Die Westberliner Ruhrkampagne 1969/1970

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder

Materiallage

Es werden hier einige der leider wenigen einschlägigen Dokumente des APO-Archivs vorgestellt.

Die Organisationen

Hier wird nur die Berliner Ruhrkampagne thematisiert. Über deren Traumatisierung der KPD/ML, vor allem in Gestalt der KPD/ML-ZB und ihrer ideologisch weit anspruchsloseren aber daher natürlich durchaus dauerhaft erfolgreicheren Billig-Kopie KABD bzw. später und immer noch MLPD, werden eigene Darstellungen erscheinen bzw. ist dies teilweise bereits geschehen.

Wichtige Themen und Ereignisse

Hier wird nur die Entstehung der Ruhrkampagne geschildert, die wohl vor allem erklärbar wird aus den anhaltenden Misserfolgen der APO bei den direkten gewaltsamen Konfrontationen mit der Westberliner Halbstaatsgewalt in Form der Polizei.

Während einige nun Zuflucht bei der Agitation vermeintlich kampfkräftiger Randgruppen suchten bemühten sich andere, wie die hier vorgestellte, Ruhrkampagne um die Ausweitung der revolutionären Basis auch in Westdeutschland. Die ideologische Heimat bildet dabei der Marxismus-Leninismus bzw. dessen Westberliner und bundesdeutscher Aufguss (vgl. 1969).

Basisarbeit allerdings war kaum das Anliegen der Berliner Kader, eher Kontrolle der provinziellen proletarischen Kerne (vgl. Juni 1969).Der Agitation gegenüber der im Ruhrgebiet vergleichsweise starken DKP diente dabei vermutlich das einschlägige Werk u.a. des führenden Ruhrkampagne-Mitglieds Bernd Rabehl (vgl. Sept. 1969). Zur Motivation Berliner Studierender, das Proletariat des Ruhrgebiets zu missionieren, trug vermutlich nicht unwesentlich die wilde Streikwelle des September 1969, die sog. Septemberstreiks 1969, bei. Als deren authentisches Aktionszentrum stellt sich zumindest in Berlin (vgl. 12.9.1969) und dem durch Berlin beeinflussten Bundesgebiet die Ruhrkampagne dar, die gar über Bochumer Basisgruppen zu verfügen, also doch wirklich dort verwurzelt zu sein scheint (vgl. 12.9.1969). Dazu tragen mutmaßlich auch die zwar aus überwiegend gefälligen Allgemeinplätzen bestehenden, aber doch arg gelehrt klingenden Ausführungen über die von den Streiks betroffenen Konzerne bei. Pikanterweise erfolgt hier wiederum eine gewisse Annäherung an die DKP, der nun jenseits der Häme für ihren sozialdemokratischen Charakter und des Mangels ihres parteilichen Auftretens - etwa als neue Sozialdemokratie? - doch durchaus gehörige Achtung für ihren Einfluss in den illegal bestreikten Betrieben gezollt wird.

Wichtigste Lehre aus den Septemberstreiks 1969 aber ist die Möglichkeit der Einflussnahme der entschlossenen Kadergruppe, die nun plötzlich in die Lage versetzt zu sein scheint, den Faustkeil tief ins Herz des deutschen Kapitalismus zu stoßen, millionenschwere Industriebetriebe lahm zu legen, anstatt nur periphere prüde Paläoontologie-Vorlesungen in entlegenen bundesdeutschen Hochschulen durch demokratische Diskussionen zu paralysieren.

Die Westberliner Ruhrkampagne dürfte auch bei ihren Auftritten beim SDS Bochum den Nimbus der Revolte genossen haben (vgl. 18.9.1969). Kaum wurde angesichts der reichhaltigen revolutionären Erfahrung der Hauptstadtkader jemand gewahr, dass sie ähnlich den meisten einheimischen Ruhrgebiets-GenossInnen selber gerade knapp der Pubertät entwachsen waren.

Berlin galt dabei in Bochum vermutlich als vorbildliches Modell der Revolte (vgl. 19.9.1969), von dem frei schwebende Revolutionäre kündeten, so wie im Gegenzug in Berlin von der proletarischen Basis der bundesdeutsch-Westberliner bolschewistischen Revolution im Ruhrgebiet geträumt wurde.

Es ist hier also eine dialektische Diskussion entstanden, die quasi aus dem Nichts sowohl im Ruhrgebiet als auch in Berlin imaginäre revolutionäre Avantgarden erschuf, welche eifrig versuchten sich ihrer wirklich wohlfeilen Revolutionsmarketingkonzeption anzunähern, wenn auch nur entfernt. Hauptsache, das Gefühl des Vorwärtskommens, des, wenn auch nicht heutigen so doch baldigen, Herankommens an die Proletarische Revolution konnte lebendig erhalten werden.

Auch auf die Rote Garde (RG) in NRW scheint die Ruhrkampagne, möchte man einmal der MLPD Glauben schenken, nicht ganz ohne Einfluss, wenn dieser auch indirekt über die Betriebsgruppe 1 Bochum - eine der weiteren ganz bösen Figuren kindgemäßer ML-Geschichtsschreibung - ausgeübt zu worden sein scheint (vgl. Okt. 1969). Die örtlich in Bochum anwesenden Berliner Trotzkisten allerdings relativieren die Weinfurthsche demagogische Spezialgeschichtsschreibung erheblich, künden ihrer Zentrale gar von mangelnder Bochumer-Berliner Kooperation (vgl. 24.10.1969), auch wenn die ideologischen Einflüsse Berliner Gruppen, u.a. der Ruhrkampagne aber auch des SALZ, in Bochum durchaus vorherrschend zu sein scheinen (vgl. 8.11.1969).

In Berlin selbst vermag die Ruhrkampagne trotz aller Ruhrgebiets-Romantik nicht, sich nachhaltig gegen andere Fraktionen durchzusetzen (vgl. 24.11.1969), unterliegt nicht unbedingt den stärkeren Bataillonen aber doch den größeren Zugangsbewerberzahlen konkurrierender Kadergruppen, die eine einfachere revolutionäre Identität jenseits eines Wohnortswechsels nach Wattenscheid oder Wanne-Eickel anzubieten vermögen.

Im entbrennenden Fraktionskampf der Berliner APO um die 'RPK' bzw. bald den richtigen Weg des Parteiaufbaus agiert die Ruhrkampagne an der Seite der ML (vgl. 28.11.1969, 1.12.1969, 5.12.1969, 6.12.1969), versteht sich vermutlich selbst als ML-Organisation, so wie dies anders herum auch zu sein scheint (vgl. Dez. 1969), nicht nur an der Uni. Die Ruhrkampagne ist vermutlich ML-Aktivistenplenum vertreten, zumindest wird aus diesem auf ihrem Plenum berichtet, allerdings das Verhältnis zur ML noch nicht geklärt (vgl. 15.1.1970).

Die Ruhrkampagne bolschewisiert ihre eigene Struktur, verfügt nun scheinbar über einen Kern, ein Plenum und auch Untergruppen, die im Kern vertreten sind. Wie damals auch bei anderen linksradikalen Gruppen finden sich auch bei der Ruhrkampagne einmal längere Namenslisten in Protokollen etc.

Die Ruhrkampagne äußert sich derweil in der RPK parteilich programmatisch (vgl. 16.1.1970). Im Ruhrgebiet selbst dagegen entwirft Peter Weinfurth (vgl. 14.2.1970) das Gespenst der Ruhrkampagne als Partner der Bochumer SDS-Betriebsgruppe B1 bei einer großen Verschwörung wobei wiederum die italienische Unione als angebliches Vorbild herhalten muß. Allerdings führt Weinfurth selbst offensichtlich wenig später in Berlin offizielle Gespräche mit der Ruhrkampagne (vgl. 2.3.1970), die immer noch in der RPK-Redaktion vertreten ist (vgl. 13.3.1970) und auch den Aufbau der Roten Hilfe Westberlin (RH) unterstützt (vgl. 3.4.1970). Anhand der Frage der Unterstützung der sich gerade herausbildenden KPD/ML-ZB aber spaltet sich die Ruhrkampagne offensichtlich, wobei wohl nur die Minderheit zur KPD/ML-ZB hält.

In Bonn scheint die Gruppe um Jens Bünnig nicht begeistert von der Ruhrkampagne (vgl. Juni 1970), in Berlin scheidet sie endgültig aus der RPK-Redaktion aus (vgl. Juli 1970), was auch ihrer Auflösung geschuldet sein könnte.

Die aus der KPD/ML-ZB herausgesäuberten Gründer dieser Partei, Peter Weinfurth und Dieter Giesen bedienen sich der Ruhrkampagne in einem gefälschten Schreiben einer KPD/AO Rurhgebiet erneut als Schreckgespenst (vgl. 27.11.1970), wobei die KPD/ML-ZB nun demagogisch auf angebliche trotzkistische Kontakte Giesens verweist, auch Weinfurth selbst des Trotzkismus zeiht (vgl. 1.12.1970).

Der AStA der PH Dortmund denunziert für diese Darstellung abschließend die KPD als Neuauflage der Ruhrkampagne (vgl. 16.10.1972).

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

1969:
(Frühjahr bis Sommer) Die sog. ML-Gruppen der FU West-Berlin bilden sich. Aus ihnen entstand zunächst die ML Westberlin, dann der KB Westberlin, der sich bereits nach einer Nummer seines theoretischen Organs spaltete. Erst dann entsteht der KB/ML Westberlin. In den Fraktionsauseinandersetzungen der Berliner ApO war die Ruhrkampagne (deren wichtigster Vertreter wohl Bernd Rabehl, Assistent an der FU und Initiator der RK, war) mit dem KB/ML verbündet.
Quelle: Kukuck, Margareth: Student und Klassenkampf,2.Aufl.,Hamburg 1977,S.102ff

Juni 1969:
Laut 'RW' bildet sich die sog. Ruhrkampagne aus dem Berliner SDS unter maßgeblicher Beteiligung von Bernd Rabehl heraus. Ziel der Kampagne ist es, versprengte linke Gruppen im Ruhrgebiet zu organisieren. Vereinbarungen werden u.a. auch mit der Bochumer Betriebsgruppe 1 (B1) getroffen. Mitglieder der Ruhrkampagne unterstützen später die Bildung der KPD/ML-ZB und sind in verantwortlichen Funktionen in der Zentrale tätig.
Q: Revolutionärer Weg Nr.1,Solingen 1971,S.8

September 1969:
In Berlin geben die Projektgruppe DKP und Bernd Rabehl das Buch "DKP - eine neue sozialdemokratische Partei? DKP Kommunisten ins Rathaus. Gegen Sozialdemokratismus, Opportunismus und Revisionismus" heraus, wobei der Gewinn an die Ruhrkampagne gehen soll.
Q: Projektgruppe DKP und Bernd Rabehl:DKP - eine neue sozialdemokratische Partei?,Berlin 1969

