Barbara Lukas (BuKo) u. a. (Hrsg.): 25.6.83. Krefeld. Dokumentation (1983)

27.07.1983:
Es erscheint die Broschüre „25.6.83. Krefeld. Dokumentation“. Herausgegeben wird sie von Barbara Lukas (BUKO), Sabine Stamer (Frieko Hamburg), Jürgen Jacoby (Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt Läden), Uli Knapp (Infostelle El Salvador), Manfred Kühle (Frieko Hamburg und BBU), Dietrich Schulze-Marmeling (BAF), Werner Raetz (BUKO), alle Mitglieder der ‚Bonner Runde' zur Vorbereitung der Herbst-Aktionen), Ermittlungsausschuss Hamburg, Sanitätergruppe Hamburg, Redaktion Straßenmedizin (Mitteilungsblatt der Sanitätergruppen), Hajo Karbach (GA Göttingen, FÖGA), Graswurzelgruppe Hamburg, Friedenskoordination Hamburg (Frieko), GAL Hamburg, KB, Antifagruppe Oldenburg, Sanigruppe Oldenburg, Rechtshilfe Oldenburg, AGIL Göttingen.

Zur Herausgabe der Broschüre gibt es zwei Erklärungen.

Erklärung 1:
„Krefeld, 25. Juni 1983. Ausgerechnet in der Stadt, die durch den Krefelder Appell bekannt geworden ist, sollte die offizielle Bundesrepublik mit Kohl und Carstens an der Spitze abgefeiert werden. Einen für sie selbst peinlicheren Anlass hätten die Herren kaum wählen können: vor 300 Jahren waren Krefelder Quäker, religiöse Kriegsdienstverweigerer, Pazifisten also, nach Amerika ausgewandert, weil sie hofften, dort nicht wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt zu werden.

Gefeierter Star des Tages war George Bush, Vizepräsident der USA und Ex-CIA-Chef. Jener George Bush, der weiß, wie man einen Atomkrieg gewinnen kann: ‚Man muss die Überlebensmöglichkeit des Oberkommandos sichern, die Überlebensmöglichkeit eines Industriepotentials, man muss den Schutz einer gewissen Prozentzahl von Bürgern sichern und eine Kapazität an Waffen haben, die der Gegenseite mehr Schaden zufügt, als sie einem selber zufügen kann - das ist genau der Weg, auf dem man einen Sieger in einem Nuklearkrieg hat.‘

In Krefeld, so Bush, habe er sich wie zu Hause gefühlt. Rund 50 verletzte und 134 festgenommene Demonstranten, einige sind immer noch inhaftiert, geben die Kulisse für diese heimelige Atmosphäre ab. Gegen dieses von der Bundesregierung und der US-Regierung inszenierte Spektakel wären gemeinsame Aktionen der Friedensbewegung mit dem Ziel, z.B. die Parade direkt zu stören und die Wagenkolonne zu blockieren, wünschenswert gewesen.

Umso unangemessener ist es, wenn sich einige Vertreter der Friedensbewegung von den Aktionen der ‚Autonomen‘, die die Störung des Geschehens zum Ziel hatten, distanzieren, gleichzeitig nicht ein einziges Wort über die Polizeieinsätze verlieren. Ganz offensichtlich haben bei dieser Distanzierung Vorurteile den Ton angegeben und nicht eine konkrete Betrachtung der Vorfälle. Dies wollen wir mit dieser Dokumentation nachgeholt wissen. Wir werfen den vorschnellen Distanzierern vor, sich nicht mit dem politischen Anliegen der ‚Autonomen‘ beschäftigt zu haben, sondern ihre Distanzierung zum Wohlgefallen der Etablierten abgegeben zu haben. Wir werfen den Distanzierern weiterhin vor, dass sie für sich nicht die Frage aufwerfen, ob die Polizei zielstrebig gegen die ‚Autonomen‘ vorgegangen ist, sondern nur noch die verbale Ausgrenzung der ‚Autonomen‘ thematisieren und dazu auch noch das alte Klischee von den bezahlten Provokateuren bemühen (‚Wer hat die bezahlt?‘).

