Chemie, Papier, Keramik:
Die Auseinandersetzungen um das Weihnachtsgeld und das 13. Monatseinkommen von 1969 bis 1977

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 15.12.2014

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Zu den Auseinandersetzungen um das Weihnachtsgeld bzw. das 13. Monatseinkommen in den Tarifbereichen der IG Chemie, Papier, Keramik können hier bisher nur wenige Hinweise erschlossen werden. Wir bitten um Ergänzungen.

Während einleitend in Frankfurt der 13. Monatslohn in der chemischen Industrie von den Trotzkisten der IAK als Forderung erhoben wird (vgl. 20.5.1970), wird dies in der westfälischen Papierindustrie auch durch die IG Chemie getan, allerdings unter Anrechnung der bisherigen betrieblichen Zahlungen (vgl. 1.9.1970), während in der baden-württembergischen und der norddeutschen Papierzeugung das 13. Monatseinkommen erst stufenweise angestrebt wird (vgl. 11.9.1970, 30.9.1970) und bei Melitta in Rehau das Weihnachtsgeld angesichts der Stillegung des Werks ganz gestrichen wird (vgl. 25.9.1970).

Bei der BASF in Ludwigshafen dagegen wurde 1970 zwar das Weihnachtsgeld bzw. die Leistungsprämie gekürzt, macht aber immer noch 150 % des Monatslohnes aus, es gibt also bereits dreizehneinhalb Monatsgehälter (vgl. 18.11.1970).

In der Chemietarifrunde 1971 in Rheinland-Pfalz, die auch für die BASF gilt, wird bei Boehringer Ingelheim das 13. Monatsgehalt für alle Betriebe gefordert (vgl. 16.2.1971) und durch die IG Chemie übernommen, unter Verweis darauf erfolgt aber auch die Ablehnung der 15%-Lohnforderung durch die IG Chemie-Führung (vgl. 17.3.1971). In Niedersachsen wird zugleich lediglich eine stufenweise Einführung des 13. Monatslohns gefordert (vgl. 29.3.1971), in Hamburg aber wiederum der volle 13. Monatslohn (vgl. 29.3.1971). Durchgesetzt aber wurde auch in Rheinland-Pfalz nur die stufenweise Erhöhung des Weihnachtsgeldes (vgl. 24.5.1971), während die Chemietarifrunde u.a. in Nordrhein und Hessen noch lief (vgl. 8.6.1971, 23.6.1971) und dann bundesweit lediglich die stufenweise Verbesserung vereinbart wurde (vgl. 29.6.1971, 3.7.1971), was durch die linken Gruppen abgelehnt wurde, wie hier von der KPD/ML-ZK aus Frankfurt belegt (vgl. 30.6.1971), die sich auch bei Hoechst Frankfurt um das Weihnachtsgeld für die Lehrlinge sorgte (vgl. Feb. 1972).

Auch in der Hohlglasindustrie wird die Forderung nach einem 13. Monatslohn erhoben (vgl. 25.3.1971).

Wie auch in anderen Branchen dient das Weihnachtsgeld auch in der chemischen Industrie als Manövriermasse, um reale Teuerungszulagen (TZL) zu verhindern (vgl. 2.10.1973) oder andere betriebliche Zulagen zu kürzen (vgl. 1.11.1973). Die volle tarifliche Absicherung erfolgt nicht, so dass es immer wieder Streitigkeiten über das Weihnachtsgeld gibt (vgl. Nov. 1975, 27.10.1977) bzw. dieses zum Spaltungsinstrument wird (vgl. 19.12.1977).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

10.09.1969:
Heute finden, laut IMSF, vorgezogene Tarifverhandlungen zwischen IG Chemie (CPK) und der Esso AG statt, die zu einer Erhöhung der Monatslöhne um 11,3% ab 1.10.1969 und Erhöhungen von Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Schichtzulage führen. Die Laufzeit dauert bis zum 30.9.1970.
Quelle: IMSF: Die Septemberstreiks 1969, Frankfurt Nov. 1969, S. 216

20.05.1970:
Für die IAK berichtet Peter Elberfeld aus der IG Chemie (CPK) Frankfurt:"
BETRIEBSNAHE TARIFPOLITIK - EINE SEIFENBLASE

Über 2 000 Gewerkschaftsfunktionäre, Betriebsräte und Vertrauensleute hatten sich am 20.5. in der Frankfurter Messehalle versammelt. … 'Betriebsnahe Tarifpolitik' kann nicht den Kampf für eine neue Gewerkschaftspolitik ersetzen!

