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Berliner antiautoritäre Schüler- und Lehrlingsbewegung 1967/68

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 7.4.2008

Diese Dokumentation ist lückenhaft. Nicht nur lagen viele Dokumente nicht vor (wir bitten um Einsendung dieser, vorzugsweise als guter Scan nebst kleinem Datensatz zum Inhalt und Erscheinungs(zeit-)raum), sondern einige bzw. zahlreiche Materialien konnten auch bisher nicht erfasst werden; sie werden daher zukünftig in eventuellen bezirklichen Ergänzungen vor allem für Zehlendorf und Steglitz dargestellt werden sowie eventuell in Beiträgen zu einzelnen Schulen und über die trotzkistische Kommunistische Jugendorganisation Spartacus bzw. deren Vorläufer und über die Rote Garde Berlin bzw. deren Nachfolger in Form von Roter Garde der KPD/ML-ZK und KJVD der KPD/ML-Neue Einheit oder der KPD/ML-Zentralbüro, wobei dann wiederum vermutlich wiederholt Bezug auf die hier veröffentlichten Originaldokumente der stadtweiten Geschehnisse bzw. der gesamten Bewegung genommen werden wird.

Die Berliner Schülerbewegung umfasst nach den hier vorgestellten Quellen nicht nur Gymnasiasten bzw. die Besucher der Höheren Schulen, sondern auch die Berufsschüler bzw. Haupt- und Realschüler, vermischt sich also durchaus mit der Lehrlingsbewegung, was sich später auch im gemeinsamen Schüler- und Lehrlingszentrum am Lehniner Platz niederschlägt. Viele Publikationen, wie die von uns separat dargestellten Pförtner und Radikalinski sprechen vermutlich beide Schichten der Konkurrenz um knappe Höchst- bzw. mächtig karge Mindestlöhne an. Auf Protestmärschen bilden sowohl Jungarbeiter als auch Lehrlinge und die 'Schüler' gemeinsame Blöcke.

Unbeschadet dieser allgemeinen Erwägungen soll es hier zunächst um die Herauskristallisierung der antiautoritären Schülerbewegung in Westberlin gehen, wobei ich persönlich vor Zeiten einige Dutzend der damals Aktiven im Namen des APO-Archivs auf Material anging mit allerdings nur einer bescheidenen Ausbeute, die ich dann sogleich einscannte und hier im Verein mit der Auswertung von einigen anderen Quellen der geneigten Öffentlichkeit eröffnen möchte.

Von der bundesweit berichteten Phase (vgl. 26.2.1967, 17.6.1967) können hier keine Berliner Dokumente dargeboten werden. Dies ändert sich erst kurz darauf, als in Westberlin vermutlich mehr oder minder stadtweit die Aktion Schülerselbsthilfe (ASH) mit ihrer aufrührerischen Agitation beginnt (vgl. Juli 1967), auch die Kritische Universität scheint bemüht (vgl. 23.1.1968), ohne dass die Erfolge dessen gemeldet werden können. Während die ASH am Ball bleibt, tritt zur selben Zeit auch eine vermutlich eher auf die Berufsschüler ausgerichtete Gruppe an die Öffentlichkeit (vgl. März 1968), vereinigt sich in Versammlungen (vgl. 11.3.1968, 15.3.1968) und bereitet den 1.Mai 1968 mit vor, während Oberschüler sich damals bereits in internationaler Solidarität üben (vgl. 15.3.1968).

Die Ablehnung des berufsbefördernden Abiturs scheint damals ein Anliegen (vgl. 25.3.1968, 30.3.1968). Die Gruppierung um Ezra Gerhardt tritt meist namentlich auf (vgl. Apr.1968), so dass hier bisher nicht abschließend geklärt werden kann, ob es sich tatsächlich um eine Unabhängige Schülergemeinschaft (USG) handelte, wie in der wissenschaftlichen Literatur behauptet, oder ob diese Gruppe sich evtl. auch an der ASH beteiligte.

Das Attentat auf Rudi Dutschke bietet auch den Oberschülern Anlass zur Aufklärung (vgl. 15.4.1968), auch wenn Teile dieser ihr gymnasiales Los per Gesamtschule zu überwinden trachten mögen (vgl. Mai 1968) sowie natürlich vermittels der Eingliederung der ehemals proletarischen Schüler vom Zweiten Bildungsweg (ZBW) bzw. vom Berlin-Kolleg (BK – vgl. Juli 1968). Damit endet dieses derzeit erste Kapitel zur Berliner antiautoritären Schüler- und Lehrlingsbewegung, da nun die Ära des legendären Nachrichtenblattes beginnt.


Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

26.02.1967:
Im Frankfurter Walter-Kolp-Heim wird, laut Haug/Maessen, auf einem Treffen von 40 Schülern aus 15 Städten zunächst vorläufig das Aktionszentrum Unabhängiger Sozialistischer Schüler (AUSS) gebildet (vgl. Jan. 1967, 18.3.1967). In einem kommissarischen Vorstand, "der die Kommunikation unter den bereits bestehenden Gruppen und Hilfeleistung bei Neugründungen besorgen sollte", arbeitet u.a. der Schüler Michael Lukasik (Berlin). Sitz des AUSS sind die Räume des Bundesvorstandes des SDS in Frankfurt, Wilhelm Hauff Str.5.

Laut 'Erziehung und Klassenkampf' nehmen auch Vertreter von USG Berlin (vgl. 2.2.1967) und USSB Göttingen (vgl. 17.2.1967) teil.
=Erziehung und Klassenkampf Nr.2,Frankfurt 1971,S.18;
Langguth,Gerd:Schulkampf als Klassenkampf,Bonn 1975,S.31f;
Haug,Hans-Jürgen,Maessen,Hubert:Was wollen die Schüler?,Frankfurt 1969,S.32


17.06.1967:
Im Frankfurter Haus der Jugend findet, laut Haug/Maessen, die 1. DK des AUSS (vgl. 18.3.1967, 18.9.1967) statt, auf der Schüler aus 26 Städten 13 Stunden lang u.a. um Namen und Resolutionen diskutierten, wobei sich die Ruhrgebietsgruppen durch Geschäftsordnungsdebatten auszeichneten.

Ezra Gerhard (Berlin) wird führender Funktionär des AUSS, ebenso wie später der Roten Garde MLJO Westberlin und der KPD/ML (Bundesbeauftragter für die RG).

Dem AUSS gehören, laut Hüffel, u.a. folgende Schülergruppen an:
Unabhängige Schülergemeinschaft (USG) Berlin.
=Erziehung und Klassenkampf Nr.2,Frankfurt 1971;
Hüffel,Angelika:Schülerbewegung 1967-77,Gießen 278,S.24ff;
Haug,Hans-Jürgen,Maessen,Hubert:Was wollen die Schüler?,Frankfurt 1969,S.34ff und 67;
Schulkampf Nr.3,Berlin Dez. 1972


Juli 1967:
In Berlin erscheint ein Flugblatt des Aktionskreis Schülerselbsthilfe (ASH) "Forderungen von Schülern".
=ASH:Forderungen von Schülern,o. O. Juli 1967

ASH Juli 1967

23.01.1968:
In Westberlin erscheint frühestens heute ein Aufruf der Arbeitsgemeinschaften 10 und 17 der Kritischen Universität (KU) zur Gründung eines Aktionszentrums für Schüler.
=KU-AG 10 und 17:Aufruf zur Gründung eines Aktionszentrums für Schüler,Berlin o. J. (1968)

Kritische Universität, 1968, Seite 1

Kritische Universität, 1968, Seite 2

Kritische Universität, 1968, Seite 3

Kritische Universität, 1968, Seite 4


März 1968:
In Berlin erscheint ein Flugblatt des Aktionskreis Schülerselbsthilfe (ASH) als Information Nr.1 zu Klassenarbeiten und Sexualerziehung. Ebenfalls im März erscheint die Information Nr.2 zur Versetzungsordnung.
=ASH:Information Nr.1 und 2,Berlin März 1968

ASH, März 1968, Nr. 1, Seite 1

ASH, März 1968, Nr. 1, Seite 2

ASH, März 1968, Nr. 2, Seite 1

ASH, März 1968, Nr. 2, Seite 2


März 1968:
In Berlin erscheint eventuell im März ein Flugblatt "Wem nützen unsere Berichtshefte?", welches von Ezra Gerhardt, Alf Böhmert Michael Witte und Norbert Deutschmann unterzeichnet ist.
=Ezra Gerhardt, Alf Böhmert Michael Witte und Norbert Deutschmann:Wem nützen unsere Berichtshefte?,o. O. o. J.

Flugblatt: Wem nützen unsere Berichtshefte?


11.03.1968:
In Berlin erscheint vermutlich zu Beginn dieser Woche ein Flugblatt "Berufsschüler!" welches diese zu einer Versammlung in der TU am 15.3.1968 aufruft und von Michael Witte, Norbert Deutschmann, Ezra Gerhardt und Alf Böhmert unterzeichnet ist.
=Michael Witte, Norbert Deutschmann, Ezra Gerhardt und Alf Böhmert:Berufsschüler!,o. O. o. J.

Flugblatt: Berufsschüler!


