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Die Aktionseinheit zur Metalltarifrunde 1971 (MTR-AE)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 17.5.2005


Materiallage

Es werden hier nur einige wenige der zahlreichen einschlägigen Dokumente des APO-Archivs vorgestellt.

Die Organisationen

Die Organisationen sind zahlreiche örtliche Zirkel sowie einige kritisierende Parteien.

Wichtige Themen und Ereignisse

Die Aktionseinheit zur Metalltarifrunde 1971 (MTR-AE) könnte als ein gewerkschaftliches bzw. auf den Lohnkampf abzielendes Ereignis verstanden werden. Ich halte das für falsch. Einmal wurde um die Forderungen selbst keine große Debatte geführt, weder vor der Konferenz noch nachher, weder in der engeren ML-Bewegung noch etwa mit anderen linken Gruppen, die die Forderungen sicherlich problemlos hätten propagieren können. Diese Beliebigkeit wird im nachhinein von der RKJ der GIM gegeisselt (vgl. Nov.1971). Zum zweiten war auch eine realistische Beeinflussung des Verlaufes der Tarifrunde nicht zu erwarten.

Verständlich wird dieser Versuch der Zusammenarbeit m.E. weit eher auf dem Hintergrund der damaligen Entwicklung der bundesdeutschen ML-Bewegung. In Westberlin hatte sich zum bündlerischen KB/ML, noch aus der PEI die PL/PI und aus der KPD/AO die KPD als dritter Parteiaufbauansatz entwickelt, wobei besonders die KPD einen ungestümen Führungsanspruch anmeldete. Der KB/ML dürfte demgegenüber in der defensive gewesen sein, ebenso wie die zahlreichen örtlichen Zirkel, die sich in ihren jeweiligen Hochburgen oft auch der Konkurrenz der damals beide aufstrebenden KPD/ML-ZB und KPD/ML-ZK erwehren mussten. Hinzu kam in Hamburg der scheinbar richtige Zeitpunkt für den klitzekleinen KAB, gerade groß genug um auf Demonstrationen oder teach-Ins die eigene Presse zu verkaufen - gab es auch jemals eigene KAB-Flugblätter? -, sich des SALZ und seiner zahlreichen Betriebsgruppen zu bemächtigen. Die Gründung des Kommunistischen Bundes (KB), mit seinem erst nach langen Jahren erstmals gewählten Leitenden Gremium geht vermutlich wesentlich auf die MTR-AE zurück. Geplant war sicherlich eine Beteiligung auch der Bremer und Göttinger Freunde, was wiederum eine Sogwirkung auf zahlreiche vor allem niedersächsische Gruppen gehabt haben könnte. Eventuell hätten dann gar die Bayern mitgetan. Die schwäbischen KABler vermeiden offensichtlich ängstlich jede Berührung mit ideologisch eventuell überlegenen Gruppen, was auch auf alte Feindschaften mit dem KAB Hamburg zurückgeführt werden könnte.

Der KB Bremen aber hat auch alte Feindschaften gegenüber dem SALZ Hamburg bzw. der Regionalzentrale Nord zu pflegen und neue Freunde in Göttingen, der geplante Zusammenschluss scheitert. Trotzdem wird bald danach ein kleiner überörtlicher aber kaum überregionaler Kommunistischer Bund gegründet, an den sich zahlreiche der an der MTR-AE beteiligten Zirkel anschließen, während die bayrischen Gruppen später den AB gründen und viele der restlichen ebenfalls 1973 den KBW. Die beteiligten Gruppen aus Berlin dagegen zerfallen, ihre Anhänger teilen sich in verschiedene Fraktionen auf.


Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

25.07.1971:  Auf einer Beratung kommunistischer Zirkel aus verschiedenen Städten Westdeutschlands und Berlins wird in Hamburg eine Minimalplattform für eine überregionale Aktionseinheit in der Metalltarifrunde (MTR) 1971 erstellt (vgl. 25.9.1971). Als Minimalforderungen gelten: 120 DM für alle, Absicherung der Effektivlöhne durch Vorweganhebung, Weg mit den Leichtlohngruppen, Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Gleicher Lohn für Männer und Frauen, Gegen die Angriffe der Kapitalistenklasse die einheitliche Kampffront der Arbeiterklasse, Raus aus der Konzertierten Aktion, Kampf gegen das arbeiterfeindliche BVG, Macht die Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen der Arbeiterklasse.

Unterzeichnet wurde diese Plattform anfangs:
Aus Bayern von den ABG München und der Sozialistischen Betriebsgruppe (SBG) Regensburg;
aus Berlin vom KB/ML Westberlin, der Sozialistischen Betriebsgruppe Tempelhof (SBGT) Westberlin und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (SDA);
aus Bremen vom KB Bremen (KBB) und dem SALZ Bremerhaven;
aus Hamburg vom KAB Hamburg und dem SALZ Hamburg;
aus Niedersachsen vom KB Göttingen, vom KB Wilhelmshaven, der KAG Oldenburg, dem SALZ Stade und dem SALZ Cuxhaven
und aus Schleswig-Holstein vom KB/ML Eutin, dem KB/ML Flensburg und dem KB/ML Lübeck.

Die nachträglich teilnehmenden Kommunistischen Gruppen (NRF) Mannheim und Heidelberg (vgl. auch 24.1.1972) berichten:"
Die wichtigsten Organisationen, die sich an der Hamburger Konferenz beteiligten, waren: Arbeiterbasisgruppen München, SALZ-Hamburg, KB/ML-Westberlin, KAB-Hamburg, KB-Bremen, KB-Göttingen. Die ökonomischen Parolen der Aktionseinheit richten sich gegen die Spaltung der Arbeiterklasse durch das kapitalistische Lohnsystem und werden in der Parole: 'Gegen die Angriffe der Kapitalistenklasse die einheitliche Kampffront der Arbeiterklasse' zusammengefaßt. Die politischen Parolen richten sich gegen die Angriffe des kapitalistischen Staates auf die unabhängige gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterklasse und gegen die Agenten und die Ideologie der Bourgeoisie in den Gewerkschaften. Sie werden in den Parolen zusammengefaßt: 'Machen wir die Gewerkschaften wieder zu einer Kampforganisation der Arbeiterklasse'. Die politischen Parolen gegen die Konzertierte Aktion und gegen die verschärfte Neuauflage des Adenauer-BVG beschränken sich auf solche Kampfziele, die sich direkt aus den Bedingungen des ökonomischen Kampfes ergeben. Diese inhaltliche Beschränkung der Parolen erklärt sich vor allem aus der Einschätzung der unmittelbar bevorstehenden Kämpfe der Arbeiterklasse als Abwehrkämpfe gegen den allseitigen Angriff der Kapitalistenklasse. Eine solche Einschätzung schließt aus, die revolutionäre Beseitigung der Diktatur der Bourgeoisie als unmittelbares Kampfziel zu propagieren und bestimmt als Tagesaufgabe die Abwehrfront der Arbeiterklasse auf allen Ebenen zu errichten. Die Kommunistischen Gruppen (NRF) Heidelberg und Mannheim waren auf der ersten Hamburger Konferenz nicht anwesend. Sie schlossen sich jedoch trotz einiger wichtiger Kritikpunkte nach der Veröffentlichung der Plattform der Aktionseinheit an, weil sie die Notwendigkeit der organisierten Zusammenarbeit zwischen den lokal- und regional arbeitenden kommunistischen Organisationen für wichtiger hielten als die bestehenden Differenzen und weil sie die Aktionseinheit als ein wichtiges Instrument der organisierten Auseinandersetzung um die kommunistische Linie in den gegenwärtigen ökonomischen Kämpfen in Westdeutschland und Westberlin betrachten."

Der KB berichtet darüber 1973, es "wurde relativ breit über die Frage des Ökonomismus diskutiert". "Als Vertreter ökonomistischer Tendenzen traten auf diesem Treffen der KB/ML Westberlin und die ABG München auf ... Als Gegner dieser Tendenzen traten vor allem der KBB (jetzt im KBW) und die Gruppe KAB Hamburg (jetzt im KB)" auf.

Drei Jahre später meint der KB:"
Ausgangslage vor Aufnahme der AE-Gespräche war, daß eine enge Zusammenarbeit schon bestand zwischen KAB und SALZ Hamburg, zwischen ABG München und SBG Regensburg sowie zwischen KB Bremen und KB Göttingen. Außerdem bestanden aber Diskussionszusammenhänge noch sozusagen quer dazu, nämlich zum einen zwischen KB/ML Westberlin, ABG München und SALZ Hamburg, und zum anderen zwischen KAB Hamburg und KB Bremen ... KB/ML Westberlin und ABG München hatten für die '1. Hamburger Konferenz' Arbeitspapiere mit klar ökonomistischen Thesen vorgelegt. Andererseits hatten KAB Hamburg, KB Bremen und KB Göttingen sich vor der Konferenz durch gemeinsame Diskussionen darauf vorbereitet, den Kampf gegen die in den Thesen von KB/ML Westberlin und ABG München angelegte ökonomistische Stoßrichtung zu führen. Die Münchener und Westberliner Genossen behaupteten, daß die Hauptfront des Klassenkampfes in der BRD der ökonomische Kampf sei und daß die Arbeiter heute noch nicht einmal oder nur ansatzweise den ökonomischen Kampf führen würden. Daher müßte man 'aus dem ökonomischen Kampf die politische Entwicklung vorbereiten', der politische Kampf sei zur Zeit nicht auf der Tagesordnung. Die ABG München brachten diese Thesen am klarsten auf den Punkt: Es gebe derzeit zwei aktuelle Hauptaufgaben der Kommunisten - nämlich einerseits der Parteiaufbau und andererseits 'die Anleitung , Unterstützung und Vorantreibung des ökonomischen Kampfes'. Das waren genau die Thesen der russischen Ökonomisten vom ökonomischen Kampf als 'weitest anwendbares Mittel' ... In diesem Sinn argumentierten die Vertreter des KAB Hamburg, des KB Bremen und des KB Göttingen auf der '1. Hamburger Konferenz'.

