Berlin: Die Erschießung von Georg von Rauch am 4.12.1971

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 4.6.2015

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Über das Leben des Georg von Rauch ist in dieser, wie immer unvollständigen, Darstellung bisher kaum etwas zu erfahren, außer seiner Flucht aus der Haft mit Hilfe von Thomas Weisbecker.

Die Erschießung von Georg von Rauch im Zuge der Terroristenfahndung war nach der Tötung von Petra Schelm in Hamburg der zweite polizeiliche Todesschuß in diesem Rahmen, bald darauf folgten die Erschießungen von Thomas Weisbecker in Augsburg und von Richard Epple in Herrenberg bei Tübingen, wobei in der linken Presse anläßlich dieser Todesschüsse auch immer wieder auf Georg von Rauch Bezug genommen und die umfassende Repression angeprangert wurde.

In West-Berlin demonstrierten Linke nicht allein ihre Solidarität und bemühten sich, die Umstände des Todes von Rauchs zu klären, sondern es wurde auch ein besetztes Haus in Kreuzberg nach Georg von Rauch benannt.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Oktober 1969:
Georg von Rauch und Dieter Kunzelmann nehmen, laut Langguth, Kontakte zu palästinensischen Organisationen auf.
Quelle: Langguth, Gerd: Protestbewegung, Köln 1983, S. 204

16.07.1971:
Laut Proletarische Front – Gruppe Hamburg (PFGH – vgl. 26.7.1971) versammeln sich heute 200 Menschen in der Universität und planen gegen die Erschießung von Petra Schelm am Vortag (vgl. 15.7.1971, 20.7.1971) zu demonstrieren, was aber durch die anwesende Polizei verhindert wird. Daraufhin sei in der Wiso ein improvisiertes Teach-In zu Petra Schelm, Georg von Rauch und Thomas Weisbecker durchgeführt worden.
Q: PF-GH: Der Kampf geht weiter!, Hamburg o. J. (1972)

Dezember 1971:
In West-Berlin erscheint die 'Fizz' Nr. 10 (vgl. Nov. 1971) vermutlich im Dezember mit Georg von Rauch auf dem Titelbild und einem Gedicht zu ihm und Petra Schelm sowie der "Presseerklärung der Roten Hilfe. Mord an Georg".
Q: Fizz Nr. 10, Berlin o. J. (1971), S. 1f

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Dezember 1971:
In Hamburg gibt der Kommunistische Oberschulbund (KOB) Hamburg des KB erstmals sein 'Sozialistisches Schüler-Forum' (SSF - vgl. Jan. 1972) heraus mit dem Artikel "Neuer politischer Mord!" zu Georg von Rauch in Berlin (vgl. 4.12.1971).
Q: Sozialistisches Schüler Forum Nr. 1, Hamburg Dez. 1971, S. 10

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Dezember 1971:
Die SdKB Hamburg geben ihre 'Rote Presse' – Sozialistische Hamburger Studentenzeitung Nr. 2 (vgl. Nov. 1971, 3.12.1971) heraus. Zum Tod von Georg von Rauch wird gefragt: "Politischer Mord an der Tagesordnung?".
Q: Rote Presse Nr. 2, Hamburg Dez. 1971, S. 17

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03.12.1971:
Laut AStA der PH Dortmund (vgl. 19.1.1972) berichtet der 'Spiegel' Nr. 53 über heute:"
Die Westberliner Polizei ermittelte, von Rauch sei 'zum harten Kern der Meinhofgruppe (RAF, d.Vf.) gestoßen'. Er kommt auf die Fahnungsliste."

Die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg (vgl. 26.1.1972) berichtet von heute und morgen:"
Als Georg von Rauch in Westberlin gesichtet wurde, veranstaltete der Westberliner Polizeipräsident am 3.12. eine Pressekonferenz, auf der Georg von Rauch zum ersten Mal zur sogenannten Baader-Meinhof-Gruppe gezählt wurde. Im Rahmen dieser Pressekonferenz wurde eine großangelegte Jagd nach Mitgliedern der sogenannten Baader-Meinhof-Gruppe angekündigt. Knapp 30 Stunden später war Georg von Rauch ermordet."

Berichtet wird auch durch den SB Braunschweig (vgl. Juni 1972).
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 6, Dortmund 19.1.1972, S. 6; Arbeiter-Zeitung Nr. 1, Mannheim Jan. 1972, S. 6;Rote Universitätszeitung Nr. 1, Braunschweig Juni 1972, S. 2

04.12.1971:
In Berlin wird Georg von Rauch von Staatskräften erschossen (vgl. 19.3.1972).

Der AStA der PH Dortmund (vgl. 19.1.1972) berichtet von der Presse (vgl. 9.12.1971, 18.12.1971):"
W-Berlin, Eisenacherstraße, ca. 17.25 Uhr: Der 24-jährige Georg von Rauch wird unter zunächst unklaren Umständen erschossen.

In den folgenden Tagen überstürzen sich Meldungen, die sich widersprechen. Der angeblich schwerverletzte Kriminalobermeister Hans-Joachim Schultz entpuppt sich als Kriminalhauptmeister mit einem Streifschuß (er hat letzten Meldungen zufolge Rauch erschossen).

Plötzlich sollen es einige Genossen des Rauch gewesen sein, die die tödliche Kugel abschossen."

Die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg (vgl. 26.1.1972) berichtet von gestern und heute:"
AUSBAU DES STAATLICHEN UNTERDRÜCKUNGSAPPARATES
ZUR ERMORDUNG VON GEORG VON RAUCH

Am 4. Dezember 1971 wurde in Westberlin der 24-jährige Georg von Rauch von einem Polizisten erschossen. Gegen Georg von Rauch lag ein Haftbefehl vor, da er eine Freiheitsstrafe, zu der er wegen einer Schlägerei mit einem Journalisten verurteilt worden war. nicht angetreten hatte. Grund der Schlägerei war ein Interview, das Georg von Rauch einem Journalisten der Illustrierten Quick gegeben hatte und das dieser völlig entstellt veröffentlicht hatte. …

Dieser Mord an Georg von Rauch durch die Polizei ist Teil des zunehmenden Terrors durch den staatlichen Unterdrückungsapparat. Der Polizei in Westberlin gelang es nicht, den Mord auf andere zu schieben. Sie verwickelt sich jetzt immer mehr in ihre eigenen Lügen. Mit der Verfolgung von sogenannten politisch Radikalen, was bis zur Ermordung reicht, wird versucht, den systematischen Ausbau des staatlichen Unterdrückungsapparates in der Öffentlichkeit zu begründen."

Die KPD (vgl. 11.2.1972) berichtet aus München vom Prozeß gegen Johann von Rauch (vgl. 4.2.1972) und gibt bekannt, daß "in Westberlin in der Nähe der Stelle, wo Georg v. Rauch getötet wurde, 'zufällig' Aufzeichnungen der sog. Baader-Meinhof-Bande gefunden wurden und die kriminaltechnische Untersuchung zwei Monate nach der Tat doch noch 'beweist', daß die 'Baader-Meinhof-Bande' geschossen hat".

In der 'BZ' des Axel-Springer-Verlags heißt es von Wolfgang Schöne, H.-J. Nicolai, Peter Finken, Peter Auer:"
DAS WAR GEORG V. RAUCH

Georg von Rauch, der am Sonnabend bei einer Schießerei tödlich getroffen wurde, galt in eingeweihten Kreisen als einer der radikalsten Anarchisten in Berlin. Am 12. Mai 1947 in Marburg geboren, kam von Rauch bereits vor einigen Jahren nach Berlin und ließ sich an der FU als Student der Philosophie einschreiben. Schon zur Zeit der gewaltsamen Demonstrationen machte von Rauch mit der Polizei Bekanntschaft. Später schloß er sich Anarchistengruppen an. Er ist vermutlich mitverantwortlich für eine Reihe von Brandstiftungen, Bombenanschlägen und anderen Straftaten.

Gegen ihn liefen Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch beim Landratsamt Bamberg und in Berlin wegen Widerstandes bei der alliierten Parade im Mai 1970 sowie wegen menschengefährdender Brandstiftung in der Bank für Gemeinwirtschaft im Herbst 1970.

Georg von Rauch war am 6. Februar 1970 nach einem Überfall auf einen Quick-Journalisten zusammen mit zwei Komplicen festgenommen, nach kurzer Haft jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Weil er seinen gerichtlichen Auflagen nicht nachkam, wurde er im Oktober 1970 erneut verhaftet.

Während des Prozesses gegen ihn wegen versuchten Raubes, Freiheitsberaubung und versuchter Nötigung am 8. Juli dieses Jahres gelang es ihm, durch einen Trick zu entkommen. An Stelle seines auf Gerichtsbeschluß zu entlassenen Mitangeklagten Thomas Weisbecker hatte sich von Rauch aus dem Gerichtssaal entfernt. Als die Verwechslung bemerkt wurde, war er verschwunden.

Nach letzten Erkenntnissen der Polizei ist der 24jährige offensichtlich erst danach zum harten Kern der Baader-Meinhof-Bande gestoßen. Zuletzt war er von einem Beamten der Abteilung 1 vor etwa zwei Wochen im KaDeWe erkannt worden. Er konnte sich jedoch der Festnahme in dem überfüllten Kaufhaus entziehen."