12.09.1969:
In der 'RPK' Nr.30 (vgl. 5.9.1969, 17.9.1969) erscheint der Artikel "Streik in Westdeutschland". Er beschäftigt sich mit den sogenannten Septemberstreiks (den Streiks im Bergbau, der Eisen- und Stahlindustrie im Ruhrgebiet, Bremen und dem Saarland). Der Artikel ist verfaßt von einer Basisgruppe Bochum der Berliner Ruhrkampagne:"
Entstehung und Verlauf des wilden Streiks im Ruhrgebiet, Bremen und dem Saarland geben Aufschluss über die Entwicklung der Widersprüche des bundesrepublikanischen Spätkapitalismus. Auszugehen ist von der Wirtschaftsrezession 1966/67, die bekanntlich mit folgenden Methoden der konzertierten Aktion aufgefangen werden konnte:
a) Einleitung einer Exportoffensive

b) Einfrieren der Löhne durch langfristige Tarifverträge und geringe Steigerungsraten der Löhne

c) Umschulungsmassnahmen, Abwiegelung und Disziplinierung der Arbeiter durch die Gewerkschaften

d) Infrastrukturmassnahmen des Staates zur Mobilisierung von Kapital und Arbeit

e) Intensivierung des Kapitalakkumulationsprozesses und der Rationalisierung

Mittels dieses Katalogs "konzertierter Massnahmen" wurde der Konjunkturaufschwung eingeleitet, der sich inzwischen zu einer Überkonjunktur entwickelt hat. Der Umsatz der einzelnen Branchen stieg durchschnittlich um 15%, der der expandierenden Industrien um über 20%. Infolge des Exports, der gesteigerten Inlandsnachfrage, einer enorm gesteigerten Ausbeutung und der eingefrorenen Löhne stiegen die Konzerngewinne drei mal schneller als die Nominallöhne.

Die sich abzeichnenden Widersprüche wurden zuerst als verschärfte internationale Konkurrenz der verschiedenen staatsmonopolistischen Gesellschaften sichtbar. Die permanente Währungskrise, insbesondere die Franc-Abwertung, war deutlicher Ausdruck hierfür. Die Nichtaufwertung der DM bedeutet, dass sich die expandierenden Industrien - und innerhalb dieser die Grosskonzerne - durchgesetzt haben. Der Exportanteil dieser Konzerne beträgt zwischen 30 und 50%. Aufgabe der gegenwärtigen Warenexportoffensive ist die längerfristige Durchführung einer Kapitaloffensive, die gleichfalls begonnen hat.

Der neoimperialistischen Expansion nach aussen ging einher im Inneren eine gesteigerte Ausbeutung der Arbeiterklasse. Der durchschnittliche Produktivitätszuwachs betrug 8%, verbunden mit steigenden Arbeitsanforderungen, höheren Unfallraten, Überstunden - alles bei den inzwischen völlig unangemessenen Tariflöhnen. Es stellte sich heraus, dass die langfristig abgeschlossenen Tarifverträge durch Drückung der Lohnkosten Exportprofite garantierten.

Seit Juli/August mehrten sich im Ruhrgebiet kurzfristige Streiks, die jedoch überwiegend auf die jeweiligen Abteilungen beschränkt blieben. Gleichzeitig fand eine weitere Vorbereitungsphase statt, indem "plötzlich" zu geringe Hitzegelder, unzureichende Teeversorgung für die Hochofenarbeiter, die sanitären Einrichtungen Gegenstand verstärkter Kritik wurden. Diese Entwicklung blieb den Gewerkschaften nicht unbekannt. Der Chef der IG Bergbau bat am 15. August die Konzerne, doch die Lohnverhandlungen vorzuziehen (der Tarifvertrag läuft erst im Dezember ab). Am 18. August wurden die Arbeitsdirektoren beim Arbeitgeberverband Eisen/Stahl vorstellig, um über die steigende Unruhe unter den Arbeitern zu berichten; vergeblich! Insgesamt ist das eine bekannte Demonstration gewerkschaftlicher Mitbestimmung. Anfang September wurde für die metallverarbeitende Industrie ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt, für den Brenner von den Konzernen gelobt wurde: 8% Lohnerhöhung, lange Laufzeit, nur sehr allmähliche Verlängerung der Urlaubs und Verkürzung der Arbeitszeit. Wie bekannt, wurden die Verhandlungen zentral und geheim geführt. Mit diesem Vertrag wurden die Gewerkschaften Opfer ihrer eigenen bürokratischen Tarifpolitik. Zum einen regte sich Widerspruch innerhalb der metallverarbeitenden Industrie, zum anderen sahen die Arbeiterfraktionen, deren Verträge erst zum Jahresende kündbar waren, nicht mehr ein, warum sie aufgrund dieser rechtlichen Konstruktionen auf sofortige Lohnerhöhungen verzichten sollten. Der abgeschlossene Tarifvertrag stimulierte die Stellung eigener Forderungen. Die Streiks sind also einmal Konsequenz einer konjunkturell bedingten verschärften Ausbeutung, die sich besonders in der Stahlindustrie auswirkte. Nach mehreren mageren Geschäftsjahren versuchten die Konzerne die Gunst der Stunde durch verschärfte Produktionssteigerungen zu nutzen. Zum anderen sind sie insoweit gegen die Gewerkschaften gerichtet, als gerade durch die Praxis bürokratischen Aushandelns deutlich wurde, daß die Interessen der Arbeiter nicht mehr vertreten wurden.

Zu den konjunkturell bedingten und den von den Gewerkschaften selbst hervorgerufenen Ursachen der Streiks, kommen jedoch noch wichtige strukturelle. Die strukturellen Ursachen sind einmal für den Streikverlauf von Bedeutung, darüber hinaus legen sie einige Methoden der Gewinnung von Extraprofiten offen.

Beschleunigt durch die Rezession und die internationale Konkurrenz haben Kapitalakkumulationsprozesse durch Konzernvergrösserungen sowie innerhalb der Konzerne verstärkte Rationalisierungsmassnahmen stattgefunden. 1966 wurden die Hoesch AG und die Dortmund-Hörder Hütten Union fusioniert, ohne dass eine Lohnangleichung stattfand. Der fusionierte Konzern erwirtschaftete also zusätzliche Profite, indem er für gleiche Arbeit unterschiedliche Löhne zahlte. Da die Konzernleitung auf Verhandlungsforderungen des Betriebsrates, der für die Hoesch-Werke Westfalenhütte, Phoenix und Union eine einfache Angleichung verlangte, mit Hinhaltetaktik beantwortete, beschloss die Vertrauensleuteversammlung den Streik, nachdem eine erneute Dividendenerhöhung bei Hoesch bekannt wurde. Ähnlich gelagert ist der Rhein-Stahl-Konzern, der als nächster und am intensivsten bestreikt wurde. Der Konzern versuchte aus seiner schlechten Gewinnlage über eine Reorganisation der Produktion herauszukommen. Längerfristig wird diese Reorganisation die Stillegung einiger Abteilungen und Werke bedeuten; kurzfristig bedeutet sie eine verschärfte Konkurrenz der produktionsgleichen Betriebe untereinander. Die schwache Gewinnlage, die Tendenz, bestimmte Betriebe stillzulegen, sowie die Lohndifferenzierung durch betriebliche Konkurrenz führten zu unterschiedlichen und relativ zurückbleibenden Löhnen, also zu Erzielung von zusätzlichen Profiten in der gegenwärtigen Konjunkturlage.

Für Klöckner in Bremen und Osnabrück spielen regionale Lohndifferenzen für die dort besonders hart geführten Auseinandersetzungen ebenfalls eine Rolle. Aufgrund der günstigen Arbeitsmarktstruktur sind dort die Löhne hinter den Löhnen der Stahlarbeiter im Ruhrgebiet zurückgeblieben. Die streikenden Arbeiter in Bremen und Osnabrück wollen über den Streik einen gewaltsamen regionalen Lohnausgleich herbeizwingen.

Ähnliches gilt für den Streik der Bergarbeiter im Saargebiet. Während der Rezession wurden die staatlichen Gelder vorwiegend in das Ruhrgebiet gepumpt, so daß im Saargebiet sehr viel geringere Strukturbereinigungen stattgefunden haben. Diese beibehaltene Strukturkrise, verschärft durch eine gewisse ländlich Reservearmee, führten zu einem allgemeinen Zurückbleiben der Löhne, insbesondere aber im Bergbau. Lohnangleichung und die Forderung nach vorgezogenen Lohnerhöhungen (der Tarifvertrag ist im Bergbau erst zum Jahresende hin kündbar). Dies dürfte dort mit wesentliche Ursache der Streiks gewesen sein. Insgesamt gehört das Saargebiet heute zu den strukturschwächsten Industriegebieten. Die Franc-Abwertung machte sich aufgrund der Absatzorientierung nach Frankreich am stärksten bemerkbar. Die Exporteinbußen lassen dem Saarland bei dem nächsten Konjunkturabschwung einen bevorzugten Platz zukommen.

Untersucht man nun Organisation und Klassenbewußtsein der streikenden Arbeiter, so ist die Einschätzung der Gewerkschaften einfach, die der DKP nicht sehr viel schwieriger.

Aus dem bislang Dargelegten ist deutlich geworden, daß diese Streiks zum Teil wenigstens gegen die Gewerkschaften geführt wurden. Sie sind derzeitig damit beschäftigt, durch radikale Forderungen (14%ige Lohnerhöhung) und Vorverlegung der Tarif Verhandlungen abzuwiegeln. Die Gewerkschaftsbürokratie hat an den Streiks keinen Anteil. Die Kompromißvorschläge, die die Betriebsräte ausgehandelt haben, sind von den Arbeitern abgelehnt worden (Hoesch, Eisenwerke Neunkirchen).

Die DKP war auf die Streiks insgesamt als Partei nicht vorbereitet, Arbeitskämpfe waren nicht 'geplant'. Die Analyse der im August erschienenen DKP-Betriebszeitungen ergibt, daß sich diese auf den Wahlkampf in Form von Anti-NPD-Agitation konzentrierten. Sekundär beteiligten sie sich an der anfangs beschriebenen 'Motzerei'. Von einer zentral vorbereiteten Lohnkampagne kann keine Rede sein.

Wichtig ist, daß die DKP-Betriebsgruppe tatsächlich Kaderaufgaben während der letzten Monate wahrgenommen hat. Sie war daher aktionsfähig, als die Forderungen des Betriebsrates nach Lohnangleichung vom Konzern erneut hinhaltend beschieden wurden und die Dividendenerhöhung bekannt wurde. (Einzelheiten siehe Hoesch-Bericht). Am Montagabend wurden die Vertrauensleute über telefonisches Schneeballsystem mobilisiert, am Dienstag früh der Streik ausgerufen, der schwerpunktmäßig in den Stahlwerken I und II sowie dem Walzwerk begann. Er war von vornherein nicht als Abteilungsstreik konzipiert. Die Eroberung eines werkseigenen Feuerwehrwagens mit Lautsprechern sowie die Bildung einer Delegation, die durch alle Abteilungen zog, führte zur Durchsetzung des allgemeinen l Streiks.

