Die Demonstration gegen die Demonstrationsverbote am 18. Mai 1973 in Dortmund

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin

Das einzige hier dargestellte Ereignis ist die Vorbereitung und Durchführung der Demonstration gegen die Demonstrationsverbote, im Nachfeld des Thieubesuchs in Bonn am 10.4.1973 und der allgemeinen Verfolgung der öffentlichen Zusammenkünfte aller Gruppen, die irgendwie KPD oder 'Kommunistisch' im Namen führen (mit Ausnahme der DKP) oder sonst wie ähnlich auftreten. Die Demonstration vom 1. Mai 1973 folgte auf die großen Auseinandersetzungen am 1. Mai 1973 und ging einer weiteren massiven Auseinandersetzung am 19. Mai 1973 anlässlich des Breschnewbesuch voraus.

Die Aktionen vom 18. Mai 1973 wurden einerseits getragen von der KPD, andererseits aber auch vom regionalen Komitee gegen das Demonstrationsverbot – Für uneingeschränkte Demonstrations- und Organisationsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volkes (vgl. 8.5.1973, 11.5.1973), in welchem sich vor allem die Vorläufer des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) organisierten, wie etwa die um die Zeitschrift 'Die Rote Front' gruppierten Kommunistischen Kollektive der Kommunistischen Fraktion im Ruhrgebiet (KFR).

Am 12. Mai 1973 werden Informationsstände durchgeführt, bei denen es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, was aber die Mobilisierung für den 18. Mai nicht aufzuhalten vermag (vgl. 14.5.1973), ebenso wenig wie weitere Maßnahmen gegen die KPD in Dortmund (vgl. 15.5.1973).

Am 18. Mai 1973 kommt es dann zu massiven Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern der verbotenen Demonstration und der Polizei bzw. zu Übergriffen dieser, die aber am folgenden Tag beim Breschnewbesuch mit noch weit größerer Intensität durchgeführt werden.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

08.05.1973:
Ab heute werden in Dortmund und Umgebung Aufrufe des Regionalen Komitees im Ruhrgebiet gegen das Verbot der 1. Mai-Demonstration in Dortmund verbreitet (vgl. 8.5.1973, 11.5.1973), einerseits als Flugblatt von zwei Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Reinhart Wagner in Dortmund, andererseits in einer Extra-Ausgabe der 'Roten Front', Zeitung der Kommunistischen Kollektive Hoesch, Zeche Hansa (Dortmund) und Gewerkschaft Viktor (Castrop Rauxel) - Mitglieder der Kommunistischen Fraktion im Ruhrgebiet für den Wiederaufbau der KPD (KFR - vgl. 9.5.1973).

In dem Aufruf heißt es neben einer Schilderung vom 1.Mai in Dortmund:"
Dieser ungeheure Angriff auf die Demonstrationsfreiheit ist eine Reaktion des bürgerlichen Staates auf die zunehmende Linksentwicklung des Volkes. Immer breitere Teile der Arbeiterklasse und des Volkes begannen in den letzten Jahren und Monaten das demokratische Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit für ihre Interessen einzusetzen. Ob bei selbständigen Kämpfen der Arbeiterklasse für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, bei den Kämpfen der Mieter gegen ihre Ausplünderung durch die Haus- und Grundbesitzer oder beim entschiedenen Protest gegen die Verbrechen des US-Imperialismus in Vietnam - immer waren Demonstrationen und die freie Meinungsäußerung entscheidende Mittel im Kampf für die Interessen der Arbeiterklasse und des Volkes. Diese Kämpfe haben den bürgerlichen Staatsapparat in helle Aufregung versetzt.

Notstandsgesetze (NSG,d.Vf.), Aufrüstung der Polizei, Berufsverbot für Demokraten und Kommunisten im öffentlichen Dienst (BV im ÖD,d.Vf.) waren u.a. seine Antwort.

In den letzten Wochen hat der bürgerliche Staat seinen Kampf gegen alle fortschrittlichen Kräfte entscheidend verstärkt. Als Anlaß dazu diente die spektakuläre Bonner Rathausbesetzung (vgl. 10.4.1973,d.Vf.). Diese 'symbolische' Aktion, die von den wirklichen Kämpfen der Arbeiterklasse und des Volkes losgelöst war, machte es dem Staat und der bürgerlichen Presse leicht, eine breite Demagogie und Hetzkampagne gegen alle fortschrittlichen Kräfte zu entfalten, die sich nicht darauf verlassen, den Staat durch Bitten zu Reformen zu veranlassen, die nicht auf die 'Verwirklichung des Grundgesetzes' (GG,d.Vf.) setzen, sondern die für den selbständigen Kampf der Arbeiterklasse und des Volkes für ihre Interessen eintreten.

Am stärksten betroffen von den Unterdrückungsmaßnahmen der bürgerlichen Staatsgewalt sind heute kommunistische Organisationen. Am 3.Mai hat Innenminister Weyer (FDP in NRW,d.Vf.) das Demonstrationsverbot für alle kommunistischen Organisationen ausgesprochen. Megaphone und Lautsprecherwagen sollen generell für alle Demonstrationen verboten werden.

Seit einigen Wochen wird vom Innenminister Weyer und anderen reaktionären Kräften wieder lautstark das Verbot kommunistischer und anderer fortschrittlicher Organisationen gefordert. Daß diese Verbotsdrohung keine leere Phrase ist, beweist die Durchsuchung des Büros des 'Nationalen Vietnamkomitees' und der 'Liga gegen den Imperialismus' (NVK bzw. LgdI der KPD,d.Vf.). Die politische Anschauung der Kommunisten, daß der bürgerliche Staat nur gewaltsam überwunden werden kann, wird dabei als Verbotsgrund genommen.

Dies ist ein wesentlicher Schritt zum Abbau der demokratischen Rechte, zu dem der bürgerliche Staat immer dann greift, wenn diese Rechte für die Interessen der Arbeiterklasse und des Volkes genutzt werden. Wir dürfen uns das demokratische Recht auf Meinungs- und Demonstrations- und Organisationsfreiheit nicht nehmen lassen. Am 1.Mai in Dortmund durchbrachen spontane Protestkundgebungen erfolgreich das Demonstrationsverbot. Dieser Protest muß weitergehen!

Wir fordern alle demokratisch gesinnte Menschen, alle demokratischen und kommunistischen Organisationen auf, für uneingeschränkte Meinungs-, Demonstrations- und Organisationsfreiheit einzutreten.

Protestieren wir gemeinsam gegen den von Innenminister Weyer verhängten polizeilichen Gesinnungsterror!

Protestieren wir gemeinsam gegen Demonstrationsverbote und Verbotsdrohungen gegen kommunistische Organisationen.

WEG MIT DEM DEMONSTRATIONSVERBOT!
FÜR UNEINGESCHRÄNKTE MEINUNGS- UND DEMONSTRATIONSFREIHEIT!"

In dem Komitee sind, nach eigenen Angaben, neben Einzelpersonen vertreten:
- Kommunistische Fraktion im Ruhrgebiet für den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei (KFR) bzw. die Mitglieder der Kommunistischen Kollektive Hoesch und Zeche Hansa Dortmund der KFR, der Kollektive Gewerkschaft Erin und Zeche Erin Castrop-Rauxel der KFR, der Initiative Essen der KFR, der Kommunistischen Kollektive Hagen der KFR, der Initiative Witten der KFR und der Initiative Velbert der KFR;
- Proletarische Linke (PL) Hamm,
- Sozialistische Schülergruppen NRW,
- Kommunistische Hochschulgruppe (KHG) (u. W.: Kommunistische Hochschulinitiative - KHI,d.Vf.) Bochum,
- Kommunistische Hochschulgruppe (KHG) Dortmund.

Aufgerufen wird dazu, am 18. Mai in Dortmund gegen das Demonstrationsverbot zu demonstrieren.

Nur in dem Flugblatt heißt es:"
Dieser Aufruf richtet sich an alle fortschrittlichen, demokratischen und kommunistischen Organisationen und Einzelpersonen. Sie sind aufgefordert, sich in dem gemeinsamen Komitee gegen das Demonstrationsverbot an den Vorbereitungen einer gemeinsamen Protestdemonstration zu beteiligen und weitere Menschen für das Komitee zu gewinnen.

Das Komitee ist zu erreichen über: Buchhandlung 'rote front' R. Wagner, Dortmund, Uhlandstr.82"

Nur im Flugblatt wird auch das nächste Treffen des Komitees am 13.5.1973 angekündigt.
Quellen: Die Rote Front Extra 1. Mai 1973 in Dortmund: Für freie politische Betätigung der Arbeiterklasse und des Volkes,Dortmund/Castrop-Rauxel o. J. (1973),S.4; Regionales Komitee gegen das Demonstrationsverbot - für uneingeschränkte Demonstrations- und Organisationsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volkes!: Aufruf,Dortmund o.J. (Mai 1973)

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11.05.1973:
An der Ruhr Universität Bochum wird laut und auf Initiative der Kommunistischen Hochschulinitiative (KHI) das Komitee Kampf den Demonstrationsverboten gegründet (vgl. 9.5.1973, 12.5.1973).
Q: Kommunistische Hochschulzeitung Nr.1,Bochum Mai 1973

12.05.1973:
Das Dortmunder Komitee gegen das Demonstrationsverbot – Für uneingeschränkte Demonstrations- und Organisationsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volkes führt vor der Dortmunder Reinoldikirche eine Kundgebung durch, bei der sich, laut KHI Bochum, ca. 300 Menschen versammeln. Dabei kommt es zu Übergriffen der Polizei auf Mitglieder dieses Komitees, "die Flugblätter verteilten und in Gruppen mit interessierten Passanten diskutierten" (vgl. 11.5.1973, 18.5.1973).

Die KFR im Ruhrgebiet (vgl. 25.5.1973) berichtet (vgl. 15.5.1973):
DER KAMPF GEGEN DAS DEMONSTRATIONSVERBOT
POLIZEIKNÜPPEL GEGEN MEINUNGS- UND DEMONSTRATIONSFREIHEIT

Kurz nach den bekannten Ereignissen vom 1. Mai in Dortmund hat sich auf Initiative der 'Kommunistischen Fraktion im Ruhrgebiet zum Wiederaufbau der KPD' ein regionales Komitee gegründet. Es bestand aus einer Vielzahl von meist örtlichen Gruppen, die demokratische, sozialistische oder kommunistische Politik betreiben. Was diese so verschiedenartigen Gruppen und Einzelpersonen zusammenkommen ließ, war ihr gemeinsamer, fester Wille, etwas dagegen zu unternehmen, daß hier in NRW besonders versucht wird, die Ausübung demokratischer Rechte wie Meinungs- und Demonstrationsfreiheit mit Hilfe der Staatsgewalt zu verhindern.
Unter der Hauptforderung: 'Weg mit dem Demonstrationsverbot - Für uneingeschränkte Meinungs- und Demonstrationsfreiheit', arbeitete man in vielen örtlichen Komitees im Ruhrgebiet, informierte die Bevölkerung und bereitete eine friedliche Massendenmonstration für Freitag, den 18. 5. in Dortmund vor. Während die Vorbereitungen hierfür laufen, kam es zu weiteren Übergriffen von Polizei gegen Demokraten und Kommunisten.

Am Samstag, den 12. 5. wurde in Dortmund an der Reinoldikirche ein angemeldeter Informationsstand des örtlichen Komitees von Polizei überfallen. Mitglieder des Komitees, die Flugblätter verteilen und in Gruppen mit interessierten Passanten diskutierten, wurden von Polizisten geprügelt und einer verhaftet. Die Empörung der zufällig gerade anwesenden Menschen über die undemokratische Einschränkung der Meinungsfreiheit und die Brutalität der Polizei war so groß, daß mehr als 300 Menschen den Einsatzwagen mit dem verhafteten Komiteemitglied einkeilten und erst nach mehr als 20 Minuten, als weitere Einsatzwagen zur Unterstützung kamen, konnte die Polizei unter Buhrufen sich zurückziehen."
Festgenommen wird Heinz-Jürgen F. (vgl. 1.5.1973, 18.10.1974).

Das Dortmunder Komitee gegen das Demonstrationsverbot, Mitglied des Regionalen Komitees, berichtet (vgl. 14.5.1973):"
VERBOT DER MEINUNGSFREIHEIT IN DORTMUND: ÜBERFALLKOMMANDO DER POLIZEI ZERSTÖRT INFORMATIONSSTAND!

Am Samstagvormittag (12.5.) führte das Komitee gegen das Demonstrationsverbot in der Innenstadt Informationsstände durch, an denen die Bevölkerung über die Vorfälle am 1.Mai in Dortmund, die Verbotsforderungen von Weyer (FDP,d.Vf.) für 'Gruppen links von der DKP' und die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Einschränkung der Demonstrations-, Meinungs- und Organisationsfreiheit informiert wurde. Eine Zeitung, die ROTE FRONT extra (der KFR,d.Vf.), forderte dazu zur Teilnahme an der Demonstration gegen das Demonstrationsverbot auf. Fast drei Stunden lang wurde in kleineren und größeren Gesprächsgruppen diskutiert. Gegen 12 Uhr 50 erschien plötzlich die Polizei (ein VW-Bus mit zwei Beamten), da sich ein Geschäftsmann durch die jetzt etwa 80 – 100 Personen starke Diskussionsgruppe geschädigt fühlte. Daraufhin stellten wir den Ständer 10 m weiter weg, womit der Geschäftsbesitzer einverstanden war. Nicht aber die Polizei. Plötzlich wollten sie von uns die Genehmigung für den Stand haben, worauf wir antworteten, daß wir grundsätzlich ein Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit hätten. Außerdem war für letzten Samstag ein gleicher Stand angemeldet, der aber erst am Donnerstag danach genehmigt wurde. Die Polizei forderte uns auf, den Ständer sofort wegzubringen. Inzwischen waren weitere 8 - 10 Polizisten, teilweise auf Motorrädern, von mehreren Seiten dazugekommen, umstellten den Ständer, und ehe wir ihn wegtragen konnten, hatten sie ihn zu Boden geworfen. Willkürlich ergriffen sie daraufhin eines der Komitee-Mitglieder, zogen ihn brutal vom Ständer weg und schlugen auf ihn ein, als einige der Passanten die Polizisten abzudrängen versuchten. Seine Freundin wurde von den Polizisten brutal zu Boden geworfen, getreten und anschließend gegen einen der VW-Polizeibusse geschleudert. Sie erlitt einen Nervenzusammenbruch. Der Ständer wurde beschlagnahmt und abtransportiert. Die inzwischen dreihundert bis vierhundert (!!) Passanten reagierten heftig auf diesen brutalen, offensichtlich geplanten Angriff der Polizei (Ein Spitzel hatte sich schon die ganze Zeit um uns herumgeschlichen). Einige, die vorher mit uns diskutiert hatten, beschimpften die Polizisten und forderten sie auf, zu verschwinden. Die ganzen Versammelten riefen spontan Parolen wie: Weg mit der Polizei! Kampf dem Polizeiterror! Für uneingeschränkte Demonstrations- und Meinungsfreiheit! Spontan meldeten sich Passanten bei uns als Zeugen für eine Anzeige wegen Körperverletzung. Einige wollten selbst eine Anzeige machen. Noch zwei Stunden lang wurde in Gruppen über diesen brutalen Angriff diskutiert. 'Wenn wir es nicht mit eigenen Augen gesehen hätten, wir hätten es nicht geglaubt!' meinten viele Passanten. Durch dieses Ereignis wird die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Einschränkung der Demonstrations-, Meinungs- und Organisationsfreiheit noch
einmal sehr eindringlich vor Augen geführt. Deshalb:
HERAUS ZUR DEMONSTRATION am Freitag, 18.5., 18 Uhr NORDMARKT
WEG MIT DEM DEMONSTRATIONSVERBOT! - FÜR UNEINGESCHRÄNKTE DEMONSTRATIONSFREIHEIT DER ARBEITERKLASSE UND DES VOLKES!
FÜR UNEINGESCHRÄNKTE MEINUNGS- UND ORGANISATIONSFREIHEIT DER ARBEITERKLASSE UND DES VOLKES!"

