der KPD protestieren natürlich auch gegen deren Verbot (vgl. 9.6.1973, 20.6.1973), wobei sie eines der ersten Ortskomitees bilden. Auch bei den Landtagswahlergebnissen 1975 scheint sich die relative Stärke der KPD im Vergleich zur örtlichen DKP zu beweisen (vgl. 4.5.1975), wobei allerdings fraglich bleibt, wie viele Stimmen die KPD allein aufgrund ihres zugkräftigen Namens einstreichen konnte.



Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

24.07.1969:
Die DKP gibt die Nr.17 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 17.7.1969, 31.7.1969). Auf Seite 10 heißt es von W.S.:"
ATOMENERGIE FÜR NRW

'Törichte Menschen haben zuviele Zechen geschlossen', erklärte NRW-Staatssekretär Prof. Dr. Leo Brand während des Vertragsabschlusses über die Einheitsgesellschaft Ruhrkohle AG (RAG - IGBE-Bereich,d.Vf.). Wir möchten ergänzen, daß diese 'törichten Menschen' nicht schlecht am Zechensterben verdienten und jahrelang weitere Milliarden DM aus Steuermitteln dafür erhielten. Nun haben erfolgreiche Versuche im Jülicher Kernkraftwerk (AKW,d.Vf.) bewiesen, daß die Vergasung von Stein- und Braunkohle mit Hilfe der Atomenergie keine Utopie mehr ist. Ein in Jülich entwickelter Atomreaktor ist in der Lage, jährlich viele Millionen t Kohle in preiswertes Synthese-Gas zu verwandeln, das billiger als Erdöl und Erdgas ist. In Pipelines quer durch das NRW-Industriegebiet können damit Stahlwerke, Chemische Fabriken und andere Unternehmen mit billiger Energie versorgt werden.

Auf dieser technischen Grundlage ist eine 'Energieschiene' mit zahlreichen Atomreaktoren im industriellen Dreieck von Duisburg - Hamm - Köln bis zum Jahre 1990 geplant. Die Atomenergie würde die Zukunft der Ruhrkohle sichern. Das Kernforschungszentrum Jülich ist der geistige Vater dieses Energieprogramms.

Die nordrheinwestfälische CDU und die Landesregierung in Düsseldorf entdeckten fast gleichzeitig diesen grandiosen Plan als ein zugkräftiges Wahlkampfthema. Mit wörtlich fast gleichlautenden Texten traten und die Landesregierung mit ihren Plänen an die Öffentlichkeit. Ausgerechnet die CDU, deren Politiker, in Sonderheit Bundeskanzler Erhard, sein Nachfolger Schmücker und die gesamte Unternehmerlobby für das Zechensterben an der Ruhr verantwortlich zeichneten, ausgerechnet diese CDU jubiliert nun. Noch ist alles nur Zukunftsmusik. Für die Entwicklungskosten erwartet die Landesregierung 80 Millionen DM vom Bund. Eine Zusage gibt es dafür noch nicht. Experten haben ausgerechnet, daß ab 1974 mindestens eine Milliarde Mark für Investitionen gebraucht wird. Aber selbst Staatssekretär Prof. Halstenberg, der Chef der NRW-Staatskanzlei, mußte einräumen, daß es eine genaue Planung über die vorgesehene Energieschiene noch gar nicht gibt, da erst die Forschungsarbeiten beendet sein müssen. Das wäre etwa 1974. Die in Jülich durch die Atomenergie ermöglichte Umwandlung von Kohle in Synthese-Gas ist eine wichtige technische Neuerung. Mit ihr kann NRW an Leistungskraft enorm gewinnen. Wie nicht anders zu erwarten, will man in Düsseldorf die Nutzung dieses technischen Fortschritts der 'freien Wirtschaft' allein überlassen. Für die ungeheuren Investitionen, die eine Nutzung dieser Erfindung erst ermöglichte, würde der Staat - getreu seiner Funktion im staatsmonopolistischen Kapitalismus - gerade stehen. Obwohl es sich dabei um ein Zukunftsprojekt handelt, sollten sich die Gewerkschaften und die gesamte Arbeiterbewegung bereits jetzt darüber Gedanken machen, wie ein solches Unternehmen unter öffentliche und demokratische Kontrolle - mitbestimmt durch die Gewerkschaften - gebracht werden kann. Die Machtfülle, die ein solches privatkapitalistisches Unternehmen durch seine Hand am Gashahn bekäme, ist absehbar."
=Unsere Zeit NRW Nr.17,Essen 24.7.1969

27.11.1969:
Die DKP gibt die Nr.35 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 20.11.1969, 4.12.1969). Berichtet wird u.a. über Jülich.
=Unsere Zeit NRW Nr.35,Essen 27.11.1969

07.01.1971:
In Aachen erscheint erstmals die 'Aachener Technologie Zeitung', die von der Projektgruppe Technologie des Zentralen Regionalverbandes der Fach- und Basisgruppen Aachen-Jülich (ZRV) herausgegeben wird. Im Laufe des Jahres erscheinen zumindest noch zwei weitere Nummern.
=Aachener Technologie Zeitung Nr.1-3,Aachen 1971

14.10.1972:
Es beginnt eine zweitägige Tagung des SB in Frankfurt. Es geht um Fragen sozialistischer Organisation. U.a. hält Oskar Negt das Hauptreferat ("Nicht nach Köpfen, sondern nach Interessen organisieren!").