Insgesamt läßt sich die Dialektik von allgemeinen Entwicklungstendenzen, konzernspezifischer Konkretion, Aktionsbereitschaft der Arbeiter-Kader, Agitation der Vertrauensleute und Spontaneität der Arbeiter für Hoesch relativ gut beschreiben.

Zweifelsohne hatte der Streik in der Westfalenhütte für andere Betriebe Initialcharakter, die Spontaneität nahm mit der Ausweitung der Streiks zu; gleichzeitig lassen sich jedoch gewisse überbetriebliche Organisationsstrukturen aufzeigen: Die DKP versucht seit längerem, konzernspezifische Beratungen ihrer Kader durchzuführen. Zumindest für Hoesch und Rheinstahl haben diese Beratungen lange vor Streikausbruch begonnen. Bei der völligen Isolierung der betrieblichen Vertrauensleute und Betriebsräte voneinander hat die DKP mit dieser Taktik den Erfolg: an diesen Beratungen nehmen zunehmend die Sympathisanten teil. Für die Streiks standen damit kommunikationsfähige informelle Kader zur Verfügung, allerdings unter strikter Kontrolle der Partei: Diese Organisation ermöglichte eine schnelle und gezielte Information und Agitation der anderen Hoesch-Werke und Konzerne.

Während des Streiks ist die DKP nicht als Partei aufgetreten, ihre Kader agitierten ausschließlich als Arbeiter. Des weiteren ist kennzeichnend für die Taktik der Partei, daß auftretende Konflikte zwischen Vertrauensleuten und der Streikführung einerseits, sowie den Betriebsräten und Gewerkschaften andererseits von ihr möglichst verkleistert würden. Ansätze einer prinzipiellen Kritik des Betriebsrates wurden personalistisch gewendet: einzelne Betriebsräte haben versagt. Offiziell ausgegeben wurde eine Strategie der Arbeitsteilung zwischen Streikführung und Betriebsrat. Letzterer an die Betriebsfriedenspflicht gebunden, habe die Aufgabe mit den Konzernen zu verhandeln, die Streikleitung dagegen die Aufgabe der Agitation; ein Verfahren, daß der Strategie der Ausweitung der Mitbestimmung ebenso Rechnung trägt, wie der Verhinderung radikaler Aktionen.

Schließlich muß noch darauf verwiesen werden, daß die DKP im Laufe des Wahlkampfes stillschweigend eine Frontbegradigung vorgenommen hatte. Nachdem deutlich wurde, daß das Wahlbündnis ADF nicht viel taugt, wurde die Bündnispolitik im Betrieb als das zentrale Moment ausgegeben. Hierin mag die Ursache für die generelle Unterstützung der Streiks seitens der DKP liegen.

Zweifelsohne hat die DKP die Streiks mitgetragen, gleichwohl ist es falsch, ihre Kader und Organisation zu überschätzen. Einmal ist die Aktionsbereitschaft der Arbeiter hoch, zum anderen dauern die Streiks meist nicht sehr lange. Dort, wo die Auseinandersetzungen härtere Formen annahmen, spielte die DKP eine untergeordnete Rolle, wie in Bremen, Neunkirchen und Duisburg. Von einer Vermittlung zwischen Streikbereitschaft der Arbeiter und revolutionären Kadern kann also hier keine Rede sein.

Über das sich in den Streiks entwickelte Bewußtsein genaueres auszusagen, ist zur Zeit noch recht schwierig. Deutlich zeichnen sich lediglich Unterschiede zwischen Bremen, Saar und Ruhrgebiet ab. In den Klöckner-Werken besteht eine klassenbewußte Kadergruppe. Streikführung und Dauer lassen eine zunehmend anti-gewerkschaftlich und anti-kapitalistische Tendenz erkennen. Dabei ist die Zusammensetzung der Belegschaft von Bedeutung: ein Kern erfahrener kommunistischer Facharbeiter, der den Streik führt, und eine Belegschaft, die überwiegend aus angelernten Arbeitern, die erst seit "kurzem" von der Landwirtschaft und kleingewerblicher Tätigkeit in die Betriebe wechselte. Aufgrund der etwas größeren Arbeitskraftreserven ist bei Klöckner der während der Rezession erfolgte Lohnabbau noch nicht wieder rückgängig gemacht worden.

Im Saargebiet findet im Bergbau derzeit ein totaler Streik statt, das Bewußtsein der Bergarbeiter weist jedoch stark berufliche-ständische Momente auf. Symptome sind die Verbrennung roter Fahnen, antigewerkschaftliche Stimmung bei gleichzeitigem Beifall für den CDU-Ministerpräsidenten sowie Parolen: "Bergarbeiter wieder an die Spitze der Lohnskala. " Die an der Saar naheliegende Vermittlung von kapitalistischer Strukturkrise und Klassenbewußtsein der Arbeiter wird durch diese ideologischen Bewußtseinsstrukturen zur Zeit blockiert.

Im Ruhrgebiet ist ein spontanes Arbeiterbewußtsein feststellbar, Ausdruck der ökonomischen Bedingungen, dessen politische Entfaltungstendenzen noch nicht recht abzuschätzen sind. Mit allen Vorbehalten lassen sich folgende Charakteristika ausmachen:

a) Die Unzufriedenheit war vor Beginn der Streiks groß. wie die Arbeitsniederlegungen und die beschriebenen Motzerei belegen.

b) Die Streiks haben erstmals seit längerer Zeit die relativ private Verarbeitung von Konflikten durchbrochen und Ansatz von Selbstbewußtsein und Solidarität geschaffen, (letztere wird freilich weniger bewußt akzentuiert.)

c) Sämtliche Forderungen waren rein gewerkschaftliche Forderungen, im wesentlichen Lohnerhöhungen.

Dort, wo der Streik sich gegen Rationalisierung und Arbeitsplatzbewertung richtete (MTM), konnte er sich nur sehr ungenau artikulieren. Von Bedeutung ist die Einfachheit der Forderungen: generelle Lohnerhöhung, ausgedrückt in absoluten Forderungen und nicht in Prozentangaben. Die Forderung 30 Pfennig ist leichter vermittelbar und hat solidarischere Konsequenzen als arbeitsplatzspezifisch abgestufte Prozentforderungen.

d) Die Streiks werden kaum als politische begriffen, schon gar nicht als antikapitalistische. Parolen in diese Richtung werden zurückgewiesen.

Kritik an der sozialen Symmetrie, an Konzernen und Gewerkschaften, bleibt vorpolitisch, das heißt privat. Zur Zeit lassen sich relativ häufig verbalradikale Einzeläußerungen finden die jedoch nicht in Aktionen umgesetzt werden.

Erwähnt werden müssen noch die Anti-NPD-Aktionen, die derzeit in dreierlei Spielarten vorgetragen werden:

Einmal einer staatlich verordneten, was sich in gemeinsamen Flugblättern von CDU, SPD und DGB ausweist, zum anderen in der bürgerlich-demokratischen Version der DKP und schließlich in antiautoritären und radikaldemokratischen Aktionen der Lehrlinge und Schüler. Teilweise deuten sich Aktionsbündnisse zwischen dieser Fraktion und Teilen der Vertrauensleute an auf der Grundlage: "Ihr seid doch die einzigen, die was tun. Militantere Aktionen haben also die Funktion, Kontakte - wenn auch oft nur sporadische - zu klassenbewußten einzelnen Arbeitern herzustellen. Diese Tendenz kann jedoch nicht als durchgängig behauptet werden, was jedoch wohl auch an der mangelhaften Organisation dieser Aktionen liegt.

Die beschriebenen Aktionen ergeben eine eindeutige Aussage über die Situation der revolutionären Linken im Ruhrgebiet: sie ist miserabel schwach: das ist freilich nicht nur ein quantitatives Problem, sondern vor allem ein Kaderproblem. Schulung und Aktionen, die auf Schulung hinführen, sind die nächsten wichtigen Aufgaben. Diese Schulung hätte als notwendige Schwerpunkte Betriebsarbeit, Lehrlings- und Schüleragitation. Die spezifischen Ruhrgebietbedingungen weisen sich vor allen durch die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit revisionistischen Gruppierungen aus. Diese Auseinandersetzung ist bislang vorwiegend auf allgemein-theoretischer Ebene geführt worden, dagegen fehlen Vorstellungen, was realrevolutionäre Agitation und Aktionen sind, wie die Revisionisten exemplarisch zu entlarven sind. Beispielsweise ist die abstrakte Gegenüberstellung von Arbeiterkontrolle gegen Mitbestimmung recht nutzlos. Arbeiterkontrolle allein als Forderung besagt gar nichts, welche Forderungen zu stellen sind und in welchen Aktionen sie durchzusetzen sind.

Die Erfahrungen dieser Streiks lehren die Vordringlichkeit einiger theoretischer Arbeiten: insbesondere der konkreter Konzernanalysen, Entwicklung der Lohndifferenzierungen in der Arbeiterklasse, Widersprüche innerhalb der Gewerkschaften. Verhältnis von betrieblicher Agitation und außerbetrieblicher Angriffe gegen die verschiedenen staatlichen Institutionen, Entwicklung von Lehrlings- und Schülerkampagnen neu.

Die nächsten Aufgaben der Berliner sozialistischen Opposition sind durch die spontane Streikbewegung der Arbeiter in der Bundesrepublik gestellt."
Quelle: Rote Pressekorrespondenz Nr.30,Berlin 12.9.1969

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12.09.1969:
Auf dem heutigen Teach-In hält für die Projektgruppe Ruhrkampagne Berlin auch M. Weisfeld ein Referat: "Die ökonomischen Umstände der Streiks".
Q: SDS-Info Nr.21,Frankfurt 1969,S.5f

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18.09.1969:
In Bochum beginnt ein zweitägiges SDS-Seminar (vgl. 19.9.1969), an dem offensichtlich auch Berliner GenossInnen, vermutlich von der Ruhrkampagne, teilnehmen.
Q: N.N. (SDS-Betriebsgruppe 1 Bochum):Rheinstahl,o.O. (Bochum) o.J. (1969);
N.N.:Protokoll des SDS-Seminars,Donnerstag,18.9.69,o.O. (Bochum) o.J. (1969)

