Die RPK-Arbeitskonferenz 1969

Materialien zur Analyse von Opposition gegen die Autoritäten der antiautoritären Revolte

Von Jürgen Schröder, Berlin

Materiallage

Im APO-Archiv befinden sich noch zahlreiche weitere Dokumente, u.a. auch Handakten führend Beteiligter. Wir haben das nicht alles ausgewertet bisher, vor allem nicht die zentralen Papiere, da diese in der RPK in genügender Auflage veröffentlicht wurden. Dafür sind hier einige nicht ganz so bekannte Texte enthalten, u.a. von der Roten Zelle Germanistik (Rotzeg) an der FU Berlin und der ML-Fraktion der Arbeiterkonferenz Westberlin.

Die Organisationen

Es stehen sich zunächst die Marxisten-Leninisten (ML) Westberlin und die RPK-Mehrheit gegenüber. Auf der RPK-Arbeitskonferenz befehden sich dann mutmaßlich zwei Gruppen: die Autoritäten des SDS in Gestalt der Thesenpapierverfasser und andererseits eine Koalition aus späterer PEI und ML.

Wichtige Themen und Ereignisse

Hier wird ausschließlich die RPK-Arbeitskonferenz vom 6./7.12.1969 behandelt sowie die ihr direkt vorhergehenden Auseinandersetzungen.

Anhand von zweien der zahlreichen auf der Konferenz verbreiteten Arbeitsberichte werden auch Beiträge zur Geschichte der Roten Gelle Germanistik (Rotzeg) an der FU Berlin (vgl. Jan. 1969, 5.7.1969), die aber angesichts der extrem eindrucksvollen Septemberstreiks 1969 eher blass bleibt, sowie der Arbeiterkonferenz Westberlins bzw. deren marxistisch-leninistischer Fraktion veröffentlicht.

Die RPK-Arbeitskonferenz mit den zu ihr vorgelegten Hauptpapieren der Fraktionen war die zentrale Debatte zwischen schließlich drei Gruppen, die auch schnell in der Bundesrepublik Deutschland Freunde fanden, da die dortige Diskussion eifrig nachgeübt wurde (vgl. Bonn - . Nicht zuletzt ging es bei dem Streit (man beachte auch die Auseinandersetzungen um die Veröffentlichung von Artikeln) um das damals wichtigste linksradikale Presseorgan, welches wöchentlich mit einer Auflage von 10 000 Exemplaren in fast jede noch so entlegene Gegend der Republik drang, von den örtlichen Revolutionären in ihren eigenen Zeitungen begeistert abgetippt bzw. nachgebetet wurde. Die RPK besaß unzweifelhaft den Nimbus der Hauptstadt der Revolte, das Frankfurter 'SC-Info' des Sozialistischen Clubs bzw. die 'Sozialistische Correspondenz Frankfurt' hatte da eher zweitrangige Bedeutung.

Es geht also nicht nur um bloße Theorie, sondern auch um handfesten politischen Einfluss mittels Kontrolle über die RPK. Die ML stellt sich dabei, zumindest in der Arbeiterkonferenz, die einen kaum zu unterschätzenden Stellenwert hatte angesichts der Septemberstreiks und der allgemein vollzogenen 'proletarischen Wende', vor als Opposition gegen die studentischen Genossen, die vermutlich beim INFI bzw. den Thesenverfassern und der ihnen befreundeten Rotzeg verortet werden dürfen. Während die revolutionäre Berufspraxis der Lehrer aber Mitte 1969 noch anziehend erschien (vgl. 5.7.1969), vor allem für die teils mit weit überwiegender Mehrheit revolutionär organisierten Studierenden einschlägiger FU-Institute, eröffnete sie doch Perspektiven auf die Beeinflussung von Oberschülern, auch wenn proletarische Kinder durch die Sexpol-Kampagne kaum zu gewinnen waren (vgl. Aug.1969), war bei der RPK-Arbeitskonferenz der Mythos des 'proletarischen Riesen' aufgrund der Septemberstreiks 1969 längst erwacht. Nun galt es, bolschewistische Betriebsarbeit zu machen oder wenigstens zu unterstützen (vgl. Sept. 1969, 1.11.1969).

Die ML Westberlin machten mutmaßlich eine kurze theoretische Pause (vgl. Okt. 1969), um danach umso lauter für ihre dabei einstudierten Mao Tse-Tung Zitate trommeln zu können und sich auch in der RPK-Redaktion fraktionell zu etablieren (vgl. 14.11.1969). Sie bieten damit das Vorbild für die bundesdeutschen Gruppen, die sich später zu ABG, KABD, KB und KBW zusammenschließen, aber auch teils für die KPD/ML, ist doch die Ruhrkampagne im engen Bündnis mit den ML und später nicht unwesentlich and er KPD/ML-ZB beteiligt.

In der Betriebsarbeit ist aber auch eine maoistisch-spontaneistische Tendenz tätig, die sich später als Proletarische Linke/Parteiinitiative (PL/PI) bzw. als Proletarische Linke (PL) organisiert und neben den ML und der KPD-Aufbauorganisation (KPD/AO) eine dritte bundesweite Linie von eher spontaneistischer als operaistischer, aber auf jeden Fall antiautoritär-maoistischer bis auch einmal terroristischer Ausrichtung in Anlehnung an die französische Gauche Proletarienne mitprägt, zu der wir keinen eigenen Artikel verfassen, ihre Darstellung ist in Frankreich enthalten.

Die Fraktionierung seitens der ML bzw. der ihren Artikel zunächst zensierenden RPK-Redaktionsmehrheit scheint Anlass zur Ausrufung der RPK-Arbeitskonferenz zu sein (vgl. 23.11.1969), auch wenn zunächst nur der Beirat einberufen wird (vgl. 21.11.1969, 29.11.1969), der sich aber gerade zwei Tage später, die Westberliner hatten ja im Gegensatz zu den östlichen K(l)assenbrüdern schon Telefon, umgehend zögerlich betreffs demokratischer Beratungen zeigte, die Arbeitskonferenz wird auf den 6.12.1969 verschoben, und nur bei der Zensur sofort entschieden zuschlug (vgl. 23.11.1969), auch wenn dies durchaus nicht nachhaltige Wirkung zeitigte (vgl. 28.11.1969). Der RPK-Beirat wird zum täglich tagenden Gremium angesichts des antiautoritären Aufstandes der Redaktion, sowie scheinbar schlicht voreilig vorpreschender ML-Parteigründer (vgl. 24.11.1969). Angesichts des damaligen Wertes der nahezu heilig hoch gehandelten Handelsmarke Marxismus-Leninismus (ML) verwundert es nicht, dass der RPK-Beirat darauf mehrheitlich leichtfertig hätte verzichten mögen. Lieber wird die eigene Position als die ML-Position betont.

Die Theoriefraktion aber erkennt perfekt pädagogisch, dass die Anderen sowieso unbelehrbar sind, besetzt mit akademischer Entschiedenheit zentrale Produktionsstätten des damals maßgeblichen linken Organs. Nicht nur höhere Deutschlehrer sind hier mutmaßlich beteiligt, sondern auch eine offenbar breite Koalition von späterer Rote Armee Fraktion (RAF) in Gestalt von Horst Mahler bis KPD/Aufbauorganisation (KPD/AO) in Gestalt von Wolfgang Schwiedrzik.

Zumindest die Berliner Studierenden in Gestalt der Rotzeg (Rote Zelle Germanistik) an der FU Berlin bleiben fleißige Schüler, ach nein, sogar richtig linke Lehrer der Revolution (vgl. 26.11.1969), die das Volk völlig bedienen würden, wenn es nur die Macht bereitwillig bolschewistisch an sie übergäbe.

Unter dem Eindruck des massenhaften Ausbruchs der klassenkämpferischen Kriminalität in Gestalt der Septemberstreiks 1969 überzeugte aber vermutlich auf der RPK-Arbeitskonferenz eher die ML-Fraktion im Verein mit der späteren PL/PI, schien doch die Abkehr von der Hochschularbeit angesagt, zumindest dort, wo sowieso ca. 80% der Studierenden in den verschiedenen Gruppen organisiert waren und trotzdem noch jede Demonstration eher mühelos von der Polizei verprügelt werden konnte ... Die Septemberstreiks 1969 hatten da ganz andere Zeichen gesetzt. Massenhafter - hunderttausendfacher! - und völlig offensichtlicher gewalttätiger Gesetzesbruch wurde mit Lohnerhöhungen gehätschelt statt niedergeknüppelt, auch wenn einige der Vertreter des Kapitals schießen wollten wie auf Rudi Dutschke, aber: sie trauten sich einfach nicht!

Unter dem überwältigenden Eindruck dieser Streikwelle vermochte die revolutionäre Berufsperspektive der Lehrer nur noch eine untergeordnete Rolle einzunehmen. Die Rotzeg, deren einschlägige Fraktion neben dem Infi als wesentliches Hauptquartier der Semler/Horlemann-KPD zu verorten ist, musste sich hier erst der hinreichenden Anzahl proletarischer Kader, u.a. aus dem Sozialistischen Arbeiter- und Lehrlingszentrum Westberlin (SALZ) versichern, um entsprechend auftrumpfen zu können.

Interessant an den Marxisten-Leninisten Westberlin (vgl. 26.11.1969) erscheint dabei vor allem, dass eine Selbstorganisation der Arbeiter angestrebt wird, zu der die Arbeiterkonferenz werden sollte. Die bolschewistische Partei als autoritativer Ratgeber in allen Fragen des proletarischen Alltags scheint hier noch sehr fern. Es ist mehr die Auflehnung gegen oben, was auch immer dass gerade heißen mag. BRD, NS, SDS, der ML kommen damals alle Führer fast gleich, Hauptsache Aufstand gegen sie und nicht so arg viel Gerede dabei... Natürlich wird doch arg viel geredet (vgl. 28.11.1969), aber die ML stellt sich damals eher hemdsärmelig praktisch dar, proletarisch sowieso. Einige bisher zusammen arbeitende Gruppen weisen mittlerweile offensichtlich ML-Fraktionen auf. Dies gilt auch für das Proletarierinnenzentrum (PROZ - vgl. Dez. 1969), welches als eines der Verbindungsglieder zwischen der ersten Welle der bundesdeutschen autonomen Frauenbewegung 1968 und der weiteren großen Welle ab 1974 wichtig ist. Im PROZ sowie den sich daran in Gefolge der RPK-Arbeitskonferenz orientierenden Gruppen wird vor allem Betriebsarbeit in typischen Frauenbetrieben, vor allem in der Elektroindustrie betrieben, z. b. bei ITT-Intermetall Freiburg, aber auch in anderen typischen Frauenarbeitsbereichen wie z.B. im HBV-Bereich im Ruhrpark Bochum.