Berichtet wird auch durch die KPD (vgl. 14.6.1972) und in:
- Berlin durch die MLHs (vgl. 6.12.1971), eine Aktionseinheit (vgl. 1.7.1972) und durch die KPD/ML-ZB (vgl. 28.6.1972), u.a. bei Osram (vgl. 12.1.1972) und bei der AEG Brunnenstraße (vgl. 23.3.1972);
- Hamburg durch die SdKB (vgl. Dez. 1971) und den KOB (vgl. Dez. 1971);
- Niedersachsen durch das Sozialistische Aktionskollektiv (SAK) Clausthal-Zellerfeld (vgl. Juli 1972) und die Kommunistische Schülerfront (KSF) Göttingen (vgl. 28.4.1972);
- NRW in Dortmund durch die Ortsgruppe (OG) der Roten Hilfe (RH) e.V. der KPD (vgl. 10.11.1974, 11.11.1974, 15.11.1974) und durch die RH der KPD/ML (vgl. 16.11.1973) und in Herne durch die ASS (vgl. Mai 1972, Nov. 1972).
Q: Herner Schülerpresse, Herne Mai 1972 bzw. Nov. 1972, S. 6 bzw. S.8; RH Dortmund: Aufruf der Roten Hilfe Dortmund an alle Freunde, Kollegen und Genossen in Westdeutschland: Verteidigt die revolutionäre Organisations- und Meinungsfreiheit, Dortmund 16.11.1973, S. 1;RH e.V.-OG Dortmund: Holger Meins - im Gefängnis ermordet!, Dortmund o.J. (Nov. 1974), S. 1;RH e.V.-OG Dortmund: Verhindert weitere Morde an politischen Gefangenen! Version A und B, Dortmund o.J. (Nov. 1974), S. 1;AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 6, Dortmund 19.1.1972, S. 6f;Arbeiter-Zeitung Nr. 1, Mannheim Jan. 1972, S. 6;BZ Nr. 283, Berlin 6.12.1971, S. 4;Rote Fahne Nr. 36 und 47, Berlin bzw. Dortmund 11.2.1972 bzw. 14.6.1972, S. 9 bzw. S. 1;Rotlicht Nr. 28, Berlin 12.1.1972, S. 5;Schulkampf Nr. 2, Göttingen 1.5.<1972>, S. 7;Der AEG-Arbeiter Nr. 36, Berlin 23.3.1972, S. 1;Der Rote Schaltwerker Nr. 15, Berlin 15.2.1972;Erziehung und Klassenkampf Nr. 7, Frankfurt 1972, S. 18;KPD/ML-ZB, KJVD, OGML, PEF, KSG, SGdKB, SGK: Aufruf zur Demonstration Kampf dem Bonner Notstandskurs, Berlin o.J. (Juni 1972), S. 1;KPD/ML-ZB: Extrablatt der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten, Berlin 28.6.1972, S. 1;Der Kampf der Arbeiterjugend Nr. 1 und 3, Bochum Jan./Feb. 1972 bzw. Apr. 1972;MLHG, MLHPol, MLHPh, MLHBau, MLHKybEl, IGRom, SSKÖk/TU, RotzÖk/ML: Georg von Rauch erschossen, Berlin 6.12.1971;Rote Aktion Nr. 8, Clausthal-Zellerfeld Juli 1972, S. 8;Rote Presse Nr. 2, Hamburg Dez. 1971, S. 17;Sozialistisches Schüler Forum Nr. 1, Hamburg Dez. 1971, S. 10

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06.12.1971:
Der AStA der PH Dortmund (vgl. 26.1.1972) druckt folgenden Brief des Vaters von Georg von Rauch an den Berliner FDP-Vorsitzenden Oxfort nach, der vermutlich aus dieser Woche stammt und im 'Berliner Extra Dienst' (BED) Nr. 4/VI*15/1972 veröffentlicht wurde:"
Sehr geehrter Herr Oxfort,
die AP-Nachricht in den heutigen Zeitungen über den Offenen Brief der FDP an Innensenator Neubauer gibt mir Veranlassung, Ihnen zu schreiben.

Meinem am 4.12.1971 in Berlin durch Kopfschuß getöteten Sohn Georg kann ich nicht mehr helfen. Wohl aber bin auch ich als Staatsbürger daran interessiert, daß die damit zusammenhängenden Vorgänge nicht vernebelt werden. Auf dem Spiel steht, in der Bundesrepublik und in Westberlin, nicht mehr und nicht weniger als das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (im übrigen: ich habe die politischen Wege meines Sohnes abgelehnt, aber nie mit ihm gebrochen. Ich habe versucht, dem Realitätsverlust dieser jungen Radikalen entgegenzuwirken).

Es geht uns, nach bitteren Erfahrungen der letzten Jahre, um zweierlei:

1.) Die Eskalation der Gewalt auf beiden Seiten. Die Radikalität einiger Gruppen der APO ist zweifellos eine ernste Sorge. Hier steht zunächst die andere Seite im Vordergrund: die wachsende Brutalität des polizeilichen Einsatzes, die fast immer ungeahndet bleibt (Freispruch Kurras, Bewährungsstrafe für den Polizeibeamten, der einen Autodieb durch Genickschuß niederstreckt u.a.m.).

Nach den bisherigen verworrenen Mitteilungen der Berliner Polizeistellen ist völlig unerfindlich, warum mein Sohn durch Kopfschuß aus nächster Nähe erschossen werden mußte, da er selbst keine Waffe hatte. Bei Fluchtgefahr gibt es andere Möglichkeiten, diese zu verhindern. Der Polizeibeamte MUSS zur Verantwortung gezogen werden. Ich habe bereits Klage gegen Unbekannt eingereicht.

2.) Der Entschluß meines Sohnes, im Juli 1971 aus dem Gerichtssaal zu fliehen und sich einer erneuten Verhaftung zu entziehen, erklärt sich nicht zum mindesten aus seinen Erfahrungen im Untersuchungsgefängnis Moabit, wo er vom Februar 1970 an (mit einigen Unterbrechungen) gesessen hat. Warum hat keine Zeitung, keine Organisation etc. diese Mißstände dort je aufgegriffen?

Verschärfte Haft (weil er sich zur Wehr setzte, als ein Gefängnisbeamter ihm sein Kind entreißen wollte, das ihn besuchte und in seine Arme lief!) das bedeutete dort:

nur jeden dritten Tag warmes Essen; tags Halbdunkel, keine Bücher außer der Bibel; nachts alle halbe Stunde angestrahlt; Briefe beschlagnahmt; Beschwerde des Anwalts ohne Folgen: Hungerstreik.

Mein Sohn hat diese Verhältnisse in der Gerichtssitzung im Juli 1971, als er das Wort bekam, angeprangert, er konnte aber nicht ausreden: die Presse hat geschwiegen, sein Appell verhallte. Eine Eingabe meiner Frau an Frau Heinemann, die damals gerade nach Berlin reiste, blieb ergebnislos.

Ein Einzelfall? Leider exemplarisch für die deutsche Justizmisere unserer Tage.

Ich bin sicher, daß Sie zur Unterstützung Ihrer parlamentarischen Anfrage Material von Rechtsanwalt H. Chr. Ströbele, Berlin 15, Meierottostraße 1, bekommen können. Er vertritt jetzt auch meine Klage. Es ist Demagogie, wenn ein Teil der Presse ihn dadurch zu diskreditieren sucht, daß sie darauf hinweist, er habe ein gemeinsames Büro mit Mahler gehabt.

Ich habe volles Vertrauen zu seiner demokratischen Rechtsstaatlichkeit. Es geht mir nicht um meinen toten Sohn allein, obwohl ich mich stets dagegen wenden werde, daß sein Bild völlig verzerrt wird.

Es geht mir darum, daß polizeistaatliche Methoden nicht noch weitere Opfer fordern.

Mit besten Empfehlungen Ihr Georg von Rauch."
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 7, Dortmund 26.1.1972, S. 19

06.12.1971:
Spontane Solidaritätsdemonstration für Georg von Rauch in Berlin.

Die ADSen der SEW lehnen eine Beteiligung ab.

Aufgerufen zur Demo ab TU wird u.a. heute durch die MLHs.

Laut Proletarische Front Gruppe Hamburg (PFGH – vgl. März 1972) beteiligen sich 3 000 Leute.
Q: PF-GH Nr. 4, Hamburg März 1972; Erziehung und Klassenkampf Nr. 7, Frankfurt 1972, S. 18;MLHG, MLHPol, MLHPh, MLHBau, MLHKybEl, IGRom, SSKÖk/TU, RotzÖk/ML: Georg von Rauch erschossen, Berlin 6.12.1971

06.12.1971:
Die FU-Chronik berichtet:"
HOCHSCHULTAGE AN DER FU

An der FU wird auf Initiative des Akademischen Senats und linksgerichteter Kreise (u.a. des "Aktionsbündnisses von Demokraten und Sozialisten") der erste von zwei Hochschultagen durchgeführt. Wichtigste Themen sind die Gesamthochschulplanung und das Hochschulrahmengesetz. Um den Studenten eine Teilnahme an den Veranstaltungen zu gestatten, werden alle Vorlesungen abgesagt. Einige Hochschullehrer legen dagegen beim Senator Dienstaufsichtsbeschwerde ein, weil die Absage ohne Konsultation mit den zuständigen Gremien erfolgt und weil sie zu kurzfristig angeordnet war. An den Podiumsdiskussionen im Audimax nehmen Vertreter des Senats, die Rektoren der beiden Universitäten, Studentenvertreter und Vertreter von GEW, BAK, VDS und BDI teil. Von den Parteien sind Mitglieder der SEW und der "Aktionsgemeinschaft Unabhängige Deutsche" anwesend. Während der Diskussionen liefern sich linke Studentengruppen heftige Wortgefechte, ja es kommt sogar zu einer Schlägerei um das Mikrofon. Im Saal flattern Papierschwalben und von den Zuhörern wird eine Erweiterung des Themas auf die Fälle Kunzelmann und Rauch gefordert. Am zweiten Tag veranstalten die ADS, die GEW und die SEW ein Demonstration zum Sitz des Senators, weil sie mit dem Gesamthochschulplan nicht einverstanden sind. Der Plan baue, wie auch schon auf einer Versammlung von 500 Studenten des Fachbereichs Philosophie und Sozialwissenschaften am 25. November betont worden war, demokratische Rechte ab und bedeute eine Einschränkung der Autonomie der Universitäten. Senator Stein ist bei den Sitzungen nicht anwesend."
Q: FU-Chronik. Datei D6.