19.09.1969:
Im SDS Bochum wird heute, vermutlich durch Mitglieder der Ruhrkampagne, ein Bericht von der Schülerarbeit in Berlin gegeben:"

a) SCHULARBEITSZIRKEL: Nachhilfe von Studenten für Volksschüler in Arbeiterbezirken; Politisierung - auch der Eltern - über Schulhilfe bis jetzt kaum erfolgreich; politische Strategie - z.B. außerbetrieblicher - innerbetrieblicher Ansatz - scheint kaum diskutiert; Erziehungsproblematik (psychische Schäden) z.Zt. im Vordergrund.
b) ROTZEG (Rote Zelle Germanistik,d.Vf.): will mit Schülern zusammenarbeiten; Revolutionäre Schüler- und Lehrlingsbewegung aufgegeben, da durch unterschiedliche Klassenlage die Zusammenfassung zu kompliziert; die Germanisten konzentrieren sich auf die Revolutionierung der eigenen Berufspraxis; die Zusammenarbeit mit Schülern scheint aufgrund der Solidarisierung der zukünftigen Lehrer mit den Schülern nur für die Studenten bedeutsam.
c) ROTE GARDEN (RG,d.Vf.): kaum spezifische Schulstrategie; zur Kaderbildung gut organisierte z.Zt. wohl zu dogmatische Schulungsarbeit; es sind nicht ausschließlich Schüler organisiert; das Schülerzentrum funktioniert als Aktions- und Organisationszentrum.
d) AUSS-GRUPPEN (Aktionszentrum Unabhängiger Sozialistischer Schüler,d.Vf.): weiterführende Perspektiven nicht deutlich; primär schulbezogenen Aktionen; Emanzipation, Sex-Pol, Vorbereitung auf Bundeswehr im Vordergrund."
Q: N.N.:Protokoll des SDS-Seminars vom 19.9.69,o.O. (Bochum) o.J. (1969),S.1f

19.09.1969:
In Bochum wird das gestrige SDS-Seminar (vgl. 18.9.1969) fortgesetzt. In einem Protokoll von unbekannter Seite heißt es:"...
- Die Koordination mit der 'Ruhrkampagne' Berlin ist noch ungeregelt."
Q: N.N.:Protokoll des SDS-Seminars vom 19.9.69,o.O. (Bochum) o.J. (1969)

Oktober 1969:
Laut 'RW' stoßen ca. Mitte Oktober Genossen der Roten Garde (RG) der KPD/ML im Ruhrgebiet erstmals auf die Bochumer Betriebsgruppe 1 (B1). Darüber berichtet die Rote Garde Essen in "Über trotzkistische Tendenzen im Ruhrgebiet" und warnt das ZK der KPD/ML (für die Rote Garde Essen unterzeichnet Peter Weinfurth im Auftrag):"
Die B1 proklamiert Mandels trotzkistische Arbeiterkontrolle in Zeitungen, theoretischen Schulungen und Flugblättern. Sie unterhält direkte Beziehungen zur IV. Internationale ... Im Sommer 1969 setzte die sogenannte Ruhrkampagne des Berliner SDS ein. Einige Kader aus Berlin, darunter Rabehl, reisten durchs Ruhrgebiet und versuchten, einzelne versprengte Gruppen ausgehend vom Bochumer SDS und speziell der B1 zu organiseren. Die gleiche Gruppe fertigte eine eingehende Analyse der bestehenden linken Bewegung im Ruhrgebiet an. Diese Auffassung setzen sie auch in die Praxis um: in blinder Handwerkelei gründeten sie in verschiedenen Städten Lehrlingsgruppen, ohne einheitliche ideologische Linie, ohne einheitliche Organisationsform. Eine solche Politik kann man nur als grundfalsch, antileninistisch, als typisch trotzkistisch bezeichnen. Rabehl arbeitet nun mit der trotzkistischen B1-Gruppe eng zusammen und leitet mit seinen Berliner Kadern praktisch auch die anderen SDS-ler an. Bemerkenswert vielleicht noch, das Dieter Giesen dort ist, vor nicht allzulanger Zeit jedenfalls noch im Redaktionskollektiv von 'Was tun?', was auch an der Uni verkauft wird.".
Q: Revolutionärer Weg Nr.1,Solingen 1971

24.10.1969:
Ein bisheriges Mitglied von Spartacus - IAfeKJO Berlin und jetziger Kandidat der IKD ist in Bochum eingetroffen und übernimmt seine Funktion als Regionalbeauftragter für den Aufbau der KJO im Ruhrgebiet. Dies ist das erste Ereignis (vgl. 25.10.1969), über das berichtet wird:"
Letzten Freitag war ich in der SDS-Mitgliederversammlung. Ca. 40 Leute da. ... Die Gruppen existieren in Bochum, daneben läuft aber offensichtlich in diesem Kreis die ganze APO-Arbeit im Ruhrgebiet zusammen ('Die Zusammenarbeit mit der Projektgruppe Ruhrkampagne aus Berlin klappt noch nicht besonders')."
Q: IKD-Reg.Beauftragter Ruhr:An IKD-Leitung,Bochum o.J. (1969)

08.11.1969:
Der IKD-Regionalbeauftragte (RB) Ruhrgebiet (vgl. 4.11.1969, 24.11.1969) gibt heute in Berlin der Leitung von Spartacus - IAfeKJO einen "Bericht über die Situation im Ruhrgebiet: ...
Lehrlingsgruppe Bochum: relativ gut funktionierend, 8 - 10 Lehrlinge, die SDSler haben eine geringe Einschätzung von besonderer Lehrlingsarbeit, sie orientieren sich an SALZ-Berlin und Projektgruppe Ruhrkampagne Berlin."
Q: Spartacus - IAfeKJO:Leitungssitzung vom 8.11.69,Berlin 8.11.1969

24.11.1969:
Zu den fraktionellen Auseinandersetzungen in der 'RPK' (vgl. 23.11.1969, 28.11.1969) erklärt der Beirat:"
Auf einer außerordentlichen Sitzung des Beirats am 24.11., die zu dem Zweck einberufen war, die verschiedenen anderen, für die nächste Nummer vorgesehenen Artikel zu besprechen, erklärte die Redaktion, daß sie sich an den Beschluß des Beirats nicht gebunden sehe und für die Periode bis zur Arbeitskonferenz die politische Verantwortung für die RPK alleine an sich nehme. Der Beirat hat daraufhin der Redaktion das Mißtrauen ausgesprochen und übernimmt selbst die Aufgaben der Redaktion bis zur Arbeitskonferenz."

Die Arbeitskonferenz wurde deshalb einberufen, weil im Beirat in der Zwischenzeit verschiedene Fraktionen auftraten. U.a. legte die ML-Fraktion ein Papier vor, daß nicht mehr "als Diskussionsbeitrag zur Organisationsfrage verstanden werden konnte ... sondern die Bekanntgabe der Gründung einer parteiähnlichen Organisation darstellt". Die ML-Gruppen sowie die Ruhrkampagne werden vom Beirat der RPK u.a. als "Fraktionisten" und "Sektierer" bezeichnet. Der Beirat "hält die Gründung einer marxistisch-leninistischen Übergangsorganisation für notwendig". ML-Gruppen und Ruhrkampagne werden deshalb als "Scheinfraktion" bezeichnet, "die in ihrem Papier in keiner Weise die Anstrengung macht, die Bedingungen revolutionärer Praxis in der nächsten Etappe des Klassenkampfes in der BRD und Westberlin anzugehen". Das Papier der ML wird als "Dokument der schwarzen Linie" bezeichnet.
Q: Rote Pressekorrespondenz Nr.41,Berlin 28.11.1969

28.11.1969:
Die Berliner 'RPK' Nr.41 (vgl. 21.11.1969, 5.12.1969) enthält u.a. eine "Erklärung des Beirats der RPK zum Vorgehen der ML-Gruppen und der Ruhrkampagne: Gegen Linksopportunismus und Sektierertum in der Organisationsfrage." Diese beschäftigt sich mit den Vorfällen vom 23. und 24.11.1969 (vgl. 29.11.1969).
Die 'RPK' wird mit dieser Nr. ebenso wie die Erklärung herausgegeben von: Fraktion der Arbeiterkonferenz, Fraktion des SALZ, Basisgruppe Tegel, Basisgruppe Moabit, Betriebsgruppe Schering, Betriebsgruppe NCR, ROTZEG, ROTZING, ROTZJUR, ROTZMAT, ROTZÖK, Sozialistisches Anwaltskollektiv, Internationales Forschungsinstitut des SDS (INFI), Vietnamkomitee, Arbeitsgruppe Revolutionäre Erziehung.

In einer Erklärung vom 28.11.1969, die von den Marxisten-Leninisten Westberlins unterzeichnet ist und unter den Losungen "Den Kampf zweier Linien führen. Erklärung der Redaktion der Roten Presse Korrespondenz zum Putsch der ROTZEG (Rote Zelle Germanistik). Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen. Warum dieser Artikel unterdrückt wurde. Erklärung der Redaktion der RPK zum Putsch der Roten Zellen" erscheint, wird u.a. erklärt: "Von der mittlerweile kommissarisch mit der Durchführung der Redaktion Beauftragten wurde ohne jede Begründung der abgesetzten Redaktion eine inhaltliche Erklärung zum Putsch und seiner Vorgeschichte in der jetzt erscheinenden RPK Nr. 41 verweigert."

Die Entwicklung dieser Differenzen liegt in einem Artikel begründet, der die Konzeption einer "revolutionären proletarischen Übergangsorganisation" vertrat. Diese Konzeption war von den ML-Gruppen, ML-Fraktionen der Arbeiterkonferenz und des SALZ erarbeitet worden. Vor allem die ROTZEG vertrat die Auffassung, daß der Artikel erst auf der "Arbeitskonferenz" zu diskutieren sei (er lautete: "Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen"). Eine Veröffentlichung vor der "Arbeitskonferenz" wurde von der ROTZEG abgelehnt. Aufgrund der unterschiedlichen politischen Einschätzung der "Arbeitskonferenz" und der unterschiedlichen politischen Positionen bezüglich der Veröffentlichung war es nicht möglich, einen gemeinsamen Konsens zu erarbeiten. Daraufhin gab es eine Abstimmung (von der Mehrheit der ROTZ-Gruppen herbeigeführt), und der Redaktion wurde das Mißtrauen ausgesprochen (die ML-Genossen beteiligten sich nicht an dieser Abstimmung).

Die Redaktion bezeichnet den Beirat als "zynisch machtpolitisch operierend", der "jede Diskussion auszuschalten" gedenkt und "damit die RPK zum Blatt einer radikal-phraseologischen Intellektuellen-Fraktion" machen will. Die Redaktion beschloß, "die nächsten beiden Nummern bis zur RPK-Konferenz in eigener Verantwortung zu redigieren und diese Entscheidung den Lesern der RPK zu erklären". Sie beschloß weiter, den Artikel der ML zu veröffentlichen und ihre Gründe dafür darzulegen. Eine entsprechende Erklärung gab sie vor dem am nächsten Tag nochmals einberufenen "Kleinen Beirat" ab. Nach harter Debatte führte diese Initiative zur Zustimmung der Veröffentlichung des Artikels unter der Bedingung, daß der Beirat bis zur Arbeitskonferenz seine politischen Entscheidungsbefugnisse behält, aber zugleich von einem Teil des Beirats der Redaktion das Mißtrauen ausgesprochen wird und diese Mißtrauenserklärung dem Artikel der ML vorangestellt werden soll.