Die Trotzkisten, in Gestalt der damals in Westberlin weitaus führenden Spartacisten des Spartacus - IAfeKJO (vgl. Dez. 1969), bleiben auch auf der RPK-Arbeitskonferenz bzw. den Auseinandersetzungen um die RPK trotz örtlicher prima proletarischer Praxis eher farblos, vermutlich waren sie intellektuell einfach zu eigensinnig für solcherlei Massenauftriebe.

Erfolgreicher zeigt sich da die allerdings erst später (vgl. Dez. 1969) so heißende PL/PI.

Allein der Aufschub der Veröffentlichung eines Artikel aber gereicht angesichts der alltäglich andauernden Anforderungen des Klassenkampfes zum Anlass einer erbitterten Auseinandersetzung, die zur mehr oder minder konsequent regional bzw. örtlich durchgeführten Dreiteilung der damaligen radikalen Linken der Bundesrepublik Deutschland führt.

Die sog. Harzer Gruppen teilen sich dabei später noch weiter auf in PEI bzw. PL, bzw. AO und ML andererseits (vgl. Jan. 1970).

Die PEI analysiert sich rückblickend selbstkritisch als alleinig antiautoritär ausgerichtet (vgl. 1.3.1970), was angesichts des antiautoritären Anspruchs der außerparlamentarischen Opposition nicht wirklich verwundern sollte.

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

Januar 1969:
Die Rote Zelle Germanistik (Rotzeg - vgl. 26.11.1969) an der FU Berlin berichtet über sich selbst (vgl. 5.7.1969) bzw. über die Frage der revolutionären Berufspraxis:"
I. WAS WAR IN DER ROTZEG GEMEINT MIT 'REVOLUTIONÄRE BERUFSPRAXIS'?

1. Die Praxis an der Uni war im Wintersemester 1968/1969 von den adhoc-Gruppen und vom AStA bis zu einem Punkt vorangetrieben, wo gerade für die linken Studenten sich die Frage stellte, wohin die kurzfristigen Mobilisierungen führen sollten (Vergeblichkeit der Notstandskampagne, Beginn der Relegationen). Die mutige Entscheidung der Basisgruppen-Genossen, ihr Studentendasein abzubrechen, zugleich die falsche Polarisierung von seiten der Basisgruppen-Genossen: Hier Basisarbeit - dort Institutspartikularismus verstärkte die Frage, wie ist eine politische Perspektive zu entwickeln, die über das Ende des Studiums hinausreicht? Die Berufspraxisdiskussion schien genau die richtige Antwort auf diese Frage zu sein. In den Streiks des Wintersemesters im Januar 1969 wurde diese Frage bei uns in den Mittelpunkt gestellt, nachdem sie schon einmal bei der Besetzung des Instituts (vgl. S1.**.196*,d.Vf.) aufgetaucht und in den kritischen Seminaren (vgl. S1.**.196*,d.Vf.) wieder untergetaucht war. (Übergang: Massive Kritik der Germanistik von ihrer gesellschaftlichen Relevanz her - die materielle Gestalt des Germanistikstudiums: der Deutschlehrer)."
Quelle: Rotzeg:Bericht der Roten Zelle Germanistik,o.O. (Berlin) o.J. (1969),S.1

April 1969:
In Berlin berichtet die marxistisch-Leninistische Fraktion der Arbeiterkonferenz (vgl. 26.11.1969) vermutlich aus dem April von der Arbeiterkonferenz (vgl. 12.7.1969):"
Der Entstehung der Arbeiterkonferenz gingen Diskussionen mehrerer Arbeiter voraus, die sich im damaligen Maikomitee (MK,d.Vf.) trafen. Unzufrieden mit ihrer Situation als Arbeiter in den Betriebs- und Basisgruppen und im Maikomitee beschlossen sie, ein Forum aller in der 'linken Bewegung' arbeitenden proletarischen Genossen einzurichten. Dort sollten die Arbeiter sich selbst artikulieren und ohne Studenten einen eigenen Standpunkt in der Bewegung zu entwickeln. Die Unzufriedenheit der meisten proletarischen Genossen beruhte auf dem Abhängigkeitsverhältnis zu den Studenten in den einzelnen Gruppen und Gremien. Der Grund dafür war die theoretische Rückständigkeit der Arbeiter und daß sie in der Minderheit waren. Anstatt Maßnahmen zur Beseitigung dieser theoretischen Kluft zu ergreifen, bauten die Studenten ihre Vormachtstellung aus und benutzten die Arbeiter in den Gremien als Alibi. Die Arbeiter waren so in die Konsumentenrolle gedrängt."
Q: ML-Fraktion der Arbeiterkonferenz: Die Situation der Arbeiterkonferenz,o.O. (Berlin) o.J. (1969),S.1

05.07.1969:
Die Rote Zelle Germanistik (Rotzeg) konstituiert sich an der FU in Berlin vermutlich an diesem Wochenende (vgl. 8.7.1969) als erste Rote Zelle. Laut MLHG (vgl. 5.7.1971) gründen sich im Sommer/Herbst 1969 die ersten Roten Zellen.

Die Rotzeg (vgl. 26.11.1969) berichtet über sich selbst (vgl. Jan. 1969, Aug. 1969):"
2. Die Rotzeg entstand, als sich der Gedanke durchsetzte, daß eine sozialistische Praxis als Lehrer unmöglich in der Agitation von Lehrern, etwa in der syndikalistischen Organisation im Sinne des SLB etc. aufgehen könne, sondern nur in der Unterstützung der, damals relativ starken Schülerrebellion sich konkretisieren könne. Zugleich wurde klar, daß eine solche sozialistische Bestimmung der Aufgabe des Lehrers scheitern müßte, wenn es nicht gelingen würde, die Vereinzelung des Lehrers aufzubrechen. Unabdingbare Voraussetzung dafür war die verbindliche Organisierung der zukünftigen Lehrer schon an der Uni, die kollektive Vorbereitung auf die spätere Berufspraxis durch Schulung, Gegenstudienplan, kollektive Examina, kollektive Praktika; evtl. Zusammenstellung von Kollektiven, die gemeinsam nach Westdeutschland gehen sollten tc. Die Rotzeg war also eine Art Stützpunkt, von dem aus die spätere Berufspraxis organisiert wurde und gemeinsam politische Erfahrungen gemacht wurden. Dementsprechend wurden die verschiedenen Ausschüsse der Rotzeg von der Vorbereitung auf die spätere Berufspraxis her strukturiert.

3. In all unseren ersten Aktivitäten an der Schule (Praktika) steckte beherrschend noch die Theorie des Kampfes gegen die Institutionen: Die Theorie, daß man die Studentenrevolte immer weiter ausdehnen müsse, bis sie die Schüler, dann die Rocker, dann die Lehrlinge, zum Schluß die Arbeiter selber unter den Prinzipien des anti-autoritären, antimanipulativen Kampfes erfassen würde, daß so ein allmählicher Übergang vom Hochschulkampf zum Klassenkampf stattfinden würde, weil der Staatsapparat in immer größere Verlegenheit geriete, mit all diesen Revolten fertig zu werden.

II. IN WELCHER PHASE HATTE DIE PAROLE VON DER 'REVOLUTIONÄREN BERUFSPRAXIS' EINE SO STARKE ORGANISIERENDE WIRKUNG, DAß DIE ROTZEG ENTSTAND?

1. Die Rotzeg-Gründung fand in einer Situation statt, in der die Arbeit der Basisgruppen gut voranzuschreiten schien (vgl. die Streiks bei ARWA (GTB-Bereich - vgl. 23.6.1969,d.Vf.), die Aktionen bei Gillette (IGM-Bereich - vgl. S2.*.1969,d.Vf.)), die Gründung des SALZ (vgl. S2.*.1969,d.Vf.), die über eine Studentendemonstration weit hinausgehende Mobilisierung bei der 1.Mai Demonstration etc.). Die sinnvollste Unterstützung der Basisarbeit schien uns nicht das individuelle Abwandern in die Basisgruppen, sondern die organisierte Eröffnung einer neuen Front, die Forcierung des Kampfes im Erziehungssektor zu sein. Die Idee einer revolutionären Arbeitsteilung, des organisierten und koordinierten Kampfes an verschiedenen Fronten schien schon damals verwirklichbar zu sein. Die Idee war richtig, aber war weder abgestützt durch das gleichmäßige, schnelle Voranschreiten der Basisarbeit, noch war die Arbeitsteilung gelenkt durch eine Organisation, die für die Gesamtstrategie verantwortlich war.Die Arbeitsteilung verstärkte so die Disparität der Praxisbereiche, anstatt sie aufzuheben.

2. Der Stand der Organisationsdiskussion bei der Gründung der Rotzeg war bestimmt durch die Diskussion einer sozialistischen Massenorganisation, die nicht weiter definiert war - irgendwie Erfassung der ganzen Linken mit Ausnahme der SEW-Revisionisten. Auf dieser unklaren Gurndlage konnten alle die formalistischen Organisationsschemata entstehen, die unter SOMAO kursierten. Diese Unklarheit, die eine Unklarheit der gesamten Linken war, versuchte die Rotzeg mit ihren Statuten einerseits aufzuheben (durch die Roten Zellen als Grundeinheiten einer Massenorganisation sollte die ganze Organisationsdebatte strukturiert werden, verbindliche Übernahme von Aufgaben, Organisierung nur der sozialistischen Studenten etc.), andererseits war aber die arbeitsteilige Organisation der Rotzeg immer noch orientiert an der bevorstehenden Gründung der Massenorganisation, in die die Rotzeg sich einordnen würde."
Q: Kukuck,Margareth:Student und Klassenkampf,2.Aufl.,Hamburg 1977,S.127ff;
MLHG Nr.4,Berlin 5.7.1971;
Rotzeg:Bericht der Roten Zelle Germanistik,o.O. (Berlin) o.J. (1969),S.1f

12.07.1969:
Es beginnt die zweitägige erste 'Arbeiterkonferenz' in Berlin. Es nehmen ca. 50 Genossen aus 10 Betriebsgruppen der Basisgruppen teil. U.a. auch aus SALZ und Roter Garde (RG). Ein Referat mit dem Inhalt "Über die Situation der Arbeiter in der sozialistischen Bewegung" wird gehalten. Die Arbeiterkonferenz diskutiert auch die Organisationsfrage.

Laut MLHG Berlin (vgl. 5.7.1971) hatte die SDS-Projektgruppe Räte die Initiative zur Bildung von Betriebs- und Stadtteilgruppen übernommen, die aber studentisch dominiert blieben, so daß im Sommer 1969 die Arbeiterkonferenz gebildet wurde.