Ihnen schlossen sich die meisten anderen vertretenen Zirkel an, vor allem das SALZ Hamburg ... Die Vertreterin der ABG München unternahm an diesem Punkt einen recht peinlichen Versuch, schnell noch die Seite zu wechseln, indem sie mit herben Worten über den Ökonomismus ... des KB/ML Westberlin herfiel ... Die Schlußresolution der '1. Hamburger Konferenz' enthielt die wesentlichsten Thesen aus einem von KB Bremen, KB Göttingen und KAB Hamburg vorbereiteten Entwurf und stellte eine klare Absage an den Versuch dar, der Aktionseinheit eine ökonomistische Stoßrichtung zu geben. So hieß es u.a. in der Resolution:
'Im Zentrum der gegenwärtigen Klassenkämpfe stehen die konzentrierten Angriffe der Bourgeoisie gegen das Lebensniveau, die politischen Rechte und Ansätze zur politischen und ideologischen Selbständigkeit der Arbeiterklasse ... In den Tarifauseinandersetzungen müssen wir umfassend über den Gesamtcharakter der politischen, ideologischen und ökonomischen Angriffe der Bourgeoisie aufklären und die Arbeiterklasse nicht nur propagandistisch, sondern auch praktisch auf ihre Kämpfe auf allen Ebenen vorbereiten und diese organisieren."

Von der KPD/ML-ZB heißt es:"
Die Zirkel, zu denen u.a. die Arbeiterbasisgruppen München, KAB Hamburg, KB Bremen und Westberlin und SALZ Hamburg gehören, fordern andere Organisationen auf, sich dieser Plattform anzuschließen und sich damit an der 'Vereinheitlichung der Zirkel' zu beteiligen."

Zur Plattform heißt es:"
1. Die Einschätzung der Lage: Ein Produkt des Idealismus und des Rechtsopportunismus: Der Zirkelblock schätzt die Lage für die Arbeiterklasse in Westdeutschland im Moment so ein: 'Im Zentrum der gegenwärtigen Klassenkämpfe stehen die konzentrierten Angriffe der Bourgeoisie gegen das Lebensniveau, die politischen Rechte und die Ansätze zur politischen und ideologischen Selbständigkeit der Arbeiterklasse ... Die Kampfbereitschaft im Lohnkampf blieb jedoch in den ideologischen Fesseln der Bourgeoisie befangen und steht gegenwärtig in Gefahr der Allseitigkeit des Angriffs der Bourgeoisie zu erliegen, wenn es den Kommunisten nicht gelingt, die Abwehrfront der Arbeiterklasse auf allen Ebenen des Kampfes zu errichten ... Seitdem die SPD Regierungspartei ist, hat die Tendenz zur Lösung der Arbeiter von der Sozialdemokratie zugenommen. Eine SPD, die nicht mehr in der Lage ist, die Arbeiterklasse fest an sich zu binden und von ökonomischen Kämpfen abzuhalten, ist aber für die Bourgeoisie als Regierungspartei uninteressant. Immer deutlicher setzen die Verbände der Kapitalisten auf die CDU/CSU.' ... Was sind die grundlegenden Fehler in dieser Einschätzung? Das sind die Einschätzung der Sozialdemokratie und der Kämpfe der Arbeiterklasse. Wir beschränken uns auf diese Fragen. Der Zirkelblock behauptet, daß die Bourgeoisie konzentrierte Angriffe auf die Arbeiterklasse durchführt, daß gleichzeitig die Bedeutung der Sozialdemokratie abnimmt. Wer führt denn die politischen Angriffe der Kapitalistenklasse? Der Zirkelblock sieht nicht, daß die Kapitalistenklasse ihre politischen Angriffe nicht als Einzelkapitalisten oder als BDI durchführt, sondern durch ihre politischen Organe, die bürgerlichen Parteien und den bürgerlichen Staat. Dabei steht die Sozialdemokratie an der Spitze. Sie ist der aktivste Vorkämpfer des westdeutschen Imperialismus bei den Westberlin-Verhandlungen, in der Aufrüstungspolitik, in der Durchsetzung des Lohndiktats. Warum aber übt die Sozialdemokratie diese Rolle aus? Weil sie in der gegenwärtigen Etappe der westdeutschen Revolution die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie ist. Nur die Sozialdemokratie ist in dieser Etappe in der Lage, den Monopolgruppen eine Massenbasis für ihre Politik zu verschaffen. Sie hat diese Aufgabe, weil sie die wachsende Kampfbereitschaft der westdeutschen Arbeiterklasse täuschen und ablenken kann. So war es die Sozialdemokratie, die durch ihren Eintritt in die Regierung 1966 die Kämpfe der westdeutschen Arbeiterklasse unter Friedensparolen täuschte und damit die imperialistische Politik nach Osten verdoppelte und die NS-Gesetze durchsetzte. Dadurch mußte ihr direkter Einfluß in der Arbeiterklasse schwächer werden. Ist dadurch aber der Einfluß der CDU in der Arbeiterklasse gestiegen? Kaum. Die Wahlen der letzten beiden Jahre zeigten in den kampfstärksten Arbeitervierteln keine Wanderung von der SPD zur CDU. Die Sozialdemokratie bleibt die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie, weil sie noch ein festes System von Stützen und Agenturen in der Arbeiterklasse hat. Dazu gehören besonders die rechten Gewerkschaftsführer, die 'linken' Sozialdemokraten und schließlich die Revisionisten. Sie sind es, die die Arbeiterklasse noch an die Sozialdemokratie und an den imperialistischen Staat ketten mit den verschiedensten Ideologien ... Da nur die Sozialdemokratie ein solches breites System von Stützen und Agenturen in der Arbeiterklasse hat, bleibt sie die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie in der Arbeiterklasse in der ganzen Etappe der Revolution, auch wenn sie aus taktischen Gründen einmal nicht in der Regierung ist. Das ist die Einschätzung der KPD/ML, die sich an der leninistischen Politik orientiert. Sie geht davon aus, daß jede Klasse ihre politischen Vertretungen hat, durch die sie handelt, und das dies in Westdeutschland die Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie ist ... Die Einschätzung des Zirkelblocks hingegen ist keine korrekte leninistische Einschätzung, sie stellt nicht die Frage der Staatsmacht und erkennt nicht die Bedeutung der Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie, darum muß sie zu rechtsopportunistischen und ökonomistischen Ergebnissen führen.

Die Einschätzung der Bewegung in der Arbeiterklasse durch den Zirkelblock ist unhistorisch und unmaterialistisch. Sie geht davon aus, daß die Arbeiterklasse im Moment in die Defensive gedrängt ist, daß ihre 'Abwehrfront' errichtet werden muß. In Wirklichkeit steht jedoch die ganze Arbeiterklasse in den kapitalistischen und revisionistischen Ländern am Beginn einer Flut der revolutionären Bewegung. Der Zirkelblock stellt selbst fest, daß die Kampfkraft der Arbeiterklasse gewachsen ist, aber er deutet die Tatsache, daß in diesem Jahr nicht so viele Arbeiter in den Streik treten, als ein Schwächezeichen der Arbeiterklasse ... Diese falsche Methode führt zu einer vollkommenen Verwirrung in der Einschätzung. Die Arbeiterklasse löst sich von der Sozialdemokratie, befindet sich jedoch in den ideologischen Fesseln der Bourgeoisie. Die ideologischen Fesseln der Bourgeoisie für die Arbeiterklasse sind doch gerade die Anschauungen der Sozialdemokraten aller Schattierungen! Also: die idealistische und rechtsopportunistische Einschätzung der Sozialdemokratie führt zur Vernachlässigung des politischen Kampfes gegen die Sozialdemokratie und der Kämpfe der Arbeiterklasse ...