Nur die Mobilisierung der gesamten Arbeiterschaft kann die elementaren Forderungen der Arbeiter, die Absicherung der Effektivverdienste, durchsetzen, gegen die zentrale Macht der Unternehmer und ihren Staat!

Die Forderung nach Absicherung der Effektivverdienste und betrieblichen Zusatzverträgen muß verbunden werden mit der Forderung nach einer allgemeinen Mobilisierung der Arbeiterklasse für Mindestlohnerhöhungen, bis hin zu den DM 1 000 netto und dem 13. Monatslohn!"
Q: Internationale Arbeiter Korrespondenz Nr. 30, Frankfurt Mai/Juni 1970, S. 7f

01.09.1970:
Für die DKP berichtet Georg Rohde u.a. von heute:"
KEIN PAPIERTIGER
PAPIERARBEITER: MEHR LOHN! STATT 'SOZIALEM RECHTSSTAAT': 'LINKSSTAAT'

Der Herbst scheint heiß zu werden. Die Erinnerungen an Nutzen und Erfolge der Septemberstreiks vor Vorjahr werden wachgehalten. Die Gewerkschaften unterstreichen, daß sie in der anlaufenden Tarifrunde nicht nur in Erinnerungen schwelgen werden. IG-Chemie-Geschäftsführer Lass: 'Man redet soviel vom sozialen Rechtsstaat - wie wär's, wenn wir's mal mit dem sozialen Linksstaat versuchen?' Wie der 'große Bruder' IG Metall (IGM, d.Vf.), so hat jetzt auch die IG Chemie-Papier-Keramik ihre Forderungen für die rund 6 000 Beschäftigten der westfälischen Papierindustrie angemeldet. Die Lohn- und Gehaltstarifkommissionen kündigten die Tarife termingerecht zum 31. August und stellten einstimmig ihre Forderungen auf:
- Anhebung der Tariflöhne um 99 Pfennig. Davon sollen zwei Drittel effektiv ausgezahlt werden. Mit dem restlichen Drittel sollen die übertariflichen betrieblichen Zulagen abgesichert werden.
- Für die Angestellten wird eine entsprechende Gehaltserhöhung gefordert.
- Die Ausbildungsbeihilfen sollen im 1. - 4. Lehrjahr um 50, 60, 70 und 80 DM angehoben werden.
- Ein 13. TARIFLICHES Monatseinkommen soll unter Anrechnung BETRIEBLICHER Jahresleistungen eingeführt werden."
Q: Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr. 37, Essen 12.9.1970, S. 17

11.09.1970:
Für die papiererzeugende Industrie Baden-Württembergs wird, laut KPD/ML-ZB, folgende Lohnerhöhung vereinbart:
- 50 Pfennig linear,
- ein dreizehntes tarifliches Monatseinkommen von 50% für 1970 und 1971 und von 75% für 1972.
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 38, Bochum 3.10.1970

25.09.1970:
Der 'KND' Nr. 36 der KPD/ML-ZB (vgl. 23.9.1970, 30.9.1970) befaßt sich mit der zum Jahresende angekündigten Schließung des Melitta Zweigwerkes in Rehau in Bayern mit 250 Beschäftigten. Dort seien die Arbeiter gezwungen worden 42 Stunden die Woche zu arbeiten, ohne daß sie die zusätzlichen zwei Stunden bezahlt bekommen hätten, es wurde weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld gezahlt und auch die Frauen mußten die, für sie verbotene, Nachtarbeit durchführen."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 36, Bochum 25.9.1970