Die Betroffenen brauchen unsere Solidarität, was eigentlich selbstverständlich ist. Wir unterstützen deshalb die Intention dieser Broschüre, die die Ereignisse in Krefeld aufzeigt und dokumentiert. Dabei werden die Abläufe von uns kritisch gesehen, einige halten sie für schädlich. Doch unabhängig von unserer Position, ui abhängig von der Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung mit den Mitteln, die in Krefeld angewendet worden sind, sagen wir, hier sind Teile der Friedensbewegung verletzt- und festgenommen worden, Teile derjenigen, die gegen den US- und NATO-Aufrüstungskurs in Krefeld demonstriert haben. Das erfordert unsere Solidarität, erfordert, dass wir uns nicht distanzieren. Gere de im Hinblick auf den ‚heißen Herbst‘ und die für den Dezember geplante Stationierung halten wir es für wichtig Fragen der Formen und der Effektivität des Widerstar, des in der Friedensbewegung breit zu diskutieren.
Barbara Lukas (BUKO), Sabine Stamer (Frieko Hamburg), Jürgen Jacoby (Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt Läden arbeitet für den BUKO in der Geschäftsführung für die Herbstaktionen), Uli Knapp (Infostelle El Salvador), Manfred Kühle (Frieko und Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz), Dietrich Schulze-Marmeling (Bundeskonferenz Autonomer Friedensgruppen), Werner Raetz (BUKO). (Alle Mitglieder der ‚Bonner Runde' zur Vorbereitung der Herbst-Aktionen).
Antimilgruppe Bonn, Buchladen 38 Bonn, Alternative Liste Bremen, Betrieblich Alternative Liste Bremen, Cornelia Habisch (DFG/ VK Lüneburg), Antikriegsplenum Emden, K V Die Grünen Göttingen, Peter Grohmann (ESG), BI Lauenburg, Kommunistischer Bund (KB), Hamburger Friedenskoordination, Bürgerinitiativen Niederrhein-Krefeld gegen Atomkraft für Umweltschutz (BINKA), Gesundheitsladen Bonn, Widerstand als Breitensport, Bonn, Antimiliaktion Münster, AGIL Göttingen, Graswurzelgruppe Hamburg, Friedenskomitee Recklinghausen, Bürgeraktion Umweltschutz Bonn, Redaktion de Schnüss, Friedensgruppe der AL Bremerhaven, Frauen gegen Krieg, Göttingen, Frauen für den Frieden, Göttingen.“

Erklärung 2:
„Erklärung des Koordinierungsausschusses der Grün-Alternativen Liste (GAL)/Hamburg vom 12.7.83, einstimmig angenommen.

Die Ereignisse von Krefeld und ihre Auswertung durch Teile der Friedensbewegung lassen uns befürchten, dass wir den für uns so wichtigen Herbst nicht geschlossen durchstehen können, sondern es den Herrschenden gelingt, uns zu spalten. Krefeld am 25. Juni 1983 steht für: Einerseits: Härteste und brutalste Polizeimaßnahmen gegen einen kleinen Teil der Friedensbewegung, der militant und z. T. mit Steinen und Farbbeuteln seine Gegnerschaft zu dem deutsch-amerikanischen Verbrüderungsspektakel ausdrückte.