Die Ruhrkampagne, die ML-Gruppen, das SALZ, die Arbeiterkonferenz-ML, das PROZ und die Betriebsgruppe Druck und Papier-ML sprechen der Redaktion das Vertrauen aus. Die Redaktion, der das Mißtrauen des durch die ROTZEG angeführten Teils des Beirats ausgesprochen war, die beiden nächsten Nummern aber dennoch bis zur Beiratskonferenz gestalten solle (mit einem entsprechenden Kommentar der ROTZEG), begann mit der Vorbereitung der RPK-Nummer 41. Bereits im Vorfeld begann sich abzuzeichnen, daß die ROTZEG sich nicht an ihren Beschluß halten würde; denn das Erscheinen des ML-Artikels ("Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen") wurde durch Nichteinhaltung verschiedener technischer Übereinkünfte verhindert.

Auf einer Tagung von Anhängern und Sympathisanten der ROTZEG (am 25.11.) in den Redaktionsräumen der RPK wird Mitgliedern der RPK-Redaktion erklärt, daß sich hier eine "Fraktion des Beirats, die der RPK-Redaktion das Mißtrauen ausgesprochen hätte", versammelt habe. Daraufhin verließen ML- und Ruhrkampagne-Genossen einschließlich der Redaktion die Räume. Nach einem Bericht zurückgebliebener ML-Genossen urteilend, ergab die weitere Sitzung Hinweise darauf, daß zunächst einmal ein "Übergangsgremium gebildet" werden solle, "das für die Zeit bis zur Arbeitskonferenz die Funktion in der Redaktion wahrnehmen soll". Die "Übergangsredaktion" sollte mit folgenden Genossen besetzt werden: Blöcher, Schwiedrzik, Huffschmidt, Soergel, Maria Bergmann, H. v. Rohde, Kreidt, Tautfest, Scharrer.

Es erscheint auch der Artikel der ML, über den der Streit ausbrach (vgl. 23.11.1969). Der Artikel ist jetzt unterzeichnet von: Marxistisch-Leninistische Fraktion der Arbeiterkonferenz, PROZ-ML, Sozialistisches Arbeiterkollektiv Druck und Papier-ML, Marxistisch-Leninistische Fraktion im SALZ. Die Marxisten-Leninisten Westberlins erklären zu dem Artikel, daß die ROTZEG und Sympathisanten genau in dem Augenblick mit einem Handstreich vorgingen, "als wir es wagten, die ersten Schritte einer proletarischen Übergangsorganisation in der RPK vorzustellen".
Q: RPK-Redaktion:Den Kampf zweier Linien führen,Berlin 1969;
ML Westberlins:Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen,Berlin 1969;
Rote Pressekorrespondenz Nr.41,Berlin 28.11.1969

Dezember 1969:
Innerhalb der Marxisten-Leninisten (ML) Westberlin wird vermutlich im Dezember der folgende Text verfaßt:"
Bericht der ML-Aktivisten an der FU
...
Bericht zur Lage am Institut für Publizistik

Die Mitglieder (25) der im November gegründeten Institutsgruppe Rote Publizistik verpflichten sich auf global bestimmte politische Ziele und begreifen sich als Teil einer zu gründenden Massenorganisation. ... Durch die Ereignisse (RPK-Putsch, Arbeitskonferenz) und die starke Zusammenarbeit von 5 Genossen aus der Schulungsgruppe mit anderen Uni-ML-Gruppen und der Ruhrkampagne wurde von diesen Genossen bereits die Entscheidung für die stärkere Zusammenarbeit mit der ML-Organisation getroffen, während die anderen Genossen aufgrund unterschiedlicher Motivationen Ressentiments gegen die ML entwickelten."
Q: ML Westberlin:Info Nr.1,Berlin Dez. 1969,S.14ff

Dezember 1969:
Innerhalb der Marxisten-Leninisten (ML) Westberlins erscheint das 'Info' Nr.1 (vgl. Jan. 1970).
Enthalten ist auch ein Beitrag über die:"
EINRICHTUNG VON KOMMISSIONEN

Das ZG (Zentrales Gremium,d.Vf.) hat beschlossen, auf dem nächsten Aktivistenplenum als nächsten wichtigsten Schritt der Marxisten-Leninisten Westberlins eine Kommission einzurichten, die

A. unsere nächsten praktischen Schritte zu bestimmen hat
B. die Schwerpunkte unserer praktischen Arbeit festlegt und begründet
C. die praktische Vereinheitlichung der Arbeit der Marxisten-Leninisten in der Betriebsgruppen, im SALZ, im PROZ herstellt
D. ein langfristiges Arbeitsprogramm ausarbeitet.
...
Die Kommission wird in drei Phasen anfangen zu arbeiten:
...
2. PHASE: Beginn der Arbeit an einer materialistischen Analyse des subjektiven und objektiven Faktors. Beginn der praktischen Zusammenarbeit mit den Ruhrkampagne-Genossen, die bereits analytische Vorarbeiten geleistet haben."
Q: ML Westberlin:Info Nr.1,Berlin Dez. 1969

01.12.1969:
Es erscheint das 'SDS-Info' Nr.25 (vgl. 17.11.1969, 22.12.1969) mit dem Leitartikel "Gegen 'Links'opportunismus und Sektierertum in der Organisationsfrage. Erklärung des Beirats der Roten-Presse-Korrespondenz zum Vorgehen der ML-Gruppen und der Ruhrkampagne".
Q: SDS-Info Nr.25,Frankfurt 1.12.1969,S.1f

SDS_Info139

SDS_Info140


05.12.1969:
In der 'RPK' Nr.42 (vgl. 28.11.1969) erscheint der Artikel "Den Kampf gegen die Schwarze Linie führen". Mit diesem Artikel geht der RPK-Beirat auf die Stellungnahmen der ML-Gruppen und der abgesetzten RPK-Redaktion "Der Putsch der ROTZEG-Häuptlinge" und "Den Kampf zweier Linien führen" ein. Aus diesen Dokumenten soll hervorgehen, "daß sich die Marxisten-Leninisten ungerecht behandelt und arglistig getäuscht fühlen". Der RPK-Beirat zieht Vergleiche mit dem Streit über die Funktion des 'Extra-Dienstes':"
Die Barthel-Guggomos und Co. bezogen darin eine Haltung, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit der abgesetzten Redaktion der RPK, der ML-Fraktion und der Strategen der Ruhrkampagne hat."
Q: RPK Nr.42,Berlin 5.12.1969

06.12.1969:
In Berlin beginnt die zweitägige RPK-Arbeitskonferenz, auf der von einer Reihe Berliner und bundesdeutscher Gruppen die Organisationsfrage diskutiert wird.
Die AK war u.a. wie folgt zusammengesetzt: SALZ-Fraktion (4), SALZ-ML-Fraktion (4), Arbeiterkonferenz-Mehrheitsfraktion (2), Arbeiterkonferenz-ML-Fraktion (2), Proz-ML (4), Druck-ML (4), Ruhrkampagne (4), Institutsgruppe Rote Publizistik (4).

Die Vorstellung von der RPK als einem "organisationsstiftendem Organ" setzt sich, laut RPK, nicht durch. Die ML-Fraktion und die Ruhrkampagne gehen davon aus, daß der RPK-Beirat kein eigenständiges Gremium" ist.

Konkreter Ausdruck der Diskussion ist trotzdem Bildung einer von den ml Organisationen bestimmten Redaktion der RPK, die sich aus folgenden Gruppen zusammensetzt: Harzer Gruppen, Rotzeg, Rotzing, Rotzök, ML, Ruhrkampagne, Geschäftsführung und Vertriebsleitung. Ab Nr.43/44/45 wird die RPK von diesen Gruppen herausgegeben.

In einer Stellungnahme der ML, Ruhrkampagne und der Institutsgruppe Rote Publizistik zur Neubestimmung des Organs RPK wird unter dem Titel "Einschätzung der Arbeitskonferenz der RPK" u.a. ausgeführt:"
1. Die RPK ist ein theoretisches Organ der revolutionären Gruppen in Westberlin.
2. Ihr Adressat sind in erster Linie Intellektuelle. Sie ist kein proletarisches Kampfblatt.
3. Es besteht heute innerhalb dieser Gruppen eine Fraktionierung, die nicht mehr von einem opportunistischen Geschwätz von Einheit übertüncht werden kann. Dieser Prozeß der Fraktionierung hat gerade erst begonnen.
4. Die RPK muß daher Ausdruck dieser ideologischen Auseinandersetzung sein. Das setzt voraus, daß die an der Fraktionierung beteiligten Gruppen in der RPK vertreten sind.
5. Der RPK-Beirat setzt sich nur aus Vertretern derjenigen Gruppen zusammen, die die praktische Fraktionierung vorantreiben. Es kann kein beliebiges Forum von 'freischwebenden' Intellektuellen sein, sondern es können dorthin nur Gruppen und Mitglieder delegiert werden, die den praktischen und ideologischen Kampf führen.
6. Der so zusammengesetzte Beirat nimmt die Auswahl der Artikel vor.
7. Der Beirat ist kein eigenständiges Gremium. Er kann keine Avantgarderolle spielen.
8. Erst im Rahmen einer einheitlichen Avantgarde-Organisation kann die RPK eine einheitliche politische und ideologische Linie vertreten. Die bereits bestehenden Organisationen als Avantgarde-Organisationen zu begreifen, hieße zum augenblicklichen Zeitpunkt, in dem weder ideologische Standpunkte noch die unterschiedliche Praxis in proletarischen Bereichen einen solchen Anspruch rechtfertigen würde, sektiererisch vorzugehen."

Dieser Auffassung wurde prinzipiell widersprochen, da man der Ansicht war, "daß die RPK schon zum jetzigen Zeitpunkt zum Propagator einer einheitlichen Linie werden sollte". Der Artikel wurde mit der Behauptung abgelehnt, "daß er die Ergebnisse der Arbeitskonferenz vorwegnehme".

Das Papier "Arbeitsvorstellungen der Ruhrkampagne" ging von dem Ziel aus, "Praxis im proletarischen Bereich des Ruhrgebiets" zu machen.