2. Die Politik des Zirkelblocks ist rechtsopportunistisch und ökonomistisch. Für die Politik ist die erste Frage, gegen wen der Hauptstoß zu richten ist ... Die Bourgeoisie in Westdeutschland kann nicht ohne Isolierung der Sozialdemokratie von den breiten Massen wirklich bezwungen werden. Was macht der Zirkelblock aus dieser Regel? Er erklärt: 'Wir gehen von der Einschätzung aus, daß wir in den Tarifkämpfen die Arbeiterklasse gegen ihren Hauptfeind, gegen die Bourgeoisie führen müssen, und nicht die Hauptagitationslinie auf die Entlarvung der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer richten dürfen.' Daraus entwickelt der Zirkelblock die Parole 'Gegen die Angriffe der Kapitalisten die einheitliche Kampffront der Arbeiterklasse'. Das entspricht schon voll und ganz der revisionistischen Parole vom 'Lohndiktat der Unternehmer', mit der diese in der Chemie-Tarifrunde (CTR,d.Vf.) die Verrätereien der SPD-Regierung deckten. Der zentrale Angriff auf die ganze Arbeiterklasse und besonders auf die Metaller ist das Lohndiktat der SPD-Regierung ... Das Lohndiktat ist ein politischer Angriff, mit dem die Sozialdemokratie sich für ihre imperialistische Politik die 'Ruhe an der Heimatfront' sichern will.

Statt diesen umfassenden politischen Angriff auf die Arbeiterklasse politisch zu beantworten, nimmt der Zirkelblock diese Angriffe nur als die Verstärkung der Angriffe der Einzelkapitalisten. Sie stellt nicht die Frage nach der Staatsmacht und der politischen Vertretung der Kapitalistenklasse, sondern sie will aufgreifen 'die Frage der Unversöhnlichkeit der Interessen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie' und die 'Notwendigkeit des Sturzes der Bourgeoisie durch die Arbeiterklasse'. Hier fehlt - wie auch in der Einschätzung der Lage - die Rolle der Staatsmacht ... Wir behaupten nicht, daß die Zirkelgruppe die Diktatur des Proletariats nicht vielleicht in anderen Schritten anerkennen mag - doch ist dies eine Anerkennung nur in Worten, denn hier, wo es auf eine korrekte Orientierung ankommt, wird die Frage der Staatsmacht nicht gestellt. Das muß dazu führen, daß dann der wirtschaftliche Kampf an die Stelle des politischen Kampfes tritt ... Die KPD/ML hat daher die Tarifrunde von Anfang an politisch angepackt. Sie hat das Lohndiktat der SPD-Regierung in den Mittelpunkt der Agitprop gestellt, weil in dieser Maßnahme im Moment am deutlichsten das gesamte System sozialfaschistischer Maßnahmen zum Ausdruck kommt. Denn das Lohndiktat bedeutet eine Stärkung der imperialistischen Politik, indem die 'Ruhe an der Heimatfront' geschaffen werden soll. Es bedeutet einen weiteren Schritt zur Verstaatlichung der Gewerkschaften, die offen unter das Kommando der SPD-Regierung gestellt werden. Das Lohndiktat soll schließlich die durch die Krise bedrohten Profite der Kapitalisten sichern. Das ist die umfassende politische Bedeutung des Lohndiktats und dagegen muß auch eine umfassende politische Agitation und Propaganda in der Metalltarifrunde geführt werden. Der Zirkelblock dagegen vernachlässigt die politische Agitation und Propaganda, besonders die Bedeutung der kapitalistischen Staatsmacht, er führt den falschen Hauptstoß und schwächt dadurch den notwendigen Kampf gegen die Sozialdemokratie ab. Darum ist auch die Politik des Zirkelblocks rechtsopportunistisch und ökonomistisch. ... 'Die Haupttendenz in der Welt ist Revolution' - das ist die Einschätzung der chinesischen Genossen und die Tatsachen bestätigen diese Einschätzung: die nationalen Befreiungsbewegungen erringen immer neue Siege, das sozialistische China und das gesamte sozialistische Lager blüht und festigt sich, die Kämpfe der Arbeiterklasse in den kapitalistischen und revisionistischen Ländern wachsen an. Die beginnende revolutionäre Flut zeigt sich auch in Westdeutschland; die Kämpfe der Arbeiterklasse wachsen an, sie lösen sich von den Fesseln der Sozialdemokratie und des gewerkschaftlichen Legalismus."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.69 und 71,Bochum 11.9.1971 bzw. 18.9.1971,S.7ff bzw. S.5 und 11f;
Einheit Kritik Einheit Nr.2/3,Hamburg 7.8.1971,S.48ff;
Arbeiterkampf Nr.32 und 88,Hamburg Sept. 1973 bzw. 6.9.1976,S.24 bzw. S.42;
Arbeiterstimme Nr.12,Bremerhaven Aug. 1971,S.1ff;
Arbeiter-Zeitung Nr.1,Mannheim/Heidelberg Jan. 1972,S.3;
Neues Rotes Forum Nr.4,Heidelberg Okt. 1971,S.*;
BKA/KJB Freiburg:Antwort auf den 'Offenen Brief' der KPD/ML (Rote Fahne) an den Bund Kommunistischer Arbeiter und den Kommunistischen Jugendbund,Freiburg März 1972,S.4


August 1971:  Die SBG Regensburg gibt die Nr.11 ihrer 'Arbeitersache' (vgl. Juli 1971, Sept. 1971) heraus. Von der Aktionseinheit zur Metalltarifrunde (MTR) wird neben den 11 Gründungsgruppen auch der KB/ML Eutin genannt.

In einem unserer versandten Nr.11 beiliegendem Extrablatt der 'Arbeitersache' unter dem Titel 'Aktuelle Nachrichten zur Metalltarifrunde' wird auch noch die Teilnahme des SALZ Cuxhaven, der KAG Oldenburg, des KB Wilhelmshaven und des KB/ML Lübeck vermerkt und ein Bericht des SALZ Hamburg über Blohm und Voss verbreitet.
=Arbeitersache Nr.11 und Extrablatt,Regensburg Aug. 1971

August 1971:  In Bremerhaven gibt das SALZ seine 'Arbeiterstimme' Nr.12 (vgl. Juli 1971, Sept. 1971) heraus.
Zur MTR-AE wird u.a. dargelegt:"
Auf einer Beratung kommunistischer Zirkel aus verschiedenen Städten Westdeutschlands und aus Westberlin über ein gemeinsames Vorgehen in der Metalltarifrunde ist die folgende Minimalplattform für die Einschätzung der Klassenkämpfe der nächsten Zeit erstellt worden. ... Wir fordern alle Organisationen, die dieser Plattform zustimmen können, auf, uns ihre Zustimmung mitzuteilen und ihre Bereitschaft zu erklären, sich an den von uns geplanten weiterführenden Diskussionen zur Vereinheitlichung der Zirkel zu beteiligen."
=Arbeiterstimme Nr.12,Bremerhaven Aug. 1971

02.08.1971:  Das SALZ Hamburg gibt die Nr.9 seiner 'Kommunistischen Arbeiter Zeitung' (vgl. 5.7.1971, 11.8.1971) heraus. Zur Metalltarifrunde 1971 (MTR der IGM) habe sich eine Aktionseinheit gebildet, der folgende Gruppen angehören: ABG München, KAB Hamburg, die KB's Bremen und Göttingen, die KB/ML's Flensburg und Westberlin, die SALZ's Bremerhaven und Hamburg, die SDA Berlin und die Sozialistischen Betriebsgruppen (SBG) Regensburg und Tempelhof (Berlin).
=Kommunistische Arbeiter Zeitung Nr.9,Hamburg 2.8.1971

07.08.1971:  In Hamburg gibt das SALZ die Nr.2/3 seiner 'Einheit Kritik Einheit' (vgl. Juli 1970) als theoretisches Organ heraus.
Über die Aktionsheit zur Metalltarifrunde 1971 (MTR der IGM) wird berichtet, daß dieser die Gruppen ABG München, KAB Hamburg, die KB's Bremen und Göttingen, die KB/ML's Flensburg und Westberlin, die SALZ's Hamburg und Bremerhaven, die SDA und die Sozialistischen Betriebsgruppen (SBG) Regensburg und (Berlin-)Tempelhof angehören.
=Einheit Kritik Einheit Nr.2/3,Hamburg 7.8.1971

September 1971:  Die Münchner 'Kommunistischen Arbeiter Zeitung' Nr.15 (vgl. Juli 1971, Okt. 1971) erscheint.
In einer Beilage wird die Aktionseinheit zur Metalltarifrunde (MTR) 1971 vorgestellt. Neben den 11 Gründungsorganisationen wird auch noch die Teilnahme folgender anderer Gruppen vermeldet:
- KB/ML Eutin,
- SALZ Cuxhaven,
- SALZ Stade,
- KB Wilhelmshaven,
- Kommunistische Aufbaugruppe Oldenburg,
- KB/ML Lübeck und
- Sozialistisches Initiativkomitee Altötting.
=Kommunistische Arbeiter Zeitung Nr.15,München Sept. 1971