Das Komitee gegen die Demonstrationsverbote berichtet:"
Bis zum 18.5. verschärfte sich die politische Unterdrückung zusehends: Am Samstag, dem 12.5.1973, wurde in der Dortmunder Innenstadt von einem Überfallkommando der Polizei ein Informationsstand des Komitees mit brutaler Gewalt überfallen und zerstört; ein Genosse wurde unter dem starken Protest der etwa 300 Passanten festgenommen und ein Mädchen verprügelt."
Q: Weg mit den Demonstrationsverboten! Uneingeschränkte Demonstrationsfreiheit für Demokraten und Kommunisten! - Beilage des Dortmunder Komitees gegen das Demonstrationsverbot,Dortmund o.J. (Mai 1973),S.5; Die Rote Front Nr.10,Dortmund Mai 1973,S.1;Kommunistische Hochschulzeitung Nr.1,Bochum 1973,S.1;Kommunistische Volkszeitung - Ortsbeilage Dortmund Nr.22,Dortmund o.J. (30.10.1974),S.1;Regionales Komitee gegen das Demonstrationsverbot:Das Regionale Komitee gegen das Demonstrationsverbot ruft euch auf: Heraus zur Protestdemonstration gegen das Demonstrationsverbot, Freitag, 18.5., 18h, Nordmarkt,Dortmund o.J. (Mai 1973),S.1;Komitee gegen die Demonstrationsverbote:18./19. Mai 73 Dokumentation, Dortmund o.J. (Juni 1973),S.1

14.05.1973:
Eine Ausgabe der Zeitschrift des Regionalen Komitees im Ruhrgebiet gegen das Demonstrationsverbot erscheint ungefähr heute unter dem Titel 'Weg mit den Demonstrationsverboten! Uneingeschränkte Demonstrationsfreiheit für Demokraten und Kommunisten'. Dies ist die einzige uns bisher bekanntgewordene Ausgabe. Im Leitartikel wird durch die KFR berichtet vom 1.Mai in Dortmund und den Verboten der Demonstrationen der KPD und KPD/ML-ZK (vgl. 30.4.1973). Die Zeitung enthält auch eine Beilage des Dortmunder Komitees gegen das Demonstrationsverbot (vgl. dort).
In einem weiteren Artikel heißt es:"
DIE HETZE DER 'FREIEN' PRESSE
Freie Presse? - Meinungsmonopol der Kapitalisten!

Wer in den letzten Wochen die bürgerliche Presse verfolgt hat, der kennt keine Demokraten und Kommunisten mehr, sondern nur noch 'Polit-Rocker', 'Polit-Terroristen', 'Chaoten', 'Krawallmacher', 'Maoisten', 'Links-Extremisten' usw. Ob durch solche geifernden Beschimpfungen durch montierte oder entstellte Fotos, ob durch die 'nüchternden' Zahlen des Verfassungsschutzes oder klatschspalterähnlichen 'Enthüllungen' über kommunistische Organisationen - jede einzelne Entstellung, jede Beschimpfung war darauf berechnet, die Kommunisten als ein armseliges Häuflein verblendeter 'Chaoten' darzustellen.

In diesem Ziel waren sich die bürgerlichen Schreiberlinge von 'Bild' bis 'Bayernkurier', von 'Die Welt' bis 'Frankfurter Allgemeine' einig - unterschieden haben sie sich nur in ihrer Taktik. Kaum eine Zeitung schreckte davor zurück, das alte Zerrbild von den Kommunisten als Kinderfressern wieder auszupacken ('Die Welt': Morgen können Kinder die Angriffsziele sein'). Keine Zeitung, die nicht einstimmte in den allgemeinen Tenor, die Kommunisten als isolierte Sekte neben der Bevölkerung darzustellen.

Alle diese Entstellungen ordnen sich ein in den Versuch, den Kommunisten den Geruch der undurchschaubaren, irrationalen 'Chaoten' anzuhängen. Obwohl die Kommunisten niemals aus ihren Ansichten, daß diese Gesellschaft eine der politischen Entrechtung und Ausbeutung ist, die nur durch die Machtergreifung der Arbeiterklasse überwunden werden kann, einen Hehl gemacht haben, obwohl sie ihre Ziele immer vor aller Öffentlichkeit propagieren, versuchten die bezahlten Tintenkulis der Pressemonopole über sie den Schleier der Undurchdringlichkeit und Irrationalität, der Verschrobenheit und Geheimbündlerei zu hüllen.

Zu diesem Mittel der öffentlichen Hetze griff die bürgerliche Presse erst, nachdem sie erkannt hatte, daß man die Kommunisten und ihre Arbeit nicht totschweigen kann. Noch vor wenigen Monaten erlaubte es sich dieselbe Presse, die heute wütend Hetztiraden vom Stapel läßt, z.B. die breite antiimperialistische Protestbewegung gegen den Bombenterror in Vietnam (25 000 auf Demo in Bonn) (vgl. 14.1.1973,d.Vf.) einfach zu ignorieren.

Der Übergang von dieser Taktik des Totschweigens zur öffentlichen Hetze gegen die Kommunisten zeigt eines ganz deutlich: Die Kommunisten sind hierzulande keine von der übrigen Bevölkerung isolierte Sekte. Wären sie das, brauchten die Pressemonopole nicht so einen riesigen Aufwand zu machen, um das dem Volk einzutrichtern. Im Gegenteil: Überall, wo sich heute breite Teile der Bevölkerung unzufrieden zeigen mit den herrschenden Verhältnissen, wo sich ihre Unzufriedenheit entlädt in spontanen Streiks und Protestaktionen, stehen Kommunisten wieder an der Seite der Unzufriedenen und Kämpfenden. Das ist der Grund, warum die bürgerliche Presse jetzt zum offensiven Kampf gegen die Kommunisten übergegangen ist.

Diese beispiellose Hetze ist ein Zeichen der Schwäche dieses Staates. Je mehr die fortschrittliche und kommunistische Bewegung erstarkt, desto mehr wird sie zu einer Bedrohung für alle undemokratischen und reaktionär Gesinnten, desto mehr müssen diese Kräfte alle ihre Mittel zur Unterdrückung dieser Bewegung einzusetzen. Die Ausrichtung der bürgerlichen Presse auf Kommunistenhatz, die vollständige Einschränkung der Meinungsfreiheit ist dafür ein hervorragendes Mittel. Als in der letzten Drucktarifrunde (DPTR,d.Vf.) sich in mehreren Orten die Drucker ihr Recht nahmen, Artikel und Anzeigen, die gegen ihre berechtigten Lohnforderungen gerichtet waren, nicht in die Zeitung zu setzen, gerieten die bürgerlichen Schreiberlinge und mit ihnen die DGB-Führung in hellen Aufruhr. 'Widerrechtliche Einschränkung der Meinungsfreiheit' tönte es von allen Seiten. 'Eingeschränkt' war aber hier in Wirklichkeit nur das 'Recht' der Kapitalisten, ihre Lügen und Entstellungen ungehindert zu verbreiten. Gegen diese Einschränkung der Meinungsfreiheit müssen sich alle Demokraten und Kommunisten gemeinsam zur Wehr setzen. Gegen die teilweise bereits ausgesprochenen Verbote kommunistischer Zeitungen müssen sie den Ausbau und die ständige Verbesserung ihrer selbständigen Presse setzen!"

In einem weiteren Artikel heißt es:"
DIE DEMONSTRATIONSVERBOTE SIND EINE ANTWORT AUF DIE LINKSENTWICKLUNG IM VOLK

Als Grund für die Demonstrationsverbote wird von den bürgerlichen Hetzblättern in letzter Zeit häufig die Bonner Rathausbesetzung (vgl. 10.4.1973,d.Vf.) genannt. Diese sinnlose Aktion war für die Bourgeoisie aber keineswegs gefährlich, da sie als isolierte Aktion nicht den Sinn der Massen für revolutionäre Gewalt geweckt, sondern diese als sinnlos erscheinen lassen hat.

Der Grund kann nur darin liegen, daß die herrschende Klasse durch die Ereignisse gerade in den letzten Monaten aufgeschreckt worden ist und um ihre Herrschaft bangt. Denn die letzten Ereignisse sind ein Ausdruck davon, daß immer breitere Teile der Arbeiterklasse und des Volkes die ständigen Preissteigerungen und den damit verbundenen Abbau des Reallohns, die Disziplinierung und Entlassungen fortschrittlicher Lehrer und den ständigen Abbau der demokratischen Rechte nicht mehr widerstandslos hinnehmen wollen. Die Streiks bei Hoesch und Mannesmann (IGM-Bereich in Dortmund bzw. Duisburg - vgl. 8.2.1973 bzw. 28.2.1973,d.Vf.) die sich gegen die unzureichenden Lohnabschlüsse wendeten, der weitere Kampf bei Hoesch gegen die drohende Entlassung von Kollegen, die den Streik vorangetrieben hatten und die Demonstrationen gegen die Berufsverbote (BV,d.Vf.) sind Beispiele hierfür.

Diese Bewegung, diese Linksentwicklung in der Arbeiterklasse und im Volk wurde schon von Anfang an vom kapitalistischen Staat mit immer stärkerer Unterdrückung beantwortet. Das Demonstrationsverbot stellt nur die Spitze dieser Unterdrückung dar.

Den ersten Höhepunkt der Unterdrückungsmaßnahmen nach dem KPD-Verbot stellt die Verabschiedung der Notstandsgesetze (NSG - vgl. S6.5.1968,d.Vf.) dar. In den nächsten Jahren wurde dann der Verrat der SPD, auf die viele in den neu entstehenden Kämpfen gehofft hatten und teilweise immer noch hoffen, immer deutlicher. Die SPD unterstützte die Notstandsgesetze, trieb den Ausbau des Verfassungsschutzes als staatliche Spitzelorganisation und den Ausbau des BGS als zentrale Bürgerkriegsarmee voran. Sie ist es, die die Berufsverbote durchführt.

Die Organisationsverbote wurden, nachdem die KPD 1956 verboten worden war, mit dem Verbot des Heidelberger SDS 1969 (vgl. 24.6.1970,d.Vf.) und dem Verbot der palästinensischen Organisationen (GUPA und GUPS - vgl. 3.10.1972,d.Vf.) Ende letzten Jahres fortgesetzt. Mit dem BVG wurde durch Friedens- und Schweigepflicht der Betriebsräte und Jugendvertreter die Möglichkeit der Arbeiterklasse, eigenständige Kämpfe gegen die Kapitalisten zu führen, stark beschnitten. Auch bei den entstehenden örtlichen Kämpfen ist die SPD immer mehr als Volksfeind erkennbar. So in Frankfurt (in Hessen,d.Vf.). Der Kampf gegen Mietwucher und Bodenspekulation wurde dort vom SPD-Magistrat mit brutaler Gewalt beantwortet: Die Mieter des Hauses Kettenhof 51 hatten bis zum 28.2.1973 durch Verhandlungen eine 'Mieterlaubnis' erreicht. Als diese Frist ablief, hatte der Besitzer des Hauses noch keine Abbruchsgenehmigung. Die Mieter verließen das Haus deshalb nicht. Wieso soll das Haus leerstehen, wenn in Frankfurt Tausende von Wohnungen fehlen? Am Tag der geplanten gewaltsamen Räumung, am 28.3., wurde von den Mieter eine Demonstration organisiert, die dann von der Polizei mit Wasserwerfern und Gummiknüppeln zerschlagen wurde. Aber der Protest ließ sich nicht unterdrücken: Am nächsten Samstag (vgl. 31.3.1973,d.Vf.) wurde eine 5000-Mann starke Demonstration gegen Polizeiterror, Wohnungselend und Mietwucher durchgeführt. So wurde, trotz polizeilicher Knüppelorgien gegen die Schlußkundgebung auch dieser Demonstration die Diskussion über das Wohnungselend in Frankfurt verbreitet.

Auch dort, in Frankfurt, erwiesen sich die Demonstrationen als ein hervorragendes Mittel, Proteste gegen die Maßnahmen der Bourgeoisie in alle Bevölkerungsteile zu tragen. Dieses Recht auf freie Demonstrationen dürfen wir uns auf keinen Fall nehmen lassen, da sonst der Willkür der Kapitalisten Tür und Tor geöffnet ist.

Deshalb ruft das Regionale Komitee alle demokratisch gesinnten Menschen auf:
Kommt zur ZENTRALEN DEMONSTRATION GEGEN DAS DEMONSTRATIONSVERBOT am Freitag, den 18. Mai, in Dortmund (Sammelpunkt: Nordmarkt, 18. Uhr)."
Eingegangen wird auch auf einen Artikel der 'FAZ' zum Prozeß gegen Norbert Osswald und Michael Schulte von der KPD/ML-ZB (vgl. 6.5.1973). Aufgerufen wird zur Demonstration in Dortmund gegen die Demonstrationsverbote am 18.5.1973, wobei der ursprüngliche Aufruf (vgl. 8.5.1973) fast ganz abgedruckt wird und lediglich die Passage von 'Seit einigen Wochen' bis 'Dieser Protest muß weitergehen!' ausgelassen wird.
Q: Weg mit den Demonstrationsverboten! Uneingeschränkte Demonstrationsfreiheit für Demokraten und Kommunisten!,Dortmund o.J. (Mai 1973)

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15.05.1973:
Vermutlich erscheint an heute in Bochum das Flugblatt des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) der RUB, der Kommunistischen Hochschulinitiative (KHI) Bochum und des Komitee Kampf den Demonstrationsverboten:"
ZENTRALE DER GRUPPE ROTE FAHNE DURCHSUCHT!