30.09.1970:
In Hannover erklärt die IG Chemie, laut KPD/ML-ZB, die Verhandlungen über einen Tarifvertrag für die papiererzeugende Industrie in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg (zus. 12 600 Beschäftigte) für gescheitert. Daraufhin beginnt das Schlichtungsverfahren. Der Verband norddeutscher Papierfabriken habe zuletzt 50 Pf. lineare Lohnerhöhung und ein 13. Monatseinkommen in Höhe von 50% für 1970 und in Höhe von 75% für 1971 angeboten. Die IG Chemie fordere 60 Pf. und ein 13. Monatsgehalt in drei Stufen: 60% im Jahre 1970, 75% für 1971 und 100% für 1972.
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 38, Bochum 3.10.1970

18.11.1970:
Die Nr. 51 des 'KND' der KPD/ML-ZB (vgl. 14.11.1970, 21.11.1970) erscheint mit der Schlagzeile "Kurzarbeit bei Klöckner und Telefunken - Die Angriffe der Kapitalisten abwehren!". Dazu heißt es u.a.:"
Bei BASF erhalten die Arbeiter und Angestellten dieses Jahr ein niedrigeres Weihnachtsgeld als im letzten Jahr. Die sogenannte Leistungsprämie, die Mitte Dezember ausgezahlt wird, beträgt in diesem Jahr nur 150% des durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes gegenüber 170% 1969."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 51, Bochum 18.11.1970

16.02.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet von der Chemietarifrunde (CTR - vgl. 17.3.1971) Rheinland-Pfalz bei Boehringer Ingelheim:"
Dort stellten die Vertrauensleute auf einer Sitzung am 16.2. folgende Forderungen auf:
1) tariflich abgesichertes 13. Monatsgehalt
2) Verbesserung der gewerkschaftlichen Vertrauensleutearbeit im Betrieb
3) Firmentarifverträge
4) 15% Lohn- und Gehaltserhöhung
sowie die Angleichung der Arbeiterlöhne an die Angestelltengehälter.

Die Forderung nach Firmentarifverträgen zeigt ganz klar den Einfluß der 'linken' Sozialdemokraten. Diese Forderung ist falsch, weil sie davon ausgeht, daß die Lohntarife, die bei den Verhandlungen rauskommen, nur so niedrig sind, weil im Arbeitgeberverband Kleinkapitalisten sitzen, die nicht so viel zahlen können. In Wirklichkeit werden die Arbeitgeberverbände von den großen Monopolen beherrscht und diese setzen den Lohnforderungen immer mehr Widerstand entgegen, weil sie ihre Profite so hoch wie möglich halten wollen. Die Forderung ist zudem spalterisch, weil sie die Arbeiter der einzelnen Betriebe voneinander isoliert und eine gemeinsame Kampffront unmöglich macht."

Auch der KJVD der KPD/ML-ZB (vgl. Apr. 1971) berichtet von den Forderungen.
Q: Der Kampf der Arbeiterjugend Nr. 4, Bochum Apr. 1971, S. 5; Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 21, Bochum 17.3.1971, S. 7f

17.03.1971:
Die KPD/ML-ZB bei Boehringer Ingelheim berichtet:"
In Ludwigshafen fand am 17.3. die Sitzung des Vertrauensleute Tarifausschusses statt. Dem Bezirksvorsitzenden Schweitzer gelang es, die Lohnforderungen zu drücken. Er gab den Delegierten zu verstehen, daß eine 15% Forderung nur eine Forderung von bestimmten politischen Gruppen sei.