September 1971:  Vermutlich diesen Monat gibt der KB Bremen die Nr.8 seiner 'Kommunistischen Arbeiter Korrespondenz' (vgl. 9.5.1971, Nov. 1971) heraus, die u.a. von der Aktionseinheit zur Metalltarifrunde (MTR der IGM) berichtet, an der folgende Gruppen teilnehmen: ABG München, KAB Hamburg, Kommunistische Aufbaugruppe (KAG) Oldenburg, KBs Bremen und Göttingen, KB/ML's Eutin, Flensburg, Lübeck und Berlin, SALZs Bremerhaven, Cuxhaven, Hamburg und Stade, die Sozialistischen Betriebsgruppen (SBG) Regensburg und Berlin-Tempelhof, sowie die Berliner Sozialistische Deutsche Arbeiterpartei (SDA).
=Kommunistische Arbeiter Korrespondenz Nr.8,Bremen o.J. (1971)

September 1971:  Der Kommunistische Arbeiterjugendbund (KAJB) Göttingen gibt seinen 'Proletarischen Kurs' (PK - vgl. 5.7.1971, Nov. 1971) Nr.8 heraus. Von Unterzeichnenden der MTR-Aktionseinheit sind dem KAJB Göttingen momentan folgende bekannt:
KAB Hamburg, KAG Oldenburg, KB's Bremen, Göttingen und Wilhelmshaven, KB/ML's Eutin, Flensburg, Lübeck und Westberlin, SALZ's Cuxhaven, Hamburg und Stade, Sozialistische Betriebsgruppen (SBG) Regensburg und Berlin-Tempelhof, SDA, KG (NRF) Heidelberg/Mannheim, Kommunistischer Arbeiterjugendbund (KAJB) Göttingen.
=Proletarischer Kurs Nr.8,Göttingen Sept. 1971

09.09.1971:  Ein Extra der 'Kommunistischen Arbeiterzeitung' des KB Göttingen (vgl. **.**.1971, **.**.1971) zur Metall-Tarifrunde (MTR der IGM) erscheint. U.a. ist auch das Aktionseinheitsprogramm der Marxistisch-Leninistischen Zirkel der Metalltarifrunde 1971 abgedruckt.

An Unterzeichnenden sind dem KBG momentan folgende bekannt: ABG München, KAB Hamburg, KAG Oldenburg, KB's Bremen, Göttingen und Wilhelmshaven, KB/ML's Eutin, Flensburg, Lübeck und Westberlin, SALZ's Bremerhaven, Cuxhaven, Hamburg und Stade, Sozialistische Betriebsgruppen (SBG) Regensburg und Berlin-Tempelhof, SDA, KG (NRF) Heidelberg/Mannheim, Kommunistischer Arbeiterjugendbund (KAJB) Göttingen.
=Kommunistische Arbeiterzeitung Extra,Göttingen 9.9.1971

11.09.1971:  Ende August/Anfang September 1971 kam es, laut KB, zwischen einigen Zirkeln der Aktionseinheit zur Metalltarifrunde (MTR-AE) 1971 (vgl. 25.7.1971, 25.9.1971) zu Differenzen. Dazu schreibt der KB 1976 u.a.:"
Ende August/Anfang September starteten KB Bremen und KB Göttingen aus heiterem Himmel einen Überraschungsangriff auf das SALZ Hamburg. Sie nahmen eine relativ geringfügige taktische Meinungsverschiedenheit zum Vorwand, um zu behaupten, die Politik des SALZ Hamburg 'können wir zusammenfassend nur als konterrevolutionär kennzeichnen. Die SALZ-Führung ist eine Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterklasse'. Zugleich forderten KB Bremen und KB Göttingen auf, am 11./12. September in Göttingen eine AE-Konferenz durchzuführen, um 'die bürgerliche Linie des SALZ zu verurteilen, Bilanz zu ziehen und die Aktionseinheit zu bekräftigen' ... Alle anderen Teilnehmer der '1. Hamburger Konferenz' distanzierten sich von diesem Spaltungsmanöver. Am 11./12. September blieben KB Bremen und KB Göttingen unter sich - nicht ganz allerdings, da Vertreter der KG/NRF Heidelberg, die bis dahin an der Aktionseinheit nicht teilgenommen hatten, in Göttingen als Beobachter aufgekreuzt waren ... Die scheinbar stabile politische Szene zwischen den Zirkeln, wie sie auf der '1. Hamburger Konferenz' bestanden hatte, war durch den Überraschungsangriff von KBB/KBG wieder in Bewegung geraten - Beziehungen festigten sich (insbesondere zwischen SALZ und KAB Hamburg), bahnten sich an (zwischen KBB/KBG und der KG/NRF Heidelberg) oder waren geschwächt worden (zwischen ABG München und SALZ Hamburg)."

Die Kommunistischen Gruppen (NRF) Mannheim und Heidelberg berichten:"
Nach Veröffentlichung der Forderungen der regionalen Tarifkommissionen der IG Metall, kam es zu sehr scharfen Auseinandersetzungen in der Aktionseinheit. Anlaß für diese Auseinandersetzungen waren die unterschiedlichen Reaktionen der in der Aktionseinheit zusammengeschlossenen Organisationen auf die Festsetzung der gewerkschaftlichen Forderungen durch die regionalen Tarifkommissionen. Zugrunde lagen diesen Auseinandersetzungen unterschiedliche Auffassungen über den Kampf um die Gewerkschaften und die Unbestimmtheit der Plattform in taktischen Fragen. In der Plattform wird eine 120,-DM-Forderung als vereinheitlichende Forderung bestimmt ... Das ist eine sehr allgemeine Formulierung, die zwei ganz verschiedene Situationen und Phasen des Tarifkampfes einfach durch ein 'oder' miteinander gleichsetzt, obwohl es doch ein großer Unterschied ist, ob ein Vertrauensleutekörper oder eine Belegschaft eine richtige Forderung aufstellt oder die Gewerkschaftsführung eine kapitulantenhafte Forderung durchsetzt. Wenn also zwischen den in den Betrieben aufgestellten Forderungen und den Forderungen der weitgehend aus unkontrollierten bürgerlichen Arbeitervertretern zusammengesetzten Tarifkommissionen große Unterschiede bestehen, dann könnten unterschiedliche Meinungen darüber aufkommen, wann die Forderungen der IGM-Führung durchgesetzt ist. Das hängt u.a. auch davon ab, wie man die Tarifkommissionen generell einschätzt und diese Einschätzung kann sich wieder aus regionalen Unterschieden in der Zusammensetzung der Tarifkommissionen und den Kräfteverhältnissen zwischen bürgerlichen Arbeitervertretern und proletarischen Arbeiterführern ergeben ... Die Formulierung in der Plattform ist in keiner Weise geeignet, die tatsächlichen taktischen Probleme während der ersten Phase der Tarifrunde, der innergewerkschaftlichen Auseinandersetzung, um die Forderung zu lösen. Durch den unpräzisen Gebrauch des Begriffs 'IGM-Führung' werden zudem alle möglichen Differenzen verschleiert, die etwa der Einschätzung der Tarifkommission zugrundeliegen und durchaus grundsätzlicher Art sein können. So ist es auch kein Wunder, daß sich in der Aktionseinheit sofort große Widersprüche zeigten, als sie das erste Mal zu einer einheitlichen Reaktion gezwungen gewesen wäre: bei der Veröffentlichung der Beschlüsse der Tarifkommission. Hätte sich die Plattform nicht mit einem allgemeinen Satz begnügt und hätte sie sich statt mit einer allgemeinen Phrase von der 'IGM-Führung' auf eine konkrete Analyse des Zustandekommens von gewerkschaftlichen Forderungen eingelassen, hätten sie die Tarifkommissionen konkrete analysiert statt gar nicht zu erwähnen, und hätte sie die Bedeutung von Beschlüssen der Tarifkommission eingeschätzt, dann hätte die Plattform entweder klare taktische Richtlinien enthalten oder ihr Zustandekommen wäre von vornherein an offenen Differenzen in dieser wichtigen Frage gescheitert."

Differenzen in der Aktionseinheit treten laut den KGs (NRF) weiter auf, als das SALZ-Hamburg auf den Beschluß der Tarifkommission-Hamburg, die eine 10%-Forderung aufstellte, u.a. in einem Rundbrief der Aktionseinheit schrieb:"
Die 10%-Forderung ist ein schwerer Betrug der Gewerkschaftsführung an der Arbeiterklasse. Wir werden ihr abgekartetes Spiel entsprechend in der Agitation aufzeigen. Für uns in Hamburg kommt es jetzt vor allem darauf an, die Kollegen zusammenzurufen und sie zur Ablehnung der 10%-Forderung zu veranlassen ... Unsere Hauptagitationslinie richtet sich nicht gegen die 10%-Forderung, sondern wir wollen bei den Kollegen ehrliche Empörung wecken. Die 10%-Forderung tritt in den Hintergrund im Vergleich zur Entlarvung der Gewerkschaftsführung, der Politik der SPD-Regierung und deren Betrug an der Arbeiterklasse."

Daraufhin reagieren KB Bremen (KBB) und KB Göttingen (KBG) laut NRF mit provokatorischen Angriffen auf das SALZ-Hamburg und die Aktionseinheit, "indem sie SALZ-Hamburg als Agentur Bourgeoisie denunzierten und eine Konferenz ohne SALZ-Hamburg einberiefen".