06.12.1971:
An FU, PH und TU Berlin geben MLHG, MLHPol, MLHPh, MLHBau, MLHKybEl, die IG (Initiativgruppe) Romanistik, das SSKÖk/TU und die RotzÖk/ML ein Flugblatt "Georg von Rauch erschossen" zur Erschießung Georg von Rauchs in Berlin (vgl. 4.12.1971) heraus.
Aufgerufen wird zur heutigen Demonstration und zum Teach In am Donnerstag (vgl. 9.12.1971).
Q: MLHG, MLHPol, MLHPh, MLHBau, MLHKybEl, IGRom, SSKÖk/TU, RotzÖk/ML: Georg von Rauch erschossen, Berlin 6.12.1971

06.12.1971:
Vermutlich Anfang dieser Woche erscheint ein Extra "Kampf dem staatlichen Terror!" des Berliner 'Hochschulkampf' (vgl. 29.11.1971, 16.12.1971) mit dem Aufruf von Roten Zellen, Roter Hilfe (RH) und Hochschulkampf zur Demonstration am 9.12.1971 gegen die Erschiessung von Georg von Rauch.
Q: Hochschulkampf Extra Kampf dem staatlichen Terror!, Berlin o. J. (Dez. 1971)

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06.12.1971:
In Hamburg ruft ein anonymes Flugblatt zum Teach-In um 19 Uhr im Hörsaal Phil D der Uni über den Tod von Georg von Rauch und die RAF auf.
Q: N.N: letzte Woche stellte…, o. O. (Hamburg) 6.12.1971

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07.12.1971:
Bei Borsig Berlin gibt die KPD die Nr. 6 ihrer 'Kommunistischen Arbeiterpresse' (vgl. 14.9.1971, 4.1.1972) heraus, deren 6 Seiten noch ein zweiseitiger 'Rote Fahne' Sonderdruck "Zur Ermordung Georg v. Rauchs" beigeheftet ist. Es wird u.a. noch zur Vietnamveranstaltung der LgdI am 10.12.1971 aufgerufen, was aber durch den 'Rote Fahne' Sonderdruck korrigiert wird, da die Veranstaltung wegen der 'Ermordung' von Georg von Rauch verschoben werden mußte (vgl. 17.12.1971).
Q: Kommunistische Arbeiterpresse - Ausgabe Borsig Nr. 6, Berlin 7.12.1971; Rote Fahne Sonderdruck Zur Ermordung Georg v. Rauchs, Berlin Dez. 1971

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08.12.1971:
In der 'BZ' berichtet L.R.:"
TUMULTE IN KREUZBERG

Nach einem Teach-in in der Technischen Universität zum Tode des Mitglieds der Baader-Meinhof-Bande, Georg von Rauch, fuhren gestern abend etwa 300 Teilnehmer dieser Veranstaltung zum ehemaligen Bethanien-Krankenhaus in Kreuzberg. In einem Flugblatt war zu einer "Besetzung" aufgerufen worden."
Q: Der Tagesspiegel, Berlin 9.12.1971, S. 10; BZ Nr. 286, Berlin 9.12.1971, S. 4

08.12.1971:
Die MLHs an FU, PH und TU Berlin, d.h. dieses Mal SSKÖk/TU, MLHG, MLHPol, MLHPh, MLHBau, MLHKybEl und die RotzÖk/ML-Fraktion geben in Zusammenarbeit mit dem KB/ML ein Flugblatt "Die Angriffe der Bourgeoisie organisiert abwehren" zur Erschießung Georg von Rauchs in Berlin (vgl. 4.12.1971) heraus.
Aufgerufen wird zum morgigen Teach In.
Q: MLH: Die Angriffe der Bourgeoisie organisiert abwehren, Berlin 8.12.1971

09.12.1971:
Der AStA der PH Dortmund (vgl. 19.1.1972) berichtet von den Pressemeldungen (vgl. 18.12.1971) zur Erschießung von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971):"
Die 'Berliner Morgenpost' schreibt noch sehr verhalten am 9/12/71, daß ein vierter Schütze von der anderen Straßenseite geschossen haben muß.'"
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 6, Dortmund 19.1.1972, S. 6

09.12.1971:
In Berlin soll um 14 Uhr 30 ab Tu eine Demonstration und zuvor um 13 Uhr ein Teach-in im Audimax der TU Berlin zur Erschießung von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971) stattfinden.

Aufgerufen wurde u.a. durch die MLHs an FU, PH und TU (vgl. 6.12.1971, 8.12.1971), aber auch die Rote Hilfe Westberlin.
Q: MLH: Die Angriffe der Bourgeoisie organisiert abwehren, Berlin 8.12.1971; MLHG, MLHPol, MLHPh, MLHBau, MLHKybEl, IGRom, SSKÖk/TU, RotzÖk/ML: Georg von Rauch erschossen, Berlin 6.12.1971;Erziehung und Klassenkampf Nr. 7, Frankfurt 1972, S. 18;RH: Solidarität ist eine Waffe, O. O. (Berlin) o. J. (1971)

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10.12.1971:
Die Nr. 145 der 'Roten Presse-Korrespondenz' (RPK - vgl. 3.12.1971, 17.12.1971) erscheint mit den Artikeln "Schluss mit den Bürgerkriegsmanövern der Polizei. Beiträge vom Teach-in des KSV am 8.12." der untergliedert ist in: "1. Zur Ermordung Georg v. Rauchs", "2. Stellungnahme der KPD auf dem KSV-Teach-in", "3. Die Zentralisierung der Unterdrückungsorgane des Staatsapparates" und "4. Der Kampf der Kommunisten gegen den Abbau demokratischer Rechte" und "Presseerklärung des Rote-Hilfe-Komitee Westberlin" (RHK) zu Georg von Rauch.
Q: Rote Presse-Korrespondenz Nr. 145, West-Berlin, 10.12.1971, S. 1ff

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10.12.1971:
In Berlin führt die LgdI heute kein Solidaritätsmeeting im Gaußsaal der Gaußakademie unter dem Motto "Unterstützen wir den Kampf der indochinesischen Völker und den Aufbau des Sozialismus in der DRV" durch, da eine Protestversammlung der KPD und der LgdI gegen die Erschießung Georg von Rauchs bzw. die "Bürgerkriegsmanöver des Westberliner Senats" dringlicher ist. Das Meeting aber wird nachgeholt am 16.12.1971.
Q: Rote Fahne Nr. 31 und 32, Berlin 3.12.1971 bzw. 17.12.1971, S. 1 bzw. S. 6; LgdI: Rundbrief Nr. 4, Berlin 1971;Rote Fahne Sonderdruck Zur Ermordung Georg von Rauchs, Berlin Dez. 1971;LgdI: LgdI, Berlin o.J. (10.12.1971);Rote Presse Korrespondenz Nr. 145, Berlin 10.12.1971, S. 12

13.12.1971:
Die Rote Hilfe Westberlin gibt vermutlich Anfang dieser Woche das Flugblatt "Solidarität als Waffe!" zu Georg von Rauch heraus. Aufgerufen wird zum Teach-In am 16.12.1971 im Audimax der TU.
Q: RH: Solidarität als Waffe!, Berlin o. J. (1971)

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13.12.1971:
An der FU Berlin gibt das vermutlich von der RotzÖk/ML initiierte Vorbereitungskollektiv am Fachbereich 10 für einen Kongreß gegen politische Disziplinierung vermutlich in dieser Woche eine Dokumentation "Politische Disziplinierung" heraus, in der u.a. vom Verhalten bzgl. der Georg v. Rauch-Demonstration (vgl. 6.12.1971) berichtet wird.
Q: Vorbereitungskollektiv am Fachbereich 10 für einen Kongreß gegen politische Disziplinierung: Politische Disziplinierung, Berlin. o.J.

16.12.1971:
Es erscheint der Berliner 'Hochschulkampf' Nr. 22 (vgl. 6.12.1971, 24.1.1972) der früher der PL/PI befreundeten Roten Zellen mit dem Leitartikel "Von Rauch hingerichtet. Wie reagierte die Linke" und einem Diskussionsbeitrag der Rotzknast.
Q: Hochschulkampf Nr. 22, Berlin 16.12.1971, S. 1f und

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17.12.1971:
Die Nr. 146/147 der 'Roten Presse-Korrespondenz' (RPK - vgl. 10.12.1971, 31.12.1971) erscheint mit den Artikel "Gegen die Bürgerkriegsmanöver der Polizei: Rede eines Genossen der KPD auf der Protestveranstaltung der Liga gegen den Imperialismus" zu Georg von Rauch am 10.12.1971 und "Strafanzeige gegen unbekannte Polizisten" von Klaus Eschen, Horst Mahler und Hans-Christian Ströbele wegen dem Tod von Georg von Rauch.
Q: Rote Presse-Korrespondenz Nr. 146/147, West-Berlin, 17.12.1971, S. 3ff

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17.12.1971:
Die KPD gibt die Nr. 32 ihrer „Roten Fahne” heraus mit den Artikeln "Die Fakten beweisen: Mord!" zu Georg von Rauch und "Zur Ermordung Georg von Rauchs - Protestversammlung der KPD" am 10.12. von KPD und Liga "gegen die Ermordung v. Rauchs".
Q: Rote Fahne Nr. 32, Berlin 17.12.1971, S. 1 und 6

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17.12.1971:
In Berlin gibt das Solidaritätskomitee Georg von Rauch das Flugblatt "Wie starb Georg von Rauch?" heraus mit dem Leitartikel "Was geschah wirklich?".