Die marxistisch-leninistische Fraktion der Arbeiterkonferenz (vgl. 26.11.1969) berichtet (vgl. Apr. 1969, 23.8.1969):"
Das Vorbereitende Komitee schätzte aus eigenen Erfahrungen die Probleme der Arbeiter ein und propagierte die erste Arbeiterkonferenz mit folgenden Tagungsordnungspunkten:
1. Austausch der bisherigen Erfahrungen
2. Klärung der eigenen Situation in der 'Bewegung'
3. Wie können sich die Arbeiter organisieren und einflußreich in der 'Bewegung' mitarbeiten?
4. Schaffung einer Betriebszeitung für Berlin
5. Schulung

An der ersten Arbeiterkonferenz nahmen fünfzig Arbeiter aus zwölf Gruppen teil. Die Diskussionen und Beiträge zeigten aber, daß die Genossen ohne bestimmte Vorstellungen gekommen waren. Auf dieser Grundlage konnte keine Klärung der obengenannten Fragen stattfinden, noch konnte es zu einer verbindlichen Arbeit kommen. Zwar wurde über das Problem einer gemeinsamen Schulung diskutiert, es wurde sogar ein, wenn auch prinzipienloses, Schulungsprogramm aufgestellt, die Verwirklichung der einheitlichen Schulung aber blieb aus. Es wurde beschlossen, die 2.Arbeiterkonferenz nach sechs Wochen wieder einzuberufen. Inzwischen sollte das Vorbereitende Komitee die Berichte der Betriebsgruppen unter bestimmten Fragestellungen sammeln."
Q: ML-Fraktion der Arbeiterkonferenz: Die Situation der Arbeiterkonferenz,o.O. (Berlin) o.J. (1969),S.1;
Rote Pressekorrespondenz Nr.27/28,Berlin 1969,S.11f;
MLHG Nr.4,Berlin 5.7.1971

August 1969:
Die Rote Zelle Germanistik (Rotzeg - vgl. 26.11.1969) an der FU Berlin berichtet über sich selbst vermutlich aus dem August (vgl. 5.7.1969, Sept. 1969):"
III. WAS HAT SICH AN DEN BEDINGUNGEN GEÄNDERT, UNTER DENEN DIE ROTZEG SICH ORGANISIERTE?

1. Innerhalb der Rotzeg fand eine Bewegung statt, die aus dem Einschlafen der Oberschülerrebellion, aus den ersten Erfahrungen mit Proletarierkindern, aus der theoretischen Anstrengung, die proletarische Linie im Erziehungssektor zu finden, den Akzent immer mehr von der exklusiven Arbeit mit Oberschülern auf die Arbeit mit Grund- und Hauptschülern verlagerte (Grundschulpraktika, Jugendlager, Schularbeitszirkel). Erst die Arbeit mit proletarischen Kindern machte uns den Klassencharakter der antiautoritären Revolte erkennbar. Wir lernten, daß die Prinzipien der anti-autoritären Revolte (Negation des Leistungsprinzips, bedingungslose Unterstützung der Kinder im Kampf gegen ihre Eltern, Sexpol als Weg zur individuellen Emanzipation) auf die Arbeit mit proletarischen Kindern nicht zu übertragen waren, ohne in unzulässigerweise Widersprüche im Volk als antagonistische Widersprüche zu behandeln, d.h. die Konkurrenz innerhalb des Proletariats verstärken anstatt sie aufzuheben."
Q: Rotzeg:Bericht der Roten Zelle Germanistik,o.O. (Berlin) o.J. (1969),S.2f

23.08.1969:
In Berlin berichtet die marxistisch-leninistische Fraktion der Arbeiterkonferenz (vgl. 26.11.1969) vermutlich von heute (vgl. 12.7.1969):"
Die 2.Arbeiterkonferenz scheiterte ebenfalls, da nur wenige mangelhafte Berichte aus den Gruppen vorlagen. Obwohl das Projekt der Betriebszeitung (Arbeiterpresse) in Angriff genommen und auch ausgeführt wurde (vgl. Sept. 1969,d.Vf.), kam es wieder zu keiner verbindlichen Arbeit unter den proletarischen Genossen. Die 2.Arbeiterkonferenz endete wieder mit dem Beschluß, die Betriebsgruppenberichte in einem Ausschuß zu sammeln und zu analysieren. Zur Arbeit dieses Ausschusses kam es nicht. Zu diesem Zeitpunkt vertrat das Vorbereitende Komitee den Standpunkt, daß die Grundlage für die Diskussion über die Strategie die Klassenanalyse wäre. Außerdem sollte über die Arbeit an der 'Klassenanalyse' eine Zentralisierung und Organisierung geschaffen werden. Die bewußtesten Genossen aus den Betriebsgruppen sollten zunächst in zentralen Arbeitskreisen bestimmte Vorfragen dieser Aufgabe lösen. Zur Einrichtung dieser Arbeitskreise kam es ebenfalls nicht."
Q: ML-Fraktion der Arbeiterkonferenz: Die Situation der Arbeiterkonferenz,o.O. (Berlin) o.J. (1969),S.1

September 1969:
In Berlin gibt die Arbeiterkonferenz der Basisgruppen diesen Monat die ersten beiden Ausgaben ihrer 'Arbeiterpresse' heraus, die sich u.a. mit den Streiks in der 'BRD' befassen.
Q: Rote Pressekorrespondenz Nr.32,Berlin 26.9.1969

September 1969:
Die Rote Zelle Germanistik (Rotzeg - vgl. 26.11.1969) an der FU Berlin berichtet über sich selbst (vgl. Aug. 1969, 1.11.1969):"
2. Mit den Septemberstreiks wurde die Diskussion auf eine neue Grundlage gestellt. Die Streiks lösten nicht nur Begeisterung aus, sie führten auch zu einer Ernüchterung der Studenten, die erkennen mußten, daß sie trotz aller revolutionären Parolen sich total abstrakt zum Proletariat verhalten hatten, indem sie die Arbeiter als völlig ruhig, immer nur als Objekt der Agitation durch Studenten, nicht als Subjekt von Klassenkämpfen betrachtet hatten. Die Unfähigkeit der Studentenbewegung, den streikenden Arbeitern sinnvolle Unterstützung zu geben, führte zu der Frage, welche Rolle die revolutionäre Intelligenz im Klassenkampf zu spielen hätte, wobei uns zum ersten Mal klar war, daß nicht wir, sondern das Proletariat den Klassenkampf führen wird."
Q: Rotzeg:Bericht der Roten Zelle Germanistik,o.O. (Berlin) o.J. (1969),S.3

Oktober 1969:
Die MLHG (vgl. 5.7.1971) berichtet vermutlich aus dem Oktober, daß sich die ML Westberlin vor der RPK-Arbeitskonferenz (vgl. 6.12.1969) aus der Uni und den Ausläufern der Studentenbewegung in ML-Schulungsgruppen zurückgezogen hätten.
Q: MLHG Nr.4,Berlin 5.7.1971

01.11.1969:
Die Rote Zelle Germanistik (Rotzeg - vgl. 26.11.1969) an der FU Berlin berichtet über sich selbst (vgl. Sept. 1969), vermutlich von Anfang November:"
3. Auf der Arbeitskonferenz der Rotzeg zu Beginn des Semesters, die ganz um die Frage der Rolle der Intelligenz im Klassenkampf kreiste, wurden verschiedene Positionen deutlich. Während ein Teil der Rotzeg mit der Parole - Die Prioritäten der augenblicklichen Phase des Klassenkampfes erkennen! - die sofortige organisatorische Verbindung der im Harzer Papier vorgeschlagenen Betriebsprojekte mit der Rotzeg forderte, bestand ein anderer Teil der Rotzeg unter der Parole - Den Kampf an allen Fronten vorantreiben! - auf der Intensivierung und Systematisierung der begonnenen Arbeit an der uni und im Erziehungssektor bei gleichzeitigem Vorantreiben der Frage einer überbetrieblichen Organisation. Es ist klar, daß beide Positionen sich nicht grundsätzlich ausschließen, zugleich müssen wir aber auch sagen, daß wir die richtige Aufhebung beider Positionen in einer gemeinsamen Strategie noch nicht gefunden haben."
Q: Rotzeg:Bericht der Roten Zelle Germanistik,o.O. (Berlin) o.J. (1969),S.3

01.11.1969:
Vermutlich Anfang November 1969 wird in Berlin ein im Oktober in Bischofsgrün im Harz auf einem dreiwöchiger Lehrgang zur Vorbereitung der Aufnahme der Betriebsarbeit durch StudentInnen, erarbeitetes grundlegendes Dokument der Berliner Projektgruppe Elektroindustrie (PEI), das 'Harzer Papier', verbreitet, weshalb die PEI und ihre Nachfolgeorganisation ab Juli 1970, die Proletarische Linke/Parteiinitiative (PL/PI), auch häufig als 'Harzer' bezeichnet wurden.

Dieses Papier wurde auf der RPK-Arbeitskonferenz am 6./7.12.1969 diskutiert.

Eingegangen wird in dem Papier besonders auf die Erfahrungen der Betriebsgruppe Bosch-Siemens in Berlin und den Aufbau des Lehrgangs im Oktober.

Die uns vorliegende Fassung auf Brennmatrize ohne Titel, besteht aus 51 Seiten DIN A4 und folgenden inoffiziellen Hauptteilen:
Einleitung 1
Strategische Analyse der Funktion von Betriebsarbeit 2
Bosch-Beispiel 6
Verhältnis von ökonomischen und politischen Kämpfen 11
Lehrgangsdarstellung 14
Regeln für studentische Genossen im Betrieb 47

Das Papier beginnt mit einem Mao-Zitat:
"Durch die Praxis die Wahrheit entdecken und in der Praxis die Wahrheit bestätigen und weiterentwickeln; von der sinnlichen Erkenntnis ausgehen und diese aktiv zur rationalen Erkenntnis fortentwickeln, sodann wieder ausgehend von der rationalen Erkenntnis, aktiv die revolutionäre Praxis anleiten, die subjektive und die ojektive Welt umzugestalten; Praxis-Erkenntnis, wieder Praxis und wieder Erkenntnis - diese zyklische Form wiederholt sich endlos und der Inhalt von Praxis und Erkenntnis wird bei jedem einzelnen Zyklus auf eine höhere Stufe gehoben."