Er konnte sich mit der Forderung nach 12% und der Absicherung des 13. Monatslohns durchsetzen."
Q: Der Kampf der Arbeiterjugend Nr. 4, Bochum Apr. 1971, S. 5; Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 21, 22, 27 und 28, Bochum 17.3.1971, 20.3.1971, 7.4.1971 bzw. 14.4.1971, S. 7, S. 1f, S. 7 bzw. S.5f

25.03.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet:"
TARIFVERHANDLUNGEN IN DER HOHLGLASINDUSTRIE

Die Tarifverträge in der Hohlglasindustrie sind zum 30.4. kündbar. Die Vertrauensleute bei Schott in Mainz haben dazu bereits Forderungen aufgestellt. Die Mainzer Genossen berichten uns darüber:

Am 25.3. fand eine V-Leute-Versammlung der Firma Schott statt, auf der die Forderungen für die kommenden Tarifverhandlungen beschlossen wurden. Zu den Forderungen für die Arbeiter muß man zuerst das komplizierte Lohnsystem von Schott erklären: Hier gibt es 1. einen Grundlohn für alle (bisher 3, 95); 2. ein Punktsystem von 3 bis 25 Punkten je nach Arbeitsplatz (pro Punkt erhielt man bisher 7, 5 Pfennig); 3. ein Prämiensystem.

Als Forderungen kamen jetzt durch:
1) Erhöhung des Grundlohns um 40 Pfennig auf 4, 35 (also 10%)
2) Erhöhung des Punktwertes um 1, 7 Pfennig auf 9, 2 Pfennig (über 21%)
3) 13. Monatslohn"
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 26, Bochum 3.4.1971, S. 7

29.03.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet vermutlich von heute über die Chemietarifrunde (CTR) der CPK:"
Nach der 120 Mark-Forderung in Hessen haben die rechten Bonzen in den anderen weniger kampfstarken Bezirken die Forderungen noch weiter gedrückt: 12% in Rheinland/Pfalz und Nordrhein, 11% bzw. mindestens 107 Mark in Bochum-Bielefeld und Ruhr-Lippe …

In Niedersachsen sind die rechten Bonzen sogar noch weiter gegangen. Dort fordern sie, daß die Bruttostundenverdienste der Arbeiter und die Angestelltengehälter 'IM ABSCHLUSSERGEBNIS' um 8, 5% erhöht werden! Zur Erleichterung der Einführung eines 13. tariflichen Monatseinkommens sind sie bereit, einen STUFENVERTRAG abzuschließen (Informationen aus dem Handelsblatt vom 30.3.)."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 26, Bochum 3.4.1971, S. 6

29.03.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet vermutlich aus dieser Woche von der Chemietarifrunde (CTR der CPK):"
Inzwischen haben auch die IG Chemie-Führer in Hamburg, wo die Tarife zum 30.4. kündbar sind, ihre Forderungen aufgestellt: Erhöhung der Tarifgrundlöhne in allen Gruppen und Erhöhung der Gehaltstafelsätze in allen Gruppen um 11, 9%! Die Vergütungssätze für die Lehrlinge sollen zwischen 100 und 135 Mark erhöht werden. Volles 13. Monatseinkommen."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 27 und 31, Bochum 7.4.1971 bzw. 24.4.1971, S. 7 bzw. S. 8

24.05.1971:
In Rheinland-Pfalz/Saarland wird die Chemietarifrunde (CTR) mit einem Ergebnis von 7, 8% abgeschlossen, was aber, laut KPD/ML-ZB und KPD/ML-ZK in Wahrheit lediglich 6, 5% entspricht. Eigentlich sollte heute erst die Landesschlichtung beginnen. Die KPD/ML-ZB berichtet:"
KAMPF DEM LOHNDIKTAT!

6, 5%-VERRAT FÜR CHEMIE IN RHEINLAND-PFALZ

Die IG-Chemie-Führer in Rheinland-Pfalz haben DAS VON DER SPD-REGIERUNG GEPLANTE VERSCHÄRFTE LOHNDIKTAT bereits durchgesetzt:
Sie haben nicht, wie sie ursprünglich verkündeten 7, 8% Lohn- und Gehaltserhöhung vereinbart, sondern nur 6, 5%! Denn der neue Tarifvertrag gilt nicht ab 1.4., sondern erst ab 1.6.! Damit haben die IG-Chemie-Führer eine ZWEIMONATIGE LOHNPAUSE eingeführt und so kommen aufs ganze Jahr gerechnet nicht mehr als 6, 5% raus!