Weitere Artikel sind:
- "Die Polizei";
- "Interview. Diskussion zwischen einem Arbeiter (A) und einem Linken (B)";
- "Was wir brauchen - müssen wir uns nehmen!" zur Besetzung des Georg-von-Rauch-Hauses am 8.12.1971;
- "Springer als nächstes?"; sowie
- "DGB Resolution" des LBJA vom 13.12.1971 für das Rauch-Haus.
Q: Solidaritätskomitee Georg von Rauch: Wie starb Georg von Rauch?, Berlin 17.12.1971

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18.12.1971:
Der AStA der PH Dortmund (vgl. 19.1.1972) berichtet von den Pressemeldungen (vgl. 9.12.1971, 27.12.1971) zur Erschießung von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971):"
Am 18/12/71 macht der 'Berliner Extra Dienst' (BED, d.Vf.) mit folgender Schlagzeile auf: 'Rauch-Tötung bei Feuergefecht - Verfassungsschutz gegen Polizei.'"
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 6, Dortmund 19.1.1972, S. 6f

20.12.1971:
In Berlin dringt Polizei in die Redaktionsräume der 'RPK' ein und beschlagnahmt die 'RPK' 146/147, in der ein Artikel zum Tode Georg von Rauchs (vgl. 4.12.1971) abgedruckt ist, worin dessen Erschiessung als Mord bezeichnet wird. Vom KSV wird wird dazu u. a. erklärt:"
Um die Tatsachen über die vorsätzliche Tötung Georg von Rauchs weiter notdürftig zu verschleiern, sind Westberliner Polizisten am 20.12.1971 rechtswidrig in die Räume der RPK- Redaktion eingebrochen und haben sie durchwühlt. Dabei haben sie die Exemplare der RPK- Nr. 146/147 entwendet. In dieser Ausgabe war die Rede eines Genossen der KPD auf der Protestveranstaltung der ‚Liga gegen den Imperialismus‘ am 10. 12. 1971 in Westberlin gegen die Bürgerkriegsmanöver der Polizei abgedruckt. Ein gewisser Ruppender, Richter in Berlin-Tiergarten, hat den Einbruch angeordnet. In seinem Beschluss behauptet er, es würden Polizisten beleidigt, ‚indem die Erschießung des Georg v. Rauch als dessen ‚Ermordung‘ bezeichnet, die ‚Durchführung des verbrecherischen Mordplanes‘ behauptet … von Polizeieinsätzen als ‚Bürgerkriegsmanöver', ‚Polizeiüberfällen‘, ‚staatlichem Terror‘, gesprochen wird und die Polizei einer ‚blinden Schießwütigkeit einzelner Polizisten‘ und der ‚organisierten Kriminalität‘ bezichtigt wird."
Q: Rote Presse Korrespondenz Nr. 148, Berlin 31.12.1971, S. 7f; Rote Fahne Nr. 33, Berlin 31.12.1971, S. 2

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24.12.1971:
Die KPD/ML-ZB gibt ihren 'KND' Nr. 99 (vgl. 22.12.1971, Jan. 1972) heraus. Aus Berlin wird berichtet von der Erschiessung von Georg von Rauch.
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 99, Bochum 24.12.1971

27.12.1971:
Der AStA der PH Dortmund (vgl. 19.1.1972) berichtet von den Pressemeldungen (vgl. 18.12.1971, 10.1.1972) zur Erschießung von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971):"
Am 27/12/71 faßt der 'Spiegel' alle Gerüchte zusammen und fragt: 'Am 4. Dezember wurde in Westberlin der 24jährige Anarchist Georg von Rauch erschossen - von einem Gesinnungsgenossen, von einem Polizisten oder von einem Verfassungsschützer?'"
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 6, Dortmund 19.1.1972, S. 7

Januar 1972:
Es erscheint die Nr. 1 der 'Befreiung' - anarchistische Zeitung (vgl. Nov. 1971, Feb. 1972) mit dem Artikel "Georg von Rauch ermordet".
Q: Befreiung Nr. 1, Mülheim Jan. 1972, S. 7f

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10.01.1972:
In der ersten Nummer der 'Roten Fahne' der KPD/ML-ZB in diesem Jahr (vgl. 20.12.1971, 24.1.1972) erscheint der Artikel "Polizeimord an Georg von Rauch. Verbrechensbekämpfung nur ein Vorwand: Das eigentliche Ziel: Unterdrückung der Arbeiterklasse.
Q: Rote Fahne Nr. 1, Bochum 10.1.1972, S. 10

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10.01.1972:
Der AStA der PH Dortmund (vgl. 19.1.1972) berichtet von den Pressemeldungen (vgl. 27.12.1971, 17.3.1972) zur Erschießung von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971) vermutlich aus dieser Woche:"
Laut 'Stern' 2/72 teilte der Chef des Berliner Verfassungsschutzamtes mit, 'zwei seiner Beamten hätten in 30 m Entfernung in einem Auto gesessen und bloß Mündungsfeuer gesehen. Wer geschossen hat, das wüßten sie leider auch nicht.'"
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 6, Dortmund 19.1.1972, S. 7

17.01.1972:
Der AStA der PH Dortmund (vgl. 19.1.1972) berichtet von den Pressemeldungen (vgl. 10.1.1972) zur Erschießung von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971):"
Nach fünf Wochen, in denen eine Meldung die andere dementierte, taucht plötzlich 'Licht in das Dunkel':

Im 'Spiegel' 3/72 ist dann auch plötzlich zu lesen, daß die Brille Rauchs wieder aufgetaucht sei, anhand derer man das Kaliber der Todeskugel feststellen kann, da ist das Obduktionsergebnis bekannt (Todeskugel hat das Kaliber 7, 65 mm, also das bei der Polizei übliche) und vom Verfassungsschutz schon gar nicht mehr die Rede. Also, wer geschossen hat, ist klar, die Umstände bleiben unklar."
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 6, Dortmund 19.1.1972, S. 7

19.01.1972:
Der AStA der FAU Erlangen-Nürnberg gibt seine 'Faust-Informationen' Nr. 15 (vgl. 26.10.1971, 15.5.1972) heraus. Zur RAF erscheint "zur politischen Bildung" ein Artikel des Rolf-Pohle-Solidaritätskomitees: "'Staatsfeind Nr. 1' Ein Instrument im Klassenkampf von oben", in dem die Erschießungen vor allem von Georg von Rauch, aber auch von Petra Schelm geschildert werden.
Q: Faust-Informationen Nr. 15, Erlangen 19.1.1972, S. 8f

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19.01.1972:
An der PH Dortmund erscheint die Nr. 6 der 'AStA-Information, DOS - (Dortmunder Studentenzeitung)' (vgl. 15.12.1971, 26.1.1972). Gefragt wird:"
DER TOD DES GEORG VON RAUCH ODER WIE INFORMIERT DIE DEUTSCHE PRESSE?

Im folgenden Bericht wollen wir nicht in erster Linie Licht in das Dunkel der Ereignisse um die Erschießung des Georg von Rauch bringen, sondern wollen aufzeigen, wie 'objektiv' und 'wertneutral' die deutsche Presse informiert. Gerade dieser Fall ist eines der krassesten Beispiele, wieviel Wertung in der Information liegt.

Versuchen wir, den Ablauf unter Zuhilfenahme mehrerer Zeitungen und Zeitschriften zu rekonstruieren:

Do/2/12/71
'stern': 'Baader-Meinhof-Gruppe - Wer stirbt als Nächster?'

Fr/3/12/71
'spiegel' 53/71:
'Die Westberliner Polizei ermittelte, von Rauch sei 'zum harten Kern der Meinhofgruppe gestoßen'. Er kommt auf die Fahnungsliste.'

Sa/4/12/71:
W-Berlin, Eisenacherstraße, ca. 17.25 Uhr: Der 24-jährige Georg von Rauch wird unter zunächst unklaren Umständen erschossen.

In den folgenden Tagen überstürzen sich Meldungen, die sich widersprechen.

Der angeblich schwerverletzte Kriminalobermeister Hans-Joachim Schultz entpuppt sich als Kriminalhauptmeister mit einem Streifschuß (er hat letzten Meldungen zufolge Rauch erschossen).

Plötzlich sollen es einige Genossen des Rauch gewesen sein, die die tödliche Kugel abschossen.

Die 'Berliner Morgenpost' schreibt noch sehr verhalten am 9/12/71, daß ein 'vierter Schütze von der anderen Straßenseite geschossen haben muß.'

Am 18/12/71 macht der 'Berliner Extra Dienst' (BED, d.Vf.) mit folgender Schlagzeile auf: 'Rauch-Tötung bei Feuergefecht - Verfassungsschutz gegen Polizei.'

Am 27/12/71 faßt der 'Spiegel' alle Gerüchte zusammen und fragt: 'Am 4. Dezember wurde in Westberlin der 24jährige Anarchist Georg von Rauch erschossen - von einem Gesinnungsgenosen, von einem Polizisten oder von einem Verfassungsschützer?'

Laut 'stern' 2/72 (vgl. 10.1.1972, d.Vf.) teilte der Chef des Berliner Verfassungsschutzamtes mit, 'zwei seiner Beamten hätten in 30 m Entfernung in einem Auto gesessen und bloß Mündungsfeuer gesehen. Wer geschossen hat, das wüßten sie leider auch nicht.'

Nach fünf Wochen, in denen eine Meldung die andere dementierte, taucht plötzlich 'Licht in das Dunkel':

Im 'Spiegel' 3/72 (vgl. 17.1.1972, d.Vf.) ist dann auch plötzlich zu lesen, daß die Brille Rauchs wieder aufgetaucht sei, anhand derer man das Kaliber der Todeskugel feststellen kann, da ist das Obduktionsergebnis bekannt (Todeskugel hat das Kaliber 7, 65mm, also das bei der Polizei übliche) und vom Verfassungsschutz schon gar nicht mehr die Rede. Also, wer geschossen hat, ist klar, die Umstände bleiben unklar.

Das sind die Tatsachen um diesen verwirrenden Fall. Alle Zeitungen und Zeitschriften wollen informieren und auch die Hintergründe aufzeigen. Vergleichen wir einige Zeitschriften und das Schwergewicht ihrer Meldungen:

Der 'Spiegel', sonst das bestinformierte Blatt, fragt nur noch; der Stuhl
des Berliner Innensenators steht im Vordergrund.

Der 'stern', sozialliberal und Fast-Hauspostille der Regierung greift den Verfassungsschutz an und fordert mehr Durchblick und Demokratie.

Linke sozialistische Blätter wenden sich gegen den Polizeiterror und die Kriminalisierung der Linken.

Springers 'Morgenpost' wettert gegen die zunehmende Kriminalität.

Jeder schreibt über dieselbe Sache aus einer bestimmten Anschauung heraus und mit einer bestimmten Absicht. Jede Zeitung hat ihr Image.

Die Neutralität ist da schon nicht mehr gewahrt, wo Redakteure unter verschiedenen Informationen auswählen, welche sie veröffentlichen.

Ein Blatt, das sich unabhängig nennt, ist nicht unabhängig von den Presseagenturen, vom Verleger, von den Anzeigengebern, von den Lesern.

Wir ziehen nicht die Folgerung, Meldungen sollten 'neutral' und 'ohne Wertung' sein.

Uns allen muß vielmehr klar werden, wessen Interessen in welchem Blatt vertreten werden.