Selbst wird so fortgefahren:
"Wir haben versucht, die praktischen Erfahrungen, die einige Genossen im Betrieb gesammelt haben, zu systematisieren. Die wichtigsten Teile dieser Erfahrungen schildern wir, damit jeder Genosse, der an der Schulung teilnimmt, die Grundlagen unserer Verallgemeinerungen kennenlernt. Wir haben uns bemüht, aus den Fehlern dieser Betriebsarbeit die richtigen Schlüße zu ziehen und die Mängel zu überdenken. Damit möchten wir erreichen, daß ein Teil dieser Fehler und Mängel bei der zukünftigen Arbeit studentischer Genossen im Betrieb vermieden wird. Wenn wir sagen, daß diese Schulung zuallererst auf einer gesellschaftlichen Praxis beruht, der sie schließlich dienen soll, dann bedeutet das nicht, daß wir die Theorie als notwendigen Bestandteil jeder Schulung geringschätzen würden. Aber man wird die Theorie nicht richtig begreifen können, solange ihre Erarbeitung nicht eine durch die praktische Arbeit diktierte Notwendigkeit ist, solange die sinnliche Stufe der Erkenntnis fehlt.

Für die im Betrieb arbeitenden Genossen schlug sich die sinnliche Stufe der Erkenntnis in der unsystematischen Protokollierung der Eindrücke, so wie sie erfahren worden waren, nieder."
Den Rest gibt es bisher nur auf Papier. Aber die RPK hat es ja auch gedruckt.
Q: PEI:Harzer Papier,o.O. (Berlin) o.J. (Nov. 1969)

14.11.1969:
In der Redaktion der Berliner 'RPK' arbeiten ab der heutigen Nr.39 (vgl. 7.11.1969, 21.11.1969) auch die ML-Gruppen mit.
Q: Rote Pressekorrespondenz Nr.39,Berlin 14.11.1969,S.1

21.11.1969:
Vermutlich heute erscheint die 'RPK' Nr.40 (vgl. 14.11.1969, 28.11.1969). Sie enthält u.a. einen Aufruf für eine Tagung des RPK-Beirats (vgl. 29.11.1969).
Q: Rote Pressekorrespondenz Nr.40,Berlin 21.11.1969

23.11.1969:
Auf einer Beiratssitzung (Beiratskonferenz) der 'RPK' beschließt dieser, die "Arbeitskonferenz zur Neubestimmung der Linie der RPK um eine Woche auf den 6. und 7.12. zu verschieben".
Der Beirat beschließt weiter, "einen Artikel der ML-Fraktion zur Organisationsfrage erst nach Abschluß der Arbeitskonferenz vom 6./7. Dezember zu veröffentlichen" (vgl. 24.11.1969).

In dem Artikel "Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen", an dem sich der RPK-Streit entzündet, wird von folgender Situation ausgegangen:
(1) Das Scheitern, die Arbeiterkonferenz zur zentralen Organisation der Arbeiter zu machen. Es sei hinzugefügt, daß der Entstehung der Arbeiterkonferenz Diskussionen im Mai-Komitee 1969 vorangingen. Die Diskussion ergab als Konsequenz die Einrichtung eines "Forums aller in der linken Bewegung arbeitenden proletarischen Genossen". An einer ersten Arbeiterkonferenz nahmen fünfzig Arbeiter aus zwölf Gruppen teil. Eine Übereinstimmung in Fragen verbindlicher Arbeit kam nicht zustande. Eine zweite Arbeiterkonferenz wird in Aussicht gestellt, die auch stattfindet und mit dem Beschluß endet, "die Betriebsgruppenberichte zu sammeln und zu analysieren". Ein "Vorbereitendes Komitee" vertritt die Auffassung, daß die "Arbeit an der Klassenanalyse" vorrangig sei und daß "Zentralisierung und Organisation geschaffen werden" müsse.
(2) Die Auffassungen des "Vorbereitenden Komitees der Arbeiterkonferenz" zur Zentralisierung wurden nicht in die Praxis umgesetzt. Die Gründe dafür liegen im wesentlichen in der "Theorielosigkeit der Betriebs- und Basisgruppen", der ungenügenden Verankerung "in den Betriebsgruppen", der Nichtrealisierung der Konzeption einer "Kaderorganisation", auch die "notwendige zentralisierte Schulung wurde nicht eingeleitet" und der Versuch, "über Analyse die Zentralisierung" herbeizuführen, scheiterte.
(3) Die ersten Schritte zur Bildung einer proletarischen Kaderorganisation. Man geht von einer einheitlichen marxistisch-leninistischen Grundlage aus. Die ersten Schritte werden in Schulungen gesehen, die "schon auf die künftige Kaderpartei hinsteuern sollen". "Die Betriebsgruppen, die ein Konglomerat aus tendenziellen Kadern, organisierten Massen und Sympathisanten darstellen, die also tendenziell Massenorganisationen sind, können diese Aufgabe: die Schaffung der Kaderorganisation nicht leisten. Aus der Organisationsstruktur der Betriebsgruppen ergibt sich, daß weder ein Plenum der Betriebsgruppen noch eine Delegiertenkonferenz dieser Gruppen die Keimzelle für eine künftige Kaderorganisation sein kann."
So geht man von einer "zentralisierten Grundschulung aller Genossen im proletarischen Bereich unter einem einheitlichen Schulungsprogramm" aus. Dort sind Kader (die den Marxismus-Leninismus vertreten) zusammengefaßt in sogenannten Aktivistengruppen, "zu deren Aufgabe es gehört, die ideologische Vereinheitlichung und Klärung in den Grundschulungsgruppen zu gewährleisten". "Die Aktivistengruppen arbeiten die ersten Schritte einer marxistisch-leninistischen Strategie und Taktik in der Betriebs- und Stadtteilarbeit aus und setzen sie in die Praxis um. Aus den Aktivistengruppen entsteht eine Zentrale, die die Richtlinien für die jetzt zu lösenden Aufgaben erarbeitet." Kader sollen sich aus den Grundschulungsgruppen rekrutieren. Eine aktive Hochschulpolitik wird mangels Kräften abgelehnt. Studentische Kräfte sollen jedoch in den Schulungsgruppen wirken.
(4) Gegen diese Organisationskonzeption werden im wesentlichen folgende Einwände erhoben: z.Z. kann keine bestimmte Form der Organisation der Arbeiterklasse festgelegt werden, die Theorievorstellung einer leninistischen Partei zeige die Antiquiertheit einer proletarischen Kaderorganisation. Eine Kaderorganisation befürwortet man, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt; außerdem wisse man nicht, wie man Bürokratisierung und Bonzentum zu bekämpfen habe. Desweiteren wird das Schulungskonzept kritisiert.
(5) Die zukünftige Funktion der Arbeiterkonferenz soll folgendes Aussehen haben: Geplant sind regelmäßige Vollversammlungen aller Betriebsgruppen und proletarischen Gruppen. Auf einer dritten Arbeiterkonferenz (13./14.12.1969) sollen die Erfahrungen verallgemeinert werden. Ein Schulungsprogramm, das sich an Texte der "Klassiker" orientiert, soll ab sofort eingeführt werden.

Der Text wird am 28.11.1969 in der 'RPK' veröffentlicht sowie in verschiedenen Ausgaben auf Wachs-, Brenn- und Spiritcarbonmatrizen.
Q: RPK-Redaktion:Den Kampf zweier Linien führen,Berlin 1969;
ML Westberlins:Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen,Berlin 1969;
Rote Pressekorrespondenz Nr.41,Berlin 28.11.1969

24.11.1969:
Zu den fraktionellen Auseinandersetzungen in der 'RPK' (vgl. 23.11.1969, 28.11.1969) erklärt der Beirat:"
Auf einer außerordentlichen Sitzung des Beirats am 24.11., die zu dem Zweck einberufen war, die verschiedenen anderen, für die nächste Nummer vorgesehenen Artikel zu besprechen, erklärte die Redaktion, daß sie sich an den Beschluß des Beirats nicht gebunden sehe und für die Periode bis zur Arbeitskonferenz die politische Verantwortung für die RPK alleine an sich nehme. Der Beirat hat daraufhin der Redaktion das Mißtrauen ausgesprochen und übernimmt selbst die Aufgaben der Redaktion bis zur Arbeitskonferenz."

Die Arbeitskonferenz wurde deshalb einberufen, weil im Beirat in der Zwischenzeit verschiedene Fraktionen auftraten. U.a. legte die ML-Fraktion ein Papier vor, daß nicht mehr "als Diskussionsbeitrag zur Organisationsfrage verstanden werden konnte ... sondern die Bekanntgabe der Gründung einer parteiähnlichen Organisation darstellt". Die ML-Gruppen sowie die Ruhrkampagne werden vom Beirat der RPK u.a. als "Fraktionisten" und "Sektierer" bezeichnet. Der Beirat "hält die Gründung einer marxistisch-leninistischen Übergangsorganisation für notwendig". ML-Gruppen und Ruhrkampagne werden deshalb als "Scheinfraktion" bezeichnet, "die in ihrem Papier in keiner Weise die Anstrengung macht, die Bedingungen revolutionärer Praxis in der nächsten Etappe des Klassenkampfes in der BRD und Westberlin anzugehen". Das Papier der ML wird als "Dokument der schwarzen Linie" bezeichnet.
Q: Rote Pressekorrespondenz Nr.41,Berlin 28.11.1969

25.11.1969:
Die ML Westberlin erklären zu den Streitigkeiten über die 'RPK' (vgl. 24.11.1969, 28.11.1969) später:"
Am Dienstag, den 25.11.1969 besetzte eine putschistische Fraktion unter Anführung der ROTZEG und anderer Satelliten die Räume der RPK unter Mithilfe der Geschäftsführung, zu der auch Mahler gehörte, nachdem sie vorher die Redaktion für abgesetzt erklärt hatte. Die Redaktion, die sich in den Räumen der RPK befand, wurde weder von der seitens der Putsch-Fraktion einberufenen Sitzung gegen sie informiert, noch zu ihr eingeladen, ja sogar, als sie von der Versammlung, auf der von W. Schwiedrzik ein entstellendes und verleumderisches Papier gegen die ML und die RPK-Redaktion verlesen wurde, ausdrücklich ausgeschlossen."
Q: Rote Pressekorrespondenz Nr.41,Berlin 28.11.1969

26.11.1969:
In Berlin verfaßt die Rotzeg an der FU vermutlich in dieser Woche einen "Bericht der Roten Zelle Germanistik" für die RPK-Arbeitskonferenz (vgl. 6.12.1969), der uns als Brennmatrizenabzug von vier Seiten DIN A4 vorlag:"
BERICHT DER ROTEN ZELLE GERMANISTIK

Da die Rote Zelle Germanistik schon mehrere Arbeitspapiere veröffentlicht hat und auch ihre Stellung zur Hochschulpolitik in der letzten Zeit einige Male erklärt hat, legen wir hier keinen detaillierten Arbeitsbericht vor, sondern nur einige Thesen zur Geschichte der Parole 'revolutionäre Berufspraxis'. Unter dieser Parole vollzog sich der organisatorische Schritt von der adhoc-Gruppe Germanistik zur Rotzeg (vgl. 5.7.1969,d.Vf.). Inzwischen ist mit einer noch ziemlich unklaren Kritik und Selbstkritik in Bezug auf diese Parole begonnen worden, die von der Konservierung über die Modifikation bis zur Liquidierung der Parole und ihres Inhalts reicht. Das nötigt uns dazu, die Geschichte dieser Parole noch einmal aufzurollen, die Intention zu prüfen, die die Rotzeg unter dieser Parole verfolgte und unter den jetzigen Bedingungen klare Entscheidungen zu treffen. Zu fragen ist also: Was war in der Rotzeg mit 'revolutionäre Berufspraxis' gemeint? Welches waren die historischen Bedingungen, unter denen diese Parole eine organisierende Kraft entfaltete? Was hat sich an diesen Bedingungen verändert? Welche Konsequenzen sind aus diesen Veränderungen zu ziehen?