Bei den 'Nebenforderungen' haben die Gewerkschaftsführer fast nichts durchgesetzt: der 13. Monatslohn wird stufenweise eingeführt, ab 1972 50%, ab 1973 75% und ab 1974 100%; erstmalig kündbar im Jahre 1976!

Die IG-Chemie-Führer versuchen jetzt, den Chemiearbeitern ihren Verrat mit zahlreichen demagogischen Tricks zu verkaufen. In einem Flugblatt, das nach dem Verrat in Rheinland-Pfalz vom IG-Chemie-Bezirksvorsitzenden und SPD-Fraktionsleiter im Landtag, Schweitzer, herausgegeben wurde, heißt es: 'Der vorliegende Abschluß mit einer Erhöhung von 7, 8% bei gleichzeitiger Einführung einer Jahresabschlußprämie erst mit dem Jahre 1972 befriedigt uns nicht voll. DIES UM SO MEHR ALS DIE MONATE APRIL UND MAI 1971 IN DEN SAND GESETZT WERDEN MUSSTEN."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 36, 39, 40, 41 und 57, Bochum 12.5.1971, 22.5.1971, 26.5.1971, 29.5.1971 bzw. 31.7.1971, S. 4, S. 3, S. 16, S. 1ff bzw. S. 5

08.06.1971:
Die KPD/ML-ZB Köln-Bonn berichtet:"
NORDRHEIN - GROSSVERANSTALTUNG DER IG CHEMIE

Rund 10 000 Kollegen hatten ihre Arbeit niedergelegt und waren der IG Chemie gefolgt, die zu einer Großveranstaltung in der Sporthalle in Köln aufgerufen hatte.

Die Kollegen in der Kölner Chemie streiken für 12% (Clouth) bzw. 10 - 12% (in den anderen Werken). Dadurch wurde die Kampfbereitschaft der Kollegen gestärkt: wer glaubt, uns mit 5% abspeisen zu können, der muß mit dem Widerstand der Chemiearbeiter rechnen, hieß eine Parole bei der Kölner Kundgebung.

Um die Lohnleitlinien dennoch durchdrücken zu können, müssen sich die Gewerkschaftsbonzen also ganz besondere Tricks ausdenken. Die einheitliche Kampffront der Chemiearbeiter soll zersplittert werden mit Hilfe einzelbetrieblicher Tarifabkommen. Dort, wo die Kampfkraft der Kollegen nicht zu unterdrücken ist, wo sie klare Forderungen aufstellen (12%, 13. Monatsgehalt), tun sie sogar so, als ob sie konsequent die Forderungen der Kollegen unterstützen: sie stellen sich hinter die Streikenden und propagieren ihre Forderungen, aber mit einem Seitenblick auf die Kapitalisten betonen sie: 'die Gewerkschaft hat nicht zu diesem Streik aufgerufen, sondern sich (nachdem die Kollegen ihn begonnen hatten) voll dahinter gestellt und ihn aufgrund der Satzung der IG Chemie für rechtens erklärt.'"
Q: Rote Fahne Nr. 12, Bochum 21.6.1971; Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 43, 45 und 46, Bochum 5.6.1971, 12.6.1971 bzw. 16.6.1971, S. 3, S. 10f bzw. S. 6

23.06.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet von Zermürbungstaktik und Ablenkungsmanövern der CPK-Führer in der CTR in Hessen (vgl. 21.6.1971) und:"
Genauso heißt es in einer Anzeige der IG Chemie Nordrhein, die am 23.Juni in der Westdeutschen Allgemeinen (WAZ, d.Vf.) veröffentlicht wurde:
'Warum Chemiestreik in Nordrhein?