DOS INFORMIERT IM INTERESSE DER STUDENTEN. DAS IST EINE WERTUNG, EINE RICHTIGE, WIE WIR MEINEN!"
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 6, Dortmund 19.1.1972

21.01.1972:
In Bad Gandersheim bzw. Kreiensen erscheint die 'Alternative' - Schülerzeitung - Nr. 9 (vgl. 16.11.1971, 3.5.1972). Berichtet wird über den "Mord an Georg von Rauch" (vgl. 4.12.1971).
Q: Alternative Nr. 9, Kreiensen 21.1.1972, S. 9

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24.01.1972:
Die Rote Hilfe (RH) Westberlin berichtet über die "Hausdurchsuchung im Büro der Roten Hilfe" zwecks Auffindens von Unterlagen des Ermittlungsausschusses zu Georg von Rauch.
Q: Rote Hilfe Nachrichten & Mitteilungen Nr. 1, Berlin 7.2.1972, S. 4

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24.01.1972:
Es erscheint der Berliner 'Hochschulkampf' Nr. 23 (vgl. 16.12.1971, 26.1.1972) der früher der PL/PI befreundeten Roten Zellen mit dem Leitartikel "Weg mit Neubauer! Die Konsequenzen des Mordes ziehen!" zu Georg von Rauch.
Q: Hochschulkampf Nr. 23, Berlin 24.1.1972, S. 1f

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26.01.1972:
Die Kommunistische Gruppe (Neues Rotes Forum) (KG (NRF)) Mannheim/Heidelberg bzw. die Redaktion von deren 'Kommentar' gibt erstmals ihre 'Arbeiter-Zeitung' (vgl. 1.3.1972) heraus. Aus Berlin wird berichtet von der RAF-Fahndung (vgl. 3.12.1971) und dem 'Mord' an Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971).
Q: Arbeiter-Zeitung Nr. 1, Mannheim Jan. 1972, s. 6

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26.01.1972:
Vermutlich in Berlin wird Thomas Weisbecker wegen 'Gefangenenbefreiung' von Georg von Rauch zu 3 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt.
Q: Rote Hilfe Nachrichten & Mitteilungen Nr. 1 und 2, Berlin 7.2.1972 bzw. 14.2.1972, S. 1 bzw. S. 1

26.01.1972:
An der PH Dortmund erscheint die Nr. 7 der 'AStA-Information, DOS - Dortmunder Studentenzeitung' (vgl. 19.1.1972, 2.2.1972). Enthalten ist auch der Brief des Vaters von Georg von Rauch an den FDP-Vorsitzenden Oxfort (vgl. Berlin - 6.12.1971). DOS merkt dazu an:"
Die Anzeige gegen Unbekannt des Georg von Rauch ist mittlerweile konkret. Nach letzten Ermittlungen stammt die Todeskugel aus der Dienstpistole des Kriminalobermeister Schultz."
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 7, Dortmund 26.1.1972

28.01.1972:
In Heidelberg findet eine Demonstration gegen den Abbau demokratischer Rechte bzw. die Berufsverbote (BV) statt, zu der auch in Mannheim aufgerufen wurde. Getragen wird die Aktion, laut KG (NRF), von ihr selbst, der KHG (NRF) und den Heidelberger Asten Uni und PH. Es beteiligen sich ca. 2 000. Auf der Kundgebung wird auch eine Rede der KG (NRF) gehalten.

Die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg (vgl. 26.1.1972) rief auf:"
DEMONSTRATION
gegen den Ausbau des staatlichen Unterdrückungsapparates anläßlich der Konferenz der Ministerpräsidenten am 28. JANUAR.
Ort: HEIDELBERG, UNIPLATZ
Zeit: FREITAG, 28. JANUAR, 16 UHR 30
Kundgebung: 18 UHR 30 RATHAUSPLATZ

Der Grund für eine zentrale Demonstration in Heidelberg erklärt sich aus dem Verbot des Heidelberger SDS vom Juni 1970 (vgl. 24.6.1970, d.Vf.) und dem gegenwärtig laufenden McNamara-Prozess (vgl. 12.1.1972, d.Vf.), in dem die Begründung für das SDS-Verbot nachgeliefert werden soll. Zugleich ist dieser Prozeß Teil der Unterdrückungsmaßnahmen, mit denen jeglicher Protest gegen die weltweite Ausbeutung durch das Kapital verhindert werden soll."

Die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg (vgl. 26.1.1972) rief auch im Zusammenhang mit der Erschießung von Georg von Rauch in Berlin (vgl. 3.12.1971, 4.12.1971) auf:"
WARUM WERDEN STÄNDIG GROSSEINSÄTZE GEÜBT?

In den letzten Jahren werden ständig Großeinsätze mit mehr als 3 000 Polizisten, Bundesgrenzschutz (BGS, d.Vf.) und zum Teil der Bundeswehr geübt.

Es geht dabei nicht um vier oder fünf Leute, die zum Pappkameraden 'Baader-Meinhof-Gruppe' aufgebaut werden. Vielmehr wird seit der Verabschiedung der Notstandsgesetze (NSG - vgl. 30.5.1968, d.Vf.) das generalstabsmäßige Abrollen von Einsatzplänen geübt. Diese Großeinsätze sind die Vorbereitung auf 'innere Unruhen'. Zusätzlich soll der Bundesgrenzschutz zur militärischen Polizeitruppe umgewandelt werden. Der Bundesgrenzschutz wird auf seine Rolle als Bürgerkriegsarmee und Blitzeinsatz gut vorbereitet. Er wird mit Kampfhubschraubern und stärkeren Waffen ausgerüstet. Der gemeinsame Einsatz von Polizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr wurde im Rahmen der Großfahndung anläßlich der Ermordung Petra Schelms durch die Polizei am 15. Juli 1971 (in Hamburg, d.Vf.) vorgeführt.

WOGEGEN RICHTET SICH DER AUSBAU DES STAATLICHEN UNTERDRÜCKUNGSAPPARATES?

Durch das waffenstarrende Aufgebot an staatlicher Macht soll der Bevölkerung eingebläut werden, daß die Übergriffe bei den jeweiligen Aktionen, wie rechtswidrige Durchsuchungen, Festnahmen und Verdächtigungen, notwendig seien. Das Ausmaß und die Unverhältnismäßigkeit der Polizeiaktionen sollen darüberhinaus die Bevölkerung einschüchtern und an den bewaffneten Aufmarsch gewöhnen wie an das Zahlen der Steuern, nach Ausspruch eines Karlsruher Staatsanwalts.

Die Vertreter des kapitalistischen Staates wußten schon immer, wessen Ausbeutung und Unterdrückung dieser Staat sichert. Adenauer hat schon am 14. Februar 1951 in seiner Rede zur Begründung des Montan-Mitbestimmungsgesetzes ganz offen gesagt, was in seinen Augen Streiks sind: Störungen der öffentlichen Ordnung und die dürfe es in einer Demokratie nicht geben. Als der DGB 1952 gegen die Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes (BVG - vgl. Apr. 1952, d.Vf.) Streiks ankündigte, drohte Innenminister Heinemann, damals CDU, jetzt Bundespräsident, mit Polizei und Bundesgrenzschutz dagegen vorzugehen.

Klaus Krohe, der sich selbst gerne als Notstandsexperte der CDU bezeichnet, hat schon vor Jahren (vgl. S6.**.19**, d.Vf.) erkannt: 'Sie können sich gar nicht vorstellen, welche Freude es mir machen würde, mit der Maschinenpistole in der Hand in streikende Arbeiter zu schießen, wenn es sich um einen Streik handelt, der nicht die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zum Zweck hat, sondern ein politischer Streik ist.'

Die Kapitalistenklasse und ihr Staat wissen genau, was auf sie zukommt: Eine Wirtschaftskrise, deren Ausmaß und Endpunkt noch nicht abzusehen ist. Das bedeutet Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, steigende Preise bei sinkenden Löhnen. Deshalb führen sie schon heute der Arbeiterklasse ihre Unterdrückungsstrategie vor Augen. Denn wenn es um das 'heilige Recht' der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und ihrer Absicherung geht, sind die Kapitalisten zu jedem Verbrechen bereit.

Dagegen muß der Kampf der Arbeiterklasse zur Verteidigung ihrer Rechte bewußt organisiert werden.

DEMONSTRATION GEGEN DEN AUSBAU DES STAATLICHEN UNTERDRÜCKUNGSAPPARATES, IN HEIDELBERG: 28.JANUAR 1971, 16 UHR 30 UNIPLATZ. KUNDGEBUNG: 18 UHR RATHAUSPLATZ."

Auf einem heutigen Teach-in wird auch von einem Vertreter der KG (NRF) ein Beitrag "Die objektiven Grundlagen der zweiten Verfolgungswelle" gehalten.
Q: KB, KSB, IG / KOB: Materialien zum KPD-Verbot, Braunschweig 4.12.1972, S. 14ff; Arbeiter-Zeitung Nr. 1, Mannheim Jan. 1972, S. 1 und 6;Kommentar für die Kollegen der Metallindustrie Der Klassenstaat verschärft die Unterdrückung. Ministerpräsidentenkonferenz am 28. Januar und Für klassenbewußte Delegierte!, Mannheim 25.1.1972 bzw. 9.2.1972, S. 2 bzw. S. 3;Kommunistische Hochschulzeitung Aktionsprogramm zum Kampf gegen den Abbau demokratischer Rechte in Ausbildung und Beruf und Nr. 13, Heidelberg 26.1.1972 bzw. 2.2.1972, S. 2f

01.02.1972:
Der KB Bremen gibt Ende Januar oder Anfang Februar seine Zeitung erstmals unter dem neuen Titel 'Wahrheit' (vgl. Dez. 1971, 1.3.1972) auf Februar datiert heraus und berichtet über die Erschiessungen von Petra Schelm in Hamburg und Georg von Rauch in Berlin bzw. von der RAF-Fahndung (vgl. 13.1.1972).
Q: Wahrheit Nr. 1, Bremen Feb. 1972, S. 4