Das NRF formuliert dazu als Kritik:"
Wir meinen, daß sich hinter diesen taktischen Differenzen prinzipielle Differenzen verbergen, die allerdings noch herausgearbeitet werden müssen. Im Kern geht es um die richtige Konkretisierung der Parole: 'Machen wir die Gewerkschaften wieder zu einer Kampforganisation der Arbeiterklasse'. Dabei scheint bei einigen kommunistischen Organisationen immer noch der Eindruck zu bestehen, der Kampf um die Gewerkschaften könne sich darauf beschränken, den Gewerkschaften gegenüber die proletarische Linie zu vertreten, statt in den Gewerkschaften den Kampf um die Durchsetzung der proletarischen Linie aufzunehmen ... Die Auseinandersetzung um die Frage wie man sich gegenüber den Forderungen der Tarifkommissionen zu verhalten hat, zeigt deutlich, daß die Aktionseinheit zur Metalltarifrunde nicht in der Lage ist, einheitlich zu agieren, und daß die bestehenden Differenzen die sehr allgemeinen Formulierungen der Plattform immer wieder brechen werden. Der Diskussionsprozeß zwischen den verschiedenen Organisationen, der durch die Aktionseinheit jedoch in Gang gekommen ist, wird wesentlich zur Ausarbeitung und Konkretisierung der kommunistischen Linie in der Gewerkschaftsfrage beitragen."
=Neues Rotes Forum Nr.4,Heidelberg Okt. 1971,S.*;
Arbeiterkampf Nr.88,Hamburg 6.9.1976,S.42


13.09.1971:  Es erscheint die Nr.18 der 'Roten Fahne' der KPD/ML-ZB (vgl. 30.8.1971, 27.9.1971) mit dem Leitartikel "IGM-Führer auf dem Weg zum Lohndiktat der SPD-Regierung. DKP-Führer decken Verrat - Die Forderung bleibt 15 Prozent."´

Im Artikel "Am Kampf gegen die Sozialdemokratie fällt die Entscheidung. Ein Block von 17 Zirkeln und die KPD/AO auf dem Wege zum Revisionismus" heißt es zur MTR:"
Am 30. August nahm der IGM-Vorstand die verräterischen 9 bis 11 Prozent-Forderung einstimmig an ... Das heißt: Die IGM-Führer wollen das Lohndiktat der SPD-Regierung durchsetzen ... Somit bestätigt sich, was das Extrablatt der ROTEN FAHNE Mitte August vorhersagte: 'SPD-Regierung und sozialdemokratische Gewerkschaftsführer wollen auch gegen die Metaller ihr Lohndiktat durchsetzen'. Das Lohndiktat wurde von der SPD-Regierung erlassen, damit die wachsenden Kämpfe der westdeutschen und Westberliner Arbeiterklasse erstickt und so die 'Ruhe an der Heimatfront' für die ungestörte Weltmachtpolitik der SPD-Führer hergestellt wird. Damit zeigen sie, daß sie wirklich gegenwärtig der Hauptfeind der Arbeiterklasse sind. Darum heißt die Parole der KPD/ML in der Metalltarifrunde: Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung die geschlossene Kampffront der Arbeiterklasse' ... Diese klare, den Interessen der Arbeiterklasse entsprechende Politik wird nicht nur von den SPD-Führern, sondern auch von einigen, sich kommunistisch nennenden Gruppen angegriffen. Zu ihnen gehört ein Block von 17 marxistisch-leninistischen Zirkeln, die sich in der Metalltarifrunde zu einem Aktionsbündnis (MTR-AE - vgl. 25.7.1971,d.Vf.) zusammengeschlossen haben. In einer gemeinsamen Plattform erklären sie: 'Wir gehen von der Einschätzung aus, daß wir in den Tarifkämpfen die Arbeiterklasse gegen ihren Hauptfeind, die Bourgeoisie (Kapitalistenklasse) führen müssen und nicht die Hauptagitationslinie auf die Entlarvung der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer richten dürfen.' Folgerichtig heißt eine ihrer Hauptparolen: 'Gegen die Angriffe der Kapitalistenklasse die einheitliche Kampffront der Arbeiterklasse.' ... Diese Ansicht des Blocks vereinfacht die wirklichen Verhältnisse gefährlich, besonders im Zeitalter des Imperialismus ... Mit der Jahrhundertwende ist das Zeitalter des Imperialismus angebrochen. Die wirtschaftliche und politische Macht vereinigt sich in den Händen einiger tausend Kapitalisten. Immer breiter wird der Kampf der Arbeiterklasse und aller werktätigen Schichten. Deshalb braucht die dünne Schicht der Monopole und Konzernherren eine Stütze, einen zuverlässigen Verbündeten, der die Kämpfe spaltet und abwürgt und so die Herrschaft der Konzernherren sichert. Die mit vielen Posten in Staat, Verwaltung und Wirtschaft bestochenen Führer der Sozialdemokratie und des modernen Revisionismus ... waren und sind die besten Verbündeten der Konzernherren. Ob an der Regierung oder nicht, sie verfügen über den größten Einfluß in der Arbeiterklasse. Sie verteidigen die kapitalistische Herrschaft und lenken den Kampf mit der Behauptung in die Sackgasse, der Kapitalismus könne durch Reformen geändert werden ... Lenin erklärte: 'Der Opportunismus ist der Hauptfeind.' Genauso ist es in Westdeutschland. Die Wiederaufrüstung, die Notstandsgesetze (NSG - vgl. **.5.1968,d.Vf.) konnten und können nur durch die Betrugspolitik der SPD-Führer durchgesetzt werden ... Die KPD/ML hat Lenins Lehre angewandt und rechtzeitig die Verrätereien enthüllt - der sich kommunistisch nennende Zirkelblock dagegen deckt die Verrätereien" z.B. in Bremen (vgl. 23.8.1971), wo der KBB die 11% gegen die 10% unterstützte:"
Das ist also der Kampf der Zirkel gegen das Lohndiktat - ein kleines Täuschungsmanöver der IGM-Führer und die Zirkel gehen ihnen auf den Leim. Sie unterstützen die IGM-Führer gegen die Arbeiterklasse. Das ist kein Zufall: Die Wendungen sind unumgänglich, solange der Zirkelblock nicht klar erkennt, daß die Sozialdemokratie gegenwärtig die soziale Hauptstütze der Kapitalistenherrschaft ist. ... Der Weg der Zirkelgruppen, besonders der KPD/AO führt zum Revisionismus. Sie werden diesen Weg weiter gehen, solange sie
- einen gewerkschaftlichen und nicht einen vorwiegend politischen Kampf führen;
- nicht den Hauptstoß gegen die Verrätereien der SPD-Führer richten,
- nur einen Scheinkampf gegen die IGM-Führer betreiben, weil sie nicht als die sozialdemokratischen Handlanger für Schillers Lohndiktat enthüllen.

Die KPD/ML wird weiter ihre klaren Forderungen propagieren: Kampf dem Lohndiktat der SPD-Regierung als politische Hauptforderung; 15 Prozent auf den Ecklohn linear für alle als die wichtigste Lohnforderung; 'Vertrauen auf die eigene Kraft' als die wichtigste taktische Forderung."

Mit der Verwendung des Lenin-Zitates über den Hauptfeind befassen sich u.a. KG (NRF) Mannheim/Heidelberg (vgl. Dez. 1971) und der KAB Hamburg (vgl. Okt. 1971).
=Rote Fahne Nr.18,Bochum 13.9.1971;
Neues Rotes Forum Nr.6,Heidelberg Dez. 1971;
KAB-Arbeiterzeitung Nr. 11/12,Hamburg 1971


25.09.1971:  Heute beginnt in Hamburg die zweitägige 2. Konferenz der Gruppen und Organisationen aus Westdeutschland und Westberlin zur Metalltarifrunde (MTR - vgl. 25.7.1971, 11.9.1971).

TO: "Angriffe des Kommunistischen Bundes Bremen und des Kommunistischen Bundes Göttingen, Charakter der Aktionseinheit, Erfahrungsaustausch in der Agitation und Propaganda zur Metalltarifrunde, Möglichkeiten gemeinsamer Arbeit".

Noch vor der Konferenz verschicken KB Bremen (KBB) und KBG (KB Göttingen) an die Teilnehmer der Konferenz ein Papier, in dem sie ihr Verhalten auf der Göttinger Konferenz (vgl. 11.9.1971), laut KB, selbst so darstellen:"
Die schwerwiegende politische Folge für das Aktionsbündnis ist die Vergiftung der Diskussion, die durch unser Vorgehen verursacht wurde. Unsere kleinbürgerliche Linie kam zum Ausdruck durch eine offene Provokation gegen das SALZ. Insofern diese Provokation innerhalb eines Aktionsbündnisses kommunistischer Zirkel erfolgte, war sie ein liquidatorischer Akt auch gegenüber den Prinzipien der Aktionseinheit."