Die Arbeitskonferenz brachte durch Wahl eine neue Redaktion hervor, die von den Gruppen bestimmt wurde, die sich zum Marxismus-Leninismus bekannten und die auf der Arbeitskonferenz die Diskussion bestimmt hatten. ML und Ruhrkampagne bekamen in der neunköpfigen Redaktion drei Sitze (ML zwei, Ruhrkampagne einen), die PEI behielt drei Sitze, die Roten Zellen (Thesenverfasser) bekamen drei Sitze. Die Fraktionierung der RPK-Konferenz hielt jedoch an: Die Ruhrkampagne löste sich auf (ein Teil ging zur "ML Westberlin", ein anderer zur KPD/ML-ZB), aus den ML rekrutierte sich der KB/ML Westberlin.
Q: Fichter,Tilman,Lönnendonker,Siegward:Von der 'Neuen Linken' zur Krise des Linksradikalismus,in:Die Linke im Rechtsstaat Band 2,Berlin 1979,S.114;
ML-Fraktion der Arbeiterkonferenz: Die Situation der Arbeiterkonferenz,o.O. (Berlin) o.J. (1969);
Kukuck,Margareth:Student und Klassenkampf,Hamburg 1977,S.100;
Rote Pressekorespondenz Nr.43/44/45,Berlin ****1969;
Rote Fahne Nr.74/75,Dortmund 20.12.1972

18.12.1969:
In der Berliner Ruhrkampagne findet eine Plenumssitzung statt.
Q: Ruhrkampagne:Protokoll der Plenumssitzung vom 15.1.1970,o.O. (Berlin) o.J. (1970),S.3

15.01.1970:
In der Berliner Ruhrkampagne findet eine Plenumssitzung statt, von der uns ein Protokoll vorliegt:"
Tagesordnung:
I. A Verhältnis Kern - Plenum
B Vermittlung zwischen den Gruppen
C Vorstellung des Kerns
II. Kritik des Harzer Papiers

I. A VERHÄLTNIS KERN - PLENUM

Kernmitglied X. X. führte dazu aus, den Versuch, das Prinzip des demokratischen Zentralismus auf die Ruhrkampagne anzuwenden. Zwei Faktoren sind bestimmend für die Aufgaben des Kerns und seiner Beziehung zum Plenum:

a) Wann geht die Ruhrkampagne ins Ruhrgebiet?
Der Gang ins Ruhrgebiet ist abhängig von dem beginnenden Aufbau einer proletarischen Organisation hier oder im Ruhrgebiet.

b) Abschluß der Untersuchungsmethode und der Analyse (Fertigstellung der I. Etappe bis Februar)

Der Gang ins Ruhrgebiet (a) ist im Juli möglich, hängt aber ab von b) dem Abschluß der Analyse und dem Aufbau der Organisation (Nicht unbedingt abgeschlossen); aus a) und b) folgt c) die Aufgabe des Kerns:

a) muß der Kern die organisatorische Vorarbeit im Ruhrgebiet leisten

b) trägt er die Verantwortung für den Abschluß der Analyse und die Diskussion der proletarischen Organisation

Frage 1) Wie wird nun durch den demokratischen Zentralismus die Vermittlung der Kerndiskussionen ins Plenum geleistet?
a) Vermittlung der Verbindlichkeit der Ruhrgebietsarbeit
b) Vermittlung der theoretischen Arbeit

2) Wie ist die Kontrolle des Kerns durch das Plenum möglich?

Antwort von X. zu
1.) Die Diskussionen des Kerns müssen ins Plenum getragen werden (RPK, Intensivseminar, insb. Leninismus)
2.) Kategorien für die Kontrolle des Kerns sind:
a) Erfüllung der Aufgaben (Abschluß der Analyse, dabei Kontrolle des Arbeitsstils)
b) Permanenz der Arbeit (Gradmesser z.B. Intensivseminar)
Die Kritik an Personen darf nicht allein im Kern, sondern muß im Plenum und in den Untergruppen diskutiert werden.

Frage 3) Kann die Plenumskritik tatsächlich Konsequenzen im Kern bewirken? Antw.: Dazu müssen objektive Kriterien festgestellt werden, damit nicht der Subjektivismus des Plenums dem Subjektivismus des Kerns gegenübersteht. Diese objektiven Kriterien sind:
a) Durchführung der wissenschaftlichen Arbeit (ideologisch theoretisch)
b) Aufgabe im Ruhrgebiet (ideologisch praktisch) Der demokratische Zentralismus soll gewährleisten, daß nicht subjektivistisch-formale Entscheidungen getroffen werden, sondern daß nach den aufgestellten objektiven Kriterien geurteilt wird. Diese Kriterien geben die inhaltliche Kritik und die folgende Veränderung des Kerns an.
Bsp. zu a) Aus der theoretischen Arbeit lassen sich objektiv ableitbare Kriterien bestimmen, woraus dann die objektive Veränderung folgt. So stellt sich z.B. bei der Analyse der Betriebe die Frage nach den Schwierigkeiten der Organisierung wie
1.) wie weit Spontaneität?
2.) wie weit Leitung?
1.) und 2.) führen zum Organisationsmodell Liebknecht-Luxemburg oder zur Anwendung des Leninismus Hier besteht also ein ideologisch-theoretischer Gegensatz. Klarheit wird hier nur durch das objektive Kriterium der theoretischen Arbeit erreicht (hier: die Untersuchung spontaner Organisationsformen; Frage nach der revolutionären Organisation in der Geschichte, die spontan entstanden ist, in welcher Etappe? usw.).

Bsp. zu b) Hier besteht der individuelle Konflikt der Kernmitglieder in Bezug auf die Ruhrarbeitsperspektive (Gegensatz: Studienabschluß - kein Abschluß). Dieser Konflikt darf nicht psychologisiert werden.

Frage 4) Wie kann für das Plenum eine Verbindlichkeit der Ruhrarbeitsperspektive vermittelt werden?

Antw.: Die Fragestellungen der inhaltlichen Arbeit (theor.) müssen die Frage nach der Ruhrgebietsarbeit )prakt.) garantieren.

Frage 5) Wie kann die Auswirkung des hohen Wissenschaftsgrades auf die Untergruppen, wo die Schulung nur ein Teilerfolg ist, positiver gestaltet werden (Bsp. Staatstheorie - Klassenanalyse; nicht gelungene Vermittlung)?

Antw: a) Mangel an der Arbeit der Untergruppen Fragen zur Staatstheorie in Verbindung zur Analyse müssen in den Analysegruppen vorbereitet werden.
b) Mangel an der Arbeit der Staatstheoriegruppe
Probleme der Analyse müssen auch der Gruppe Staatstheorie gegenwärtig sein, um die Staatstheorie für die Analyse nutzbar zu machen. Bedeutung von a) und b): Die marxistische Methode muß Anwendung auf unsere Analyse finden!

B WIE KANN DIE VERMITTLUNG DER GRUPPEN UNTEREINANDER ERREICHT WERDEN?

Vorschlag 1.) Sekretariat, das die wöchentlichen Arbeitsberichte jeder Gruppe sammelt, um die Problemstellung und die Verbindung für das Intensivseminar zu gewährleisten.

Vorschlag 2.) In allen Gruppen Diskussion der eigenen Fragestellung, durch die Mitglieder des Kerns muß es gewährleistet werden, die Fragestellungen in die anderen Gruppen zu tragen.

Vorschlag 3.) Organisationssekretariat (3 Pers.)
Aufgaben:
a) technische Leistung des papersammelns und -verteilens
b) Überprüfung der Gruppen und des Stands der Diskussion
c) Selbständigkeit gegenüber dem Kern

Kritik an Vorschlag 3.): Dieser versucht, neben den verantwortlichen Kernleuten eine neue Organisation aufzubauen. Die Möglichkeiten dieses Sekretariats sind auf moralische Appelle von außen beschränkt. Die Verbindugn der Diskussion kann nur von den für die Gruppen verantwortlichen und kontrollierbaren Kernpersonen geschehen, was bedeute,
a) daß die Gruppen durch gegenseitige vorherige Information und Problemstellung sich für das Intensivseminar vorbereiten
b) daß eine klare Koordinierung durch den Kern geschieht, der auch die Arbeitsetappe abstecken soll.

Vorschlag 1.) wurde erneut in Verbindung mit Vorschlag 2.) diskutiert. Das Sekretariat wird nur als Hilfsfunktion angesehen; die Verbindung der Gruppen muß durch die Personen des Kerns geschehen.

Lösung für die Verbindung der Gruppe Staatstheorie mit der Klassenanalysegruppe:
Die Klassenanalysegruppe arbeitet in einer Sondersitzung den Haupttext auf, gibt die Frage, unter der ihr der Text für die Klassenanalysegruppe wichtig erscheint, an die Staatstheoriegruppe zurück, die die Frage für das Intensivseminar aus den weiteren Texten vorbereitet. Das Intensivseminar kann dann tatsächlich der Koordination der beiden Gruppen dienen.

C VORSTELLUNG DES KERNS

Die Mitglieder stellten sich mit ihren Arbeitsbereichen und ihren Ruhrgebietsperspektiven vor. Namen der Mitglieder des Kerns:
Y. Y., Z. Z., A. A., B. B., C. C., D. D., E. E., X. X., F. F., G. G. (nur bis 15.2.) (eine Frau,d.Vf.).

Die Stellung der Weimarer Republik Gruppe und ihre Vertretung im Kern durch H. H. ist ungeklärt. Die Kritik an dieser Gruppe durch den Kern soll zunächst zwischen der Gruppe und dem Kern stattfinden, da bisher die Vermittlung der Gruppenarbeit in den Kern nicht geleistet worden ist.

Die Kritik an den vorgestellten Genossen aus dem Kern soll zuerst in ihren Untergruppen und dann im Plenum diskutiert werden. Mögliche Erweiterung des Kerns durch Plenumsmitglieder soll ebenfalls auf der nächsten Sitzung besprochen werden.

Kriterien für die Arbeit im Kern (s. auch Prot. vom 18.12.1969) a) Unterstützung des aus der Arbeitsperspektive der Ruhrkampagne resultierenden Aktionsbündnis mit der ML
b) Mitarbeit am Aufbau einer proletarischen Organisation
c) Ruhrgebietsfrage - für das Plenum kann dies nicht pauschal bejaht werden, sondern muß abhängig sein von der Fertigstellung der Analyse und dem Problem der Organisation.

Die Diskussion hierüber muß unbedingt in die Untergruppen getragen werden.

Punkt II der Tagesordnung wurde auf die nächste Plenumssitzung vertagt.
Vorschläge für die Tagesordnung am 22.1.1970:
1. Bericht von C. über das Aktivistenplenum der ML
2. Harzer Papier
3. I./J. Papier (Die ML-Organisation aufbauen,d.Vf.)