Andererseits: U. E. gefährliche Distanzierungen von Sprechern aus dem anderen Teil der Friedensbewegung, die an diesem Tage keine Konfrontation mit dem Bush-Spektakel wollte und relativ weit ab ein Friedensfest veranstaltete. Diese Distanzierung war - leider - keine politische Kritik an den Aktionsformen, sondern definierte die ‚Autonomen‘ schlicht ins Lager unserer Gegner (‚Aufgabe der Friedensbewegung ist es, herauszufinden, wer die Provokateure bezahlt hat‘, Robert Jungk). Als besonders beängstigend empfinden wir es, dass der Schwung der Distanzierung offenbar so vehement war, dass die Brutalität der Staatsgewalt aus den Augen geriet. Mit unserer Dokumentation wollen wir dazu beitragen, ein genaueres Bild der wirklichen Vorkommnisse zu zeichnen.
Wir befürchten, dass es den Herrschenden gelingen kann, eine von nur wenigen akzeptierte Form des Widerstandes - wie die gewaltsamen Angriffe auf die Wagenkolonne des amerikanischen Vizepräsidenten Bush - zur Offensive gegen die Entwicklung jedweder Arten effektiven Widerstands zu nutzen. Die Menschen sollen dazu gebracht werden, sich ausschließlich auf die vom Staat vorgesehenen Formen des Widerstandes zu beschränken. Gelänge dies, käme das einer Kapitulation der Friedensbewegung gleich, denn nur die massenhafte praktische Aufkündigung der Loyalität gegenüber den Regierenden lässt einen Erfolg der Friedensbewegung aussichtsreich erscheinen. Andererseits halten wir es für falsch, wenn die Widerstandsvorstellungen von Teilen der autonomen Friedensbewegung zum Maßstab für die Entwicklung des Widerstands im kommenden Herbst genommen wird, die Anwendung von Gegengewalt ist keineswegs ein Kriterium für ‚Effektivität‘. Eine militarisierte Konfrontation kann die Friedensbewegung nicht durchstehen. Sie würde erneut in die Bestandteile zerfallen zwischen denen in jahrelanger Arbeit Brücken geschlagen wurden.
Es ist daher unerlässlich, dass es in den gemeinsamen Aktionen der Friedensbewegung zu Absprachen kommt, die die Verletzung von Menschen von Seiten der Friedensbewegung ausschließt. Dies ist gerade dann notwendig, wenn die Aktionen eine Dimension erhalten, die das staatliche Gewaltmonopol massiv in Frage stellt. Blockaden und Besetzungen von militärischen Einrichtungen erfordern von den TeilnehmerInnen eine gewachsene Widerstandsbereitschaft, die nicht dadurch in Frage gestellt werden darf, dass es zu unvorhergesehenen Aktionen aus den ‚eigenen Reihen‘ kommt. Wir müssen entschlossen sein, der Gewalt weder zu weichen, noch sie mit Gewalt zu beantworten. Gleichzeitig weisen wir alle Versuche zurück, unseren Widerstand auf appellative und legale Formen einzuengen. Unser Widerstand kann die Übertretung ungerechter Gesetze wie auch die Beseitigung materieller Hindernisse einschließen.
Beides muss der jeweiligen Situation angemessen geschehen und stellt keinen Selbstzweck dar. In diesem Sinne verstehen wir die geplanten Aktionen als Ungehorsam und gewaltfrei. Diese Vorstellung kann die unabhängige Friedensbewegung nur dann durchsetzen, wenn sie versucht, Mehrheiten in der Friedensbewegung für ein Konzept des Zivilen Ungehorsams - das vor allem praktisch und nicht ideologisch begründet ist - zu gewinnen. In der Woche nach Herausgabe der GAL-Erklärung haben sich zur Unterstützung entschieden:
Selbstorganisation der Zivildienstleistenden Bundeszentrale, Barbara Lukas (Nikaragua Komitee/BUKO), Werner Raetz (BUKO), Rolf Bräuer (BUKO), Rolf Behnke (BUKO), Manfred Kühle (Frieko), Carl Peter Greis (Wetzlarer Friedensinitiative), Barbara Greis (Wetzlarer Friedensinitiative), Ulrike Wohlgemuth (Friedensinitiative Bielefeld), Andreas Schüßler (Friedensinitiative Bielefeld), August Haußleitner (Redakteur Wochenzeitung ‚Die Grünen‘), Ali Schmeißner (Bundeshauptausschuss der Grünen), Rudolf Boch (Bundeshauptausschuss der Grünen), Betrieblich Alternative Liste Bremen, Martin Thomas (Sprecher des Landesvorstandes der Grünen Bremen), Charlotte Garbe (Mitglied der Landtagsfraktion die Grünen Niedersachsen), Rainer Trampert (Sprecher des Bundesvorstandes der Grünen), Klaus Timpe (Bundesvorstand der Grünen), Dieter Burgmann (MDB), Gaby Gottwald (MDB), Annemarie Borgmann (Nachrückerin NRW), Ludger Vollmer (Nachrücker NRW), Jürgen Reents (MDB), Raul Kopania (Fraktionsgemeinschaft der Grünen im Bundestag), Karin Zeitler (Nachrückerin NRW), Christian Schmidt (Nachrücker HH), Informationsstelle Lateinamerika e. V. Bonn, Bunte Liste Bielefeld (Ratsfraktion und Plenumsausschuss), Hajo Karbach (Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen), GAL Hochschulgruppe Hamburg DFG-VK Offenbach.

Inhalt der Broschüre ist:
- Krefeld am 25.6.1983
- Isolieren, Festnehmen Einsperren,
- Deutsch-amerikanisches Einmachfest
- Vorläufiger Ermittlungsbericht
- Krefelder Aktionen
- Stellungnahme Krefelder Initiativen
- Vorlage von Ulrich Frey für die „Bonner Runde“
- Erklärung der „Bonner Runde“ (Mehrheit)
- Erklärung der „Bonner Runde“ (Minderheit)
Interview mit Robert Jungk
- Stellungnahme Hamburger Autonomer
- Dokumentation „taz“ -Leserbriefe
- Verschärfung de Demorechts
- Dokumentation: Auszüge aus dem Polizeibericht.

Q: Barbara Lukas (BuKo) u. a. (Hrsg.): 25.6.83. Krefeld. Dokumentation, Krefeld 27.7.1983

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