Es beteiligen sich an der Konferenz:
- Arbeiterbasisgruppen (ABG) München,
- KAB Hamburg,
- KB Bremen,
- KB Göttingen,
- KB/ML Flensburg,
- KB/ML Westberlin,
- SALZ Bremerhaven,
- SALZ Hamburg,
- Sozialistische Betriebsgruppe (SBG) Regensburg,
- Sozialistische Betriebsgruppe (SBG) Tempelhof Berlin,
- Sozialistische Deutsche Arbeiterpartei (SDA) Berlin.
Als Beobachter nehmen teil:
- KAG Oldenburg,
- KB Wilhelmshaven,
- KB/ML Eutin,
- KB/ML Lübeck,
- KG/NRF Heidelberg,
- SALZ Cuxhaven,
- SALZ Stade,
- BKA Freiburg,
- Sozialistische Betriebsprojektgruppe/ML (SBPG/ML) Aachen,
- Betriebsprojektgruppe (BPG) Göttingen.

Es kommt, laut SALZ Hamburg, nicht zu einheitlichen Standpunkten. Kritisiert wird, daß "die Aktionseinheit zur Metalltarifkampagne auf der Ebene des Pragmatismus stehengeblieben ist". Im weiteren Verlauf der Diskussion kommt es zu Differenzen unter den Teilnehmern der Hamburgr Konferenz. Der KB Bremen und der KB Göttingen erklären, "die Politik, die die Führung des SALZ Hamburg seit Beginn des Tarifkampfes durchzusetzen sucht, steht im offenen Widerspruch zu dieser Linie der Plattform der Aktionseinheit".

Der KB berichtet davon 1976:"
Die anderen Zirkel müßten jetzt entweder die Selbstkritik als ehrlich gemeint anerkennen, oder die Konsequenz müßte der Ausschluß von KBB/KBG von der Aktionseinheit sein. Diese Meinung wurde insbesondere von der KG/NRF Heidelberg unterstützt ... KAB und SALZ Hamburg begingen in dieser Situation den Fehler, den Hauptstoß gegen die Zwischenkräfte zu richten (d.h. in erster Linie das Lavieren und Taktieren der ABG München zu kritisieren), statt vor allem die Vertreter von KB Bremen und KB Göttingen anzugreifen und bis auf weiteres den Ausschluß von der Aktionseinheit zu fordern (wofür insgesamt eine Mehrheits-Basis vorhanden gewesen wäre)."

Gegen die Erklärung von KBB/KBG wendet sich der KAB Hamburg und fordert, daß auf einem weiteren Treffen diese Positionen geklärt werden. Der Versuch des KBB und des KBG, eine Konferenz in Göttingen (vgl. 11.9.1971) einzuberufen, wird kritisiert. Konkreter Streitpunkt ist das Verhalten der Kommunisten zur 10%-Forderung der IGM-Spitze. Die KPD/ML's ZB und ZK hätten eine Teilnahme abgelehnt und die Konferenz als sektiererisch bezeichnet.

Der KAB Hamburg erklärt ca. im Nov. 1971 zur MTR-AE:"
Die Aktionseinheit muß als erster Versuch einer Zusammenarbeit von Organisationen angesehen werden, um die Kommunistische Linie in der Metall-Tarifrunde zu erarbeiten und durchzusetzen. Das kann nur in der politischen Auseinandersetzung und im politischen Kampf geschehen. Dabei gilt es, jedem Opportunismus und jeder Vereinheitlichungseuphorie entgegenzutreten."
=Arbeiterkampf Nr.88,Hamburg 6.9.1976,S.42;
KAB-Arbeiterzeitung Nr.11/12,Hamburg 1971,S.5ff


Oktober 1971:  Die RKJ der GIM gibt ihre 'Was Tun' (WT) Nr.9 (vgl. Sept. 1971, 11.10.1971) heraus. Zur MTR-Aktionseinheit 1971 heißt es:"
Zu dem 'Arbeitspapier von 11 kommunistischen Organisationen und Gruppen zum einheitlichen Vorgehen in der Metall-Tarifbewegung':

ZWISCHEN VERBALRADIKALISMUS UND RATLOSIGKEIT

AKTIONSEINHEIT 'KOMMUNISTISCHER ZIRKEL'

Elf, später 17, inzwischen noch einige mehr örtliche Gruppen, die sich selbst als kommunistische Zirkel bezeichnen, haben aus Anlaß der IG-Metall-Tarifbewegung erstmalig eine gemeinsame Plattform vorgelegt. Diese Aktionseinheit dürfte zugleich der Ausgangspunkt sein für einen neuen Versuch der Vereinheitlichung und der Zusammenfassung der Kräfte innerhalb des Lagers der ML-Gruppen. Die beteiligten Organisationen, unter ihnen immerhin lokal so bedeutende wie SALZ-Hamburg und KB/ML-Westberlin, lassen keine einheitliche Beurteilung zu. Ungefähr läßt sich über sie sagen:
- Sie sind Erben des SDS und Kinder der Studentenbewegung und zählen zur daraus hervorgegangenen Hauptströmung, der ML-Tendenz;
- Sie waren bisher die Gruppen mit der ausgeprägtesten lokalen Beschränktheit;
- Sie unterscheiden sich von den diversen 'ML-Parteien' einerseits durch eine weniger mechanische Auffassung von der Schaffung der revolutionären Partei als diese KPD-Karikaturen, andererseits haben sie bisher durch eine ebenfalls mechanische Etappentheorie zur Schaffung der Partei (Phase des Zirkelwesens) die Notwendigkeit einer zentralisierten Organisation auf nationaler Ebene unterschätzt;
- Sie haben gegenüber den gemeinsamen ML-Autoritäten Mao, Stalin und der alten KPD zumindest ein Minimum an kritischer Distanz und leisten sich im Gegensatz zu den ML-Parteien gelegentlich sanfte Kritik an allzu großen 'Ungereimtheiten' in deren Politik, ohne diese jedoch analytisch zu erfassen und zu erklären.

FEHLENDE KLARHEIT

Da das 'Arbeitspapier zur Metall-Tarif-Kampagne' selbst etwas dürftig ausgefallen ist, empfiehlt es sich, den Kommentar des KAB-Hamburg (Arbeiterzeitung Nr.9, Hamburg) zu Rate zu ziehen, der einige Aufschlüsse über das Zustandekommen des Papiers vermittelt. Die Plattform stellt also eine Minimaleinigung dar, die weitergehende Klärung strittiger Fragen konnte nicht erreicht werden, eine weiterführende Diskussion zur Vereinheitlichung ist geplant.

Das erklärt den augenfälligsten Mangel des Papiers: das Fehlen eines konsistenten Begründungszusammenhanges, in den sich die ausgebreiteten einzelnen Forderungen einordnen ließen, also im Grunde das Fehlen einer klaren Strategie für die Tarifbewegung. Es ist zu fragen, wie mit dieser Plattform Klarheit bei den Arbeitern geschaffen werden kann, wenn ihre Urheber selbst keine Klarheit zu gewinnen vermochten.

DER FORDERUNGSKATALOG

Die Zusammenhanglosigkeit des Forderungskatalogs bedroht natürlich die Nützlichkeit der einzelnen Forderungen innerhalb einer Kampagne. Davon abgesehen, sind die Einzelforderungen im wesentlichen richtig. Eine ganze Menge davon finden wir bereits in dem zentralen Flugblatt von GIM und RKJ zum 1. Mai 1970 (Was Tun Nr.12/70) (vgl. Sept. 1970,d.Vf.), das Ausgangspunkt für unsere Kampagne im vorigen Jahr war. (Zur IGM-Tarifbewegung 1971 s. Was Tun Nr.8/71) (vgl. 4.9.1971,d.Vf.). In diesem Jahr finden sich Elemente dieser Forderungen nicht nur bei fast allen linken Gruppen, sondern bis weit in die Reihen der Gewerkschaften hinein (vgl. u.a. Anträge zu den Gewerkschaftstagen der IG Metall und der IG Druck und Papier). Wir wollen die Forderungen des 'Arbeitspapiers' deshalb hier nur kurz streifen:

1. 'Einheitliche Forderung - mindestens 120 DM für alle.'

Gemeint ist also eine lineare Forderung. Warum dafür der mißverständliche Begriff 'einheitlich' gebraucht wird, wird verständlich, wenn man feststellt, daß die linerae Forderung gar nicht in ihrer Bedeutung an sich gefaßt wird, sondern lediglich an ihrer quantitativen Höhe (120 DM) festgemacht wird. Das heißt, anstatt die Notwendigkeit einer alternativen ForderungsSTRUKTUR an diesem Beispiel verständlich zu machen, wird letzlich nur eine bestimmte Höhe der Forderung in die Debatte geworfen. Aber während sich die KPD/ML (Bochum) (KPD/ML-ZB,d.Vf.) in grotesker Weise immer noch an ihre 15%-Forderung klammert, sagt die Plattform: 'Sollte die IGM-Führung Forderungen in der Arbeiterklasse durchsetzen, werden wir diese aufnehmen und unterstützen.' Das heißt beim gegenwärtigen Stand der Dinge: die von den Autoren ohnehin unverstandene linerae Forderung wird fallengelassen.

2. 'Absicherung der Effektivlöhne durch Vorweganhebung.'