1) Weil die Chemieunternehmer durch ihr Verhalten den Streik provoziert haben.
2) Weil die Chemieunternehmer die Löhne und Gehälter diktieren wollen.
3) Weil die Chemieunternehmer in der ersten Verhandlung kein Angebot machten, aber erklärten: 'Sie lehnten es ab, das 13. Monatseinkommen vertraglich zu vereinbaren.' Die Vergütungen für Auszubildende sollten lediglich 'angemessen' erhöht werden.
4) Weil die Chemieunternehmer in der zweiten Verhandlung nichts anderes zu sagen wußten als in der ersten Verhandlung.
5) Weil die Parteienvertretung der Chemieunternehmer (Dr. Erich Bruchmann) vor der Landesschlichtungsstelle erklärte: '5% und nicht mehr.'
6) Weil die Parteienvertretung der Chemieunternehmer vor der Bundesschlichtungsstelle ihre unnachgiebige und einsichtige Haltung beibehielt.
7) Weil die Chemieunternehmer trotz Vermittlung des Arbeitsministers Figgen gegenüber der IG Chemie Papier Keramik auf Befragen ausdrücklich ablehnten, einen Gesamtvorschlag über Löhne und Gehälter, 13. Monatseinkommen und Ausbildungsvergütungen zu unterbreiten.'

Nicht mit einer Zeile wird hier das Lohndiktat der SPD-Regierung erwähnt (die IG-Chemie-Führer prangern lediglich an, daß die Kapitalisten sogar noch unter 'den Orientierungsdaten' abschließen wollten), nicht mit einem Wort wird auf den Charakter der Schlichtungsversuche der SPD-Führer eingegangen, die doch eins der Mittel zur weiteren Einschränkung der Unabhängigkeit der Gewerkschaften sind."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 49, Bochum 26.6.1971, S. 4f

29.06.1971:
Zwischen den Bundesgremien der IG Chemie (CPK) und des Arbeitgeberverbandes wird am Wochenende (vgl. 30.6.1971), laut BKA Freiburg, in der Chemie-Tarifrunde (CTR) "das 7%-Lohndiktat" ausgehandelt:"
Dieser Tarifvertrag sieht eine Erhöhung der Tariflöhne um 7, 8% auf 10 Monate, ein 'Handgeld' von 60 DM für die tariflosen Monate April und Mai, sowie die schrittweise tarifliche Absicherung des 13. Monatslohns (50% für 1971, 75% für 1972). …Überall in der Bundesrepublik und Westberlin waren die Kollegen enttäuscht über den Abschluß , der ihnen angesichts der Preissteigerungen überhaupt keine Verbesserung brachte."

Die Rote Betriebsgruppe (RBG) Noell-Salzgitter Würzburg der KPD/ML-ZK (IGM-Bereich - vgl. 12.7.1971) berichtet mit Hilfe der morgigen 'Frankfurter Rundschau' vermutlich über heutige Äußerungen:"
'Wenn die Mitglieder glauben, wir hätten etwas falsch gemacht, können sie uns ja im nächsten Jahr in die Wüste schicken' (FR 30.6.) meint Werner Vitt, der Leiter der Arbeitsrechtsabteilung beim Hauptvorstand der IG Chemie."
Q: KPD/ML-ZK-OG Würzburg-RBG Noell/Salzgitter: Generalprobe für die Metalltarifrunde, Würzburg o.J. (Juli 1971), S. 2; Klassenkampf - Extrablatt Rhodia, Freiburg 9.7.1971

30.06.1971:
Die KPD/ML-ZK Ortsgruppe Frankfurt gibt eine gemeinsame Ausgabe "Eine Festung nimmt man am besten von innen!" ihrer 'Rotfront' (vgl. 28.6.1971, 5.7.1971), die sonst für Cassella und für Hoechst (vgl. 30.7.1971) erscheint, heraus, die "in mehreren Chemiebetrieben verteilt" wird, offenbar auch in Offenbach und Raunheim.