Berichtet wird sodann aus dem Januar 1969, über die Gründung der Rotzeg (vgl. 5.7.1969), den Beginn der Arbeit mit Proletarierkindern (vgl. Aug. 1969), den Eindruck der Septemberstreiks (vgl. Sept. 1969), die eigene Arbeitskonferenz (vgl. 1.11.1969) und fortgefahren:"
IV. WELCHE KONSEQUENZEN SIND HIERAUS IM AUGENBLICK ZU ZIEHEN?

1. In der Antwort auf die Wiso-ML (vgl. 17.10.1969,d.Vf.) sind wir zu einer ersten Modifizierung der Parole von der 'revolutionären Berufspraxis' gekommen. Wir schränkten ihre Anwendbarkeit ein auf die Berufe, denen eine agitierende und organisierende Tätigkeit unter proletarischen und kleinbürgerlichen Massen möglich ist. Infolge der Schwierigkeiten der augenblicklich im Erziehungssektor arbeitenden Gruppen der Rotzeg und durch die Lehren, die wir aus den Septemberstreiks zu ziehen haben, zeichnet sich in der Rotzeg die Bereitschaft zu einer weiteren Modifizierung der Parole ab, die aber noch nicht zu Ende diskutiert ist. In der Gründungsdiskussion der Rotzeg war klar gesagt, daß in der Parole 'revolutionäre Berufspraxis' die Bestimmung des Begriffes 'revolutionär' nicht über die individuelle oder auch kollektive Anstrengung der Genossen, einen möglichst revolutionären Unterricht zu machen, sondern über die künftige Organisation zu entwickeln wäre. Das war der Inhalt der Diskussion über die Frage kommunistischer Kader in den Schulen, über die Frage öffentlicher und nichtöffentlicher Arbeit, Massenarbeit und Kaderarbeit innerhalb der Schulen und außerhalb. Wir müssen erkennen, daß wir diese Dimension der Parole 'revolutionäre Berufspraxis' nicht ernst genug genomen haben, daß die Vernachlässigung dieser Dimension zu Illusionen bei den künftigen und zu Resignation bei den jetzigen Lehrergenossen geführt hat. Bis zur Gründung der künftigen überbetrieblichen Kaderorganisation, die eine einheitliche Strategie für alle Kampfabschnitte gegen den Kapitalismus festlegen kann, müssen wir deshalb die Parole 'revolutionäre Berufspraxis' fallenlassen und können für unsere augenblickliche Arbeit nur bescheidener von einer antikapitalistischen Berufspraxis sprechen.

2. Es ist zu überlegen, welche neuen Aufgaben und in welcher organisatorischen Gestalt sie sich für die Rotzeg aus der Modifizierung der Parole der ‚revolutionären Berufspraxis' ergeben.

a) Hauptaufgabe wird neben dem Kampf an der Uni auch weiterhin die Ausbildung von Genossen sein, die im Erziehungssektor, an den Grundschulen, Hauptschulen und Oberschulen arbeiten und sich während des Studiums auf diese Aufgabe durch theoretische und praktische Arbeit vorbereiten. Die Massenarbeit der Rotzeg ist nicht auf die Ausbildung von Berufsrevolutionären gerichtet, sie kann und muß die Arbeit von Genossen in Betrieben einbeziehen, kann sich aber nicht von dorther definieren.

b) weder die Rotzeg noch die Roten Zellen insgesamt können die Hauptinitiativen zum Aufbau der Grundeinheiten der revolutionären Organisation leisten. Sie können aber Stoßtrupps aussenden, die mit klar definierten Untersuchungsaufgaben in bestimmte Betriebe gehen, in Zusammenarbeit mit Teilen anderer Betriebsgruppen die Bedingungen einer Aktions- und Konfliktstrategie im Betrieb praktisch prüfen und wichtige Bestandteile einer Klassenanalyse liefern.

c) die im Erziehungssektor arbeitenden Genossen müssen viel mehr als bisher ihre Arbeit als Einheit von Studieren und Untersuchen, Kämpfen und Organisieren verstehen. Sie sollten Untersuchungskollektive bilden, die auf die benatowrung bestimmter Fragen hinarbeiten, um so Bausteine sowohl für eine Konfliktstrategie in und gegen die Institutionen des Staatsapparats wie auch für die Prinzipien der Arbeit einer proletarischen Jugendorganisation zu liefern."
Q: Rotzeg:Bericht der Roten Zelle Germanistik,o.O. (Berlin) o.J. (1969)

26.11.1969:
In Berlin verfaßt die marxistisch-leninistische Fraktion der Arbeiterkonferenz vermutlich in dieser Woche für die RPK-Arbeitskonferenz (vgl. 6.12.1969) das folgende Papier, welches uns als Spiritcarbonabzug von acht Seiten DIN A4 vorlag:"
DIE SITUATION DER ARBEITERKONFERENZ

'Weil wir dem Volke dienen, fürchten wir nicht, daß man, wenn wir Mängel haben, uns darauf hinweist und kritisiert. Jedermann darf uns darauf hinweisen, wer immer es auch sei. Insofern sein Hinweis richtig ist, sind wir bereit, unsere Mängel zu korrigieren.' Mao Tse-Tung

WARUM SCHEITERTEN UNSERE VERSUCHE, DIE ARBEITERKONFERENZ ZUR ZENTRALEN SELBSTORGANISATION DER ARBEITER ZU MACHEN?"

Berichtet wird von der Vorbereitung (vgl. Apr. 1969) der ersten Arbeiterkonferenz (vgl. 12.7.1969) und auch von der zweiten (vgl. 23.8.1969) sowie fortgefahren:"
AUS WELCHEN GRÜNDEN KONNTEN DIE VORSTELLUNGEN DES VORBEREITENDEN KOMITEES UND ANDERER GENOSSEN DER ARBEITERKONFERENZ ZUR ZENTRALISIERUNG NICHT IN DIE TAT UMGESETZT WERDEN?

1. Der Widerspruch zwischen Handwerkelei und Theorielosigkeit der Betriebs- und Basisgruppen, die sie als eigenständige Politik ausgaben und den Vorstellungen des Vorbereitenden Komitees von der Zentralisierung wurde nicht gelöst.
2. Da die meisten Genossen des Vorbereitenden Komitees nicht in den Betriebsgruppen verankert waren, wurden sie und ihre Vorstellungen fälschlicherweise als Fremdkörper betrachtet.
3. Die Arbeiterkonferenz versuchte aus einer Kritik der pluralistischen Praxis der Betriebs- und Basisgruppen heraus, die Erfahrungen der Gruppen aufzuarbeiten, um zu einer Neubestimmung der Betriebsarbeit zu kommen. Ziel sollte eine einheitliche Praxis sein. Die damit verbundenen Vorstellungen von einer zentralistischen Organisation wurden nicht realisiert, sondern verblieben in den Köpfen einiger Genossen. Der entscheidende erste Schritt zur Überwindung der pluralistischen Praxis, nämlich die notwendige zentralisierte Schulung, wurde nicht eingeleitet.
4. Auch der Versuch, über Analysen die Zentralisierung durchzuführen, scheiterte, weil die dazu notwendige einheitliche ideologische Linie in den Arbeitsgruppen fehlte.
5. Kritik ist auch zu leisten am Vorbereitenden Komitee, wo der Arbeitsstil unverbindlich und individualistisch war.
6. Falsch waren auch die Vorstellungen von 'Arbeiterpolitik', die beinhalteten, daß die Arbeiter sich alleine organisieren sollen. Diese Vorstellungen gehen davon aus, daß nur die Arbeiter revolutionäre Politik machen können und schätzen die Rolle der revolutionären Intelligenz falsch ein.

WELCHE LEHREN ZIEHEN WIR AUS DER GESCHICHTE DER ARBEITERKONFERENZ? WELCHES SIND DIE ERSTEN SCHRITTE ZUR BILDUNG EINER PROLETARISCHEN KADERORGANISATION?

Die wichtigste Voraussetzung ist eine einheitliche marxistisch-leninistische Grundlage, auf der die Schaffung der Kaderorganisation erst möglich wird. Um diese einheitliche Grundlage zu erlangen, ist es unbedingt notwendig, die Schulung in Organisationsformen durchzuführen, die schon auf die künftige Kaderpartei hinsteuern, die also schon nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus aufgebaut sind. Die Betriebsgruppen, die ein Konglomerat aus tendenziellen Kadern, organisierten Massen und Sympathisanten darstellen, die also tendenziell Massenorganisationen sind, können diese Aufgabe nicht leisten. Aus der Organisationsstruktur der Betriebsgruppen ergibt sich, daß weder ein Plenum der Betriebsgruppen, noch eine Delegiertenkonferenz dieser Gruppen die Keimzelle der künftigen Kaderorganisation sein kann.
Der este Schritt zur Bildung einer zentralisierten Übergangsorganisation kann kein anderer sein, als eine zentralisierte Grundlagenschulung aller Genossen im proletarischen Bereich unter einem einheitlichen Schulungsprogramm. Solange 'Schulung' einzig und allein dazu dient, die Theorielosigkeit der Genossen zu überwinden und nicht in organisatorischen Formen abläuft, die dem demokratischen Zentralismus entsprechen, würde sicht möglich sein, die für den Kampf unabdingbare einheitliche politische Linie zu gewinnen, wird die 'Schulung' nur Alibi für die weiterbetriebene Handwerkelei sein. Duch die organisierende Form der Schulung aber, durch die Agitations- und Propagandaformen, die wir entwickeln müssen, durch vereinheitlichte Ideologie und zentralisierte Organisation werden wir in der Lage sein, die beginnenden Klassenkämpfe erfolgreich politisch zu führen.