15.03.1968:
In Berlin erscheint spätestens heute aufgrund einer Initiative von Oberschülern ein Flugblatt "Das große Schweigen" zum Biafrakrieg.
=Das große Schweigen,O. o. O. J.

Flugblatt: Das große Schweigen


15.03.1968:
In Berlin sollen eine Berufsschülerversammlung in der TU stattfinden.
=Michael Witte, Norbert Deutschmann, Ezra Gerhardt und Alf Böhmert:Berufsschüler!,o. O. o. J.

25.03.1968:
In Berlin erscheint in dieser Woche ein Flugblatt des Aktionskreis Schülerselbsthilfe (ASH) als Information Nr.3 zu den Vorfällen bei der Abiturfeier der Beethovenschule.
=ASH:Information Nr.3,Berlin März 1968

ASH, März 1968, Nr. 3


30.03.1968:
In Berlin wurde für 12 Uhr auf dem Theodor-Heuß-Platz zu einem Zeugnisverbrennungshappening aufgerufen.
=Anonymer Aufruf,O. O. O. J.

April 1968:
In Berlin erscheint eventuell im Frühjahr 1968 ein Flugblatt für die Demokratisierung des Berliner Schülerparlaments (BSP).
=Ezra Gerhardt u.a.: Die Bemühungen,O. O. O. J.

Flugblatt: Die Bemühungen ...


April 1968:
In Berlin erscheint vermutlich im April ein Flugblatt "Lehrlinge" welches zur Maidemonstration in Neukölln aufruft und von Alf Böhmert, Ezra Gerhardt, Simon Kleebauer, Michael Witte und Norbert Deutschmann unterzeichnet ist.
=Alf Böhmert, Ezra Gerhardt, Simon Kleebauer, Michael Witte und Norbert Deutschmann:Lehrlinge,o. O. o. J.

Flugblatt: Lehrlinge


April 1968:
In Berlin erscheint vermutlich im April ein Flugblatt "Was bedeutet der 1.Mai in Berlin?" welches die Schüler zur Maidemonstration in Neukölln aufruft und von Alf Böhmert, Ezra Gerhardt, Simon Kleebauer, Michael Witte und Norbert Deutschmann unterzeichnet ist.
=Alf Böhmert, Ezra Gerhardt, Simon Kleebauer, Michael Witte und Norbert Deutschmann:Was bedeutet der 1.Mai in Berlin,o. O. o. J.

Flugblatt: Was bedeutet der 1. Mai in Berlin?


April 1968:
In Berlin erscheint vermutlich im April ein anonymes Flugblatt mit dem Aufruf zum 1.Mai und dem Mailied von Klaus Schütz, welches von Farbe und Format her bereits an spätere Rote Garde Flugblätter erinnert.
=Heraus zur ersten oppositionellen Maikundgebung,O. O. O. J.

Heraus zur ersten oppositionellen Mai_Kundgebung am 1. Mai 1968

1._Mai_Lied des Regierenden Klaus


April 1968:
In Berlin erscheint ein Flugblatt des Aktionskreis Schülerselbsthilfe (ASH) mit dem Aufruf zum 1.Mai.
=ASH:Aufruf 1,O. O. April 1968

ASH, April 1968, Aufruf zum 1. Mai


April 1968:
In Berlin erscheint ein Flugblatt des Aktionskreis Schülerselbsthilfe (ASH) als Information Nr.4 zur Disziplinarordnung.
=ASH:Information Nr.4,Berlin April 1968

ASH, März 1968, Nr. 4, Seite 1

ASH, März 1968, Nr. 4, Seite 2


15.04.1968:
Am Kantgymnasium Berlin erscheint vermutlich Mitte April ein Flugblatt "Warum rote Fahnen?" zu den Protesten gegen das Attentat auf Rudi Dutschke.
=Warum rote Fahnen?,O. O. O. J.

Flugblatt Warum rote Fahnen?, Seite 1

Flugblatt Warum rote Fahnen?, Seite 2


Mai 1968:
In Berlin erscheint ein Flugblatt des Aktionskreis Schülerselbsthilfe (ASH) als Information Nr.5 zur Gesamtschule.
=ASH:Information Nr.5,Berlin Mai 1968
ASH, Mai 1968, Nr. 5, Seite 1

ASH, Mai 1968, Nr. 5, Seite 2


Juli 1968:
In Berlin erscheint vermutlich ein Flugblatt des Aktionskreis Schülerselbsthilfe (ASH) als Information Nr.6 zum Streik am Berlin-Kolleg.
=ASH:Information Nr.6,Berlin o. J.
ASH, Juli 1968, Nr. 6, Seite 1

ASH, Juli 1968, Nr. 6, Seite 2



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