In der Nacht vom 14.5. auf den 15.5. wurde in Dortmund die Zentrale der Gruppe Rote Fahne (KPD) von der Polizei durchsucht. Auch in das Büro der 'Liga gegen den Imperialismus' (LgdI) und den Buchladen 'Internationale' in Westberlin drang die Polizei letzte Nacht ein.
Am letzten Samstag wurde ein Mitglied des 'Regionalen Komitees gegen das Demonstrationsverbot' von einem Info-Stand in der Dortmunder-City weg verhaftet.
In Heidelberg stehen morgen 12 Studenten, die in einer Vorlesung des reaktionären Mediziners Gänshirt für ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit eintraten, vor einem Schnellgericht. Mit der kurzfristigen Besetzung der Zentrale der Gruppe Rote Fahne soll die Demonstration, die diese Gruppe gegen den Besuch des Sozialimperialisten Breschnew angekündigt hat, verhindert werden. Unabhängig von Zustimmung oder Ablehnung dieser politischen Aktion der Gruppe Rote Fahne, ist es Pflicht jedes Demokraten, sich gegen diesen ungeheuerlichen Angriff auf das Recht, seine politischen Anschauungen in einer Demonstration zum Ausdruck zu bringen, zur Wehr zu setzen. Wir rufen deshalb alle demokratischen und sozialistischen Studenten auf, ihren entschiedenen Protest gegen diesen weiteren Abbau der demokratischen Rechte des Volkes in einer Uni-Vollversammlung zum Ausdruck zu bringen.

WEG MIT DEN DEMONSTRATIONSVERBOTEN!
UNEINGESCHRÄNKTE DEMONSTRATIONSFREIHEIT!

Wir rufen auf: Universitätsvollversammlung, Mittwoch, 16.5. 14 Uhr, HZO 20, Demonstration: Freitag, 18.5., 18 Uhr, Dortmund, Nordmarkt."
Q: AStA RUB, KHI, Komitee Kampf den Demonstrationsverboten: Zentrale der Gruppe Rote Fahne durchsucht, Bochum o.J. (15.5.1973)

18.05.1973:

In Dortmund stehen, laut BKA Freiburg, bei einer Demonstration gegen die Demonstrationsverbote 800 Demonstranten 3 000 Polizisten gegenüber, was zu 300 Festnahmen führt.

Das Komitee gegen das Demonstrationsverbot - Für uneingeschränkte Demonstrations- und Organisationsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volkes demonstriert in Dortmund für "die Ausübung demokratischer Rechte wie Meinungs- und Demonstrationsfreiheit" und damit gegen das am 1. Mai in Dortmund und anderen Städten ausgesprochene Demonstrationsverbot.

Im Komitee arbeiten, laut KHI Bochum, Ende Mai u.a. mit:
- Kommunistische Kollektive Zeche Hansa und Hoesch der Kommunistischen Fraktion im Ruhrgebiet (KFR) für den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei,
- Kommunistische Hochschulgruppe (KHG) Dortmund,
- Aktionskreis Dritte Welt (ADW),
- KPD,
- KSV,
- KJV,
- Liga gegen den Imperialismus (LgdI),
- Vietnamausschüsse (VA) des NVK,
und Einzelpersonen aus anderen Organisationen.

Dem Regionalen Komitee gegen das Demonstrationsverbot haben sich nach dem Aufruf (vgl. 8.5.1973) angeschlossen:
- Mitglieder der Kommunistischen Kollektive Gewerkschaft Viktor und Zeche Erin der KFR Castrop-Rauxel;
- der Kommunistischen Kollektive Hoesch und Zeche Hansa der KFR Dortmund;
- der Initiative Essen der KFR;
- der Kommunistischen Kollektive Hagen der KFR;
- der Proletarischen Linken Hamm;
- der Initiative Velbert der KFR;
- der Initiative Witten der KFR;
- der Kommunistischen Hochschulgruppe Bochum (Kommunistische Hochschulinitiative - KHI Bochum,d.Vf.);
- der Kommunistischen Hochschulgruppe Dortmund;
sowie der Sozialistischen Schülergruppen NRW.

Innerhalb der Dortmunder Kollektive der Kommunistischen Fraktion für den Wiederaufbau der KPD (KFR) des KBW (vgl. 19.6.1973) wird diese Demonstration als richtige Zusammenfassung des Protests gewürdigt.

Der AStA der PH Dortmund (vgl. 21.5.1973) berichtet:"
Die Demonstration am Freitag, dem 18.5., richtete sich gegen die Einschränkung der Demonstrations- und Meinungsfreiheit, wie sie z.B. in dem Verbot der 1. Mai-Demonstration der 'KPD' sichtbar geworden war, und wurde vom regionalen Komitee gegen das Demonstrationsverbot organisiert. Diesem Komitee gehörten bis dahin die Kommunistische Fraktion, Arbeiter-, Schüler- und Studentengruppen an. Die 'KPD' und 'KPD/ML' hatten die Teilnahme an dieser Demonstration abgelehnt. Stattdessen veranstaltete die 'KPD' eine gesonderte Kundgebung gegen die Demonstrationsverbote vor der geplanten Demonstration des Komitees."

Die KHI Bochum berichtet:
Die KPD mobilisierte zu dieser Demonstration regional/national. Ca. 2 000 bis 3 000 Menschen versammeln sich trotz der faktischen Abriegelung der Dortmunder Innenstadt durch die Polizei." Aufgerufen wurde u.a. an der Ruhruniversität Bochum (RUB - vgl. 15.5.1973) durch KHI, AStA und Komitee gegen die Demonstrationsverbote.

Die Ortsleitung (OL) Dortmund der KPD berichtet:"
Schon am Freitagnachmittag, als die KPD trotz Verbot eine Kundgebung gegen die Verbotsdrohungen, das Demonstrationsverbot durchführte, griff die Polizei uns an. Sie nahm jeden fest, der diskutierte, Flugblätter verteilte, oder 'irgendwie links' aussah. Insgesamt wurden ca. 3 000 Menschen verhaftet."

Der KSV der KPD (vgl. 23.5.1973) berichtet über die aktuellen Demonstrationsverbote (vgl. 18.5.1973, 19.5.1973):"
SAMSTAG, 18. 5.
Seit dem frühen Morgen gleicht Dortmund einem Heerlager. Keine Ecke, wo nicht ein paar Mannschaftswagen postiert sind und wo nicht eine Unzahl von noch allzu auffälligen Spitzeln den Blicken der Genossen auszuweichen versucht. Schon lange vor dem geplanten Beginn der Demonstration werden massenhaft Genossen als auch sonst durch ihr Aussehen 'Verdächtige' auf offener Straße von zivilen und uniformierten Greiftrupps festgenommen, Straßenbahnwagen, in denen sich 'Verdächtige' konzentrieren, werden 'vorbeugend' von Bullen-Einheiten verfolgt, angehalten und alle Insassen 'eingesackt'. Jeder, der in den Diskussionsgruppen der empörten Passanten dadurch auffällt, daß er die Bürgerkriegsmanöver der Polizei beim Namen nennt, wird durch 'Zivile' den Uniformierten genannt und festgenommen.

Augenzeugen beobachten in mehreren Fällen, wie die gefangenen Genossen und Passanten in den Mannschaftswagen brutal zusammengeschlagen werden. Auf dem Alten Markt wird ein Genosse von einem Trupp 'Ziviler' verprügelt, halb ausgezogen und an den Händen ca. 100 M. zum nächsten Mannschaftswagen geschleift. Eine ca. 70jährige Oma ist vor Empörung ganz außer sich und schreit:
'Das ist ja genauso wie 1933 als die Faschisten meinen Vater erschlagen haben!' Ein Bulle kriegt das mit und hetzt seine Kumpanen auf die alte Frau. Sie wird an Armen und Beinen gepackt, mit dem Gummiknüppel traktiert und abgeführt!

Als weitere 'vorbeugende Maßnahmen' werden um 10.30 Uhr das Parteibüro der KPD in der Zimmerstraße von Bullen besetzt und alle anwesenden Genossen in 'Polizeigewahrsam' genommen. Da die Polizei schon eine ausgiebige Beschlagnahmungsaktion durchgeführt hatte, dient die Besetzung offensichtlich nur dazu, die Parteizentrale als Anlaufpunkt und Kommunikationszentrum auszuschalten (Als die Bullen abends das Parteihaus verlassen, schließen sie die Tür zu und nehmen den Schlüssel mit. Ihre Rechnung geht jedoch nicht auf: einem gelenkigen Genossen gelingt es, durch ein Fenster ins Gebäude reinzukommen und das Parteibüro wider für die Freunde und Genossen zu öffnen). Wie schon zur 1. Mai-Demonstration der KPD in Dortmund, werden alle Busse und verdächtigen PKW's mit Nicht-Dortmunder Nummernschildern auf der Autobahn und allen Dortmunder Zufahrtsstraßen angehalten und 'gefilzt'. Nur wer glaubhaft machen kann, daß er auf dem Wege zur Jubel-Demonstration der Revisionisten in Bonn ist, darf sofort und ungehindert weiterfahren. Trotz dieser widerrechtlichen Behinderung und der Massenfestnahmen schon während des Vormittags sickern ca. 2. 000 Genossen zu dem verabredeten Versammlungsort an der Reinoldikirche durch und leiten ihre Protestaktionen durch das Rufen der Parolen. 'Straße frei für die Kommunistische Partei!', 'Kampf dem staatlichen Terror der SPD-Regierung', 'Weg mit den Demonstrationsverboten!', und 'Breschnew und Brandt, Volksfeinde Hand in Hand' ein. Ein dichter 'Polizeikordon' versperrt den Zugang zum Alten Markt und in den Westenhellweg. Als die Genossen versuchen, sich zu einem Demonstrationszug zu formieren und in den Westenhellweg hineinzumarschieren, schlagen die Bullen zu. Sie nehmen einige der Genossen fest und fangen an, de Platz vor der Reinoldikirche zu 'säubern'. Die Demonstranten ziehen sich blitzschnell zurück und formieren sich auf der Kampstraße zu einer mächtigen Demonstration von mehr als 3. 000 Menschen, der unter lauten Parolerufen und über einige Umwege durch die Fußgängerzone zum Bahnhof marschiert. Zwar gelingt es der Polizei in der Fußgängerzone, den Demonstrationszug einmal zu trennen und in 2 Teile zu spalten, auf der großen Freitreppe vor dem Bahnhof haben sich jedoch alle Genossen und viele interessierte und empörte Passanten wieder eingefunden, so daß während der Versammlung vor dem Bahnhof ca. 4. 000 an der Aktion beteiligt sind.

Ein Genosse der KPD hält eine kurze Ansprache, in der er die Entschlossenheit der Partei betont, trotz der ständig eskalierten Terrormaßnahmen der SPD-Regierung gegen Kommunisten sich nicht vom weiteren Kampf abhalten zu lassen. Aufgrund der von oben anrückenden starken Polizeikräfte bilden die Genossen noch einmal einen Demonstrationszug, der unbehelligt bis in die Fußgängerzone gelangt und sich dort nach einer kurzen Abschlußrede auflöst. Beim 'Säubern' der Freitreppe vor dem Bahnhof tut sich die Polizei durch besondere Brutalität hervor: Indem die obersten Reihen der Demonstranten brutal die Treppe heruntergestoßen und geprügelt werden, soll offensichtlich eine panikartige Situation erzeugt werden. Trotz des disziplinierten Rückzugs der Genossen ist es ein Wunder, daß niemand zusammengetrampelt, zerdrückt und ernstlich verletzt wird. Augenzeugen beobachten, wie die festgenommenen Genossen von Bullen etliche Treppenstufen herunter- und anschließend 50 Meter über den rauhen Betonboden geschleift werden. Ein Genosse versucht, durch ein Wasserbassin vor den Uniformierten zu entkommen. Als er sich jedoch quatschnaß unter die Passanten zu mischen versucht, entpuppen sich diese als 'Zivile', die über ihn herfallen, ihn zusammenschlagen und abführen. Trotz Auflösung der Demonstration etwa gegen 14.00 Uhr, ähnelt die Dortmunder Innenstadt nach wie vor einer besetzten Stadt nach einem Militärputsch. Immer wieder werden empörte Menschen aus den Diskussionsgruppen heraus festgenommen. Über Polizeifunk kann verfolgt werden, wie die Polizei weiter vorgeht: Überall dort wo eine Ansammlung von mehr als 10 Menschen gemeldet wird, kommt der Befehl: 'Alles einsacken' und 'Leerräumen'.
Die Festgenommenen (bis zum Samstagabend steht eine Zahl zwischen 800 bis 1. 000 fest) werden zum größten Teil – nach Geschlechtern getrennt - zu 60 bis 80 Leuten in den Massenzelten des 'Bunkers' im Polizeipräsidium untergebracht. Der Kontakt mit Rechtsanwälten wird überall untersagt. Die Begründung dafür lautet anfangs noch: 'Der Rechtsanwalt ist unterwegs'. Später heißt es: 'Die Leitung ist dauernd besetzt' und 'Um die Zeit schläft der schon!' und schließlich mit zynischer Offenheit: Eure roten Anwälte könnt ihr aufsuchen, wenn ihr draußen seid' und: 'Was wollt ihr mit einem Rechtsanwalt, es gibt doch einen Staatsanwalt!'.

Eine lungenkranke Genossin bekommt auf ihr wiederholtes Verlangen nach ärztlicher Behandlung einen 'Arzt' geschickt, der allerdings nicht ihre Beschwerden, sondern ihre politische Gesinnung zu 'untersuchen' versucht. Auch die widerwärtigsten Schikanen und Einschüchterungsversuche der Bullen (für 10 Mann-Zelle nur 9 Stück Klopapier) steigern nur die kämpferische Solidarität der festgenommenen Genossen und Dortmunder Bürger (siehe Korrespondenz aus dem 'Bunker'!)."