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03.02.1972:
In der Nr. 3 ihres 'NCR Arbeiter' (vgl. Jan. 1972, 8.2.1972) geht die Berliner Betriebsgruppe NCR der KPD/ML-ZB wird anläßlich der Erschiessung von Georg von Rauch am 4.12.1971 gefragt: "Der Staat bildet seine Killer aus – gegen wen?".
Q: Der NCR Arbeiter Nr. 3, Berlin 3.2.1972, S. 8

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14.02.1972:
Die Rote Hilfe Westberlin gibt ihre 'Rote Hilfe Nachrichten & Mitteilungen' Nr. 2 (vgl. 7.2.1972, 25.2.1972) heraus mit einem Zeitungsartikel zu Georg von Rauch und dem Artikel "Staatsanwaltschaft gegen Ermittlungsausschuß" zu Georg von Rauch.
Q: Rote Hilfe Nachrichten & Mitteilungen Nr. 2, Berlin 14.2.1972, S. 3

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15.02.1972:
In Berlin gibt die Betriebsgruppe Siemens-Schaltwerk der KPD/ML-ZB die Nr. 15 ihres 'Roten Schaltwerkers' (vgl. 9.2.1972, 25.2.1972) heraus. Berichtet wird auch von der Erschießung von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971).
Q: Der rote Schaltwerker Nr. 15, Berlin 15.2.1972, S. 4

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März 1972:
Die Nr. 4 der Zeitung 'Proletarische Front' - Organ der Proletarischen Front-Gruppe Hamburg (vgl. Nov. 1971) erscheint. Berichtet wird aus Berlin von der Demonstration für Georg von Rauch (vgl. 6.12.1971).
Q: PF-GH Nr. 4, Hamburg März 1972

01.03.1972:
In Herrenberg wird der Lehrling Richard Epple aus Breitenholz im Landkreis Tübingen von der Polizei erschossen (vgl. 16.3.1972).

In einer Zusammenfassung der Geschehnisse und der Parteiarbeit im Jahre 1972 heißt es 1979 seitens der KPD/ML u.a.:"
Die großen Streiks der Jahre 1969/70, die gewaltigen Bauerndemonstrationen im Frühjahr 1971, der Streik von 120.000 Metallarbeitern in Baden-Württemberg Ende November 71 hatten die westdeutsche Bourgeoisie in helle Aufregung versetzt. Es reichte ihr nicht mehr die Aussperrung von 360.000 Arbeitern als Antwort auf den Metallerstreik, ab Januar 1972 verschärft sie mit riesigen Notstands- und Mobilmachungsübungen ihren Polizeiterror gegen die Werktätigen. Als Vorwand hierfür dient ihr das Wirken der sogenannten Baader-Meinhof-Gruppe. Waren bereits 1971 Georg von Rauch und Petra Schelm im Kugelhagel der Polizei gefallen, so vergeht jetzt kaum ein Tag ohne Polizeisperren und Schießereien".
Q: Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (Hrsg.): 1968/69 bis 1978/79. Zehn Jahre KPD/ML. 10 Jahre Kampf für ein vereintes, unabhängiges, sozialistisches Deutschland, Dortmund 1979, S. 77

06.03.1972:
Die Rote Hilfe (RH) München gibt vermutlich Anfang dieser Woche die Nr. 2 ihrer 'Rote Hilfe' (vgl. Juli 1972) heraus unter der Schlagzeile "Mord an Thomas Weißbecker" in Augsburg (vgl. 2.3.1972). Dazu und zur Erschießung von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971) erscheint der Artikel "Die Methode des legalen Mordes" und in "Unser Facit" wird von einem Plan zur Ermordung der beiden ausgegangen.
Q: Rote Hilfe Nr. 2, München März 1972, S. 3

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19.03.1972:
Das Sozialistische Aktionskollektiv (SAK) Clausthal-Zellerfeld (vgl. Juli 1972) berichtet, dass die Berliner Staatsanwaltschaft endgültig einräumen müsse, dass der Kripobeamte Schulz Georg von Rauch erschoß (vgl. 4.12.1971). Das berichtet auch die ASS Herne (vgl. Mai 1972).
Q: Rote Aktion Nr. 8, Clausthal-Zellerfeld Juli 1972, S. 8; Herner Schülerpresse, Herne Mai 1972, S. 6

27.03.1972:
Die Rote Hilfe Westberlin gibt ihre 'Rote Hilfe Nachrichten & Mitteilungen' Nr. 5 (vgl. 13.3.1972, 17.4.1972) heraus. Aus Berlin wird berichtet über Georg von Rauch.
Q: Rote Hilfe Nachrichten & Mitteilungen Nr. 5, Berlin 27.3.1972, S. 6

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April 1972:
In der Nr. 3 seines 'Der Kampf der Arbeiterjugend' (vgl. März 1972, 24.4.1972) berichtet der KJVD der KPD/ML-ZB u.a. aus Berlin von der Erschießung von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971).
Q: Der Kampf der Arbeiterjugend Nr. 3, Bochum Apr. 1972, S. 4

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April 1972:
Der KB/Gruppe Eutin gibt die Nr. 2 seiner 'Arbeiterjugendpresse' (vgl. 28.2.1972, 29.5.1972) für die Berufs- und Handelsschüler heraus, die unter Verweis auf 'politische Morde' an Petra Schelm, Georg von Rauch, Thomas Weisbecker aber auch mit Beschreibung der Tötung Richard Epples zum 1. Mai aufruft.
Q: Arbeiterjugendpresse Nr. 2, Eutin Apr. 1972, S. 1f

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03.04.1972:
Der KB/Gruppe Eutin gibt die Nr. 8 seines 'Metallkampf' (vgl. Feb. 1972, 24.4.1972) für die ostholsteinischen Metallkollegen für April vermutlich in dieser Woche heraus.
Der Artikel "Wachsender Polizeiterror" berichtet von der Erschiessung von Thomas Weisbecker (vgl. 2.3.1972), aber auch über Richard Epple (vgl. 1.3.1972), Manfred Grashof (vgl. 2.3.1972), Georg von Rauch, über das holländische Touristenpaar (vgl. 9.3.1972), eine Frankfurter Nervenklinik (vgl. 9.3.1972) und eine Häuserräumung in Hannover (vgl. 15.12.1971).
Q: Metallkampf Nr. 8, Eutin Apr. 1972, S. 13ff

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10.04.1972:
Vermutlich in dieser Woche erscheint ein Flugblatt des Aktionsausschusses Marxistisch-Leninistischer Gruppen in NRW, in dem u.a. die ML Dortmund mitarbeiten (vgl. Apr. 1972, 24.4.1972):"
1. MAI 1972: WEM NUTZEN DIE OSTVERTRÄGE WIRKLICH?

Warum inszeniert dann die SPD-Regierung schwerbewaffnete Polizeimanöver? Warum werden von der politischen Polizei unter dem Vorwand 'politischer Kriminalität' kaltblütig Menschen erschossen, wie bei Petra Schelm, Georg von Rauch und Thomas Weisbecker geschehen?
Das alles dient nicht dem Frieden, sondern der politischen Unterdrückung der Arbeiterklasse. Das ist nicht Friedenspolitik, sondern Notstands- und Militarisierungspolitik!"
Q: Aktionsausschuß Marxistisch-Lenistischer Gruppen in NRW: 1. Mai 1972: Wem nutzen die Ostverträge wirklich?, Dortmund o.J. (1972)

26.05.1972:
Laut der 'Bochumer Studenten Zeitung' werden in Bochum AStA- und SAG-Mitglieder "auf offener Straße festgenommen. … Ihnen wurde unterstellt, sie hätten ein Sprengstoffattentat auf das Polizeipräsidium geplant". "Diese Maßnahme ist keine Einzelmaßnahme. Sie ist zwar eine gegenüber den Notstandsgesetzen, den Berufsverboten, den Hamburger Erlassen, den Plänen zum Ausbau des Bundesgrenzschutzes zur Bürgerkriegsarmee, der Militarisierung und Zentralisierung des Polizeiapparates, der Ermordung der Genossen von Rauch und Weisbecker etc. kaum bemerkenswerte Aktion der Staatsgewalt, dennoch darf man darüber nicht hinwegsehen, daß dieser Versuch, einige Vertreter der studentischen Linken als Terroristen zu kriminalisieren und von der Straße weg zu verhaften, ein Bestandteil der großangelegten Kampagne ist, die Linke durch Polizeistaatsmethoden einzuschüchtern und einzelne Sozialisten als Bombenleger zu beschuldigen, um sie so in der Öffentlichkeit zu diffamieren und diskriminieren. … Das alles ist nicht mit Hysterie und Angst der Pollies zu erklären. Das sind gezielte Einschüchterungsversuche, das ist wohlüberlegter Terror der Staatsgewalt."
Q: Bochumer Studenten Zeitung Nr. 95, Bochum 1972

Juni 1972:
Der Sozialistische Bund Braunschweig gibt erstmals sein Hochschulorgan 'Rote Universitäts-Zeitung' (RUZ) (vgl. 3.7.1972) heraus. Berichtet wird in "Polizeiterror und Notstandsübungen!" u.a. über die Tötungen von Petra Schelm in Hamburg am 13.7.1971, Georg von Rauch am 3.12.1971 in Berlin und von Thomas Weisbecker in Augsburg (vgl. 2.3.1972), eine Hausbesetzung in Hannover (vgl. 8.12.1971) und über Razzien jüngst in Braunschweig.
Q: Rote Universitätszeitung Nr. 1, Braunschweig Juni 1972, S. 1ff

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05.06.1972:
Die KPD (vgl. 14.6.1972) berichtet vermutlich aus dieser Woche:"
DER STAAT ZAHLT DIE BEERDIGUNG

Daß die Schußwaffe von der Polizei bei der Verfolgung von Straftätern nur im Notfall eingesetzt werden soll, zählt zu den Grundsätzen der Strafverfolgung in bürgerlichen Demokratien. Damit im Zusammenhang steht das Prinzip, daß das Ziel der Verfolgung immer nur die Ergreifung, nicht aber die Erschießung des Verfolgten sein soll; und weiterhin, daß Unbeteiligte nicht zu Schaden kommen sollen.

Die SPD/FDP-Regierung von Niedersachsen hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der diese Grundsätze über Bord wirft: die Polizisten in Niedersachsen sollen künftig in 'Extremsituationen' auch dann ohne vorherige Warnung schießen können, wenn dabei Geiseln, Passanten oder andere Unbeteiligte gefährdet sind. Für spätere Schadensforderungen will die Landesregierung aufkommen.