Abschließend wird festgehalten:"
Die Parole der Chemiearbeiter muß sein:
WEG MIT DER STAATLICHEN SCHLICHTUNG1

Offenbacher, Cassellaner, Caltex- und Degussa-Arbeiter und alle Streikenden in Hessen: Kämpft weiter gegen die Festung Farbwerke von außen. Hoechster: der Kampf ist noch nicht zu Ende. Draußen streiken die Kollegen weiter. Kämpft weiter für volle 120 Mark auf 12 Monate und das 13. Monatsgehalt. Wir brauchen es dringend."
Q: KPD/ML-ZK-OG Frankfurt-RBG Hoechst, RBG Cassella: Chemiearbeiterkampf 1971

Analyse Bericht Dokumentation, Frankfurt o.J. (1971), S. 35; Rot Front! Eine Festung nimmt man am besten von innen!, Frankfurt 30.6.1971

03.07.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet von der Chemietarifrunde (CTR):"
CHEMIE-LOHNDIKTAT IN ZENTRALER SCHLICHTUNG DURCHGESETZT!

Neben den knapp 7% wurden folgende Vereinbarungen getroffen: 13. Monatslohn wird stufenweise bis einschließlich 1974 (also eine Laufzeit über vier Jahre!) tariflich abgesichert."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 51 und 57, Bochum 7.7.1971 bzw. 31.7.1971, S. 1ff bzw. S. 5; Rote Fahne Nr. 14, Bochum 19.7.1971

Februar 1972:
Vermutlich im Februar gibt die OG Frankfurt der KJO Spartacus die Nr. 2/3 ihrer 'Kommunistische Gewerkschaftspolitik - Ausgabe Chemie' (vgl. Dez. 1971, 27.4.1972) für Januar und Februar heraus. In "BJV in Hoechst - ein trauriges Kapitel" heißt es zu den für April anstehenden BJV-Wahlen u.a.:"
Der Sprecher der Hoechster BJV - der Kollege Selters - sieht die Arbeit der Jugendvertretung allerdings in einem anderen Licht: Er spricht von Erfolgen und Leistungen (nachzulesen in der famosen Lehrlingszeitung der Farbwerke Nr. 2). Kollege Selters präsentiert folgende Erfolge der BJV-Tätigkeit:
1. Die Rückgängigmachung der Essenspreiserhöhung für Lehrlinge von 10 DM auf 15 DM.

Die BJV hatte - völlig richtig - mit gerichtlichen Schritten gegen die Werksleitung gedroht, da der Essenspreis von 10 DM in den Lehrverträgen verankert ist. Allerdings: Welche Vorsorge hat die BJV getroffen, wenn die Werksleitung in den zukünftigen Lehrverträgen einen höheren Essenspreis nennt?!

2. Die Tatsache, daß das Weihnachtsgeld für Lehrlinge von der Werksleitung nicht gestrichen wurde.

Dabei hatte die Werksleitung gar nicht vorgehabt, das Weihnachtsgeld der Lehrlinge abzuschaffen. Lediglich die KPD/ML hatte diese Falschmeldung verbreitet. Hier liegt ein besonders hart erkämpfter Erfolg der BJV vor."
Q: Kommunistische Gewerkschaftspolitik - Ausgabe Chemie Nr. 2/3, Frankfurt Jan./Feb. 1972

19.03.1973:
Die KPD berichtet vermutlich u.a. aus dieser Woche im Zusammenhang mit allgemeinen Ausführungen über den Werkschutz:"
4. Im vorigen Jahr wurde ein Kollege beim Diebstahl von kleineren Werkzeugen erwischt. Der Werkschutz stellte den Kollegen sogleich zur Rede. 'Es besteht dringender Verdacht, daß noch mehr Werkzeuge in Ihrer Wohnung liegen. Entweder - machen wir es kurz und bündig - wir dürfen mit Ihrer Erlaubnis Ihre Wohnung ansehen, dann ist die Sache erledigt, oder wir müssen die Kriminalpolizei einschalten; die Konsequenzen wären für Sie: Verurteilung im Gerichtsverfahren und die sofortige Entlassung aus dem Betrieb.' Er willigte ein im guten Glauben, nicht entlassen zu werden. Doch sie fanden bei ihm Werkzeug und kündigten ihm. Den noch ausstehenden Lohn und den erwarteten Bonus - 13. Gehalt - hielten sie einfach ein."
Q: Rote Fahne Nr. 13, Dortmund 28.3.1973, S. 2