Der KSV der KPD (vgl. 23.5.1973) berichtet über die aktuellen Demonstrationsverbote (vgl. 18.5.1973, 20.5.1973):"
SONNTAG.
Nach wie vor werden 'Verdächtige' von der Straße weg festgenommen. Die weiblichen Festgenommenen werden im Laufe des Samstagsabends und nachts freigelassen, die Männer sitzen noch im 'Bunker'. Gegen Abend versammeln sich viele Eltern und Bekannte von Festgenommenen vor dem Polizeipräsidium und verlangen die sofortige Entlassung der Inhaftierten, die zum größten Teil widerrechtlich bis zu 36 Stunden im 'Bunker' festgehalten werden. Als anschließend abends die Genossen schubweise entlassen werden und mit draußen wartenden Bekannten und den aus Interesse und Empörung angesammelten Passanten diskutieren, rückt berittene Polizei an, um diesen 'Auflauf' aufzulösen. Am späten Abend werden auch die Genossen Karl Weiland und Uwe Bergmann entlassen, die man aus den 'Massenzellen' des Bunkers in Einzelhaft verlegt hatte und gegen die die Klassenjustiz einen Haftbefehl zurechtzuzimmern versucht hatte. Dies war ihr nicht gelungen, die Beweise für eine Verdacht auf Mitgliedschaft in einer 'kriminellen Organisation' reichen offensichtlich nicht aus. Trotz all der Terrormaßnahmen herrscht überall bei den Genossen gute und kämpferische Stimmung. Die Aktionen innerhalb und außerhalb des 'Bunkers' waren ein großer Erfolg für uns und ein dicker Strich durch die Rechnung der Bourgeoisie und ihres Staatsapparate!"

Der KSV der KPD (vgl. 23.5.1973) verbreitet auch den folgenden:"
BERICHT AUS DEM BUNKER

Ich wurde Samstag, 19.5., gegen 12.30 Uhr an der Freitreppe gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof von 2 Bullen festgenommen. Sie schmissen mich zunächst auf den Boden und fingen an, loszuprügeln. Härteren Schlägen konnte ich dadurch ausweichen, indem ich mich zusammenkrümmte und losbrüllte, was das Zeug hielt, sodaß die Leute, die die am Rande des Platzes standen, genau mitbekommen konnten, was sich abspielte. Die zwei Bullen schrien mich dauernd an, ich sollte aufstehen, wobei sie mich gleichzeitig am Boden festhielten. Schließlich gelang es mir hochzukommen, und die beiden führten mich im Polizeigriff ab. Der eine drückte mir dabei seinen Gummiknüppel so stark vor die Kehle, daß ich kaum Luft bekam. Nur dadurch, daß ich wieder wie ein Stier losbrüllte, gelang es mir, ihn dazu zu bewegen, den Knüppel etwas locker zu lassen. Unter Beschimpfungen stießen sie mich schließlich in den bereitgestellten Wagen. Nach mir warfen die Bullen 2 Mädchen in den Wagen. Die eine war an den Haaren herbeigeschleift worden. Dabei wurden ihr ganze Büschel von Haaren ausgerissen. Der Polizist, der am Steuer saß, kannte sich in Dortmund gar nicht aus. Er war offensichtlich einer von denen, die extra zu dieser Riesen-Bürgerkriegsübung Marke WEYER von weit her herangekarrt worden waren. Er rief permanent nach einem Lotsen und fluchte über das Durcheinander. Schließlich wurden wir vier, die beiden Genossinnen, ein dritter Genosse und ich, unter Bewachung von zwei Bullen zur Polizeiwache am Gesundheitsamt gefahren. Die Wache war schon gerammelt voll, 30 bis 50 Verhaftete. Jedem wurde der Ausweis abgeknöpft, und trotz Protest wurde hier schon jeder zum ersten Mal mit einer Polaroid-Kamera fotografiert. Ich kam mit drei anderen Genossen zum Bunker in der Zwickauerstraße. Durch ein Spalier von Bullen wurden wir zu einer Zelle geführt (im Bunker nennen sich die Zellen 'Aufenthaltsräume', 'Schlafräume' etc.), wo schon mindestens 15 andere Genossen saßen. Viele kannte ich von der Polizeiwache wieder. Wir forderten von Anfang an, d. h. am Samstag 13. 30 Uhr, einen Rechtsanwalt zu sprechen, worauf die Bullen, die sich auf den Gängen aufhielten, uns zunächst einfach anlogen: der Rechtsanwalt komme gleich, sei benachrichtigt, sei unterwegs etc. Als allmählich die Zelle immer voller geworden war - zuletzt waren wir 38 - fingen wir an, die ersten organisatorischen Gegenmaßnahmen gegen diese widerrechtliche Inhaftierung einzuleiten. Wir fertigten eine Liste an, in die sich alle Genossen eintrugen und die wir später dem RA übergeben wollten.
Weiter schärften wir unsere Verhandlungsmaßregeln für kommende mögliche Vernehmungen ein (keine Aussagen zu machen, außer zu den Personalien usw.). Als wichtigstes legten wir fest, immer wieder einen RA zu fordern, zu verlangen, daß mindestens einer von uns selbst mit dem RA telefonieren könnte, und nicht auf leere Versprechungen einzugehen. Genauso forderten wir Decken, denn im Bunker war die Temperatur höchstens 5 Grad C. Einige von uns waren schon erkältet, einige waren stark durchnäßt. Auf unsere Forderungen nach Decken logen uns die Bullen genauso an, wie sie das auf die Forderung nach dem RA taten. Schließlich wurden sie immer zynischer und machten blöde Witze: Hoffentlich würden wir auch ordentlich frieren. Ob wir nicht auch einen Linksanwalt wollten etc. Um das Maß voll zu machen fraßen und soffen sie dann demonstrativ vor unserer Zelle, während wir nichts bekamen.
Wir wurden dann, etwa um 15.00 Uhr in eine andere Zelle gebracht. Dabei liefen wir einzeln durch ein langes Spalier von Bullen, offenbar deshalb, damit die Bullen einzelne von uns, die sie besonders auf dem Kieker hatten, identifizieren könnten. Sie fanden aber keinen. Wieder in der anderen Zelle, berichtete später ein Genosse, daß er gehört habe, wie die Bullen miteinander flüsterten:
'Ist er das nicht?' - 'Nee, das ist er nicht' - 'das ist er auch nicht'.
Hiernach wurden wir wiederum in eine andere Zelle gebracht. In Gruppen zu Fünfen wurden wir dabei zum zweitenmal fotografiert, wobei jeder von uns eine Nummer ins Bild halten mußte. Auch diese widerrechtliche Behandlung wurde gegen unseren Protest durchgeführt. In der neuen Zelle war es nach wie vor kalt, erst um 17 oder 18 Uhr bekamen wir endlich Decken. Wir fingen jetzt an, laute Sprechchöre zu machen:'Rechtsanwalt – Freilassung – Rechtsanwalt - Freilassung'. Wir nahmen die Inneneinrichtung der Zelle soweit auseinander, um Stöcke und Metallgegenstände zu bekommen, mit denen wir im Rhythmus oder Sprechchöre gegen die Luftschächte donnern konnten.

In kurzer Zeit dröhnte es im ganzen Bunker, alle Zellen fielen ein und es entstand ein unbeschreiblicher Lärm, der die Bullen ganz schön konfus machte und ihnen klar zeigte: Ihr könnt noch soviel verhaften, ihr könnt uns noch solange festhalten - wir lassen uns nicht unterkriegen, wir kämpfen weiter, auch hinter Gittern. Und je mehr ihr uns fertig zu machen versucht, desto stärker wehren wir uns, desto offensiver gehen wir vor, desto mehr machen wir euch die Hölle heiß, sodaß ihr keine ruhige Minute mehr findet! Und so war es auch. Nach einer gewissen Zeit hatten sich die Inhaftierten aller Zellen so aufeinander eingestellt, daß sich Zelle für Zelle mit dem Krach ablöste und es so teilweise stundenlang im Bunker dröhnte, stundenlang die Sprechchöre zu vernehmen waren. Gegen Abend - wir hatten uns über einen Lüftungsschacht mit den angrenzenden Zellen auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt - wählten wir drei Sprecher, die von nun ab alles organisierten und allein mit den Bullen auf dem Gang verhandelten, um Gespräche zu vermeiden, die doch keinen Nutzen brachten. Wir beschlossen gemeinsam mit allen anderen Zellen auf dem Flur, in den Hungerstreik zu treten. Den Bullen sagten wir klipp und klar: Wir essen und trinken erst dann wieder, wenn wir Kontakt mit unserem RA bekommen haben. Das Abstimmungsergebnis - übertragen durch die Lüftungsschächte - wurde in den jeweiligen Nachbarzellen immer mit freudigem Klatschen begrüßt. Von un ab hieß unserer Sprechchor:
'Hungerstreik - Rechtsanwalt - Freilassung'.
In der Nacht richteten wir von 23.00 bis 6.00 Uhr morgens einen Wachdienst im Halb-Stunden-Turnus ein, damit nicht ohne unser Wissen einzelne von uns rausgeschleppt werden könnten. Nachdem wir zunächst nocheinmal höllischen Lärm geschlagen hatten, hielten wir am nächsten Morgen erneut eine Beratung ab. Wir hatten festgestellt, daß die Zellentür zu knacken war: die Türangeln befanden sich innen und man konnte durch Herausziehen der Angelbolzen die Tür einfach herausnehmen. Flucht wäre natürlich selbstmörderisch gewesen. Aber wir stellten fest, daß unsere einzige Chance, die Entlassung zu beschleunigen und unsere Forderung nach einem Rechtsanwalt durchzusetzen, darin bestand, unsere Widerstandsmaßnahmen durchzusetzen und zu verstärken. Wir mußten den Bullen eindringlich klar machen, daß ihre Schwierigkeiten mit uns zunehmen würden, je länger sie uns festhielten."

Aufgerufen worden war von der OL der KPD (vgl. 14.5.1973) zu einer Anti-Breschnew Kundgebung um 17 Uhr an der Reinoldikirche.

In einem Bericht von Klaus B. für die KFR (vgl. 25.5.1973) wird eingegangen auf weitere Repressalien in Dortmund (vgl. 12.5.1973) und bundesweit (vgl. 15.5.1973) und fortgefahren:"
Diese beiden Ereignisse haben alle Mitarbeiter und Sympathisanten der Komitees nur darin bestärkt, jetzt keinen Schritt zurückzugehen, sondern aktiv das Recht auf freie Meinungsäußerung und Demonstration wahrzunehmen. Ebenso hat das undemokratische und fadenscheinig begründete Verbot der Demonstration (siehe dazu auf Seite ) die Zahl derjenigen vergrößert, die die Ziele des Komitees befürworten und ihre Politik aktiv unterstützen.

Am Frühabend des letzten Freitag sah es in der Innen- und Nordstadt Dortmunds etwa folgendermaßen aus: Öffentliche Plätze und Kreuzungen waren von starken Polizeitrupps besetzt, auf den großen Straßen fuhren beständig Einsatzwagen, mehrere tausend Mann Bereitschaftspolizei lagen in Innenstadtnahen Schwerpunkten in Reserve, die Zufahrtstraßen nach Dortmund wurden von Bundesgrenzschutz und Bereitschaftspolizei kontrolliert, demonstrationsverdächtige Personen und Personenwagen wurden gestoppt, einzelne ohne Grund verhaftet und die übrigen zurückgeschickt. So wurden z. B. sechs Genossen aus Bremen beim Verlassen des Buchladens 'Rote Front' in der Uhlandstraße 82 einfach verhaftet. Praktisch glich die Dortmunder Innenstadt einer von fremden Truppen eroberten und besetzen Stadt. Dennoch sammelten sich etwa 2 000 bis 3 000 Menschen, die gegen die Einschränkung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit protestieren wollten.

Am Nordmarkt zu demonstrieren war unmöglich, da er völlig von Bereitschaftspolizei umstellt und besetzt war, und Dutzende von Spitzeln herumschlichen, die nur darauf warteten, daß jemand seine politische Meinung sagt, um ihn dann als Rädelsführer verhaften zu lassen. Da keiner von uns eine Konfrontation oder gar eine gewaltsame Auseinandersetzung mit der Polizei wollte, überließ man den Nordmarkt der Bereitschaftspolizei und den Spitzeln. Vielmehr sammelten sich spontan 1. 000 Demonstranten am Burgwall und Umgebung. Etwa um 18. 30 Uhr formierte man sich schnell zu einem Demonstrationszug und marschierte die Hansastraße hinauf. Dabei wurden folgende Parole gerufen:
WEG MIT DEM DEMONSTRATIONSVERBOT!
FÜR UNEINGESCHRÄNKTE DEMONSTRATIONS- UND MEINUNGSFREIHEIT DER ARBEITERKLASSE UND DES VOLKES!
Die erste Reihe des Demonstrationszuges trug ein Transparent mit der Aufschrift: 'Weg mit den Demonstrationsverboten', man schwenkte kleine rote Papierfahnen mit derselben Aufschrift. Natürlich war den Patrouillen und Spitzeln die Aufstellung des Zuges nicht entgangen und nach wenigen Minuten rasten aus allen Richtungen Einsatzwagen mit mehreren Hundertschaften heran. Der Demonstrationszug war sofort bei Erscheinen der Polizei aufgelöst worden. Die aufgefahrene Bereitschaftspolizei jedoch hat Anweisungen, den Demonstrationszug zu zerschlagen, was es längst nicht mehr gab, man prügelte und verhaftete wahllos Personen in der Umgebung der Kampstraße, Hansastraße, Westendhellweg, Reinoldikirche. Das ging soweit, daß der Westenhellweg und die Umgebung Reinoldikirche gegen 19. 00 Uhr regelrecht leer geprügelt wurde. Als sich gegen 19. 30 Uhr in der Gegend Borsigplatz - kleiner Hoeschplatz etwa 300 bis 500 Demonstranten in kleinen Gruppen sammelten und mit der Bevölkerung diskutierten, wurden Greiftrupps eingesetzt, die versuchten solche zu verhaften, die in Diskussionsgruppen das Demonstrationsverbot und das brutale Vorgehen der Polizei kritisierten. Insgesamt wurden am Freitagabend etwas 250 Menschen verhaftet, Kommunisten, Sozialisten und Demokraten - wie etwa Jungdemokraten aus Bochum, die das demokratische Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, auf friedliche Demonstration praktisch ausübten. Die Verhafteten wurden im Laufe der Nacht vom Freitag auf Samstag entlassen, nachdem sie wie Kriminelle erkennungsdienstlich behandelt und wie Vieh in kleinen Zellen, Turnhallen und im Atombunker an der Sonnenstraße eingepfercht waren. Zur besonderen Schikane wurden die Verhafteten zu ihrer Entlassung auf Polizeirevieren in den Vororten wie Hörde, Scharnhorst usw. gebracht und einzelne entlassen. Man spekulierte wohl darauf, daß Auswärtige die ganze Nacht herumirren würden und Dortmunder stundenlang zu Fuß tigern müßten; das konnten wir verhindern, indem mit Personenwagen ein Abholdienst von den verschiedenen Vororten organisiert wurde. Wenn wir die Ereignisse von Freitag zusammenfassen, so stimmt es ohne Frage, daß das brutale Eingreifen von mehreren tausend Polizisten eine größere Demonstration verhindert hat. Doch die Knüppel mit denen Kommunisten und Demokraten geprügelt wurden, haben auch das Lügengebäude weiter zerrissen, daß man die Bevölkerung gegen 'kriminelle Chaoten und Politrocker' schützen wolle. Schützen will sich vielmehr das herrschende Großkapital und ihre Regierung in Bonn. Ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen , die in Bonn von den Länderregierungen unterstützt und durchgesetzt werden, verschlechtern die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und übrigen Werktätigen und verstärken so die Unzufriedenheit dieser Klasse und Schichten mit den Auswirkungen des Kapitalismus. Die Kritik der Kommunisten am imperialistischen System und ihre Politik stößt auf wachsende Sympathie in allen Schichten der Bevölkerung. Hinter den selbständigen Streiks, hinter Anti-imperialistischen Kämpfen wie zu Vietnam, hinter demokratischen Abwehrkämpfen wie bei der Ausländerverfolgung, sieht die Bourgeoisie als Ursache die 'agitatorische Wühlarbeit' der Kommunisten.