Teilnehmende Gruppen sind u.a. der Zentrale Regionalverband der sozialistischen Basisgruppen Aachen und Jülich.
=Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hg.): Tradition heißt nicht,Asche aufheben, sondern die Flamme am Brennen halten. Für und über Klaus Vack, Sensbachtal 1985, S.56f. und 208

31.10.1972:
Die KPD gibt die Nr.67 ihrer 'Roten Fahne' (vgl. 25.10.1972, 8.11.1972) heraus. In NRW führten die 4 Aachener Vietnamausschüsse eine Veranstaltung mit 80 Besuchern und eine Demonstration in Jülich durch.
=Rote Fahne Nr.67,Dortmund 31.10.1972

06.11.1972:
In NRW gibt der KOV der KPD vermutlich Anfang dieser Woche das folgende Flugblatt mit zwei Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Klaus Schaak in Berlin heraus:"
AUFRUF ZUM SCHÜLERKONGRESS GEGEN DIE POLITISCHE DISZIPLINIERUNG SOZIALISTISCHER UND KOMMUNISTISCHER SCHÜLER UND LEHRER
...
Die 250 000 DM pro Jahr, die sich die SMV in einem jahrzehntelangem Ringen von der Kultusbürokratie im Jahre 1971 abgetrotzt hatte, und die sie in 'Eigenverantwortlichkeit' (!) (siehe SMV-Erlaß) verwalten wollte, werden nun von der Kultusbürokratie zurückgehalten. In Zukunft werden der SMV nur noch 'Einzelbewilligungen' gewährt, was Presse- und Meinungsfreiheit ist, bestimmt ab jetzt das KuMi!

Doch das ist nur der Anfang! Jetzt folgt ein ganzer Rattenschwanz von politischen Disziplinierungen gegen Schülervertreter (SV) in und um die SMV, die sich gegen die Knebelungsversuche zur Wehr setzen:
...
- Eine fortschrittliche Schülerzeitung der Innerschulischen Opposition Jülichs wurde 'schulrechtlich' verboten, weil die Herausgeber sich anmaßten, die SMV als verlängerten Arm des KuMi und als 'Schülermitverdummung' zu charakterisieren."
=KOV:Aufruf zum Schülerkongreß gegen die politische Disziplinierung sozialistischer und kommunistischer Schüler und Lehrer,Berlin o.J. (1972)

06.11.1972:
Vom KOV der KPD bzw. seinen Anhängern in NRW wird spätestens in dieser Woche folgender Text (vgl. 30.10.1972, 12.11.1972) verfaßt:"
ERWEITERUNG DER PLATTFORM der SV-Kampfaktive
...
Der neue Landesvorstand wird allem Anschein nach den Kampf gegen die Übergriffe der Kultusbürokratie nicht führen; denn wenn er so weiter macht, wie er bereits mit seinen Thesen begonnen hat, kann er sich seiner Finanzierung sicher sein.

Uwe Koch, persönlicher Referent des neuen Landesvorstandes, erklärte dem KOV gegenüber, daß sie zwar den am 12.11. stattfindenden Schülerkongreß nicht schlecht finden, aber dazu aufrufen wird der Landesvorstand nicht, da er jetzt erst einmal Wochen der 'Klärung seiner Aufgaben' braucht.

Schüler! Auf so einen Landesvorstand können wir verzichten!

Verstärken wir deshalb den Kampf gegen die Maßnahme des Kumi, die jetzt auf Bezirksebene und auch verstärkt auf Schulebene gegen alles fortschrittliche in und um der SMV ergriffen werden:
...
- in Jülich wurde eine Schülerzeitung schulrechtlich verboten, weil die Herausgeber kritisch zur SMV stehen. Sie charakterisieren die SMV in einem Brief an den Landesvorstand als 'Schülermitverdummung'
...
Kämpfen wir für die volle finanzielle Absicherung der Arbeit fortschrittlicher SV, weiterhin für eine unzensierte SV-Zeitung, für die Zurücknahme aller anderen politischen Disziplinierungen, die in der letzten Zeit noch gefolgt sind.

Sofortige ZURÜCKNAHME der VERBOTE der FORTSCHRITTLICHEN SCHÜLERZEITUNGEN in Jülich und Münster!"
=N.N.:Erweiterung der Plattform der SV-Kampfaktive,o.O. o.J. (1972)

01.12.1972:
Der KOV der KPD berichtet vom heute beginnenden Düsseldorfer Schülerkongreß der Freunde der DKP (vgl. 3.12.1972):"
ADS-SCHÜLERKONGRESS: PROPAGANDASCHAU DES MSB VEREITELT!
...
Bei der Diskussion über die politische Disziplinierung konnten von Genossen und Freunden des KOV und des ZR's u.a. am Beispiel der Entlassung des fortschrittlichen Lehrers Hannes Heer aus dem Schuldienst, dem Verbot der SMV-Press, Verboten von fortschrittlichen Schülerzeitungen (Münster und Jülich) sowie an etlichen Androhungen und Aussprechungen von Verweisen gegen fortschrittliche Schüler und Schülervertreter die reaktionäre Schulpolitik der SPD/FDP-Regierung offengelegt werden."
=Schulkampf-NRW Einlage Nr.3,o.O. o.J. (Dez. 1972),S.3ff