Die Diskussion der Situation in Berlin und im Ruhrgebiet ist in Beziehung auf die Aufgabe der Organisierung und das Verhältnis ML-Ruhrkampagne soll bald im Plenum diskutiert werden (?,d.Vf.)."
Q: Ruhrkampagne:Protokoll der Plenumssitzung vom 15.1.1970,o.O. (Berlin) o.J. (1970)

16.01.1970:
Artikel der Ruhrkampagne in der 'RPK' Nr.48 (vgl. 9.1.1970): "Lenin und Rosa Luxemburg zum Verhältnis von Spontaneität und Partei". Der Artikel wird in der Nummer 49 fortgesetzt.
Q: Rote Presse Korrespondenz Nr.48 und 49,Berlin 1970

14.02.1970:
Laut 'RW' verfaßt Peter Weinfurth einen Brief an den Landesvorsitzenden der KPD/ML NRW, Willi Dickhut, "Über die Machenschaften der B1" Bochum. U.a. wird ausgeführt:"
...
Sicher ist nur, daß alle Gruppen das SALZ-Konzept unterstützten und sich aktiv an seinem Aufbau beteiligten. Es mag auch sein, daß einzelne Fraktionen das Konzept nicht voll unterstützten, jedenfalls eindeutig läßt sich eine allen verbindliche Linie erkennen, nämlich die ökonomistische:
a.) Die Berliner Ruhrkampagne erschien im Sommer regelmäßig in Bochum, und gemeinsam wurden Analysen erarbeitet. Rabehl war insbesondere dort und war bemüht, sogar zu organisieren. Die Ruhrkampagne hat es sich zum Ziel gesetzt, die Klassenkämpfe im Ruhrgebiet voranzutreiben. Zu diesem Zweck war sie bestrebt, eine sozialistische Massenorganisation aufzubauen. Dies sollte geschehen in der Form von zentralen Kampagnen.
b.) Die erste zentrale Kampagne war die Cuba-Film-Kampagne. Eine Gruppe SDS-ler reiste im Ruhrgebiet und Umgebung herum, bestrebt, den Cuba-Film zeigend, Gruppen zu initiieren.
c.) Christoph Ebner, AStA-Mitglied, reiste derweilen permanent im Ruhrgebiet herum und fertigte eine Analyse der bestehenden linken Zirkel in den einzelnen Städten an.
d.) Nun konnte man zum nächsten Schritt kommen und an den Aufbau der sozialistischen Massenorganisation gehen. Derweilen kamen immer noch des öfteren Berliner Ruhrkampagneleute nach Bochum. Man setzte als nächste Kampagne die Vietnamkampagne an. Ende Dezember sollte eine große Demonstration (vgl. 20.12.1969,d.Vf.) stattfinden und im Anschluß daran wollte man dann die Massenorganisation ins Leben rufen.
e.) Zudem hatte man einen Plan erstellt, wer von den Studenten wann wo (bei welcher Gruppe) Schulung betreiben sollte. Somit zeichnete sich im Dezember schon das Gerippe einer Massenorganisation ab. Am 6. Dezember wurde eine zentrale Konferenz einberufen, an der Vertreter aller Zirkel teilnahmen, auf der Demonstration wurde ein teach-in abgehalten und nachher am 11. Januar wieder eine Delegiertenversammlung abgehalten. Diese wählte sogar die Redaktion einer Zeitung, die demnächst erscheinen sollte. Wahrscheinlich wäre dieser Versuch, eine sozialistische Massenorganisation aufzubauen, auch ohne unsere Politik gescheitert, denn die inneren Widersprüche der einzelnen Gruppen und Zirkel waren immens, jedoch unser Auftreten hatte zur Folge, daß einerseits das SALZ als Konzeption gestorben ist, daß andererseits der Ökonomismus ideologisch geschlagen und liquidiert ist. Unsere Politik kennzeichnete sich dadurch, daß wir bestrebt waren, übrigens zur gleichen Zeit, wie die zweite zentrale Kampagne anlief, überregional im Ruhrgebiet zu organisieren. Dabei ist zu sagen, daß wir außerordentlich schwach waren und eigentlich überhaupt nicht in der Lage sein konnten, gegen immerhin 35 Zirkel und doch einigermaßen qualifizierte Studenten als Führer dieser Zirkel anzukommen. Zunächst organisierten wir auch parallel zueinander. Jedoch läßt sich sagen, daß wir im Dezember für sie überraschend eine Stärke gewonnen hatten, die sie zwang, mit uns bei der Durchführung der Dezemberdemonstration ein Bündnis einzugehen. Hatten sie bisher unangefochten das Zirkelwesen angeführt, sowohl ideologisch als auch organisatorisch und politisch, stellt die B1 und die ihr angelagerten Zirkel auch tatsächlich praktisch die einzige Gruppe in NRW dar, die in der Lage war, die linke Bewegung zu führen, so war jetzt eine völlig neue Lage entstanden. Eine Gruppe war aus dem Nichts entstanden, die ideologisch es mit jedem aus der B1 aufnehmen konnte, die man also als die tatsächlich am weitesten fortgeschrittene Gruppe bezeichnen konnte. Diese trat jetzt an die Öffentlichkeit und machte der B1 den Führungsanspruch streitig. Somit entwickelte sich die Vietnamdemonstration zu einer Kraftprobe zwischen Roter Garde und B1. Wir agitierten die B1 als führendes Zentrum einerseits, was ihren Ökonomismus anging, tatsächlich eine Massenorganisation aufzubauen. Wir hatten damit durchschlagenden Erfolg. Wir konnten ein klares Konzept darlegen, wir vertraten den fortgeschrittenen Standpunkt der straffen Organisation und zeigten dies auch praktisch in der Durchführung der Demonstration. Wir hinterließen somit einen bleibenden Eindruck bei den Massen, während die B1 im Grunde nur die bisherige SDS-Praxis von Bochum auf das Ruhrgebiet ausdehnte. Als dann die entwickelsten Gruppen des SALZ zu uns übertraten (Dinslaken, Gelsenkirchen, Hagen) war es endgültig aus, das SALZ war tot und die Rote Garde war wesentlich gestärkt (was Dinslaken anbelangt, so gab es dort im Januar/Februar einen Rote Garde Stützpunkt, der aus einigen Genossen bestand, die sich jedoch spätesten im April wieder von der Organisation trennten,d.Vf.). Sie hatte sich zur führenden Kraft entwickelt und ihre Aufgabe wird es in der nächsten Zeit sein, diesen Führungsanspruch, zum erstenmal auf der Demonstration unter Beweis gestellt, auch in Zukunft zu behaupten. Die weitere Entwicklung war nun dadurch gekennzeichnet, daß die B1 nun unbedingt versuchen mußte, uns die errungene Führung wieder zu nehmen. Offensichtlich wählte sie den zweiten Weg. Am 11. Januar 1970 wurde in Bochum öffentlich Selbstkritik geübt und man setzte sich vom Ökonomismus ab. Man sagte, die Hauptaufgabe wäre der Aufbau der marxistisch-leninistischen Partei. Dabei will man sich aber nicht uns anschließen, sondern parallel zu uns eine Unione aufbauen. Daß man sich nicht uns anschließen will, begründet man mit der Behauptung, bei uns gebe es Fraktionen und sie wollten sich mit der proletarischen Fraktion zusammenschließen, um die sektiererische zu bekämpfen ... Es scheint, daß die B1 durch die Herausgabe ihrer Zeitung (die ehemalige SALZ-Zeitung) versuchen will, uns ideologisch zu schlagen, sich so ihren Einfluß bei den Zirkeln zurückerobern will und nebenbei noch bereit ist, mit Methoden zu arbeiten, die der Beschreibung spotten. Allein, daß sie ihr Papier verbreiten wollen, und damit überall ausposaunen, in der KPD/ML gebe es Fraktionen und ferner gar nicht daran denken, mit uns irgendwie zusammenzuarbeiten, sondern uns arrogant von oben herab behandeln und nur unter ganz bestimmten Umständen sich herablassen, mit uns zu fusionieren. War also die Situation im Dezember dadurch gekennzeichnet, daß wir uns die Führung erkämpften, was sich darin zeigte, daß wir zu ihnen gingen und wir sie um Diskussion baten. Jetzt ist die Situation genau umgekehrt, die B1 versucht, uns die Führung wieder abzunehmen, was sich darin ausdrückte, daß sie zu uns kommt und um Diskussion bittet. Wir haben gestern eine lange Diskussion, ein Informationsgespräch mit der B1 in Essen geführt ... Das Fazit des Gespräches war, daß wir in den grundlegenden ideologischen Fragen einer Meinung sind, daß aber die B1 noch prüfen will, wie die Sache mit den falschen Linien und Fraktionen bei uns ist und erst dann entscheiden will, ob sie bei uns mitmachen will oder nicht, aber in jedem Falle ansonsten die Politik verfolgt, im Zirkelwesen eine marxistisch-leninistische Schulung und Propaganda zu entfalten und das vor allem durch ihr Kaderorgan machen will. Sehr wichtig ist ferner, daß die Berliner Ruhrkampagne nach der Erstellung des Papiers mit 5 Leuten ins Ruhrgebiet kam, um die B1 davon abzuhalten, was in dem Papier fixiert ist. So ist auch das Zurückweichen der B1 gestern einzustufen. Es ist sogar durchaus möglich, so scheint es, die Ruhrkampagne vollständig von der B1 zu isolieren, wir werden dazu in der nächsten Woche ein Informationsgespräch führen. Auf der anderen Seite setzt sich der Prozeß fort, daß die entwickelten Zirkel zu uns überlaufen. Eine Gruppe Studentinnen aus Bochum, die noch im Dezember 1969 maßgeblich und aktiv die Vietnamdemonstration durchgeführt hatte, hat inzwischen ihre Fehler eingesehen, will sie korrigieren und nun sich aktiv am Aufbau der Roten Garde beteiligen (gemeint ist wahrscheinlich ein Teil des ehemaligen Weiberrates des SDS-Bochum, ein Teil der Kommune Kohlenstraße, der Kommune Bongardstraße,d.Vf.) ... Ein weiteres Beispiel, wie isoliert in Wirklichkeit die B1 ist, besteht darin, daß ein führendes Mitglied der B1, nach eigenen Angaben ihr ehemaliger Chefideologe, ein Student, ebenfalls ihnen den Rücken zugewandt hat und in der Roten Garde mitarbeiten will. Er kommt ebenfalls mit wirklich ehrlichen Absichten zu uns und setzt sich vor allem von der neuesten Strategie der B 1 entschieden ab."
Q: Revolutionärer Weg Nr.1,Solingen 1971

02.03.1970:
In Berlin führt eine Delegation der Roten Garde (RG) NRW der KPD/ML (Dieter, Martina, Dietmar Kesten und als Leiter Peter Weinfurth) ein Gespräch mit Mitgliedern des (Bundes-) Zentralkollektivs der Roten Garde (Günther, Hanjo) mit Sitz in Berlin, welches von der Landesleitung Berlin der KPD/ML eingesetzt worden war. Gleichzeitig werden Gespräche mit dem Westberliner Angestelltenkollektiv der Roten Garde und der Ruhrkampagne geführt.
Q: Revolutionärer Weg Nr.4,o.O. 1970,S.58;
Bolschewik Nr.0,Essen o.J. (März 1970);
Bolschewik Nr.1,Bochum März 1970

13.03.1970:
In der 'RPK' Nr.56/57 (vgl. 6.3.1970), wird die "Vorläufige Plattform für die Aufbauorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD/AO) abgedruckt. In der Präambel heißt es u. a., daß eine Gruppe von Genossen "ihre politische Tätigkeit als KPD-Aufbauorganisation mit dem Ziel (begründet), eine revolutionäre Kommunistische Partei auf nationaler Ebene zu schaffen".