Deshalb versuchen sie die Informations- und Pressetätigkeit von Kommunisten zu unterdrücken und versuchen das gemeinsame politische Handeln von Demokraten und Kommunisten in Form von Demonstrationen zu verhindern. Doch nicht die Kommunisten sind die Ursache für die wachsende Unzufriedenheit, den immer lauter werdenden Protesten der Bevölkerung. Denn Lohnabbau, Steigerung der Arbeitshetze, Abbau demokratischer Rechte - also die tatsächlichen Ursachen - sind begründet in der Ungerechtigkeit und Unzulänglichkeit des kapitalistischen Systems. Die Gefahr der Kommunisten für die herrschenden Finanz- und Monopolkapitalisten liegt vielmehr in der Enthüllung dieser Zusammenhänge und Tatsachen, und in einer konsequenten Tagespolitik, die den Interessen der Arbeiterklasse und übrigen Werktätigen entspricht und in deren Verlauf alle Unterdrückten und Ausgebeuteten zu einer unbesiegbaren revolutionären Einheitsfront zusammengeschmiedet werden. Wenn Weyer im Auftrag der SPD/FDP-Regierung in Bonn und Düsseldorf jetzt die Kommunisten kriminalisieren will, indem er die Ausübung demokratischer Rechte wie Presse- und Demonstrationsfreiheit zu kriminellen Delikten macht, wird er damit das Gegenteil erreichen und die Erkenntnis über das undemokratische Wesen dieses Gesellschaftssystems befördern. Für uns Kommunisten ist die wichtigste Lehre der letzten Tage und Wochen, daß wir nicht einen Schritt zurückweichen werden, sondern mit aller Energie darangehen werden, noch viel mehr Menschen für den aktiven Kampf gegen den Abbau demokratischer Grundrechte zu überzeugen. Unsere Erfolgsaussichten werden von Tag zu Tag größer, da der Einsatz von Polizeiknüppeln gegen Argumente und politische Meinungen, die Glaubwürdigkeit dieses Staates und dieses Gesellschaftssystems verringert, und die Zahl der fortschrittlich demokratisch, antikapitalistisch und kommunistisch gesinnten Menschen ständig wächst."

Die KFR (vgl. 25.5.1973) verbreitet auch den folgenden:"
BERICHT

Wie viele Dortmunder fuhr auch ich am Samstag in die Innenstadt, um wie jeden Samstag einzukaufen. Bereits bei der Straßenbahnfahrt konnte ich feststellen: Überall standen Polizeitruppen bis an die Zähne bewaffnet. An vielen Haltestellen wurden Autos kontrolliert und teilweise festgehalten. Kurz vor der Innenstadt besetzten die 'Grünen' sogar die Straßenbahn, kontrollierte die Ausweise aller Fahrgäste und wer nicht Dortmunder war wurde festgenommen. Diejenigen zurückgebliebenen, die nicht wußten, was Sache war, wurde erklärt, daß eine kommunistische Organisation vom Polizeipräsidenten verboten worden war. Obwohl viele der Fahrgäste nicht den Zielen der Demonstranten zustimmte, waren doch die meisten einhellig empört: Sie sahen, daß die 'Grünen' Dortmund besetzt hatten und wahllos gegen verschiedene Menschen vorgingen, um das Verbot des demokratischen Rechts auf freie Meinungsäußerung durchzusetzen. Hier formulierten nicht wenige, was später die Verhaftung in der Innenstadt noch klarer wurde: In Dortmund, in diesem ganzen Staat herrscht nicht das Volk; der Terror der grünen Polizei richtet sich gerade gegen das Volk. In der Innenstadt war kaum ein Vorwärtskommen. Überall standen Polizeiwagen, teilweise fuhren sie auf den Fußgängerüberwegen oder auf dem Westenhellweg einfach in die Menschenmenge hinein, wer nicht rechtzeitig beiseite sprang, lief Gefahr überfahren zu werden. In kurzen Abständen liefen Gruppen von 50-100 Grünen' durch die Straße, schoben die einkaufenden Menschen einfach gewaltsam beiseite und verhafteten im Polizeigriff alle, die nach 'Demonstranten aussahen'. Viele Jugendliche, die in der Stadt waren, wurden so wahllos festgenommen, aber auch andere Menschen, die empört darüber waren, daß die 'Grünen' die Stadt besetzt hatten, Demokraten und Kommunisten wurden rücksichtslos festgenommen, wenn sie ihre Empörung ausdrückten.

Hier wurde vielen Menschen klar: Demokratische Rechte der Arbeiterklasse und des Volkes sind nicht geschriebene, sondern erkämpfte Rechte. Und diese Rechte bleiben uns nur erhalten, wenn wir im gemeinsamen Kampf alle Angriffe gegen sie abwehren und im Kampf gegen die politische Unterdrückung der Kapitalisten weitere durchzusetzen. Viele Menschen wurden einfach nicht verhaftet, weil sie während der Stadtbesetzung die Straße überquerten, um in ein anderes Geschäft zu gelangen der weil sie ihre berechtigte Empörung gegen Festnahme und Prügeleien mit Rufen wie 'Pfui' und 'Weg mit dem Demonstrationsverbot' ausdrückten. Eine ältere Frau, die empört feststellte, 'daß sei ja wie 33', wurde daraufhin von Weyers Knüppel gerade solange blutig geschlagen, bis sie zusammenbrach. Viele andere wurden ebenfalls niedergeknüppelt. Vor allem auf Frauen und junge Mädchen wurde eingeschlagen, wenn sie hinter ihren festgenommenen Kindern und Freunden herliefen. Ein Polizeioffizier, vorsorglich in Deckung gegangen vor dem Zorn der Bevölkerung, ermunterte noch: 'Alles einsacken oder niederknüppeln.'"

Zur Demonstration am 18.5. erreicht die Demonstranten auch eine "Erklärung der Bremer Kommunique-Organisationen", die sich mit der Demonstration solidarisch erklären. In dieser "Erklärung der Kommuniqueorganisationen" (BK, später KBW) wird, laut dem Komitee gegen die Demonstrationsverbote und auch der KFR (vgl. 25.5.1973), formuliert:"
Kollegen, Freunde, Genossen!

Die Bremer Kommuniqueorganisation und ihre Massenorganisationen senden Euch solidarische Grüße. Sie haben sich mit einer Delegation an Eurer Demonstration beteiligt. Die Demonstrationsverbote in NRW sind Reaktion, Reaktion auf die zunehmende Linksentwicklung im Volk, auf den Aufschwung der demokratischen und kommunistischen Bewegung. In NRW versuchte die Bourgeoisie einen kämpferischen 1.Mai unter klassenbewußten Parolen zu verhindern. Sie versucht, die historische Erfahrung der Arbeiterklasse, daß der bürgerliche Staat nur gewaltsam überwunden werden kann, zu unterdrücken. Aber trotz der brutalen Polizeieinsätze und allseitiger Behinderung fanden auch in Dortmund - wie in vielen anderen Städten der BRD und Westberlin - Demonstrationen und Kundgebungen unter den Forderungen der Arbeiterklasse und des Volkes statt:
- Für kampfstarke, klassenbewußte Gewerkschaften!
- Für freie politische und gewerkschaftliche Betätigung!
Diese Forderungen finden die Sympathie der breiten Volkmassen! Die Bourgeoisie muß sie fürchten! Die Arbeiterklasse und das Volk brauchen kampfstarke, klassenbewußte Gewerkschaften. Das ist eine allgemeine Lehre aus den Kämpfen der letzten Jahre. Die Streikbewegungen, so z.B. bei Hoesch zeigen: Um die Interessen durchzusetzen muß das Klassenversöhnlertum in den eigenen Reihen überwunden, muß die Kollaboration mit der Kapitalistenklasse beseitigt werden. Die Arbeiterklasse und das Volk brauchen die Freiheit der gewerkschaftlichen und politischen Betätigung, sie brauchen die Demonstrations- und Organisationsfreiheit, um für ihre Interessen eintreten zu können und den Kampf dafür zu entfalten. Dem hat die Bourgeoisie nur den Terror ihres Unterdrückungsapparates, des bürgerlichen Staates entgegenzusetzen. Das zeigt ihre historische Perspektivlosigkeit und ihren politischen Bankrott. Das Vorgehen gegen die Gruppe Rote Fahne (KPD) zeigt, welche Absichten die Herren Weyer und Co. im Zuge der Demonstrationsverbote verfolgen: Die Kriminalisierung und Illegalisierung der kommunistischen und demokratischen Bewegung. Die Gruppe Rote Fahne ist dadurch bekannt geworden, daß sie aus Protest gegen den Thieu-Besuch das Bonner Rathaus besetzt hat. Diese Aktion, die mit einem Ultimatum an die Bundesregierung verbunden war, haben wir in unseren Publikationen scharf kritisiert und als sektiererisch verurteilt.

Die bürgerliche Presse und der bürgerliche Staatsapparat haben diese Aktion zum Anlaß genommen, um eine beispiellose Hetze gegen die kommunistische Bewegung zu entfalten. Niemand soll sich der Illusion hingeben, daß es sich hier um eine isolierte Unterdrückungsmaßnahme gegen eine sektiererische Organisation handle, die die demokratische Massenbewegung und die Arbeiterklasse gleichgültig lassen kann. In Wirklichkeit ist jeder Angriff auf die uneingeschränkte Demonstrations- und Organisationsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volke gegen die ganze demokratische Bewegung und die ganze Arbeiterklasse gerichtet. Die Staatsmacht greift an einem schwachen Kettenglied an, um die Rechte der Arbeiterklasse und des Volkes Stück für Stück einzuschränken und schließlich gänzlich außer Kraft zu setzen. Deshalb liegen folgende Forderungen im Interesse der demokratischen Bewegung und der Arbeiterklasse:
- Sofortige Freilassung der Verhafteten!
- Sofortige Einstellung der Verbotsvorbereitungen gegen die Gruppe Rote Fahne (KPD)!
- Weg mit dem Demonstrationsverbot!
- Volle Demonstrations- und Organisationsfreiheit für die Arbeiterklasse und das Volk!"