Hier ist lediglich zu kritisieren, daß nicht in Rechnung gestellt wird, daß diese Forderung in den Händen der Bürokratie auch die Funktion der 'Vorwegbesänftigung' haben kann, besonders diesmal, wo alle Nebenforderungen unter dem Aspekt ihrer Anrechenbarkeit auf das materielle Ergebnis stehen. Die richtige Forderung, die Schere zwischen Tarif- und Effektivlohn in den Griff zu kriegen, müßte diesmal lauten: Öffnungsklauseln in die Tarifverträge für zusätzliche Werkstarifverträge, in denen übertarifliche Lohnbestandteile abzusichern sind.

3. 'Weg mit den Leichtlohngruppen - Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - Gleicher Lohn für Männer und Frauen.'

Diese Forderungen werden nicht näher begründet und bedürfen dem ja wohl auch nicht. Zu fragen wäre nur, ob die Autoren gedenken, wie die KPD/ML (KPD/ML-ZB,d.Vf.) mit 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit' auch die Frage der Lehrlingsentlohnung zu lösen. Aber mit dieser Auffassung haben wir bereitsan anderer Stelle polemisiert (Was Tun 15/1970) (vgl. Nov. 1970,d.Vf.).

4. 'Gegen die Angriffe der Kapitalistenklasse die einheitliche Kampffront der Arbeiterklasse.'

Auf den Mechanismus, der zu derart abstrakten Parolen führt, wird weiter unten noch eingegangen.

5. 'Raus aus der konzertierten Aktion.'

Diese für den gegenwärtigen Kampf zentrale Forderung wird in keinen weiteren Rahmen gestellt als - die Sozialpartnerschaftsideologie. Ideologien haben aber ihre Geschichte und ihre materielle Basis: Der Zwang für den Kapitalismus zu immer genauerer Lohnkostenplanung; sein Werkzeug hierfür die staatliche Einkommenspolitik; die Unfähigkeit der nachreformistischen Gewerkschaftsführung, sich dem staatlichen Zugriff zu entziehen, da ihr der Monopolkapitalismus weder ein Ausnützen kapitalistischer Konkurrenz noch das Erringen wirklicher Reformen als Ausweg übrig läßt: die politische Wendung dieser Analyse ist die Forderung nach Unabhängigkeit der Gewerkschaften vom kapitalistischen Staat als Kampfstrategie innerhalb der Gewerkschaft und der gesamten Arbeiterklasse. Erst in diesem Kontext wird die Sofortforderung 'Raus aus der konzertierten Aktion' zum strategischen Element, wobei sie zu ergänzen ist um eine ganze Reihe weiterer entsprechender Forderungen, die sich um die Frage der Schlichtung, der Friedenspflicht, der Lohnleitlinien usw. gruppieren.

6. 'Kampf dem arbeiterfeindlichen Betriebsverfassungsgesetz.'

wobei auch wir der Meinung sind, daß in der gegenwärtigen Klassenkampfsituation in der Bundesrepublik dieser Kampf mit (z.B.) der Tarifbewegung zu verknüpfen und nicht als isolierte Kampagne vom Zaun zu brechen ist.

7. schlägt das Arbeitspapier eine ganze Reihe von Kampfformen vor, die seit den Septemberstreiks 1969 (und z.T. seit dem Metallarbeiterstreik in Baden-Württemberg von 1963) praktiziert wurden und sich auch 'bewährt' haben. Jedoch ist die einseitig negative Beurteilung der 'Nadelstichtaktik' der IG Chemie im Sommer 1971 abzulehnen. Wir haben konsequent in diesem Chemiekampf die Ablösung der Nadelstichtaktik durch einen Flächenstreik mit der zentralen Parole 'Jetzt Urabstimmung' vertreten. Aber die Richtigkeit einer Kampfform ist eben abhängig vom Stadium des Kampfes, und in der ersten Phase war diese Taktik das richtige Mittel, um - unter relativ ungünstigen Ausgangsbedingungen - den Kampf in der Chemieindustrie überhaupt zu entfesseln.

8. 'Machen wir die Gewerkschaften wieder zu einer Kampforganisation der Arbeiterklasse.'

Für Kommunisten muß in der Tarifbewegung der Kampf gegen das Kapital und der Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie eine Einheit bilden. Diese Einheit ist aber eine dialektische und leitet sich ab aus den oben skizzierten Beziehungen zwischen Kapital, Staat und Gewerkschaft, und sie bestehet nicht aus zwei Filmen, die man gleichzeitig abspult. Wer die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie nur in Gestalt von 'den reaktionären Gewerkschaftsführern' (Zitat) zu fassen vermag, wird über das Geschimpfe gegen konkrete Subjekte in der Gewerkschaft a la KPD/ML nicht wesentlich hinauskommen. Außerdem ist diese Parole 8 mißverständlich: Natürlich sind die Gewerkschaften auch jetzt die Organisation zur Verteidigung der unmittelbaren Tagesinteressen der Arbeiter und als solche auch durch nichts zu ersetzen. Man müßte also genauer sagen, daß es darum geht, die Gewerkschaft wieder kämpferisch zu machen und eine klassenbewußte Gewerkschaftspolitik durchzusetzen.

GEFANGEN IM EIGENEN NETZ

Wir wollen nicht detailliert auf die Präambel eingehen, wenn auch kurz anzumerken ist, daß die These 'es sei die Strategie der Bourgeoisie, IN ZUSAMMENARBEIT MIT DER GEWERKSCHAFTSFÜHRUNG die Arbeiterklasse zu Kämpfen zu provozieren und in Niederlagen zu treiben', offensichtlich bei der Gewerkschaftsbürokratie die Mentalität von Lemmingen voraussetzt, und außerdem die Schlußfolgerung nach sich ziehen müßte, daß die Kommunisten in der Tarifbewegung fleißig abzuwiegeln haben.

Um festzustellen, ob das 'Arbeitspapier' tatsächlich eine Strategie für die Metall-Tarifbewegung darstellen kann, muß mangels Zusammenhang der Einzelforderungen also ihr politischer Rahmen hinterfragt werden. Die divergierenden Positionen der beteiligten Gruppen, die im Kommentar des KAB skizziert werden, haben einen gemeinsamen Nenner: Das UNVERSTÄNDNIS FÜR DIE NOTWENDIGKEIT EINER ÜBERGANGSSTRATEGIE. Seit dem Kommunistischen Manifest ist dies die Alternative, die stets die real revolutionäre Position den Endzeitaposteln und Gesundbetern der Arbeiterbewegung ebenso wie den versteckten und offenen Revisionisten entgegengesetzt hat, und die in der Geschichte der Arbeiterbewegung von Marx, Lenin, Luxemburg und Trotzki ständig entwickelt wurde und ihre systematische Formulierung für die imperialistische Verfallsperiode im 'Übergangsprogramm' von 1938 fand.

Das bedeutet: die Forderungen zu entwickeln, die einerseits dem aktuellen Bewußtseinsstand der Klasse entsprechen, also von ihr aufgegriffen und zu direkten Kampfzielen gemacht werden können, die andererseits aber bereits über den gesellschaftlichen Status quo hinausgehen und tendenziell das bestehende System in Frage stellen, also die Klasse aus ihren konkreten Erfahrungen im Kampf für diese Ziele heraus zu weitergehenden Forderungen fhren. (Zu diesem konkreten Ansatz für die Tarifbewegung verweisen wir auf den WAS TUN - Sonderdruck: Die Tarifpolitik der IG Metall 1969/70, ISP-Verlag Hamburg).

Die Übergangsstrategie ist letzlich die Antwort auf die Frage, bei der sich die Autoren des 'Arbeitspapiers' ständig im eigenen Netz verstolpern: Wie kann eine Brücke geschlagen werden zwischen dem aktuellen Bewußtseinsstand der Arbeiterklasse und dem Ziel der sozialistischen Revolution.

In diesem Arbeitspapier und dem zugehörigen Kommentar wird dies 'ersetzt' durch die Trennung zwischen Minimalprogramm und Maximalprogramm in schlechtester Kautskyanischer Tradition. Festgemacht am Verhältnis zwischen ökonomischem und politischem Kampf sinniert man in endlosen Syllogismen, wie man sich zwischen den Klippen Ultralinkstum und Ökonomismus hindurchschrammen kann, ohne das Boot ganz zu versenken. Deshalb kommt man auch von dem Gegensatz zwischen 'Unterstützung des ökonomischen Kampfes der Arbeiter' und 'kommunistischer Propaganda' nicht los - der ganze Streit geht ums richtige Mischungsverhältnis.