02.10.1973:
Der KBW (vgl. 10.10.19173) berichtet aus Berlin vom Streik für eine Teuerungszulage (TZL) bei Schering (vgl. 1.10.1973):"
Doch am Dienstag breitete sich im Wedding die Empörung über das Angebot des Vorstandes (100,- DM vorgezogen vom Weihnachtsgeld) erst richtig aus. Von verschiedenen Abteilungen wird die Fortsetzung der Betriebsversammlung gefordert. der Kampf bei Schering ist trotz der Niederlage vom Montag noch nicht beendet."
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 4, Mannheim 10.10.1973, S. 6

01.11.1973:
Die Ortsgruppe Hamburg des KBW gibt ihre 'Informationen für die Kollegen der Chemischen Industrie Hamburgs' (vgl. 28.8.1973, 27.11.1973) heraus, wobei berichtet wird:"
Bei Beiersdorf hat die Geschäftsleitung 5% mehr Weihnachtsgeld zusätzlich gezahlt, jedoch schon vorher freiwillige außertarifliche Zulagen für etliche Kollegen gestrichen."
Q: KBW OG Hamburg: Informationen für die Kollegen der Chemischen Industrie Hamburgs, Hamburg 1.11.1973

November 1975:
Für Röhm und Merck Darmstadt gibt der Spartacusbund - Ortsgruppe Darmstadt seine 'Rote Retorte' Nr. 7 (vgl. 20.6.1975) heraus mit dem Artikel "Betrug beim Weihnachtsgeld" bei Merck.
Q: Rote Retorte Nr. 7, Darmstadt Nov. 1975, S. 4

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25.11.1976:
Die Zelle des KBW für Weyl Mannheim gibt ihren 'Kommentar für die Belegschaft von Weyl' (vgl. 21.9.1976, 21.12.1976) Nr. 20 heraus mit dem Leitartikel "Weihnachtsgeldzahlung - Die Kapitalisten sahnen ab".
Q: Kommentar für die Belegschaft von Weyl Nr. 20, Mannheim 25.11.1976, S. 1 und 6

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02.12.1976:
Der KBW Bezirk Rhein-Neckar I gibt zur heutigen 'Kommunistischen Volkszeitung' (KVZ) Nr. 48 (vgl. 25.11.1976, 9.12.1976) die 'Bezirksbeilage Rhein-Neckar I' der KVZ heraus mit einer Grafik zum Weihnachtsgeld von der Betriebszelle Weyl.
Q: Kommunistische Volkszeitung - Bezirksbeilage Rhein-Neckar I Nr. 48, Mannheim 2.12.1976, S. 2

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27.10.1977:
In Frankfurt gibt die Sozialistische Betriebsgruppe Degussa - Werk II ihren 'Mitmischer' Nr. 19 (vgl. 17.3.1977, 8.2.1978) heraus mit dem Artikel "Hände weg vom Weihnachtsgeld!".
Q: Mitmischer Nr. 19, Frankfurt 27.10.1977, S. 1

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19.12.1977:
Zur heutigen 'Kommunistischen Volkszeitung' (KVZ) Nr. 51 gibt der Bezirk Trier des KBW eine Bezirksbeilage (vgl. 5.12.1977, 26.12.1977) heraus mit dem Artikel "Spaltungsversuch mit Weihnachtsgeld" bei Michelin Trier.
Q: Kommunistische Volkszeitung - Bezirksbeilage Trier Nr. 51, Trier 1977, S. 2

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