Auch die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg meldet 2 000 bis 3 000 Demonstranten. In der 'Roten Robe' (vgl. 9.7.1973) heißt es:"
Für das Wochenende vom 18. bis zum 20. Mai waren für Dortmund zwei Demonstrationen angekündigt: Für Freitag, den 18. Mai kündigte das lokale 'Komitee gegen das Demonstrationsverbot', in dem kommunistische und demokratische Organisationen (wie z. B. die Kommunistische Fraktion im Ruhrgebiet zum Wiederaufbau der KPD, die ESG-Dortmund und eine lokale Gruppe von Jungdemokraten mitarbeiten, eine Demonstration gegen die Demonstrationsverbote in NRW an. Am 17. Mai bekam das Aktionskomitee die Nachricht, daß seine Demonstration verboten sei. Das Verbot wurde mit der 'Gefährdung der öffentlichen Sicherheit' begründet. Als weiteren Grund wurde genannt, daß sich Mitglieder oder Sympathisanten der Gruppe Rote Fahne an der Demonstration beteiligen könnten und würden. Damit würde die geplante Demonstration aber zu einer 'Ersatz-Demonstration' der Gruppe Rote Fahne zur Umgehung des gegen sie gerichteten generellen Demonstrationsverbotes.
Tatsächlich aber hatte die Gruppe Rote Fahne nicht zur Demonstration gegen die Demonstrationsverbote mit aufgerufen, und mobilisierte für die von ihr schon lange vorher für Samstag den 19. Mai angekündigte Demonstration gegen den Breschnew-Besuch. Zu dieser Demonstration hatte auch die Gruppe Roter Morgen (KPD/ML) aufgerufen. Für den Freitag hatte die Gruppe Rote Fahne noch zu einer Kundgebung gegen die Verfolgungsmaßnahmen des Staatsapparates aufgerufen. Sowohl die Kundgebung als auch die auf den Samstagnachmittag angesetzte Demonstration, die beide angemeldet waren, wurden verboten. Die beiden vom Polizeipräsidium Dortmund ausgesprochenen Demonstrationsverbote wurden durch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am 18. 5. bestätigt. Hier eine Passage aus der Begründung der Entscheidung, zitiert nach der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 19. 5. 1973: 'Die Zwischenfälle in Bonn und am 1. Mai in Dortmund, bei denen sich Demonstranten mit Bambus-Schlagstöcken und Helmen bewaffneten, haben gezeigt, daß die Teilnehmer dieser Demonstration die Grenzen des von der Verfassung geschützten friedlichen Demonstrationsrecht verletzen und Gefahren für Leben oder Gesundheit der Menschen in Kauf nehmen.' Zunächst beruht die Entscheidung auf einer Verdrehung des wirklichen Sachverhaltes; denn die Gleichsetzung der Bonner Aktionen vom April mit den Demonstrationen zum 1. Mai in Dortmund, die ohne das provokatorische Eingreifen der Polizei friedlich verlaufen wären, diese Gleichsetzung also, entspricht in keiner Weise den Tatsachen. Vielmehr schafft sich das Verwaltungsgericht mit dieser Gleichsetzung die Grundlage für die Ausdehnung des Demonstrationsverbotes auch auf andere Organisationen, die sich z. B. am 1. Mai in Dortmund ihr Recht zu demonstrieren auch gegenüber den provokativen Eingriffen der Polizei nicht nehmen lassen wollten. Zudem hält es das Gericht für überflüssig zu begründen, wodurch die angekündigten Demonstrationen in NRW und gegen den Breschnew-Besuch eigentlich die 'öffentliche Ordnung und Sicherheit' unmittelbar gefährden, wie es nach Paragraph 15 VersammlungsG erforderlich wäre. Der alleinige Hinweis auf eine vorausgegangene militante Aktion wie die Bonner Rathausbesetzung anläßlich des Thieu-Besuches begründet jedenfalls noch lange keine 'akute Gefährdung' der 'Rechtsgüter des bürgerlichen Staates'. Zur Durchsetzung des Demonstrationsverbotes, und zur Stärkung der 'inneren Sicherheit' hatte der Staatsapparat zum Wochenende vom 18. Mai bis 20. Mai nach den Meldungen der bürgerlichen Presse in NRW über 30 000 Mann Polizei, Bereitschaftspolizei und auch Bundesgrenzschutz zusammengezogen. Bei der Demonstration gegen den Breschnew-Besuch am 19. 5. war ein Massenaufgebot von mindestens 4 000 Polizisten in Dortmund im Einsatz. Doch schon den Tag vorher glich Dortmund, besonders die Innenstadt und der Norden Dortmunds einem Heerlager: Öffentliche Plätze waren von starken Polizeitrupps besetzt, auf den großen Straßen fuhren ständig Einsatzwagen, mehrere Tausend Mann Bereitschaftspolizei lagen in innenstadtnahen Schwerpunkten in Reserve, die Zufahrtsstraßen nach Dortmund wurden von Bundesgrenzschutz und Bereitschaftspolizei kontrolliert. Dabei wurden demonstrationsverdächtige Busse und Personenwagen gestoppt, einzelne ohne Grund verhaftet und die übrigen zurückgeschickt. 'Demonstrationsverdächtig' waren für die Polizei alle, die 'jung und links' aussahen. Wer dazu noch einen Wagen älterer Bauart fuhr, hatte kaum eine Chance nach Dortmund hereingelassen zu werden. Dennoch sammelten sich auf dem Dortmunder Nordmarkt am Freitag abend zwischen 2 000 und 3 000 Menschen, die dem Aufruf des regionalen Komitees gegen das Demonstrationsverbot gefolgt waren, um gegen die Einschränkung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zu demonstrieren. Der Nordmarkt war jedoch völlig von Bereitschaftspolizei umstellt, so daß es ein hoffnungsloses Unterfangen war, von hier aus einen Demonstrationszug zu formieren. Da es den Demonstranten nicht auf eine gewaltsame Konfrontation mit der Polizei ankam, überließ man den Nordmarkt der Bereitschaftspolizei und den dort auch besonders zahlreich versammelten Spitzeln. Kurz darauf sammelten sich spontan 1 000 Demonstranten am Burgwall und Umgebung in der Dortmunder Nordstadt. Schnell formierte sich ein Demonstrationszug unter folgenden Parolen 'Weg mit dem Demonstrationsverbot', 'Für uneingeschränkte Demonstrations- und Meinungsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volkes'. Nach einigen Minuten rasten aus allen Richtungen Einsatzwagen mit mehreren Hundertschaften Bereitschaftspolizei heran. Der Demonstrationszug löste sich auf. Die aufgefahrene Bereitschaftspolizei hatte jedoch Anweisungen, den Demonstrationszug zu zerschlagen. Wahllos wurden Personen verprügelt und verhaftet. Als sich gegen 19. 30 Uhr Demonstranten in kleinen Gruppen sammelten und mit der Bevölkerung diskutierten, wurden Greiftrupps eingesetzt, die versuchten, solche zu verhaften, die in Diskussionsgruppen das Demonstrationsverbot und das brutale Vorgehen der Polizei kritisierten. Für den Nachmittag desselben Tages hatte die Gruppe Rote Fahne zu einer Kundgebung gegen die Terror- und Verfolgungsmaßnahmen des Staatsapparates aufgerufen. Bei dem Versuch, diese Kundgebung (die angemeldet war), durchzuführen, kam es wiederum zu massiven Polizeieinsätzen, in deren Verlauf 60-80 Menschen verhaftet wurden. Insgesamt wurden am Freitag an die 300 Menschen verhaftet, Kommunisten, Sozialisten, Demokraten, wie etwa Jungdemokraten aus Bochum. Die Verhafteten, oder polizeirechtlich ausgedrückt, die 'ingewahrsamgenommenen' wurden in kleinen Zellen,T urnhallen und in den Atom- bzw. Zivilschutzbunker an der Sonnenstraße eingepfercht, und erst im Laufe der Nacht von Freitag auf Samstag entlassen. Als besondere Schikane wurden die Verhafteten zu ihrer Entlassung auf Polizeireviere on Vororten von Dortmund, wie Hörde, Scharnhorst usw. gebracht und ann einzeln ausgesetzt. Am nächsten Tag, dem Samstag, wurde der Polizeiterror in noch breiterer Weise als am Vortage fortgesetzt: Ein Dortmunder gibt zur Lage i n der Innenstadt am Samstag folgenden Bericht: 'Wie viele Dortmunder fuhr auch ich am Samstag in die Innenstadt, um, wie jeden Samstag einzukaufen. Bereits bei der Straßenabahnfahrt konnte ich feststellen: Überall standen Polizeitruppen bis an die Zähne bewaffnet. An vielen Haltestellen wurden Autos kontrolliert und teilweise festgehalten. Kurz vor der Innenstadt besetzten die 'Grünen' sogar die Straßenbahn, kontrollierten die Ausweise aller Fahrgäste und wer nicht Dortmunder war, wurde ohne Begründung gezwungen, auszusteigen und wurde festgenommen. Denjenigen Zurückgebliebenen, die nicht wußten, was Sache war, wurde erklärt, daß eine kommunistische Demonstration vom Polizeipräsidenten verboten war. Obwohl viele der Fahrgäste nicht den Zielen der Demonstration zustimmten, waren doch die meisten einhellig empört: Sie sahen, daß die 'Grünen' Dortmund besetzt hatten und wahllos gegen verschiedene Menschen vorgingen, um das Verbot des demokratischen Rechts auf freie Meinungsäußerung durchzusetzen. In der Innenstadt war kaum ein Vorwärtskommen. Überall standen Polizeiwagen, teilweise fuhren sie auf Fußgängerüberwegen oder auf dem Westenhellweg einfach in die Menschenmenge hinein, wer nicht rechtzeitig beiseite sprang, lief Gefahr, überfahren zu werden. In kurzen Abständen liefen Gruppen von 50-100 'Grünen' durch die Straßen, schoben die einkaufenden Menschen einfach gewaltsam beiseite und verhafteten im Polizeigriff alle, die 'nach Demonstranten aussahen'. Viele Jugendlichen, die in der Stadt waren, wurden so wahllos festgenommen, aber auch andere Menschen, die empört darüber waren, daß die 'Grünen' die Stadt besetzt hatten. Hier wurde vielen Menschen klar: Demokratische Rechte der Arbeiterklasse und des Volkes sind nicht geschriebene, sondern erkämpfte Rechte. Viele Menschen wurden einfach verhaftet, weil sie während der Stadtbesetzung die Straße überquerten, um in ein anderes Geschäft zu gelangen. Eine ältere Frau, die empört feststellte, 'daß sei ja wie 33', wurde daraufhin von Weyers Knüppelgarde gerade solange blutig geschlagen, bis sie zusammenbrach. Viele andere wurden ebenfalls niedergeknüppelt. Vor allem auf Frauen und junge Mädchen wurde eingeschlagen, wenn sie hinter ihren festgenommenen Kindern oder Freunden herliefen. Ein Polizeioffizier, vorsorglich in Deckung gegangen vor dem Zorn der Bevölkerung, ermunterte noch: 'Alles einsacken oder niederknüppeln.' Schon am Samstagmorgen, vor Beginn der von der Gruppe Rote Fahne gegen den Breschnew-Besuch angekündigten Demonstration veranstaltete die Polizei Großrazzien, wie aus dem obigen Bericht auch hervorgeht. Das Büro der Gruppe Rote Fahne wurde zwischen 11.30 und 17. 00 Uhr von der Polizei besetzt, das Telefon des KSV (Studentenorganisation der GRF)-Büros wurde gesperrt, eine Willkürmaßnahme ohne jegliche Grundlage, die auch andere linke Organisationen schon im Zuge der Polizeiaktionen vom 1. Mai getroffen hatten. Um 12 Uhr sollte die geplante Demonstration von der Reinoldikirche aus beginnen. Der Ausgangspunkt der Demonstration war von der Polizei vollständig abgeriegelt worden und jeder Versuch, von dort aus einen Demonstrationszug zu bilden, scheiterte an den Knüppelaktionen der Polizei. Jenseits der Absperrung bildete sich kurz darauf ein Demonstrationszug, der schnell auf 3 000 bis 4 000 Menschen anwuchs und sich in Richtung Innenstadt bewegte. Nach einer kurzen Zwischenkundgebung vor dem Bahnhof gelangte der Zug im wesentlichen unbehelligt in die Fußgängerzone der Innenstadt, und war im Begriff sich nach einer kurzen Abschlußkundgebung aufzulösen. In dieser Situation schlugen die Polizeikräfte massiv zu und begannen die Kundgebung auf ihre Weise aufzulösen: Wahllos wurden Demonstranten wie auch unbeteiligte Passanten zusammengeschlagen oder verhaftet oder auch beides. Das Heer von Zivilpolizei, sprich Spitzeln, das an diesem Wochenende in Dortmund im Einsatz war, kam jetzt zur vollen Geltung. Viele Bürger, die spontan gegen den brutalen Polizeieinsatz protestierten, wurden festgenommen. Die Polizeiüberfälle und Verhaftungen dauerten bis zum späten Abend an und wurden, in vermindertem Umfang allerdings, auch noch am nächsten Tag fortgesetzt. Die Zahl der Festnahmen am Samstag dürfte sich auf insgesamt 700 bis 1 000 belaufen haben. Kennzeichnend für das Vorgehen der Polizei war, daß sie erst dann massiv vorging, als die Kundgebung der Gruppe Rote Fahne sich in der Auflösung befand. Polizeirechtlich bestand in einer solchen Situation keine Grundlage mehr für die dann erfolgten Massenverhaftungen. Dasselbe gilt auch für die am Vortage erfolgten Verhaftungen. Die Verhaftungen sind nach Paragraph 25 PolG NRW nur zur Abwehr einer 'gegenwärtigen', d. h. unmittelbar bevorstehenden 'Gefahr für die öffentliche Sicherheit' oder zur 'Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung' möglich. Eine sich auflösende verbotene Kundgebung stellt aber das genaue Gegenteil einer unmittelbar bevorstehenden 'Gefahr' dar, und bedarf, wenn sie sich auch ohnedies auflöst, nicht mehr des polizeilichen Eingreifens, denn der polizeiliche Eingriff ist nach Paragraph 25 PolG nur zulässig, 'falls die Abwehr der Gefahr oder die Beseitigung der Störung auf andere Weise nicht möglich ist.' Die Verhafteten wurden, wie schon am Vortage, in Massenzellen des Polizeipräsidiums, in Turnhallen und in Zivilschutzbunkern untergebracht. Einige der Inhaftierten wurden erst nach 36 Stunden entlassen, entgegen dem Grundsatz des Paragraph 26 PolG NRW, wonach jemand, der sich in polizeilichem Gewahrsam befindet, 'unverzüglich zu entlassen ist, sobald der Grund für die Maßnahme (der hier erst gar nicht bestand) entfallen ist'. Die Versorgung der Inhaftierten, die in Zellen und Bunkern auf engsten Raum zusammengepfercht, waren, war völlig unzureichend. Als Inhaftierte Decken forderten, um sich gegen die feuchte Kälte zu schützen, kam man erst nach Stunden ihrer Forderung nach. Der Kontakt mit Rechtsanwälten wurde von der Polizei verhindert. Ein Rechtsanwalt, der schon seit Samstagabend versucht hatte, mit Inhaftierten in Kontakt zu treten, aber immer wieder daran gehindert worden war, konnte erst am Sonntag mit den Inhaftierten reden."

Die KPD ruft in Dortmund zu einer Kundgebung auf, "auf der gegen die vor dem Breschnew-Besuch verschärften Terror- und Verfolgungsmaßnahmen gegen die KPD protestiert werden soll". Die Kundgebung wird von der Polizei aufgelöst. Ein großer Teil der Teilnehmer wird festgenommen und von der Polizei 'erkennungsdienstlich' behandelt (vgl. 19.5.1973).

Die der KPD/ML nahestehende Rote Hilfe (RH) Dortmund berichtet (vgl. 19.5.1973):"
WO UNTERDRÜCKUNG IST, DA IST AUCH WIDERSTAND!

Nach der verbotenen roten 1.-Mai-Demonstration wurden am Freitag, dem 18.Mai, zwei weitere Demonstrationen verboten. Das regionale Komitee gegen die Demonstrationsverbote hatte zu einer Demonstration für die Demonstrationsfreiheit aufgerufen. Diese Demonstration wurde genauso wie die für den gleichen Tag angekündigte Protestkundgebung der Polizei verboten. Die Polizei löste die Ansammlung am Nordmarkt auf und nahm wahllos Jugendliche, Betrunkene, Fotoreporter, Taxifahrer, ja sogar Kinder fest. Die Demonstration der KPD in der Innenstadt wurde mit Knüppeleinsatz zerschlagen. Einer 70jährigen Frau, die aus der Kaufhalle kam, zertrümmerte die Polizei ein Schulterbein. Als sie sich bei den Polizisten beschwerte, bekam sie zur Antwort, die Polizei schlage keine alten Frauen, sie habe wohl zu viel getrunken. An diesem Tage wurden rund 150 Leute festgenommen."

In den 'Ruhrnachrichten' heißt es über heute:"
STAATSANWALT: STRAFEN DROHEN DEMONSTRANTEN

GERICHT BESTÄTIGT VERBOT ALLER KUNDGEBUNGEN

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte gestern Nachmittag das vom Polizeipräsident Fritz Riwotzki erlassene Verbot für Aufzüge und Versammlungen des 'Regionalen Komitees gegen das Demonstrationsverbot' und der KPD am 18. und 19.Mai. Die 5. Kammer lehnte den KPD-Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Verbots ab.

Gericht wie Polizeipräsident begründeten das Verbot mit der unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Leben und Gesundheit einzelner gingen vor. Riwotzki verweist dazu auf die Personalidentität der Sprecher von KPD/ML bzw. 'Kommunistische Fraktion Ruhrgebiet' (KFR,d.Vf.) und Komitee. Das Gericht erinnert an die Vorkommnisse in Bonn (vgl. 10.4.1973,d.Vf.) und Dortmund.

Die Dortmunder Staatsanwaltschaft warnte alle der 'Vernunft noch zugänglichen' KPD-Sympathisanten, an den verbotenen Demonstrationen teilzunehmen. Beteiligung werde mit Freiheitsstrafen bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafen bis zu 500 DM geahndet, handgreifliche Auseinandersetzungen mit der Polizei mit wenigstens sechs Monaten Freiheitsstrafe.