Die Schulung findet in Grundschulungsgruppen statt. Grundschulungsgruppen bilden sich in den Betriebsgruppen, im SALZ, im PROZ. Aus dieser Definition der Grundschulungsgruppen geht hervor, daß diese alle direkt in der proletarischen Praxis stehen. Sie werden selbstverständlich in ihrem speziellen Praxisbereich weiterarbeiten. Die Strategie und Taktik, die sie verfolgen und anwenden, sowie die Agitation, die sie betreiben, wird allerdings keine zufällige, individualistische sein, sondern sie werden ihre Arbeit nach zentralen, vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus entwickelten und überprüften Richtlinien bestimmen.

An dieser Stelle muß deutlich gesagt werden, daß die Teilnehmer der Grundschulungsgruppen nicht als Mitglieder zur marxistisch-leninistischen Übergangsorganisation gehören. Sie sind lediglich als sich Schulende oder als Sympathisanten anzusehen. Die Teilnahme an der Grundschulung schließt keine Anerkennung der ML-Organisation ein. Erst die Behandlung der Organisationsfrage in der Grundschulung kann ihr Verhalten zur ML-Organisation abklären und zu Entscheidungen führen.

In den Grundschulungsgruppen arbeiten Kader. Die Kader sind zusammengefaßt in Intensiv- oder Kaderschulungsgruppen, zu deren Aufgaben es gehört, die ideologische Vereinheitlichung und Klärung in den Grundschulungsgruppen zu gewährleisten, die Taktik der Agitation zu kontrollieren, die Propaganda zu entwickeln. Die Intensivschulungsgruppen werden also ebenfalls das Grundschulungsprogramm studieren, aber diese Schulung durch Heranziehung zusätzlicher Texte so gestalten, daß gewährleistet ist, daß die in der Grundschulung auftauchenden Probleme gelöst werden und dort die richtige einheitliche Linie erarbeitet wird. Aus den Intensivschulungsgruppen entsteht eine zentrale, die strategische Entscheidungen zu fällen hat.

Es müssen Kommissionen eingerichtet werden für Aufgaben wie Streikanalyse, Gewerkschaftsfrage, Betriebsstrategie usw. Für die Arbeit in den dafür jeweils einzurichtenden Arbeitsgruppen werden aus allen Gruppen Genossen herangezogen.

Die Kader rekrutieren sich aus den Grundschulungsgruppen. Sie werden aufgrund ihrer bisherigen Arbeit in den Grundschulungsgruppen (wenn die Organisation besteht, ist die beendigte Grundschulung Bedingung), ihres Hervortretens innerhalb der Schulung, der ausgezeichneten Erledigung von übertragenen Aufgaben, ihrer politischen Arbeit an der Basis sowie ihrer hervorragenden Disziplin und Zuverlässigkeit von den bereits in den Grundschulungsgruppen arbeitenden Kadern vorgeschlagen und bei begründetem Vorschlag in die Intensivschulungsgruppen aufgenommen. Damit werden sie Mitglieder der Übergangsorganisation.

Studenten, die im proletarischen Bereich arbeiten, werden in erster Linie innerhalb der Schulungsgruppen wirken, sie werden also vor allem als Schulungskader arbeiten. Dies trifft natürlich nur auf einen sehr geringen Teil der Studenten und Intellektuellen zu. Für alle gilt als Aufgabenbereich die außerbetriebliche Agitation und Propaganda. Studenten können grundsätzlich nicht Kader im Betrieb sein. Um aber zum proletarischen Standpunkt sich zu erziehen und von den Massen zu lernen, müssen grundsätzlich alle studentischen Genossen den vierten Teil eines Jahres in die Produktion gehen. Für alle besteht die Notwendigkeit der Grundlagenschulung innerhalb der Organisation.

Im Augenblick würde es unsere Kräfte übersteigen, wenn wir aktiv die Hochschulpolitik mitbestimmen würden, später wird es aber auch eine Aufgabe sein, Hochschulkader zu stellen und an der Uni die proletarische zu vertreten und durchzusetzen.

EINWÄNDE GEGEN UNSERE ORGANISATIONSVORSTELLUNGEN

Die Vorstellungen und Vorschläge für eine Übergangsorganisation zur Vorbereitung einer proletarischen Kaderorganisation, für eine breite Heranziehung von Marxisten-Leninisten an der proletarischen Basis, sind mit unterschiedlichen Argumenten kritisiert worden. Die Ablehnung einer zentralistisch organisierten Organisation reicht von der Ablehnung jeglicher parteimäßiger Organisation mit verbindlicher Arbeit und hohem Grad an Disziplin über die Furcht vor Bürokratisierung bis hin zur grundsätzlichen Anerkennung, daß zentralistische Organisation notwendig sei, der Zeitpunkt aber verfrüht. Wir wollen auf einige der Argumente, die gegen unsere Vorstellungen gerichtet sind eingehen und versuchen, sie aus der Welt zu räumen.

1. Zum jetzigen Zeitpunkt könne man überhaupt noch keine bestimmte Form der Organisierung der Arbeiterklasse festlegen, denn eine solche Form könne sich erst nach demokratischer Diskussion unter allen schon mobilisierten und politisierten Genossen herauskristallisieren.

Wer so spricht, kommt von der bürgerlich-liberalen Vorstellung nicht los, derzufolge die Diskussion zwischen unterschiedlichen Standpunkten und Vorstellungen zu einer von allen akzeptierten Entscheidung führt, die praktisch verwirklicht werden kann. Es muß klar gesagt werden, daß die 'linke Bewegung' zur Zeit ein Zusammenhang äußerst unterschiedlicher Gruppierungen und Individuen mit den unterschiedlichsten Vorstellungen über die Verwirklichung der Revolution ist. Eine Diskussion unter ihnen kann höchstens zu einem konföderativen Zusammenschluß führen. Wir sind der Meinung, daß es ein verhängnisvoller Irrtum wäre, die jetzigen linken Gruppierungen und Individuen unterschiedslos für Kommunisten zu halten, die 'das Interesse der Gesamtbewegung vertreten' (Kommunistisches Manifest). Wir bestehen darauf, daß die Diskussion in der 'Linken' nicht nur verbal, sondern durch praktische organisatorische Schritte selbst vorangetrieben wird, und die Praxis der Schiedsrichter der theoretischen Konzeptionen ist.

2. Man habe nichts aus der Geschichte gelernt, wenn man sich an die Verwirklichung einer leninistischen Partei, selbst unter Berücksichtigung der Lehren der chinesischen Revolution, mache. Der Entwicklungsstand des Kapitalismus und die spontanen politischen Aktionen der Arbeiterklasse in den Streiks beweisen die Antiquiertheit einer proletarischen Kaderorganisation.

Hinter solchen Vorstellungen stehen sehr gefährliche Illusionen über den Charakter des monopolkapitalistischen Staates und der Geschlossenheit der Bourgeoisie, jede revolutionäre Entwicklung der Arbeiterklasse mit brutalen Mitteln im Keim zu ersticken. Ebensowenig wie sich das Wesen der Lohnarbeit, die Ausbeutung verändert hat, ebensowenig der grundsätzliche Charakter des Klassenstaates. - Es handelt sich außerdem um eine fahrlässige Überschätzung des naturwüchsig vorhandenen Klassenbewußtseins in der Arbeiterklasse. Wir dürfen niemals den Fehler begehen, die von Marx und Engels ausgesprochene Wahrheit, daß 'jeder Klassenkampf ... ein politischer Kampf' ist (Kommunistisches Manifest) zu verwechseln mit dem politischen Klassenbewußtein der Arbeiterklasse. Es ist richtig, daß der ökonomische Kampf der Proletarier schnell zu einem politischen Kampf wird, weil die Konfrontation mit der Staatsgewalt unausbleiblich ist. Aber an dieser Stelle ist zu begreifen, daß die politische Dimension des Kampfes nicht notwendig und zwangsweise zum Klassenbewußtsein der Proletarier führt. Zu diesem Klassenbewußtsein gehört nicht nur die Einsicht, den Kampf gegen die Kapitalisten zu führen, diese etwa aus der besetzten Fabrik auszuschließen, sondern die Einsicht in die Notwendigkeit, sich als Proletarier auf nationaler und internationaler Ebene zu solidarisieren und zu vereinigen, um gegen die bürgerliche Staatsmacht kämpfen zu können, um schließlich die Diktatur des Proletariats, den sozialistischen Staat, errichten zu können. Diesen Kampf führt man nicht allein dadurch, daß man die Produktionsstätten besetzt und Arbeiterräte bildet, zu diesem Kampf bedarf es Waffen, die nicht spontan geschmiedet werden können; es bedarf einer zentralisierten Partei, die zum Teil konspirativ wird arbeiten müssen, um die Leitung der Klassenkämpfe nicht aus den Händen zu verlieren. Der Organisierung des Monopolkapitals muß die Organisation der Arbeiterklasse entgegengesetzt werden: die Spontaneität der Massen und ihrer Organisationen sind die Faust der proletarischen Klasse, die zentralisierte Partei ist ihr Kopf.

3. Zentralistische Organisation: Ja, aber der Zeitpunkt ist verfrüht.

Wir hören immer wieder, daß man die von uns begonnene Vorbereitung einer marxistisch-leninistischen Kaderorganisation abblasen müsse, weil die Klassenkämpfe 1969 in Deutschland nicht so turbulent seien wie die Klassenkämpfe 1902 in Rußland oder 1968 in Italien. Dieses Argument läuft auf die Lächerlichkeit hinaus, als wäre die Heftigkeit der Klassenkämpfe die entscheidende Rechtfertigung für die bolschewistische Form der Partei und die Gründung der Union der italienischen Kommunisten (ML). Wir sagen dagegen, daß wir die Pause der relativ unentwickelten Klassenkämpfe ausnützen müssen, um uns auf sie vorzubereiten, um möglichst in der Lage zu sein, von Anfang an die Leitung der Kämpfe in die Hände nehmen zu können. Dazu brauchen wir Kader, die eine einheitliche Propaganda und eine einheitliche Agitation in die Massen tragen können, die in den Massen einen einheitlichen revolutionären Willen entwickeln können. Nur solche Kader werden von den Massen lernen können, die sich organisiert haben und in der Organisation einen Rückhalt haben.

Deshalb, Proletarier, hört auf, Euch pluralistisch zur Revolution zu verhalten. Schult Euch mit Marxisten-Leninisten in den Betriebsgruppen!