09.06.1973:
Laut KSV der KPD (vgl. 13.6.1973) beginnt vermutlich heute in Köln die erste zweitägige Nationale Delegiertenkonferenz des Komitees 'HÄNDE WEG VON DER KPD' (vgl. 2.6.1973):"
SOLIDARITÄT MIT DER KPD! NATIONALE DELEGIERTENKONFERENZ DES KOMITEES 'HÄNDE WEG VON DER KPD'

Am letzten Wochenende fand in Köln die erste Konferenz von Delegierten des Komitees 'Hände weg von der KPD' statt, zu dem das nationale Sekretariat der örtlichen Komitees eingeladen hatte. Anwesend waren Genossen aus allen Regionen der BRD und aus Westberlin sowie Vertreter der KPD, ihrer Massenorganisationen und der LIGA GEGEN DEN IMPERIALISMUS. ... Es sind bereits gegründet bzw. in der Vorbereitung Komitees in den Städten: ... Jülich, ..."
=Dem Volke Dienen Nr.16,Dortmund 13.6.1973,S.7

20.06.1973:
In der Nr.25 der 'Roten Fahne' der KPD (vgl. 13.6.1973, 27.6.1973) erscheint ein Aufruf zur Demonstration "Hände weg von der KPD!" am 23.6.1973 in Karlsruhe. Dieser Aufruf wird unterstützt von den Ortskomitees u.a. in Jülich.
=Rote Fahne Nr.25,Dortmund 20.6.1973

09.01.1974:
In der Nr.2 ihrer 'Roten Fahne' (vgl. 3.1.1974, 16.1.1974) befaßt sich die KPD u.a. mit dem eigenen KSV, der wiederum ein Komitee Solidarität mit den politisch disziplinierten Studenten und Dozenten aufbaute, in dessen 'Infoblatt' u.a. von Vollversammlungen u.a. in der Abteilung Jülich der FHS Aachen berichtet wurde.
=Rote Fahne Nr.2,Dortmund 9.1.1974

12.02.1975:
In der Nr.6 ihrer 'Roten Fahne' (RF - vgl. 5.2.1975, 19.2.1975) berichtet die KPD u.a. aus Jülich über die Kernforschungsanlage (KFA - ÖTV-Bereich) und die OG der LgdI. In Jülich solle demnächst ein Arbeitslosenkomitee (ALK) gegründet werden.
=Rote Fahne Nr.6,Dortmund 12.2.1975

30.04.1975:
In der Nr.17 ihrer 'Roten Fahne' (RF - vgl. 23.4.1975, 7.5.1975) berichtet die KPD u.a. von der Kernforschungsanlage (KFA - ÖTV-Bereich) Jülich.
=Rote Fahne Nr.17,Dortmund 30.4.1975

04.05.1975:
Bei den Landtagswahlen (LTW) in NRW erhält die KPD, nach eigenen Angaben, im Wahlkreis Düren/Jülich 171 Stimmen, die DKP aber nur 163. In Jülich Stadt erhält die KPD 62, die DKP 24.
=Rote Fahne Nr.18, 19 und 20,Köln 7.5.1975, 14.5.1975 bzw. 21.5.1975

14.05.1975:
In der Nr.19 ihrer 'Roten Fahne' (RF - vgl. 7.5.1975, 21.5.1975) berichtet die KPD u.a. von der Kernforschungsanlage (KFA - ÖTV-Bereich) über SPD und OG Jülich der LgdI.
=Rote Fahne Nr.19,Köln 14.5.1975

02.04.1976:
In Bremen beginnt, laut KPD, eine viertägige Tagung der International Youth Federation for Environmental Studies (in der 'BRD': Jugendbund für Naturbeobachtung) über Kernenergie, auf der man sich u.a. mit den AKWs in Brokdorf und Wyhl bei Freiburg, der KFA Jülich und WAAs befaßt. Verabschiedet wird eine Resolution gegen Berufsverbote (BV) wie sie u.a. den KPD-Professor Jens Scheer treffen.
=Rote Fahne Nr.15,Köln 14.4.1976

06.07.1976:
In der Kernforschungsanlage (KFA - ÖTV-Bereich) Jülich führen, laut KPD, die Polizeien von Aachen, Düren und Köln ein Manöver durch.
=Rote Fahne Nr.31,Köln 4.8.1976

17.08.1977:
Die SAG gibt ihre 'Sozialistische Arbeiterzeitung' Nr.28/29 (vgl. 20.7.1977, 31.8.1977) heraus. U.a. wird eingegangen auf die Kernforschungsanlage (KFA) Jülich.
=Sozialistische Arbeiterzeitung Nr.28/29,Frankfurt 17.8.1977

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