Allein bei der Staatsanwaltschaft Dortmund stünden 82 Verfahren aus dem Komplex KPD und KPD/ML an. Gegen sechs Personen sei Anklage, u.a. wegen Landfriedensbruch, erhoben worden. Dazu seien 51 Verfahren gegen Teilnehmer der Demonstration vom 1.5.1973 in Dortmund anhängig. Der KPD-Sprecher Uwe Bergmann kündigte an, daß sich die maoistische KPD trotz des Verbots am Samstag in der Innenstadt 'friedlich versammeln' will."

Ebenfalls in den 'Ruhrnachrichten' erscheint auch morgen der Artikel:"
IN DORTMUND BEREITS ERSTE ZWISCHENFÄLLE

ZAHLREICHE FESTNAHMEN / STAATSANWALTSCHAFT WARNT

Noch am Tage der Ankunft Breschnews in der Bundesrepublik kam es in Dortmund zu den erwarteten Zwischenfällen zwischen Anhängern der maoistischen KPD und der Polizei.

Im gesamten Stadtgebiet versammelten sich mehrere hundert Sympathisanten dieser Organisation. Die Polizei, durch Hundertschaften der Bochumer Bereitschaftspolizei verstärkt, setzte zum Teil auch Schlagstöcke ein, um die Demonstrationen aufzulösen. Mindestens 50 Personen wurden festgenommen.

Trotz des gegen sie erlassenen Demonstrationsverbots will sich die KPD auch heute in der Dortmunder Innenstadt 'friedlich versammeln'. Dies bekräftigte am Freitag ein KPD-Sprecher.

Nach den Worten des Sprechers nimmt seine Organisation das gegen sie erlassene Demonstrationsverbot, das inzwischen vom Gelsenkirchener Verwaltungsgericht bestätigt wurde, nicht hin. Wie der Sprecher weiter erklärte, will die KPD heute taktisch anders vorgehen als am 1.Mai, als die Polizei zahlreiche Sympathisanten an der Fahrt nach Dortmund hindern konnte. 'Es wird wohl niemand mit einer roten Fahne nach Dortmund reisen', meinte er. Die KPD-Anhänger würden sich vielmehr unter die Passanten mischen, Flugblätter verteilen und mit den Menschen diskutieren. Der Aufforderung der Polizei, die Innenstadt zu räumen, werde man nicht folgen.

Die Dortmunder Staatsanwaltschaft hat am Freitag eindringlich vor einer Teilnahme an der Demonstration gewarnt. In einer Erklärung heißt es, bei einer Beteiligung drohe eine Freiheitsstrafe von sechs Wochen oder eine Geldstrafe bis zu 500 DM."

Im Lokalteil Dortmund der 'Ruhrnachrichten' (RN) heißt es:"
ZUSAMMENSTÖSSE POLIZEI - KPD

MEHRERE FESTNAHMEN / GROSSES AUFGEBOT

Zu ersten Zusammenstößen zwischen Mitgliedern der KPD und KPD-Sympathisanten mit der Polizei kam es Freitagabend in der Innenstadt. Überall gelang es der Polizei, die Ansammlungen ohne große Gewaltanwendung zu zerstreuen.

Die KPD hatte, da alle ihre angekündigten und angemeldeten Demonstrationen von Polizeipräsident Riwotzki verboten worden waren, den Arbeitsschluß benutzt, junge Leute zu Zusammenrottungen aufzufordern und zu versuchen, die Polizei aus der Ruhe zu bringen.

Einige hundert Personen hatten sich trotz des Demonstrations-Verbotes auf dem Nordmarkt versammelt. Nach Aufforderung über Lautsprecher räumte die Polizei den Platz. Dabei wurden etwa 30 Personen vorläufig festgenommen und zur Steinwache gebracht. Unter ihnen befanden sich auch ein Pressesprecher der Ruhr-Nachrichten und der WAZ. Nach dem energischen Durchgreifen einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei Bochum zerstreute sich die Menge.

Zu ähnlichen Zusammenrottungen kam es auf dem Westenhellweg, dem Alten Markt und auf der Münsterstraße. Überall griff die Polizei energisch durch. Dabei wurde in einzelnen Fällen Widerstand durch Gebrauch des Schlagstocks gebrochen.

Ununterbrochen kreiste ein Polizeihubschrauber über der Stadt, wurden Polizeibeamte mit Bereitschaftswagen dorthin gebracht, wo sich Ansammlungen bemerkbar machten.

Auf dem Alten Markt wurden besonders solche Jugendliche festgenommen, die kleine rote Fähnchen schwangen oder die Polizei beschimpften. Gegen die Demonstranten soll Anzeige erstattet werden, vor allem gegen solche Personen, die Jugendliche aufforderten, Samstag zu einem 'großen Marsch gegen die Polizei' an der Reinoldikirche anzutreten.

Seit Freitagabend befinden sich rund 2 000 Polizeibeamte in Dortmund in ständiger Bereitschaft. Die Kommandos werden am Montag noch verstärkt."

Die GIM Dortmund rief bei Hoesch (IGM-Bereich - vgl. 15.5.1973) in einem Artikel "Bemerkungen zum Recht auf freie Meinungsäußerung in der BRD" so auf:"
Während des Tarifkampfes der Drucker verfaßte ein bekannter rechtsgerichteter Redakteur einen üblen Hetzartikel gegen den Druckerstreik. Die Drucker der Zeitung weigerten sich, diese gegen sie gerichtete Hetze auch noch abzudrucken, so daß die Spalten, die für diesen Artikel vorgesehen waren, weiß blieben. Hierauf erhob die ganze bürgerliche Presse ein großes Geschrei: Das sei Zensur - Beschneidung des Rechts auf freie Meinungsäußerung - man könne mal wieder sehen wie undemokratisch die Arbeiter wären. Diesen bürgerlichen Schreiberlingen und Kapitalistenknechten ist offensichtlich völlig entgangen, daß sie überall die vergangenen Jahre völlig ungestört ihre Meinung verbraten konnten, während es den Arbeitern nie möglich ist, sich in der Presse öffentlichkeitswirksam zu äußern. Daß die Arbeiter überhaupt vom Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeschlossen sind, übersehen die bürgerlichen Zeitungsmacher geflissentlich. Wenn dann schon Arbeiter und linke Studenten versuchen ihr Recht auszunutzen, geraten sie unverzüglich in große Schwierigkeiten. Zum 1. Mai wollten verschiedene Organisationen Plakate kleben und Demonstrationen durchführen, um so ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen und damit ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrzunehmen. Während der ganzen Woche vor dem 1. Mai fuhr die Dortmunder Polizei verschärfte Streife um die linken Gruppen am Plakatieren zu hindern. Genossen, die es trotzdem versuchten, wurden aufgegriffen, ihnen alle Plakate abgenommen und wenn sie die im Polizeigesetz vorgesehene Quittung verlangten und die Dienstnummer der Beamten wissen wollten, so wurde ihnen Prügel angeboten. Auf die Anfrage auf Grund welcher Vorschrift das Plakatieren verboten wäre, wo doch das Recht auf freie Meinungsäußerung im Grundgesetz (GG,d.Vf.) garantiert sei, wurde u.a. geantwortet: 'Das Grundgesetz ist durch die Stadtverordnung außer Kraft gesetzt.' Nur wenn man sich für viel Geld Anschlagflächen mietet, ist das Plakatieren erlaubt. Das Recht auf freie Meinungsäußerung hat halt nur, wer genug Geld hat sich einen Zeitungsverlag zu kaufen oder sich Werbeflächen zu mieten. Auch die Demonstration der KPD am 1. Mai am Nordmarkt wurde verboten. Als diese dann doch durchgeführt wurde (unter Beteiligung vieler Linker, die zwar die Politik der KPD ablehnen, aber ihre Empörung über das Verbot der Demonstration zum Ausdruck bringen wollten), knüppelte die Polizei mit einer Brutalität, die auch vor unbeteiligten Passanten nicht haltmachte, auf die Demonstranten ein, die jeder Beschreibung spottet. Hier sollte das Demonstrationsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung mit Gewalt zerschlagen werden. All das zeigt, daß das Recht auf freie Meinungsäußerung unter den gegebenen Umständen nur das Recht der Kapitalisten und ihrer Knechte in den Zeitungsredaktionen ist. Dieses Recht wird nur dann für uns zum Tragen kommen, wenn wir uns für das Recht aller fortschrittlichen Gruppen auf freie Verbreitung ihrer Meinung in Wort, Schrift und Bild, auch auf Plakaten und Demonstrationen (!) engagieren und darum kämpfen. Der Kampf um eine neue, bessere Gesellschaftsordnung, der Kampf um den Sozialismus, kann nur dann erfolgreich sein, wenn er auf der Grundlage der vollen Wahrheit geführt wird. Daß die Wahrheit gesagt werden kann, ist jedoch nur dann garantiert, wenn alle Meinungen frei geäußert werden dürfen. Deswegen ist es notwendig, für das Recht aller Gruppen, auch derer, deren politische Linie nicht von uns gebilligt wird, auf freie Meinungsäußerung und volle Demonstrationsfreiheit zu kämpfen und jeden Versuch der Einschränkung unserer demokratischen Rechte entschieden zurückzuweisen. Deswegen kontaktiert die Komitees zum Kampf gegen das Demonstrationsverbot oder die GIM. Kommt zur Demonstration am 18.5., 18 Uhr am Nordmarkt."
Ebenfalls bei Hoesch berichtet die GIM auch von dieser Demonstration (vgl. 13.6.1973).

Das Komitee gegen die Demonstrationsverbote berichtet:"
Am 18.5. glich Dortmund einem Heerlager: Sämtliche Zufahrtsstraßen waren durch Polizeikontrollen abgeriegelt. Am Dortmunder Nordmarkt und in der umliegenden Innenstadt waren mehrere Hundertschaften der Polizei aufmarschiert, die eine Demonstration im Keim ersticken sollten. Trotzdem kam es spontan zu einer Protestdemonstration. In der Innenstadt und im Dortmunder Norden versuchten Demonstranten, mit der Bevölkerung über den Grund der Demonstration zu diskutieren. Durch die über weite Teile der Innenstadt verteilten Polizeispitzel (in Zivil) war es möglich, daß die Diskussionsgruppen zerschlagen und sowohl Demonstranten als auch diskutierende Bürger festgenommen wurden. Hierbei kam es des öfteren zu brutalen Polizeiübergriffen. Größere Ansammlungen von Demonstranten und Passanten z.B. auf dem kleinen Borsigplatz, wurden zerschlagen, indem der Platz abgeriegelt wurde und sich die Polizeiketten, auf die Teilnehmer knüppelnd, von allen Seiten zusammenzogen. Dabei wurden die Beteiligten an den Haaren in Mannschaftswagen gezerrt oder im Würgegriff abgeführt. Wer sich von der Atemnot zu befreien suchte, wurde hemmungslos mit Knüppeln oder anderen Gegenständen, wie z.B. Sprechfunkgeräten, geschlagen. Photographen, die den brutalen Polizeieinsatz im Bild festhalten wollten, wurden mit Gewalt daran gehindert; die Kamera wurde ihnen abgenommen und sie wurden abgeführt.

Nach dem Motto: 'Das nicht sein kann, was nicht sein darf', sollte offensichtlich verhindert werden, daß die Bevölkerung über den Vandalismus der Polizei informiert wurde. Ebenso erging es Flugblattverteilern, die ihre Meinung vertreten wollten: Die Flugblätter wurden beschlagnahmt und sie festgenommen. Perfektioniert wurde der Polizeieinsatz durch einen permanent über der Stadt fliegenden Polizeihubschrauber, der den Einsatz leitete und es ermöglichte, daß die Polizeikommandos flexibel einsatzfähig waren. So wurde die Demonstration am Nordmarkt verhindert sowie einzelne Verhaftungen vorgenommen. Am Burgtor bildete sich dann eine spontane Demonstration von ca. 800 Teilnehmern, die in Sprechchören 'Weg mit dem Demonstrationsverbot' riefen und Fähnchen mit der Aufschrift: 'Weg mit dem Demonstrationsverbot - Für uneingeschränkte Demonstrationsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volkes' trugen. Der Zug schwenkte auf die Kampstraße Richtung Reinoldikirche ein, während die letzten Teilnehmer des Zuges bereits von der Polizei niedergeknüppelt und festgenommen wurden. Auf der Kampstraße kam es dann wegen des brutalen und massiven Polizeieinsatzes zur Auflösung des Zuges. Minuten später versammelten sich die Demonstranten an der Reinoldikirche, wo willkürliche Festnahmen unter Gewaltanwendung erfolgten. Um 19 Uhr 30 wollten sich die Demonstranten am Borsigplatz zu einem Protestzug versammeln, dessen Ansätze nach wenigen Augenblicken durch brutales Reinknüppeln und Massenverhaftungen aufgelöst wurden. Es wurden vom Nachmittag bis in die späten Abendstunden ca. 300 Leute festgenommen. Die Festgenommenen wurden zunächst alle in das Polizeipräsidium an der Hohen Straße gebracht und nach mehreren Stunden auf verschiedene Polizeiwachen verteilt. Sie wurden wie Schwerverbrecher erkennungsdienstlich (ED,d.Vf.) behandelt. Den Festgenommenen wurde das Recht auf Benachrichtigung von Familienangehörigen und einem Rechtsanwalt verwehrt. Zwischen etwa 23 Uhr und 1 Uhr wurden die Demonstranten in den Außenbezirken Dortmunds oder gar in Lünen oder Castrop-Rauxel freigelassen."

Das Komitee gegen die Demonstrationsverbote verbreitet auch folgenden:"
Bericht über Festnahme am 18.5.1973

Ich wurde gegen 19 Uhr einzeln, als ich langsam über die Stahlwerkstraße marschierte, festgenommen mit der Begründung: 'Sie wohnen ja wohl nicht hier in der Nähe.' …Wir wurden dann zur Aufnahme der Personalien nach Brackel gefahren. Bei jedem Festgenommenen wurde als Grund für die Festnahme 'Teilnahme an verbotener Demonstration' angegeben. Schwierigkeiten machte die Feststellung der Polizisten, die die 'Demonstranten' festgenommen hatten. So wurde bei einigen Festgenommenen dieser Name einfach noch freigelassen. …Bitten um Telefonate wurden mit dem lapidaren Hinweis abgetan, 'das ginge nicht'. Etwa gegen 20 Uhr 30 wurden wir mit 8 Personen ins Polizeipräsidium am Alten Mühlenweg gefahren. Dort saßen wir etwa 30 Minuten in einem stickigen VW-Bus auf dem Parkplatz, weil offensichtlich im Gebäude kein Platz für uns war. …Ein Polizist äußerte übrigens zu dem Einsatz: 'Am kleinen Borsigplatz hatten wir keinen Überblick mehr, da haben wir alles mitgenommen, was wir kriegen konnten."