4. Zentralistische Organisation: Ja, aber wie verhindern wir Bürokratisierung und Bonzentum?

Die Bürokratisierung und das Bonzentum bedrohen jede Partei, die die Verbindung zu den revolutionären Massen verliert, und die nicht Ausdruck der revolutionären Tendenzen des Proletariats ist. Wir wiesen also diejenigen zurück, die die Bildung einer marxistisch-leninistischen Kaderorganisation mit dem Schlagwort Bürokratisierung hemmen wollen. Denn diese Gefahr liegt außerhalb der revolutionären Perspektive. Die Verletzung der innerparteilichen Demokratie ist eine konterrevolutionäre Maßnahme, die wir nicht dulden werden. Die Bürokratisierung und das Bonzentum werden so lange keine Gefahr sein, wie wir die Klassenkämpfe leiten und mit unseren Ideen beleben. Nur wenn wir das unterlassen, wird sich mit der Bürokratisierung der Revisionismus einstellen und die Entfernung von den Massen. Der Ausbau des Systems der materiellen Anreize in der Sowjetunion (SU,d.Vf.) die Konkurrenz unter den einzelnen Arbeitern wieder her und war Ausdruck davon, daß sich die Partei von den Massen entfernt hatte und hat zugleich diese Entfernung vergrößert, hat die Bürokratisierung vorangetrieben, ja hat neue Klassen entstehen lassen. Um solche konterrevolutionären Tendenzen zu vermeiden, müssen alle Kader es verstehen, 'sich mit den breitesten Massen der Werktätigen, in erster Linie mit den proletarischen, aber auch mit den nicht-proletarischen zu verbinden, sich ihnen anzunähern, ja, wenn man will, sich bis zu einem gewissen Grade mit ihnen zu verschmelzen.' (Lenin, Der linke Radikalismus...(

5. Zentralistische Organisation: Ja, aber laßt es die Arbeiter alleine machen.

Der Genosse Lenin hat in 'Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück' darauf hingewiesen, daß sich die Intellektuellen 'ungünstig' vom Proletariat durch ihren Hang zur Disziplinlosigkeit und ihre feindselige Haltung zur strengen Organisierung unterscheiden. Es ist deshalb richtig, sich gegen die Intellektuellen vorsichtig zu verhalten, ihnen die Tore der Organisation nur dann zu öffnen, wenn sie den proletarischen Standpunkt einnehmen. In dem Moment, wo der Intellektuelle seine Klasse verläßt, wo er sich den Interessen der proletarischen Bewegung unterordnet, revolutionäre Disziplin übt, die ihm vom Proletariat gestellten Aufgaben wahrnimmt, d.h. einen proletarischen Standpunkt einnimmt, ist nicht mehr länger seine Klassenherkunft das Entscheidende, sondern seine revolutionäre Tätigkeit. Daraus geht klar hervor, daß es eine der wichtigsten Aufgaben der innerparteilichen Demokratie ist, daß mehr und mehr proletarische Genossen die führenden Positionen in der Organisation einnehmen und die revolutionären Intellektuellen ablösen.

6. Zentralistische Organisation: Ja, aber ihr organisiert Euch nur über die Schulung.

Hinter diesem Einwand verbirgt sich der Vorwurf, daß der hauptsächliche Inhalt der Organisation die theoretische Schulung sei, nicht aber die revolutionäre Praxis. Wir betonen nochmals, daß sich lediglich die ersten organisatorischen Schritte aus der Notwendigkeit der Schulung ergeben, daß der Inhalt der marxistisch-leninistischen Organisation eine revolutionäre Praxis ist. Die Schulung aller Genossen stellt 1) eine Bedingung für die revolutionäre Praxis dar, und ist 2) selbst schon der erste Schritt auf die revolutionäre Praxis hin. Weil wir der Meinung sind, daß zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt erst Marxisten-Leninisten herangebildet werden müssen, schlagen wir nicht eine fertige Kaderorganisation vor, die Marxisten-Leninisten umfassen müßte, sondern eine Übergangsorganisation, in der sich die heranzubildenden Marxisten-Leninisten und Sympathisanten schulen und die Auseinandersetzung über die revolutionäre Linie führen. Zu dieser Auseinandersetzung gehört die Einrichtung von Kommissionen (s.o.), die die Ausarbeitung einer Betriebsstrategie in Angriff nehmen, die Fragen der internationalen revolutionären Bewegung, z.B. die Stalinfrage, bearbeiten und klären.

WAS SOLLTE DIE ZUKÜNFTIGE FUNKTION DER ARBEITERKONFERENZ SEIN?

Die Arbeiterkonferenz sollte in Zukunft die regelmäßig stattfindende Vollversammlung aller Betriebsgruppen und anderen proletarischen Gruppen sein.

1. Die Betriebsgruppen und anderen proletarischen Gruppen, die bereits marxistisch-leninistische Grundschulung machen, sollten ihre Schulungserfahrungen austauschen, sie verallgemeinern und sie mit DEN Betriebsgruppen und anderen proletarischen Gruppen diskutieren, die noch keine marxistisch-leninistische Grundschulung machen.

2. Die obengenannten Kommissionen müssen ihre Arbeitsergebnisse auf den Arbeiterkonferenzen vorlegen und damit zu einer umfassenden politischen Diskussion unter den proletarischen Genossen beitragen.

Die nächste Arbeiterkonferenz (am soundsovielten...) sollte zunächst die erstgenannte Funktion wahrnehmen. Außerdem sollten dort weitere mögliche Funktionen der Arbeiterkonferenz vorgeschlagen und besprochen werden.

SCHULUNGSPROGRAMM

Der Inhalt des vorliegenden Schulungsprogrammes bestimmt sich durch die Ansprüche einer Massenschulung. Es kann nicht der Sinn der Massenschulung sein, in die Problematik der Auseinandersetzungen einzuführen, die es in der Geschichte der Arbeiterbewegung gegeben hat, sondern es kommt darauf an, die Prinzipien des revolutionären Marxismus zu lernen, mit deren Hilfe die konkrete Geschichte der Arbeiterbewegung überhaupt erst beurteilt werden kann. Sowohl die Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung, wie zum Beispiel die Stellung Rosa Luxemburgs und Trotzkis gehören in eine Schulung, die sich an die Grundschulung anschließt.

Ebenso wichtig wie der Inhalt der Schulung ist der Arbeitsstil in der Schulung. Es kommt darauf an, daß die Schulungskader ihre Aufgabe so verstehen, daß sie nicht ein fertiges Interpretationsschema der Diskussion aufzwingen wollen. Der Schulungskader darf die Diskussion nicht beherrschen. Er muß darauf achten, daß die Genossen ihren eigenen Gedanken nachgehen und ihre Probleme am Text besprechen. Selbst eine Abschweifung kann zum Kernproblem zurückführen. Zugleich müssen die Schulungskader darauf achten, auf die Probleme, die im Text auftauchen, bündig zu antworten, wenn Klärung nottut. Das setzt eine gründliche Vorbereitung voraus. Wenn Fragen auch vom Schulungskader nicht geklärt werden können, muß das offene Problem im Protokoll bezeichnet sein. Die Schulungskader dürfen ihr fehlendes Wissen nicht durch Spekulation ersetzen wollen. Die Klärung der offen gebliebenen Fragen muß beim nächsten Mal stattfinden.

Die Grundschulung soll die allgemeinen Theorien des Klassenkampfes, der Staats- und Revolutionstheorie, des dialektischen und historischen Materialismus, sowie der Revisionismuskritik vermitteln. Die hier benutzten Texte sind relativ kurz und sehr klar verständlich geschrieben.

Die Grundschulung beginnt mit 'Den Arbeitsstil der Partei verbessern' von Mao Tse-tung. Dieser Text beantwortet die Frage des richtigen Verhältnisses von Theorie und Praxis und gibt Kriterien an die Hand, um von Anfang an den falschen Arbeitsstil in der Schulung und politischen Praxis zu vermeiden.

Das Schulungsprogramm ist nach folgenden vier Aspekten gegliedert:

1. DER GRUNDWIDERSPRUCH DES KAPITALISMUS

Dazu: Marx: 'Lohnarbeit und Kapital' (Einleitung zum Schluß)
Marx: 'Lohn, Preis, Profit'

Wir schlagen vor, mit der marxschen Lehre vom Grundwiderspruch in der kapitalistischen Gesellschaft zu beginnen, weil jeder Proletarier durch seine Stellung im Produktionsprozeß täglich diesen Widerspruch erfährt. Aus seiner schon vorhandenen empirischen Erfahrung muß deshalb als erstes die rationale Erkenntnis vom Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital entwickelt werden. Das rationale Wissen über das Verhältnis von bezahlter und unbezahlter Arbeit und die private Aneignung des Mehrprodukts werden die Quelle seiner klassenkämpferischen Energien sein.

2. DIE MARXISTISCHE STAATS- UND REVOLUTIONSTHEORIE

Dazu: Lenin: 'Staat und Revolution'
Lenin: 'Was tun?' 4. Kapitel
Stalin: 'Über die Grundlagen des Leninismus'

Durch diese Schriften sollen Fragen beantwortet werden wie: Was ist die marxistische Theorie des Staates? Was ist unter Diktatur des Proletariats zu verstehen? Wie ist die Gesellschaft nach der sozialistischen Revolution zu organisieren? Was ist die Aufgabe der marxistisch-leninistischen Partei im Klassenkampf? Worin besteht die Weiterentwicklung der Marxschen Theorie durch Lenin?

Die Tatsache, daß hier ein Text von Stalin benutzt wird, sagt nichts darüber aus, wie man die Stalinfrage beantwortet. Der Text wurde 1924, also kurz nach dem Tode Lenins, für eine Vorlesung in der Swerdlow-Universität geschrieben und faßt in sehr knapper und prägnanter Form die Grundzüge des Leninismus zusammen - so, wie es in keiner anderen allgemein zugänglichen Schrift geleistet wird.

3. DER DIALEKTISCHE MATERIALISMUS UND DER PROLETARISCHE LEBENS- UND ARBEITSSTIL

Dazu:
Mao: 'Über die Praxis' - 'Über den Widerspruch'
Mao: 'Fünf Schriften' ('3 ständig zu lesende Artikel', 'Über die Berichtigung falscher Ansichten in der Partei' und 'Gegen den Liberalismus')

Die Lehre von den Widersprüchen ist die Grundlage der proletarischen Weltanschauung. Der dialektische Materialismus ermöglicht es, in jeder Situation jeden Widerspruch konkret zu analysieren, seine Beziehung zum Hauptwiderspruch und zu den Nebenwidersprüchen aufzudecken und daraus eine Anleitung zum richtigen Handeln zu gewinnen. Das lehren uns die beiden philosophischen Aufsätze von Mao. - Die 'Fünf Schriften' erklären den proletarischen Lebensstil und beschreiben die Abweichungen und Fehler im Arbeitsstil, die in einer kommunistischen Partei auftauchen können und die Mittel, mit denen sie bekämpft werden können.