Damit wird zum Gesetz erhoben, was bereits bei dem Feuergefecht mit dem Münchner Bankräuber Rammelmayr (vgl. 4.8.1971, d.Vf.) praktiziert und vom bayrischen Innenministerium und Polizei für rechtens erklärt wurde. In München war die Bankangestellte Ingrid Reppel unter den Kugeln der Polizei tot zusammengebrochen, weil ihr Leben für weniger wichtig gehalten wurde als die erfolgreiche Inszenierung der fernsehübertragenen Erschießung von Rammelmayr.

Gesetzmäßig wird jetzt in Hannover, was zu rechtfertigen Staat und Polizei in den Fällen von Georg von Rauch (vgl. Berlin - 4.12.1971, d.Vf.) und Thomas Weisbecker (vgl. Augsburg - 2.3.1972, d.Vf.) nicht gelang: nach der Erschießung festzustellen, daß das Opfer noch nicht einmal eine Waffe mit sich führt.

Von solchen Erklärungsschwierigkeiten sollen Innenministerien und Polizeibehörden in Zukunft verschont werden. Eine Bestimmung des Bereichs der 'Extremsituation' existiert nicht, ihrer Auslegung sind keinerlei Grenzen gesetzt.

Was in Niedersachsen verabschiedet wird, wird seine bundesweite Ausdehnung in allernächster Zukunft erfahren. Die Befugnisse der Polizei zum manövermäßigen Auftreten werden von der Monopolbourgeoisie Schritt für Schritt ausgeweitet. Der Zweck solcher Aktionen ist eindeutig: Gewöhnung der Massen an den Polizeiterror, Einschüchterung jedes Einzelnen. Mit dem Gesetz von Hannover hat die Polizei den Freibrief auf Mord."
Q: Rote Fahne Nr. 47, Dortmund 14.6.1972, S. 1

28.06.1972:
Die KPD/ML-ZB berichtet heute in einem 'Extrablatt' von der Erschießung Mc Leods in Stuttgart (vgl. 25.6.1972) und ruft auf:"
EINE KAMPFFRONT GEGEN NOTSTANDSTERROR!
NIEDER MIT DEN SPALTERN!

Freunde, Genossen!

Ein unbewaffneter Mensch wird durch drei Schüsse aus einer Maschinenpistole in den Rücken getötet. Der Mörder: Ein Polizist.

Durch die sofort verhängte Nachrichtensperre soll verhindert werden, was im Falle der Ermordung von Petra Schelm (vgl. Hamburg - 15.7.1971, d.Vf.), Thomas Weisbecker (vgl. Augsburg - 2.3.1972, d.Vf.) und Georg von Rauch (vgl. Berlin - 4.12.1971, d.Vf.) geschah:
Die Entlarvung der 'Staatsschützer' als Mörder vom Dienst.

Dieser neue Terrorakt und die damit verbundenen Maßnahmen sind ein Glied in der Kette der Ereignisse der letzten Wochen:

Nahezu einstimmig verabschiedeten SPD-Regierung und die anderen bürgerlichen Parteien vier Gesetze zur angeblichen 'inneren Sicherheit' (vgl. 22.6.1972, d.Vf.), das Bundesgrenzschutzgesetz, das Vorbeugehaftgesetz, das Bundesverfassungsschutzänderungsgesetz und das Waffengesetz. Ausgerichtet sind diese Gesetze auf ein einziges Ziel: Die Niederwerfung der Kämpfe der der Massen, insbesondere der Arbeiterklasse, der Ausbau und die Zentralisierung der bewaffneten Machtorgane der Imperialisten zu Bürgerkriegstruppen, die Bespitzelung und Unterdrückung von ausländischen und deutschen fortschrittlichen Organisationen und die Vorbereitung des Verbots der Marxisten-Leninisten.

Praktisch zeigt sich das so: Schon heute sollen die Kollegen sich daran gewöhnen, unrechtmäßiges und brutales Vorgehen der Polizei zu dulden: So werden die Kollegen des Springerhauses in Hamburg (DruPa-Bereich, d.Vf.) morgens von maschinenpistolenbewaffneten Bullen kontrolliert.

So wird bei AEG ein Kollege in Handschellen aus dem Betrieb gezerrt, der angeblich gestohlen haben soll. So werden Hausdurchsuchungen gemacht, Hauswarte nach 'verdächtigen' Personen befragt, Wohnungstürne eingeschlagen, ohne daß eine stichhaltige Begründung vorliegt, Flugblattverteiler werden verhaftet und brutal mißhandelt. Aber das ist nur die eine Seite.

Dieser verschärfte Terror, die Verabschiedung der neuen Notstandsgesetze sind Maßnahmen der Konterrevolution. Das bedeutet: Sie sind die Antwort des Bonner Staates auf die anwachsenden Kämpfe der Massen.

Seit 20 Jahren wurde nicht so viel gestreikt wie in den vergangenen zwei Jahren.

In den Betriebsratswahlen (BRW, d.Vf.) mußten die Regierungsknechte überall Stimmeneinbußen hinnehmen, in einigen Fällen gelang es, kommunistische und fortschrittliche Kollegen in den Betriebsrat zu wählen. Als Antwort der Kämpfe der Kollegen: Politische Entlassungen, Gewerkschaftsausschlußterror (UVB, d.Vf.). Hier hat sich in den Betrieben eine Kampffront gebildet, die ständig wächst:

Aber auch an anderen Kampfabschnitten hat der Kampf begonnen: Gegen das Berufsverbot gegen die reaktionären Ausländergesetze, gegen die Unterdrückung fortschrittlicher Rechtsanwälte.

In dieser Situation hat die KPD/ML aufgerufen, eine breite Kampffront herzustellen. Sie hat alle Anstrengungen unternommen, für eine Kampfdemonstration ein breites Bündnis aller kommunistischen, demokratischen und fortschrittlichen Organisationen herzustellen.

Kollegen, Freunde, Genossen!

Die Kapitalistenklasse hat verschiedene bürgerliche Parteien. Aber sie hat auch ein einheitliches, starkes Instrument, den Staatsapparat! Und diesem imperialistischen Staatsapparat können wir entgegentreten mit einer einheitlichen, geschlossenen Arbeiterklasse. Gegenwärtig gelingt der Sozialdemokratie und den revisionisten noch, den kampf der Arbeiterklasse zu spalten. Die marxistisch-leninistische Bewegung ist zersplittert. Es ist deshalb die Aufgabe der Kommunisten, den Weg zur Einheit der Maxisten-Leninisten zu gehen, alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Kampf der Arbeiterklasse zusammenzuschließen unter der Führung einer starken, einheitlichen Kommunistischen Partei. Das ist es, was die Massen von uns fordern!

Der Weg zur Einheit kann nur sein: Im Kampf um die täglichen Interessen der Arbeiter, im Kampf gegen den Staatsapparat Schritt für Schritt die gemeinsamen Standpunkte festigen, die Differenzen klären. Nur eine Kommunistische Partei, die ein einheitliches Programm hat, die im Kampf gegen falsche Ansichten gestählt ist, die eine Einheit des Willens und Handelns ist, kann die Kapitalistenklasse besiegen und die wahre Demokratie der Massen, die Diktatur des Proletariats erkämpfen.

Wer, wie die KPD/AO von vornherein die Möglichkeit und die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes leugnet, der schwächt den Kampf der Massen, der unterstützt die Bourgeoisie! Die Führer der KPD/AO haben in den vorangegangenen Bündnisverhandlungen anläßlich einer gemeinsamen Demonstration gegen die Notstandsgesetze mit allen Mitteln diese Einheit gespalten. Sie haben mit der Lüge, Verhandlungen seien auf zentraler Ebene gescheitert, angefangen. Diese Lüge mußten sie zugeben: In Wahrheit haben ihre Führer auf zentraler Ebene bis heute nicht einmal auf die Bündnisangebote der KPD/ML geantwortet! Weiter behaupten die KPD/AO-Führer, die KPD/ML trage Illusionen unter die Massen, man könne die Notstandsgesetze verhindern oder rückgängig machen. In wahrheit lag der KPD/AO eine Plattform zur Aktionseinheit vor, in der es heißt:

'Im Gemeinsamen Kampf müssen alle Illusionen zurückgewiesen werden, die glauben machen wollen, der Notstandskurs sei etwa durch Appelle an die Bonner Parteien rückgängig zu machen oder zu verhindern… Deshalb heißt Kampf gegen Notstandskurs: MASSENKAMPF GEGEN DIE DURCHFÜHRUNG DER NOTSTANDSMASSNAHMEN!'

Wer dann noch behauptet, die KPD/ML 'schüre Illusionen über den Charakter des bürgerlichen Parlaments', der belügt die Massen, der verhindert die Einheit im Kampf zugunsten einer kleinbürgerlichen Machtpolitik!

Täuschung und Betrug statt Kampf um Klarheit und Einheit im Kampf - das sind die Methoden der Führer der KPD/AO.

Wir rufen alle Kommunisten, alle fortschrittlichen und antiimperialistischen Menschen und ihre Organisationen auf:

KOMMT ALLE MASSENHAFT ZUR KAMPFDEMONSTRATION AM SONNABEND, 1.JULI 14 UHR AB GESUNDBRUNNEN!

KAMPF DEM BONNER NOTSTANDSKURS!"
Q: KPD/ML-ZB: Extrablatt der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten, Berlin 28.6.1972

01.07.1972:
In Berlin beteiligen sich, nach einem Bericht der KPD/ML-ZB, etwa 600 Personen an einer Demonstration gegen den Notstandskurs, zu der sie selbst, die Organisation Griechischer Marxisten-Leninisten (OGML), die PEF, das Sozialistische Gabbe Kollektiv, die Sympathisantengruppe des KB (SdKB) und ein (wohl nur der KPD/ML-ZB bekannter, d.Vf.) Kommunistischer Studenten Bund (KSB), bei dem es sich tatsächlich um die Kommunistische Studentengruppe (KSG bzw. KSG/ML) des KAB/ML handelt, aufgerufen hatten. KPD/ML-ZK und KPD hätten trotz eines Bündnisangebotes die Teilnahme abgelehnt.