Ebenfalls vom Komitee gegen die Demonstrationsverbote veröffentlicht wird auch folgender Bericht:
Am Freitag, den 18.5. ging ich gegen 18 Uhr 10 zum Nordmarkt, um mich an der Demonstration 'Gegen das Demonstrationsverbot - für uneingeschränkte Demonstrations- und Organisationsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volkes' zu beteiligen. Unter meiner Jacke hatte ich Flugblätter versteckt, auf denen die Ziele der Demonstration erklärt waren. Ich begann (unauffällig, wie ich meinte) mit der Verteilung. Plötzlich wurde ich barsch von hinten angefaßt. Ein Polizist forderte mich auf, mich auszuweisen, was ich ohne Widerstand tat. Die Polizisten greifen mir grob unter die Jacke und zerren die übrigen Flugblätter hervor. Ein Mann, der diesen Vorfall fotografiert, wird gleich verhaftet und abgeführt. Er kann mir nur noch schnell seinen Namen nachrufen. Ich werde in einem weißen Polizei-VW gezwängt. Das Funkgerät wird abgestellt, zwei Polizisten steigen zu und ab geht's zur Steinwache. Im Polizeiwagen wurde ich drangsaliert, der Wagen ist sehr eng, als ich mich etwas nach vorne beugte, stößt mich der Polizist mit dem Arm vor die Brust und sagt: 'Setz Dich gerade hin.' Ich wage nicht, mich zu wehren oder zu protestieren. Überhaupt habe ich mit den Polizisten kein Wort gewechselt. Sie sagten mir: 'Jetzt lernst du die Steinwache kennen, das ist nach der Davidswache in Hamburg die schlimmste in ganz Deutschland. Da bringen wir euch Verbrecher alle hin.' Ein anderer Mann, ca. 35 - 40 J., Arbeiter, war mit dem Fahrrad in die Stadt zum Einkaufen gefahren. Auf der Rückfahrt war plötzlich die Straße gesperrt, wo er her mußte. Er verlangte, durchgelassen zu werden, die Polizisten ließen ihn nicht passieren, sie verlangten vielmehr seinen Ausweis. Aber wer nimmt schon zum Einkaufen seinen Ausweis mit sich? Sie stellten sein Fahrrad an den Zaun, die Einkaufstüten ließen sie liegen (Fleisch und Wurst für 20 DM). Er wurde verhaftet und bekam nicht einmal Gelegenheit, seine Frau zu verständigen. Der Mann war den Tränen nahe. Er wurde bis ca. 24 Uhr festgehalten. Ein anderer taumelte betrunken über den Nordmarkt und lallte die Polizisten an. Er wurde brutal festgenommen, zum Lokus geführt, hier mußte er sich übergeben, dann wurde er in den Mannschaftswagen gesperrt. Im Polizeigefängnis klagte er über starke Schmerzen. Er zeigte mir seine stark geschwollene Hand und sagte: 'Jetzt muß ich einen Krankenschein nehmen und kann nicht arbeiten. Was wird das auf der Firma einen Terror geben, wenn die erfahren, daß ich verhaftet bin.' Er sagte mir, daß er den Schlüssel von seiner Wohnung in der Tasche habe und daß zu Hause seine Mutter und seine Frau vor der Tür stünden und nicht reinkämen. Von der Steinwache werden wir in das Polizeipräsidium an der Hohen Straße gefahren. Die Beamten in dem Wagen ('Taxi' nannten sie ihn) waren ziemlich nett. Sie schimpften nur über das kaputte Wochenende, das wir ihnen bereitet hätten. Auf der Hohen Straße kamen wir in eine Massenzelle. 70 - 80 Personen mußten sich einem Raum von ca. 30 qm teilen. Anfangs war die Stimmung in der Zelle ausgezeichnet. Jedesmal, wenn ein neuer Trupp Festgenommener ankam, wurde das Solidaritätslied oder andere Arbeiterlieder gesungen. Gegen 21 Uhr 30 kam ein Mann an das Fenster, er sagte, er sei Rechtsanwalt und die Polizei wollte uns bis 24 Uhr am nächsten Tag festhalten. Das demoralisierte ganz schön, besonders die Leute, die offensichtlich unbeteiligt verhaftet worden waren, waren der Verzweiflung nah. Wir berieten uns, was zu tun sei. Wir einigten uns auf folgende Forderungen:
1. Niemand verläßt alleine die Zelle.
2. Wir bekommen sofort einen Anwalt. Der Anwalt kommt in die Zelle und verhandelt mit allen, nicht mit einzelnen.
3. Wir bekommen sofort etwas zu essen.
4. Wir bekommen ausreichend Schlafgelegenheiten.
5. Wir können sofort mit unseren Angehörigen telefonieren.
In lauten Sprechchören riefen wir diese Forderungen. Wir hörten, daß unsere Nachbarzelle die gleichen Forderungen in Sprechchören formulierte. Die Polizisten kamen an die Gitter und sagten, wir sollten leise sein, die Anwohner würden sich beschweren. Wir riefen noch lauter, sollten es alle hören, daß die Verhältnisse in einem Polizeigefängnis dieses 'demokratischen Staates' zum Himmel schreien. Wir waren uns alle einig. Nur bekamen wir jetzt Angst, daß uns die Polizisten, die sich nun vor den Fenstern aufstellten, in die Zellen geschickt würden. Fast hätten wir ihnen einen Vorwand dafür geliefert: Als die Polizisten die Eisentür öffneten, rissen wir sie auf und stellten uns alle davor, sodaß sie nicht mehr geschlossen werden konnte. Wir riefen: Wir wollen einen Anwalt! Sofort kamen einige kräftige Polizisten und drängelten uns zurück. Dabei wäre es beinahe zu einer Prügelei gekommen, was zum Glück verhindert werden konnte. Wir waren ja doch in einer aussichtslosen Position, selbst wenn wir die Polizisten verprügelt hätten. Eigentlich war die Situation in der Zelle gar nicht schlecht. Wir waren sehr viele und hätten beraten können, welche weiteren Maßnahmen wir ergreifen könnten. Wir hätten nur die Fenster zu schließen brauchen, um zu diskutieren. Aber wir hatten das Gefühl, daß auch in unserer Zelle Spitzel saßen. Wir konnten es annehmen, sie verhielten sich sehr auffällig. Sie hätten aber genausogut auch Genossen oder unbeteiligte Passanten sein können, die sich eben nur anders oder auffällig benahmen. Nachdem wir uns mit unserer Situation abgefunden hatten, stieg die Stimmung wieder. Es wurde nun begonnen, die Polizisten, die hinter den Gittern standen, zu agitieren. Hier wurde deutlich, daß sie nicht einmal wußten, warum die Demonstration verboten wurde und daß sie ein unheimlich konservatives Weltbild hatten. Inzwischen hatte sich vor dem Präsidium eine größere Gruppe von Genossen versammelt. Wir nahmen durch Rufe Kontakt mit ihnen auf. Daraufhin versuchte die Polizei zunächst, sie von der Straße zu drängen. Als wir lautstark protestierten, hörten sie damit auf (wahrscheinlich wegen der Nachbarschaft). Sie stellten ihre Polizeiautos so, daß wir keine Sichtmöglichkeiten mehr hatten. Mehrere Genossen hatten gesehen, daß sich der Rechtsanwalt Egbert Schenkel im Polizeipräsidium aufhielt. Wiederholt hatten wir lautstark gefordert: 'Wir wollen einen Rechtsanwalt', ohne Erfolg. Dann sahen wir, wie Rechtsanwalt Schenkel von mehreren Polizisten abgeführt wurde. Es hatte zwar keinen Sinn, aber die meisten waren so erbost darüber, daß sie laut 'Schweine' riefen. Wir schrien immer wieder: 'Wir wollen einen Rechtsanwalt'."

In weiteren durch das Komitee gegen die Demonstrationsverbote verbreiteten Berichten heißt es:"
Am 18.5.1973 wurde ich um 19 Uhr 50 von Polizeibeamten festgenommen. Ich ging zur Zeit mit zwei Freunden (einer von ihnen wurde auch festgenommen) langsam, ca. 10 Minuten Fußweg vom Kleinen Hoeschplatz entfernt durch die Nordstadt. …Mir wurden, als gefährliches Werkzeug, ein Taschenmesser, ein Korkenzieher und eine Mundharmonika, außerdem mein Personalausweis und ein Taschenfahrplan weggenommen. …Der Kranke wurde erst gegen 22 Uhr 30 aus dem Raum geholt."

"Nachdem die Demonstration am Freitag gewaltsam aufgelöst wurde, bildeten sich Diskussionsgruppen auf dem Alten Markt. Um einen Befürworter der Demonstration gegen das Demonstrationsverbot bildete sich eine Traube von Passanten. Er versuchte, Passanten auf Fragen hin zu erklären, einmal, warum diese Demonstration durchgeführt werden sollte, dann, welche Gruppen sich daran beteiligten, und welche Auswirkungen und Folgen ein solches Verbot wahrscheinlich nach sich zieht. Ein Passant fragte ihn nach seiner politischen Einstellung. Es gab Diskrepanzen zwischen dem Demonstranten und den Passanten bezüglich ihrer politischen Vorstellungen. Beide gaben das sehr deutlich zum Ausdruck. Der Passant, systemkonform, der Demonstrant mit Zielrichtung Sozialismus. Als der Demonstrant auf die Frage, was für ein Gesellschaftssystem er denn wolle, ganz klar mit 'Sozialismus' antwortete, kamen drei oder vier Polizisten, die die Diskussion zum Teil verfolgt hatten, von hinten auf ihn zu und nahmen ihn fest. Seinen Namen konnte ich leider nicht mehr erfahren.

Demonstranten, die ebenfalls mit Passanten diskutierten (nur nicht in der Eindeutigkeit wie der festgenommene Diskussionsteilnehmer) wurden auffallend häufig aus umliegenden Gebäuden von angeblichen Passanten fotografiert."

"19 Uhr 45 Verhaftung in der Nähe vom kleinen Hoeschplatz ohne Angabe von Gründen, auf Fragen keine Antworten, nur Bemerkungen wie: 'Ihr seid doch ganz falsch in Dortmund, ihr müßt doch in Bonn sein, dort ist doch Breschnew. Morgen könnt ihr dann wohl nicht demonstrieren.' Unterwegs wurden dann noch zweimal je zwei Personen verhaftet, etliche Straßen vom Kleinen Hoeschplatz entfernt …Ca. 21 Uhr bis 21 Uhr 15 werden wir aus dem Polizeipräsidium in Mannschaftswagen gebracht und zur Polizeisporthalle gefahren. Man sagt, daß wir dort bis morgen übernachten sollen. Bei der Sporthalle angekommen, erwarten uns ca. 25 Polizisten, die uns auffordern, uns an die Wand auf den Steinfußboden zu setzen. Weitere, anscheinend neue Verhaftete kommen herein und werden abgetastet. Einem wird der Pfeifenreiniger als mögliche Waffe abgenommen… Polizeistelle Huckarde… Ich mit weiteren vier Mädchen in einer Einzelzelle… Ca. 22 Uhr 30 wird ein Mädchen, kurz danach ihre Schwester rausgeholt. Nach kurzer Zeit hören wir lautes Gebrüll, Tische und andere Gegenstände fallen um. Es wird eindeutig ein Mann zusammengeschlagen. Man hört die Schläge und die Schmerzensschreie. Eine Frauenstimme ruft: 'Hört doch endlich auf, hört doch endlich auf.' Wir haben mit der Nachbarzelle Kontakt aufgenommen. Da die Wände dünn sind, können wir uns durch Rufen verständigen… Ca. 22 Uhr 50 werde ich rausgeholt, muß wiederum im Büro meinen Namen angeben und werde ohne Kommentar nach draußen vor den Eingang geführt. Auf meinen Hinweis, daß ich weder Geld noch Hausschlüssel habe, abgesehen von meiner dünnen Kleidung, nur die Antwort: Das sei meine Sache, ich könnte ja auch in der Zelle übernachten. Auf meine Frage, ob ich telefonieren könne, wird geantwortet, es dürften nur dienstliche Gespräche geführt werden. Danach wird die Tür von innen abgeschlossen."
Q: Solidarität Nr.4 und 5,Dortmund 15.5.1973 bzw. 13.6.1973,S.7 bzw. S.4; Ruhrnachrichten-Lokalteil Dortmund 19.5.1973;Ruhrnachrichten,Dortmund 19.5.1973;RH Dortmund:1 000 Verhaftete fordern: Freiheit!,Dortmund o.J. (1973),S.2;Dortmunder Komitee Hände weg von der KPD:Dokumentation über den Polizeiterror in Dortmund vom 18.-20. Mai 1973,Dortmund 1973,S.4f und 7;Kommunistische Hochschulzeitung Nr.1,Bochum 1973,S.1ff;Regionales Komitee gegen das Demonstrationsverbot:Für uneingeschränkte Demonstrations- und Organisationsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volkes,Dortmund Mai 1973;Arbeiter-Zeitung Nr.5,Mannheim/Heidelberg Juni 1973;Die Rote Front Nr.10,Dortmund Mai 1973,S.1 und 3;Klassenkampf Nr.33,Freiburg 24.5.1973;Rote Fahne Nr.21,Dortmund 23.5.1973;DOS Nr.20,Dortmund o.J. (1973),S.15;KPD-OL Dortmund:Hände weg von der KPD,Dortmund o.J. (Mai 1973);KPD-OL Dortmund:Freiheit für die KPD - Wir werden Breschnew entlarven,Dortmund o.J. (Mai 1973);KFR-X.:Zu den Aufgaben der Kommunisten,Dortmund 19.6.1973,S.1;Regionales Komitee gegen das Demonstrationsverbot:Das Regionale Komitee gegen das Demonstrationsverbot ruft euch auf: Heraus zur Protestdemonstration gegen das Demonstrationsverbot, Freitag, 18.5., 18h, Nordmarkt,Dortmund o.J. (Mai 1973);Komitee gegen Demonstrationsverbot - für uneingeschränkte Meinungs- und Organisationsfreiheit der Arbeiterklasse und des Volkes:Polizeiüberfall auf Kommunistische Gruppe in Dortmund,Dortmund o.J. (Mai 1973);Komitee gegen die Demonstrationsverbote:18./19. Mai 73 Dokumentation,Dortmund o.J. (Juni 1973),S.1ff;Dem Volke Dienen Nr.13,Dortmund 30.5.1973,S.2f;AStA RUB, KHI, Komitee Kampf den Demonstrationsverboten:Zentrale der Gruppe Rote Fahne durchsucht,Bochum o.J. (15.5.1973);Rote Robe Nr. 3, Heidelberg, 9. Juli 1973;Kommunistische Volkszeitung Nr.4,Mannheim 20.2.1974,S.14

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Letzte Änderungen: 31.3.2011

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