Jungarbeiter und Lehrlingspresse - Berufsschulzeitung der Revolutionären Jugend (Marxisten-Leninisten) für Frankfurt und Groß-Gerau, Jg. 1, Nr. 9, Dez. 1971

Dezember 1971:
Die Ortsgruppen Frankfurt und Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML geben die Nr. 9 ihrer Berufsschulzeitung 'Jungarbeiter und Lehrlingspresse' (vgl. 25.10.1971, 17.1.1972) in einem Umfang von 8 Seiten DIN A 4, unter Verantwortung von J. Möcks in Frankfurt heraus.
Im Leitartikel "Verstärkter Lehrermangel im nächsten Schuljahr" heißt es:"
DER LEHRERMANGEL WIRD ZUNEHMEN!

Der Streik an der Siemens-Berufsschule (vgl. 18.10.1971, d.Vf.) hat es ans Licht gebracht: der Lehrermangel, der Raum- und Materialmangel sind kein Zufall, keine Fehlplanung, sondern eine BEABSICHTIGTE Verschlechterung der Lage der Arbeiterjugend.

Wie versuchen die Kapitalisten und ihre Handlanger die Wahrheit zu vertuschen? Erstens, indem sie vom 'menschlichen Versagen' der 'zuständigen Behörden' reden, zweitens, indem sie die Tatsachen einfach leugnen und frech das Gegenteil behaupten.
DAS SIEHT SO AUS: Wo Lehrermangel herrscht redet man von 'Lehrerschwemme', wo die Zahl der Schüler immer mehr zunimmt (1970: 12, 5 Mio. Jugendliche im Schulalter - 1975 ca. 13, 4 Mio.) redet man vom 'Pillenknick', d.h. man erzählt das Ammenmärchen, 'weil immer mehr Frauen die Pille nähmen, würde die Schülerzahl spürbar abnehmen.'"

Betont wird "Lehrlinge - Teil der Arbeiterklasse" und gefordert "Unterstützt die SV":"
Die Jungarbeiter und Lehrlinge haben vor ca. 6 Wochen in den Berufsschulen ihre Schülervertretungen gewählt. Diese Wahlen waren der Anlaß für viele Kollegen die Mißstände in der Schule und auch im Betrieb anzuprangern und die Rechtlosigkeit der Arbeiterjugend aufzuzeigen. In einigen Berufsschulen (z.B. Werner von Siemens Schule) fanden Vollversammlungen statt, in denen unmißverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, daß wir Lehrlinge und Jungarbeiter bereit sind gegen den Widerstand der Kapitalisten für unsere Interessen zu kämpfen. Wir haben die Mißstände beim Namen genannt und unsere Forderungen auf den Tisch gelegt:
- Volle 12 Stunden Berufsschulunterricht!
- Weg mit dem Lehrermangel!
- Weg mit dem Raummangel!
- Ordentliche Eß- und Aufenthaltsräume!
- Bereitstellung der Lehrmittel!

In den letzten Jahren mußten wir aber immer wieder feststellen, daß die Schülervertretung (SV) ziemlich wenig Einfluß hatte und daher wenig für uns tun konnte. Einige Handlanger der Kapitalisten wußten, daß wir Jungarbeiter und Lehrlinge kaum die SV unterstützten und wiegten sich in Sicherheit. Damit machen wir jetzt Schluß!

Wenn alle geschlossen hinter den SV-Vertretern stehen und sie unterstützen, bekommen diejenigen, die auf unsere Inaktivität gebaut hatten, kalte Füße. Die SV-Vertreter müssen die Forderungen und Probleme der Berufsschüler aufgreifen und zugleich den Kollegen über ihre Arbeit genau berichten. Viele SVler haben bisher die Kollegen kaum über ihre Arbeit unterrichtet und glaubten, daß sie in Verhandlungen mit der Schulleitung etwas durchsetzen können. Die bisherige Erfahrung hat aber gezeigt, daß wir damit nicht weit kommen. Forderungen der Lehrlinge und Jungarbeiter im Stillen beschließen und sich in Verhandlungen mit der Schulleitung oder dem Stadtschulamt hinters Licht führen zu lassen, das ist nicht der Stil von SV-Vertretern, die die Interessen der Arbeiterjugend vertreten. Mit solchen Methoden arbeitet die rechte Gewerkschaftsführung.

Alle Kollegen müssen die SV in ihrer Arbeit unterstützen, ihr helfen, sie kritisieren und Vorschläge besprechen. Nur so wird die SV unsere SV."

Jungarbeiter- und Lehrlingsberichte entstammen der Presse des KAB/ML und seiner Freunde, berichten aus Neckarsulm, Baden-Württemberg (GEW zum Wehrkunde-Erlaß (WKE)) und Darmstadt. Ebenfalls zentral geschrieben wurde der Artikel "'Neues' BVG soll die Arbeiterklasse niederhalten".

Aus eigener Feder stammt der Beitrag "Religionsunterricht", wo es u.a. heißt:"
Obwohl viele von uns weniger als 5 Stunden (8, 4%) bzw. 8 Stunden (46, 4%) Berufsschule haben ist zu allem Übel eine dieser Stunden noch Religionsunterricht.
WOZU ??? Es steht fest, daß wir Jungarbeiter und Lehrlinge eh schon viel zu wenig Bildung erhalten, sowohl fachlich als auch politisch. So z.B. an der Kaufmännischen Berufsschule I (Bethmann-Schulhaus) wo einige Klassen 1 1/2 Jahre lang keinen Sozial-Politischen Unterricht (SPU) erhielten bzw. heute noch nicht erhalten, dafür aber 'ihren Religionsunterricht' verpaßt bekamen bzw. bekommen. Was bekommen wir hier zu hören? Teils Geschichten aus einer 'heilen Welt', teils aber auch 'Kritik' - die allerdings nie die Übel an der Wurzel packt, sondern schlicht und EINFACH bei den Geschehnissen und Auswirkungen der Habsucht 'der Reichen' stehen bleibt. … Die Religion verschleiert den Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital, um uns vom Kampf gegen den wahren Feind in der Welt, den Kapitalismus, abzuhalten. Mit dem 'Friede, Freiheit, Pfannekuchen'-Gerede versucht man unsere Ausbeutung im Betrieb aus der Sicht des Kapitalisten zu rechtfertigen, da der Kapitalist ja auch nur ein 'Mensch' ist. So versucht man uns von unserem Kampf für mehr demokratische Rechte in Betrieb und Berufsschule und im Kampf gegen den Kapitalismus abzuhalten.
DESHALB:
Statt Religionsunterricht mehr fachlichen und sozialpolitischen Unterricht! Volle 12 Stunden Unterricht ohne Religionsunterricht!"
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 9, Frankfurt/Groß Gerau Dez. 1971

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