So wird denn im Kommentar des KAB richtig festgestellt, daß die 'Kapitalistenklasse in der Tarifbewegung den Kampf von Anfang an allseitig führt, d.h. politisch, ideologisch und natürlich auch ökonomisch.' Also sind doch wohl solche Kämpfe unter den Bedingungen des staatlich organisierten Kapitalismus objektiv politisch. Aber: 'Die Arbeiter führen ihren Kampf hauptsächlich noch als ökonomischen Abwehrkampf.' Sehr richtig. Weiter: 'Fragwürdig ist, ob im bloß ökonomischen Abwehrkampf wirklich Klassenbewußtsein ... entwickelt werden kann.' Und: 'Eine andere Frage ist, ob im ökonomischen Kampf ein Bewußtsein über dessen Begrenztheit und gar über die Notwendigkeit des sozialistischen Kampfes entwickelt werden kann.' Also die Kapitalisten führen den Kampf allseitig, da er objektiv politische Dimensionen hat, aber die Arbeiter führen den Kampf als ökonomischen und können ihren Ökonomismus dabei auch nicht überwinden, da es sich nur um einen ökonomischen Kampf handelt. In der Tat, welch ein Dilemma für die Autoren des 'Arbeitspapiers'. Plastischer kann die Sackgasse des Kautskyschen Minmal-Maximal-Mechanismus nicht demonstriert werden!

Da sie aus der dialektischen Einheit des Klassenkampfes keine diese umfassende strategische Qualität zu schlagen vermögen, zerlegen sie sie ständig in mechanische Begriffspaare: Hauptaufgabe, Nebenaufgabe; Hauptfeind, Nebenfeind; ökonomischer Kampf, politischer Kampf; Tagesinteressen der Arbeiter, kommunistische Propaganda; usw..

Bleibt noch anzumerken, daß die Plattform zu den brennenden Fragen, wie die Arbeiter während der Tarifbewegung auf das Verhalten ihrer gewerkschaftlichen Führung reagieren können, wie dies mit einer innergewerkschaftlichen Kampfstrategie in Beziehung zu setzen ist, also all den Fragen, die sich um die Achse 'Demokratisierung der Gewerkschaft' gruppieren, schlicht gar nichts zu sagen hat.

Insgesamt zeigt das Arbeitspapier, daß diese Gruppen aus den vorangegangenen Arbeiterkämpfen in der BRD für die unmittelbare Praxis einer Intervention in die Tarifbewegung zwar eine Menge gelernt haben, in der Lösung der Kernprobleme, die sich den Kommunisten stellen, jedoch nicht weitergekommen sind.

So gesehen: Eine ML-Plattform mehr unter vielen anderen."
=Was Tun Nr.9,Mannheim Okt. 1971,S.5f

Oktober 1971:  In Heidelberg erscheint das 'Neue Rote Forum' (NRF) Nr.4 (vgl. 1.6.1971, 29.11.1971), an dem Gabi Ripke nicht mehr mitarbeitet. Die Auflage wird mit 6 000 angegeben.
Bekanntgegeben wird in "Metalltarifrunde 1971", daß die Kommunistischen Gruppen (NRF) Mannheim und Heidelberg nachträglich in die Aktionseinheit zur Metalltarifrunde (MTR-AE) der IGM eingestiegen sind (vgl. 25.7.1971). Als weitere derzeitige Teilnehmer dieses Unternehmens werden genannt:
ABG München, KAB Hamburg, KAG Oldenburg, KB's Bremen, Göttingen und Wilhelmshaven, KB/ML's Eutin, Flensburg, Läbeck und Westberlin, SALZ's Bremerhaven, Cuxhaven, Hamburg und Stade, SBG's Regensburg und Berlin Tempelhof, SDA Berlin und KAJB Göttingen.

Zu den Differenzen in der Aktionseinheit wird verlautbart, daß KB Bremen und KB Göttingen für die Verteidigung der Forderungen der Tarifkommissionen eingetreten seien, während SALZ und KAB Hamburg diese für Betrug hielten, woraufhin sie von den Bremern und Göttingen als Agenten der Bourgeoisie bezeichnet wurden.

Zur KPD/ML-ZB, die sich nicht an der Aktionseinheit beteiligte, heißt es:"
Die KPD/ML (ZB) hat die Bildung der Aktionseinheit, die sie als 'Zirkelblock' bezeichnet, scharf angegriffen. Die KPD/ML (ZB) geht davon aus, daß das westdeutsche Proletariat derzeit nicht in Abwehrkämpfen gegen die allseitigen Angriffe des Kapitals begriffen ist, und daß es die Aufgabe der Kommunisten ist, die allseitige Abwehrfront des Proletariats zu organisieren, sondern daß sich das westdeutsche Proletarat gegenwärtig auf einen schweren politischen Schlag gegen die Bourgeoisie vorbereitet. Diese Einschätzung wird einerseits mit der allgemeinen Tendenz zur Revolution in der Welt begründet, und andererseits mit der Proletarisierung in den Betrieben. Obwohl beides nicht zu bezweifeln ist, müssen wir sehen, daß derzeit noch keine größere Fraktion des westdeutschen Proletariats die Perspektive der Revolution entwickelt hat und die Polarisierung in den Betrieben keine zwischen Revolutionären und Reaktionären ist, sondern zwischen fortschrittlichen Gewerkschaftern und Lohnleitlinienpolitikern, zwischem gewerkschaftlichen Bewußtsein und Sozialpartnerschaftsideologie. Es ist ja gerade die Schwierigkeit der gegenwärtigen Situation, daß die Bourgeoisie einen allseitigen Angriff gegen die Arbeiterklasse vorbereitet und organisiert, während sich die Arbeiterklasse erst wieder der grundsätzlichen ökonomischen Gegensätzlichkeit ihrer Interessen und der Interessen des Kapitals bewußt wird, was seinen Ausdruck in dem Kampf um die Gewerkschaften findet, aber noch nicht in einer bewußten politischen Abwehr der Angriffe des Staates als geschäftsführendem Ausschuß der Bourgeoisie. Die KPD/ML (ZB) propagiert in der Metalltarifrunde vor allem das 'Vertrauen auf die eigene Kraft', ohne zu sehen, daß eine Bedingung für die eigene Kraft des Proletariats seine gewerkschaftliche Organisation ist, und daß die Kommunisten deshalb den Kampf um die Gewerkschaften unterstützen und anleiten müssen.

Ohne gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterklasse fehlt ihr selbst die Kraft, die ökonomischen Angriffe des Kapitals in der Krise abzuwehren. Wenn die KPD/ML (ZB) die Parole 'Vertrauen auf die eigene Kraft' verbindet mit der Parole 'Stärkt die KPD/ML', ohne den Kampf um die Gewerkschaften auch nur zu erwähnen, so betreibt sie eine linkssektiererische Politik, die an den gegenwärtigen Kämpfen der Arbeiterklasse vorbeigeht. Die KPD/ML (ZB) hat die 15%-Forderung auf den Ecklohn von Lohngruppe 7 der Hoesch-Vertrauensleute zur Forderung der Partei erhoben und stellt diese Forderung als Forderung der Arbeiterklasse den Forderungen der anderen Betriebe (z.B. Klöckner-Bremen) gegenüber und verurteilt jede Abweichung von der 15%-Forderung nach oben und nach unten als Spaltung der Arbeiterklasse. Gegenüber den realen Entwicklungen in der Metalltarifrunde bleibt sie vorsätzlich blind und katapultiert sich selbstbewußt aus der realen Auseinandersetzung hinaus. Als einige marxistisch-leninistische Gruppen, nachdem der Kampf gegen die Lohnleitlinienpolitik der Gewerkschaftsführung in der Phase vor Festlegung der gewerkschaftlichen Forderungen nicht zum Erfolg geführt hatte, die 11% als Mindestforderung propagierten, krähte die KPD/ML etwas von Spaltung der Arbeiterklasse, obwohl absehbar ist, daß die Arbeiterklasse den Kampf gegen die Kapitalistenklasse und die Lohnleitlinienpolitik der SPD und der Gewerkschaftsspitze gerade auf Basis dieser 11%-Forderung führen wird. Statt die realen Kämpfe der Arbeiterklasse zu unterstützen und nach Möglichkeit anzuleiten, propagiert die KPD/ML (ZB), ohne den Kampf um die Gewerkschaften auch nur zu erwähnen, das Vertrauen auf die eigene Kraft, eine Propaganda, die dann notwendig leer sein muß, wenn sie von der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterklasse absieht.

Die gegenwärtigen ökonomischen Kämpfe sind von entscheidender Bedeutung für den Parteibildungsprozess des westdeutschen Proletariats. Das westdeutsche Proletariat wird sich in ihnen wieder der grundsätzlichen ökonomischen Gegensätzlichkeit seiner Interessen und der Interessen des Kapitals bewußt. Durch den offensichtlichen Eingriff des Staates in diese Kämpfe auf seiten der Bourgeoisie, bilden sich Keime des politischen Klassenbewußtseins heraus, die es den Kommunisten ermöglichen, eine allseitige politische Propaganda mit dem Ziel der Vereinheitlichung der Klasse auf dem Boden des Marxismus-Leninismus zu entfalten. Der derzeit wichtigste Schritt dieser Vereinheitlichung ist der Kampf gegen die Lohnleitlinienpolitik und ihrer Verankerung in den Gewerkschaften. In diesem Kampf, der wesentlich auch Kampf um die Gewerkschaften ist, müssen sich die Kommunisten als Avantgarde der Klasse bewähren, wenn sie den Marxismus-Leninismus in der Klasse verankern wollen."
=Neues Rotes Forum Nr.4,Heidelberg Okt. 1971

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