Uns lag ein Flugblatt von zwei Seiten DIN A4 unter Verantwortung von H. Kwiatkowski (ansonsten für die KPD/ML-ZB) zeichnend vor:"
AUFRUF ZUR DEMONSTRATION
KAMPF DEM BONNER NOTSTANDSKURS

Am 25.Juni um 6 Uhr 30 erschoß die Kriminalpolizei den unbekleideten, unbewaffneten Schotten Ian Mc Leod in seiner Wohnung von hinten. Mc Leod wurde verdächtigt, Kontaktmann von Baader-Meinhof (RAF, d.Vf.) gewesen zu sein. Eine Nachrichtensperre soll verhindern, daß die Umstände der Ermordung bekannt werden.

Nachrichtensperre, das ist das neueste Mittel, zu dem Polizei, Staatsanwaltschaft in Übereinstimmung mit der SPD-Regierung und allen Bonner Parteien greifen, um zu verhindern, daß amtliche Lügen durch widersprüchliche Äußerungen aufgedeckt werden, wie anläßlich der Ermordung von Petra Schelm (vgl. Hamburg - 15.7.1971, d.Vf.), Georg von Rauch (vgl. Berlin - 4.12.1971, d.Vf.), Thomas Weisbecker (vgl. Augsburg - 2.3.1972, d.Vf.). Das ganze erfolgt im Rahmen der Baader-Meinhof-Jagd. Sie wird zur Zeit zum Vorwand genommen für umfangreiche Wohnungsdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Verhaftungen von Demokraten, Sozialisten und vor allem Kommunisten. Die Baader-Meinhof-Jagd ist es auch, die der Bonner Bundestag auf Initiative der SPD-Regierung zum Vorwand genommen hat, um in der vergangenen Woche (vgl. 22.6.1972, d.VF.) fünf Gesetze zur 'inneren Sicherheit' fast einstimmig durchzupeitschen:
- DAS BUNDESGRENZSCHUTZGESETZ, das den BGS zur legalen Bürgerkriegstruppe gegen Streiks und Demonstrationen macht;
- Das BUNDESVERFASSUNGSSCHUTZÄNDERUNGSGESETZ (VS, d.VF.), das die längst praktizierte umfassende Bespitzelung von fortschrittlichen und kommunistischen, deutschen und ausländischen Arbeitern, Werktätigen und Studenten legalisiert, das die beschleunigte Auslieferung von fortschrittlichen und kommunistischen Ausländern an ihre faschistischen Henker legalisiert, das ihre Organisationen mit Verbot bedroht;
- das VORBEUGEHAFTGESETZ, das eine Neuauflage des Schutzhaftegsetzes der Nazis bedeutet;
- Das WAFFENGESETZ, das das Waffenmonopol des Staates und die Waffenvergabe an 'zuverlässige' Bürger verstärkt;
- Das DEMONSTRATIONSVERBOT zu den olympischen Spielen, das einen Präzedenzfall für andere Gelegenheiten schaffen soll.

Diese von der SPD-Regierung im Auftrag der Monopolherren ausgearbeiteten Notstandsmaßnahmen sind neuerlicher Ausdruck des reaktionären Charakters des Bonner Staates und aller seiner Parteien. Sie sind die Antwort des Staates der Monopole auf die wachsenden Kämpfe der Arbeiterklasse. …"
Q: Rote Fahne Nr. 14, Bochum 10.7.1972; KPD/ML-ZB, KJVD, OGML, PEF, KSG, SGdKB, SGK: Aufruf zur Demonstration Kampf dem Bonner Notstandskurs, Berlin o.J. (Juni 1972);KPD/ML-ZB: Extrablatt der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten, Berlin 28.6.1972, S. 2

November 1972:
Vermutlich im November erscheint die 'Rote Hilfe' Zeitung Nr. 15 (vgl. Okt. 1972, Dez. 1972), herausgegeben durch die Rote Hilfe Berlin.

Aus Flensburg wird berichtet "Pastor Christiansen soll für militante Rede bei Georgs Beerdigung büssen", von dem wegen seiner Rede bei der Beerdigung von Georg von Rauch nach seiner Beurlaubung nicht wieder an der Goetheschule beschäftigten Religionslehrer.
Q: Rote Hilfe Nr. 15, Berlin o. J., S. 12

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Dezember 1972:
Es erscheint die 'Befreiung' - anarchistische Zeitung (vgl. Nov. 1972, Jan. 1973) nun mit dem Verlagsort Köln mit dem Artikel "Zum 1. Jahrestag der Ermordung des Genossen Georg von Rauch".
Q: Befreiung, Köln Dez. 1972, S. 2f

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11.06.1973:
Vermutlich erscheint zu Beginn dieser Woche die Nr. 11 der 'Roten Front' (vgl. 4.6.1973, 27.6.1973) – Zeitung der Kommunistischen Kollektive Hoesch, Zeche Hansa (Dortmund) und Gewerkschaft Viktor (Castrop-Rauxel) Mitglieder der Kommunistischen Fraktion im Ruhrgebiet für den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei' (KFR). U.a. heißt es, übernommen aus der 'Hamburger Arbeiterzeitung', Zeitung der Kommunistischen Gruppe Hamburg:"
Die Geschichte der Gewalt in der Bundesrepublik ist die Geschichte der Entwicklung dieses Staates, der schon bald nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus die Gewalt wieder zum Mittel der politischen Auseinandersetzung machte:
- als die Macht der von den Arbeitern geschaffenen Betriebsräte mit aller Brutalität in den Westzonen zurückgekämpft wurde;
- bei der gewaltsamen Zerschlagung der Volksbewegung gegen die Wiederaufrüstung und Adenauers Politik der Spaltung Deutschlands,
- bei den anschließenden Säuberungen des Staatsapparates, der Verfolgung von Kommunisten und aktiven Gewerkschaftlern,
- bei den Polizeieinsätzen gegen streikende Arbeiter und Studenten,
- bei den Todesschüssen auf Philipp Müller, Benno Ohnesorg, Petra Schelm, Georg von Rauch und Thomas Weisbecker."
Q: Die Rote Front Nr. 11, Dortmund/Castrop-Rauxel Juni 1973

21.08.1973:
Der KOV der KPD berichtet:"
POLIZIST ERSCHIESST JUNGARBEITER!

Am Dienstag, den 21.8.1973 wurde in Dortmund ein wehrloser Jugendlicher von einem Polizisten erschossen. Der 17-jährige Arbeiter Erich Dobhardt war aus einer 'Fürsorge'-Anstalt ausgerissen.

Der Mord an Erich D. ist nicht der erste dieser Art. Solch 'tödliche polizeiliche Mißgeschicke' haben sich gerade in den letzten zwei Jahren gehäuft. Um auf diese Weise Menschen zu ermorden, brauchten die Polizeimörder bisher nicht einmal eine 'rechtliche' Legitimation.

Die uniformierten Mörder von Georg von Rauch (vgl. 4.12.1971, d.Vf.) oder an Mc Leod (vgl. 25.6.1972, d.Vf.) sind bis heute noch nicht bestraft, denn sie handelten ja in einer 'subjektiven Notwehrsituation', d.h. sie fühlten sich von ihren Opfern irgendwie bedroht.

Seit dem Mord an dem Berliner Studenten Benno Ohnesorg (vgl. 2.6.1967, d.Vf.) gibt es in der BRD eine nicht abreißende Kette solcher Polizeimorde. Unglücksfälle? Versagen einzelner Polizisten? Nein - diese Morde sind das Ergebnis von Militarisierung und Verhetzung der Polizei."
Q: Schulkampf Nr. 9, Dortmund Sept. 1973, S. 10

21.09.1973:
Die Rote Hilfe (RH) e.V. der KPD (vgl. 10.10.1973) berichtet:"
GENSCHERS ANTI-TERROR-TRUPPE: TERRORISTEN ZUR NIEDERSCHLAGUNG DER VOLKSKÄMPFE

Am 21.9. stellte Bundesinnenminister Genscher 'seine Anti-Terror-Polizei' vor - 115 Freiwillige des Bundesgrenzschutzes, die unter der Bezeichnung GSG 9 für 5 Mio. DM ausgerüstet und ausgebildet wurden.

VORWAND: SCHUTZ DER BEVÖLKERUNG

Der Schutz der Bevölkerung vor Terroristen, das ist der Vorwand Genschers zur Aufstellung eigener Terrorbanden! Denn wer richtete das Blutbad während der Olympischen Spiele an? Genschers Terroristen! Wer ermordete Ingrid Reppel und Georg Rammelmayr (in München - 4.8.1971, d.Vf.), Ian Mc Leod (in Stuttgart - 25.6.1972, d.Vf.), Georg von Rauch (in Berlin - 4.12.1971, d.Vf.), Thomas Weisbecker (in Augsburg 2.3.1972, d.Vf.), Richard Epple (in Herrenberg bei Tübingen - 1.3.1972), der vor der Polizei floh, weil er angetrunken und ohne Führerschein floh oder den 17jährigen Erich Dobhardt (in Dortmund - 21.8.1973, d.Vf.), der erschossen wurde, weil er in Verdacht stand, ein Transistorradio gestohlen zu haben? Die Schergen des bürgerlichen Staatsapparates, ohne daß diese Morde jemals Gegenstand eines Prozesses vor den bürgerlichen Klassengerichten werden! Wie sehr die Bourgeoisie fürchtet, daß das Volk den Unterdrückungscharakter des bürgerlichen Staatsapparates erkennt, zeigt insbesondere, daß zwar in jedem Jahr ausführliche Statistiken darüber herausgegeben werden, wieviele Polizisten auch nur eine Schramme während des Dienstes davongetragen haben. Wieviele Menschen dem Terror des Staatsapparates in der BRD jährlich zum Opfer fallen, verschweigt die Bourgeoisie. Alle fortschrittlichen Journalisten, die bisher versuchten, dies zu ermitteln, scheiterten am koordinierten Schweigen der Polizeibehörden."
Q: Rote Hilfe Nr. 1, Dortmund o.J. (1973), S. 9f

Letzte Änderung: 04.11.2019

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