Mit dieser Nummer besteht die Redaktion nun aus den Gruppen: KPD/AO, PEI, ROTZEG, ROTZING, ROTZÖK, ML, Ruhrkampagne, Geschäftsführung, Vertrieb. Die "Harzer Gruppen" sind nicht mehr in der RPK vertreten, da sie sich jetzt zumindest in PEI und KPD/AO getrennt haben.
Q: Rote Presse Korrespondenz Nr.56-57,Berlin 13.3.1970;
Weg der Partei Nr.3,Dortmund 1975,S.46

03.04.1970:
In der 'RPK' Nr.59 (vgl. 10.4.1970) erscheint der "Aufruf des Sekretariats der Roten Hilfe Westberlin", mit dem Hinweis, daß der "Aufbau der Roten Hilfe Organisation des Volkes" in Angriff genommen wird und mit dem "kurzfristigen Aufbau eines effektiven Genossenschutzes" begonnen wird.
Den Aufruf unterstützten: ROTZEG, ROTZÖK, ROTZMATH, ROTZEPS, ROTZEPH (Eine Fraktion), ROTZPOST, RotKol, Ruhrkampagne, SAKO, AG Neuköllner Krankenhaus, RC, Blaukreuz (vgl. 15.4.1970).
Q: Rote Presse Korrespondenz Nr.59,Berlin 3.4.1970

04.04.1970:
Die Berliner Ruhrkampagne beginnt eine zweitägige Diskussion über die Frage, "ob die einzige marxistisch-leninistische Organisation im Ruhrgebiet, die KPD/ML Nordrhein-Westfalens" (spätere KPD/ML-ZB,d.Vf.) zu unterstützen ist. Der Diskussion vorausgegangen waren Gespräche mit KPD/ML- und RG-Vertretern aus NRW (vgl. 3.2.1970):"
Im Laufe der Diskussion kommt ein Teil der Genossen zu dem Ergebnis, daß die KPD/ML und Rote Garde im Ruhrgebiet zu unterstützen sind, da ihre prinzipiellen Positionen korrekt erscheinen. Ein erheblicher Teil der Genossen, vorrangig vertreten von Mitgliedern der M. L. Westberlin, ... hatten prinzipielle Einwände. Diese Genossen erklärten ihren Austritt aus der Ruhrkampagne und ihre Bereitschaft, mit der ML Westberlin Gespräche bezüglich Mitarbeit zu führen."
Q: Rote Presse Korrespondenz Nr.61,Berlin ******1970,S.13

Juni 1970:
In Bonn erscheint die Nr.2 der 'Kritischen Politik' (vgl. Apr. 1970, Okt. 1970), in der es u.a. in einem "Standort" betitelten Artikel heißt: "... wir halten es ... für verfrüht und nicht vertretbar, wenn bis ins einzelne eine Organisationsdebatte geführt wird, ohne zuvor eine hinreichende KLASSENANALYSE ... geleistet zu haben". Während man die KPD/ML für irrelevant hält, wird zur Vorsicht vor Joscha Schmierer vom SDS Heidelberg, der Berliner Ruhrkampagne und der Kieler Gruppe um die 'Rote Skizze' geraten.
Q: Kritische Politik Nr.2,Bonn Juni 1970

Juli 1970:
Die Ruhrkampagne tritt aus der Redaktion der Berliner 'RPK' aus.
Q: Rote Presse Korrespondenz Nr.96/97,Berlin 8.1.1971

27.11.1970:
Nach einem Bericht des KJVD der KPD/ML-ZB verschicken Peter Weinfurth, der aus dem KJVD ausgetreten war, und der 'Was Tun' Mitherausgeber (zeitweise auch immerhin ein Polleiter NRW der KPD/ML-ZB,d.Vf.) Dieter Giesen einen Brief an alle Parteimitglieder und alle Stadtkomitees des KJVD, der die Unterschrift 'KPD/AO Ruhrgebiet' trägt. Die KPD dagegen beteuere nichts damit zu tun zu haben. Der Brief wird vom KJVD am 15.12.1970 in der Nr.5/6 von 'Der junge Bolschewik' abgedruckt.

Das Flugblatt berichtet über "Erste Erfolge der KPD/AO im Ruhrgebiet". Dem Zentralbüro wird u.a. vorgeworfen, daß es "es nicht geschafft hätte, Betriebsgruppen im Ruhrgebiet aufzubauen". Später wird bekannt, daß P. Weinfurth der Verfasser des Flugblatts ist, das er nach seinem Austritt aus dem ZB herausgegeben hatte, um die Organisation auf wichtige Versäumnisse in "ihrer Parteiarbeit hinzuweisen".

In dem Flugblatt heißt es u.a.:"
Vor einiger Zeit war in NRW das Gerücht aufgetaucht, wir würden mit 50 Mann ins Ruhrgebiet kommen, um unsere Betriebsarbeit in Angriff zu nehmen. Diesem Gerücht hat damals niemand Glauben geschenkt. Es tauchte ebenfalls das Gerücht auf, wir hätten bereits seit längerer Zeit intensive Untersuchungsarbeit betrieben. Auch diesem Gerücht hat niemand Glauben geschenkt. Die linkssektiererischen Leitungen der KPD/ML glaubten, sie brauchten bloß linke Phrasen zu dreschen (SPD-Kampagne) und massenhaft Papier zu verdrucken (von Studenten!!! gemachte 'Betriebszeitungen'), um ihr schwarzes Süppchen mit Erfolg kochen zu können. Die KPD/AO hat ohne großes Aufsehen im Ruhrgebiet große Erfolge errungen: Der korrekte Teil der Ruhrkampagne hat seit einem Jahr zusammen mit uns die Klassenanalyse für das Ruhrgebiet erstellt. In den gemäß unserer Analyse wichtigsten Betrieben haben wir starke proletarische Betriebsgruppen aufgebaut. Warum hat die KPD/ML beim Aufbau von Betriebsgruppen nur Mißerfolge erlitten?
1. Sie haben krampfhaft versucht, eine Parteiorganisation aus dem Boden zu stampfen. Dabei haben sie sich mehrfach gespalten und vor lauter innerorganisatorischem bürokratischen Klüngel die wenigen guten Ansätze für Betriebsarbeit liquidiert. Es gibt keinen besseren Beweis für unsere Ansicht, daß in der jetzigen Situation keine Partei aufgebaut werden kann. Deswegen haben wir eine Aufbauorganisation gegründet. Wir entwickeln jetzt die Kader, die später die Partei aufbauen.
2. Die proletarischen Genossen in der KPD/ML wurden von einigen machtlüsternen Intellektuellen für ihre kleinbürgerlichen Zwecke ausgenutzt. Das sauer verdiente Geld der Betriebsarbeiter warfen die linken Usurpatoren mit vollen Händen zum Fenster hinaus und stürzten die Partei in riesige Schulden.
3. Ihr Allheilmittel sollte die SPD-Kampagne sein, eine ganz unverschämte Verdrehung der historischen Erfahrungen der Arbeiterbewegung. Der Erfolg dieser Kampagne war, daß selbst die wenigen Arbeiter dieser 'Partei' den Rücken wandten, weil sie sich restlos von den Massen isoliert hatte. Von den Mißerfolgen der KPD/ML abgeschreckt und den Erfolgen der KPD/AO überzeugt, sind führende Genossen des Landesverbandes NRW zu uns gekommen. Wir rufen alle Mitglieder der KPD/ML auf, dem Beispiel ihrer führenden Genossen zu folgen, sich uns anzuschließen und die Leitungen in ihren zentralen Büros versumpfen zu lassen. "
Q: Flugblatt Erste Erfolge der KPD/AO im Ruhrgebiet vom 21.11.1970,Bochum 1970;
Der junge Bolschewik Nr.5/6/7,Bochum 15.12.1970;
Der Parteiarbeiter Nr.1,Bochum Jan. 1971

01.12.1970:
Das ZB der KPD/ML-ZB verfaßt eine Erklärung "Ein trotzkistischer Anschlag auf die Partei", die uns in verschiedenen, aber nur stilistisch - nicht inhaltlich - abweichenden Versionen vorliegt. U.a. führt das ZB aus:"
Am 27.11.1970 verschickte der Genosse Peter Weinfurth mit drei anderen Genossen zusammen einen Brief an alle Mitglieder der Partei und alle Stadtkomitees des KJVD in NRW, dessen Inhalt einen trotzkistischen Angriff gegen die Existenz der Partei darstellt.
...
Er brüstet sich damit, sich mit dem 'korrekten Teil der Ruhrkampagne' zur Klassenanalyse des Ruhrgebietes durchgerungen zu haben. KPD/AO und Ruhrkampagne sind aber Studentenorganisationen. Das entspricht genau der Taktik dieses Operettentrotzkis, sich mit ihm persönlich ergebenen Intellektuellen zu verbünden, um eine Hausmachtbasis für sein fraktionistisches Vorgehen zu haben."
Q: Der Junge Bolschewik Nr. 5/6/7,Bochum 15.12.1970,S.3ff;
MLPD-ZK:Geschichte der MLPD,I.Teil,Stuttgart 1985,S.255;
Der Parteiarbeiter Nr.1,Bochum Jan. 1971,S.34ff

16.10.1972:
Der AStA der PH Dortmund gibt seine bisherige 'AStA-Information, DOS - Dortmunder Studentenzeitung' (vgl. 26.6.1972, 23.10.1972) vermutlich heute erstmals in den uns vorliegenden Exemplaren nur unter dem Titel 'DOS' als Sondernummer "Einführung in das PH-Studium" heraus. U.a. heißt es. Vorgestellt werden u.a.:"
DIE POLITISCHEN GRUPPEN AN DER PH
...
Die KPD/AO, die es 1970 (vgl. 28.2.1970,d.Vf.) in ihrer vorläufigen Plattform noch für angebracht hielt, zu schreiben: 'Gegenwärtig kann noch keine revolutionäre Organisation den Anspruch erheben, sich KPD zu nennen', hob dies im Juli 1971 (vgl. 7.7.1971,d.Vf.) mit folgender Begründung wieder auf: 'Die KPD/AO hat vom Tage ihrer Gründung an ihre revolutionäre Verpflichtung gegenüber der Arbeiterklasse und den anderen werktätigen Schichten des Volkes wahrgenommen'.

Von dieser Selbsteinschätzung leitete ein kleiner Westberliner Zirkel den Anspruch ab, sich künftig K'P'D nennen zu müssen.

Da man jedoch bald einsah, daß eine revolutionäre Veränderung unserer Gesellschaft nicht von Berlin aus erreicht werden kann und man endlich die Träume der Westberliner Studentenbewegung realisieren wollte, hielt man es für angebracht eine neue Auflage der 'Ruhrkampagne' zu starten. Was darin seinen Ausdruck fand, daß die Parteizentrale nach Dortmund verlegt wurde (vgl. 1.3.1972,d.Vf.), um - vornehmlich - die Arbeiter und Studenten mit der Politik der K'P'D und ihren Unter- und 'Neben'-Organisationen (KSV, KJV, OSK, Liga gegen den Imperialismus (LgdI,d.Vf.)) bekannt zu machen."
Q: DOS Sdr.Nr. Einführung in das PH-Studium, Extra Sdr.Nr. Einführung in das PH-Studium Ergänzung SS 73 und Sdr.Nr. Einführung in das PH-Studium (2. Aufl.),Dortmund o.J. (1972), o.J. (Apr. 1973) bzw. o.J. (Okt. 1973),o.S., S.2 bzw. S.3

Letzte Änderungen: 13.12.2011

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