KRITIK DES REVISIONISMUS ALS PRÜFSTEIN DER ERSTEN DREI PRINZIPIEN

Dazu: Mao: 'Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volke' KP Chinas: 'Ein Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung' KP Chinas: 'Über den Pseudokommunismus Chruschtschows und die historischen Lehren für die Welt'

Die Schrift Maos beantwortet Fragen wie: Gibt es auch nach Beseitigung des Privateigentums an Produktionsmitteln, also nach Errichtung des Sozialismus Klassen und Klassenkampf? Mao legt in dieser Schrift die Prinzipien nieder, nach denen in einer sozialistischen Übergangsgesellschaft die dort auftauchenden Probleme zu lösen sind. Die beiden anderen Schriften stammen aus der 'Polemik über die Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung' und sind im 'Schulungsheft zur chinesischen Revolution' (erscheint demnächst) enthalten. Sie behandeln die Frage der friedlichen Koexistenz, der Widersprüche in der Welt von heute, der Bedeutung der nationalen Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, des Weges der Revolution in industrialisierten kapitalistischen Staaten.

Im 'Pseudokommunismus Chruschtschows' wird der Sowjetrevisionismus kritisiert und die Ursachen beschrieben, die in der Sowjetunion zur Entstehung einer bürgerlichen Klasse führten, die sich den von den Massen produzierten Mehrwert aneignet und über das Proletariat die Diktatur der Bourgeoisie errichtet hat."
Q: ML-Fraktion der Arbeiterkonferenz: Die Situation der Arbeiterkonferenz,o.O. (Berlin) o.J. (1969)

28.11.1969:
Die Berliner 'RPK' Nr.41 (vgl. 21.11.1969, 5.12.1969) enthält u.a. eine "Erklärung des Beirats der RPK zum Vorgehen der ML-Gruppen und der Ruhrkampagne: Gegen Linksopportunismus und Sektierertum in der Organisationsfrage." Diese beschäftigt sich mit den Vorfällen vom 23. und 24.11.1969 (vgl. 29.11.1969).
Die 'RPK' wird mit dieser Nr. ebenso wie die Erklärung herausgegeben von: Fraktion der Arbeiterkonferenz, Fraktion des SALZ, Basisgruppe Tegel, Basisgruppe Moabit, Betriebsgruppe Schering, Betriebsgruppe NCR, ROTZEG, ROTZING, ROTZJUR, ROTZMAT, ROTZÖK, Sozialistisches Anwaltskollektiv, Internationales Forschungsinstitut des SDS (INFI), Vietnamkomitee, Arbeitsgruppe Revolutionäre Erziehung.

In einer Erklärung vom 28.11.1969, die von den Marxisten-Leninisten Westberlins unterzeichnet ist und unter den Losungen "Den Kampf zweier Linien führen. Erklärung der Redaktion der Roten Presse Korrespondenz zum Putsch der ROTZEG (Rote Zelle Germanistik). Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen. Warum dieser Artikel unterdrückt wurde. Erklärung der Redaktion der RPK zum Putsch der Roten Zellen" erscheint, wird u.a. erklärt: Von der mittlerweile kommisarisch mit der Durchführung der Redaktion Beauftragten wurde ohne jede Begründung der abgesetzten Redaktion eine inhaltliche Erklärung zum Putsch und seiner Vorgeschichte in der jetzt erscheinenden RPK Nr. 41 verweigert."

Die Entwicklung dieser Differenzen liegt in einem Artikel begründet, der die Konzeption einer "revolutionären proletarischen Übergangsorganisation" vertrat. Diese Konzeption war von den ML-Gruppen, ML-Fraktionen der Arbeiterkonferenz und des SALZ erarbeitet worden. Vor allem die ROTZEG vertrat die Auffassung, daß der Artikel erst auf der "Arbeitskonferenz" zu diskutieren sei (er lautete: "Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen"). Eine Veröffentlichung vor der "Arbeitskonferenz" wurde von der ROTZEG abgelehnt. Aufgrund der unterschiedlichen politischen Einschätzung der "Arbeitskonferenz" und der unterschiedlichen politischen Positionen bezüglich der Veröffentlichung war es nicht möglich, einen gemeinsamen Konsens zu erarbeiten. Daraufhin gab es eine Abstimmung (von der Mehrheit der ROTZ-Gruppen herbeigeführt), und der Redaktion wurde das Mißtrauen ausgesprochen (die ML-Genossen beteiligten sich nicht an dieser Abstimmung).

Die Redaktion bezeichnet den Beirat als "zynisch machtpolitisch operierend", der "jede Diskussion auszuschalten" gedenkt und "damit die RPK zum Blatt einer radikal-phraseologischen Intellektuellen-Fraktion" machen will. Die Redaktion beschloß, "die nächsten beiden Nummern bis zur RPK-Konferenz in eigener Verantwortung zu redigieren und diese Entscheidung den Lesern der RPK zu erklären". Sie beschloß weiter, den Artikel der ML zu veröffentlichen und ihre Gründe dafür darzulegen. Eine entsprechende Erklärung gab sie vor dem am nächsten Tag nochmals einberufenen "Kleinen Beirat" ab. Nach harter Debatte führte diese Initiative zur Zustimmung der Veröffentlichung des Artikels unter der Bedingung, daß der Beirat bis zur Arbeitskonferenz seine politischen Entscheidungsbefugnisse behält, aber zugleich von einem Teil des Beirats der Redaktion das Mißtrauen ausgsprochen wird und diese Mißtrauenserklärung dem Artikel der ML vorangestellt werden soll.

Die Ruhrkampagne, die ML-Gruppen, das SALZ, die Arbeiterkonferenz-ML, das PROZ und die Betriebsgruppe Druck und Papier-ML sprechen der Redaktion das Vertrauen aus. Die Redaktion, der das Mißtrauen des durch die ROTZEG angeführten Teils des Beirats ausgesprochen war, die beiden nächsten Nummern aber dennoch bis zur Beiratskonferenz gestalten solle (mit einem entsprechenden Kommentar der ROTZEG), begann mit der Vorbereitung der RPK-Nummer 41. Bereits im Vorfeld begann sich abzuzeichnen, daß die ROTZEG sich nicht an ihren Beschluß halten würde; denn das Erscheinen des ML-Artikels ("Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen") wurde durch Nichteinhaltung verschiedener technischer Übereinkünfte verhindert.

Auf einer Tagung von Anhängern und Sympathisanten der ROTZEG (am 25.11.) in den Redaktionsräumen der RPK wird Mitgliedern der RPK-Redaktion erklärt, daß sich hier eine "Fraktion des Beirats, die der RPK-Redaktion das Mißtrauen ausgesprochen hätte", versammelt habe. Daraufhin verließen ML- und Ruhrkampagne-Genossen einschließlich der Redaktion die Räume. Nach einem Bericht zurückgebliebener ML-Genossen urteilend, ergab die weitere Sitzung Hinweise darauf, daß zunächst einmal ein "Übergangsgremium gebildet" werden solle, "das für die Zeit bis zur Arbeitskonferenz die Funktion in der Redaktion wahrnehmen soll". Die "Übergangsredaktion" sollte mit folgenden Genossen besetzt werden: Blöcher, Schwiedrzik, Huffschmidt, Soergel, Maria Bergmann, H. v. Rohde, Kreidt, Tautfest, Scharrer.

Es erscheint auch der Artikel der ML, über den der Streit ausbrach (vgl. 23.11.1969). Der Artikel ist jetzt unterzeichnet von: Marxistisch-Leninistische Fraktion der Arbeiterkonferenz, PROZ-ML, Sozialistisches Arbeiterkollektiv Druck und Papier-ML, Marxistisch-Leninistische Fraktion im SALZ. Die Marxisten-Leninisten Westberlins erklären zu dem Artikel, daß die ROTZEG und Sympathisanten genau in dem Augenblick mit einem Handstreich vorgingen, "als wir es wagten, die ersten Schritte einer proletarischen Übergangsorganisation in der RPK vorzustellen".

In der 'RPK' erscheint auch der Artikel: "Zur Frage einer Sozialistischen Randgruppenstrategie". Der Artikel ist von einem "Vorbereitungskomitee für die Diskussion über Randgruppen" unterzeichnet.
Q: RPK-Redaktion:Den Kampf zweier Linien führen,Berlin 1969;
ML Westberlins:Die Marxistisch-Leninistische Organisation in Angriff nehmen,Berlin 1969;
Rote Pressekorrespondenz Nr.41,Berlin 28.11.1969

29.11.1969:
Am 21.11.1969 erfolgte in Berlin ein Aufruf zu einer zweitägigen Tagung des Beirats der RPK: "Die Notwendigkeit zu einer derartigen geschlossenen Tagung ergab sich aus verschiedenen grundsätzlichen Problemen, die die Struktur und die Aufgaben des Beirats, die Teilnahme der Gruppen, das Verhältnis von Beirat und Redaktion, schließlich das Selbstverständnis der RPK betreffen". Ziel der Diskussion soll es sein, die Widersprüche zwischen den Gruppen offen auszutragen und die Gemeinsamkeiten zu finden, die sich an den Vorstellungen einer nichtrevisionistischen Praxis zu definieren hätten. Ob diese Tagung allerdings stattfand ist angesichts der Zuspitzung des Konfliktes (vgl. 28.11.1969) fraglich.
Q: Rote Pressekorrespondenz Nr.40,Berlin 21.11.1969,S.13

Dezember 1969:
Innerhalb der Marxisten-Leninisten (ML) Westberlin wird vermutlich im Dezember aus dem Proletarierinnenzentrum (PROZ) folgender Bericht verfaßt:"
PROZBERICHT ...
Die systematische Vereinheitlichung der Erfahrungen aus den Grundschulungsgruppen im Aktivistenkollektiv und die ideologische Vereinheitlichung im ZG (Zentrales Gremium der ML,d.Vf.), d.h. die Konsolidierung nach innen, wurde verdrängt zugunsten der Auseinandersetzung nach außen. Beispiel: RPK. Die Auseinandersetzung fand statt unter Ausschluß des Proletariats. Die Auseinandersetzung wurde geführt nur von wenigen, die Konsolidierung nach innen blieb aus, weil die Diskussionen an den Genossen der Grundschulungsgruppen vorbeigingen. Der SALZ-Artikel (vgl. S11**.1969,d.Vf.) wurde im Aktivistenplenum nicht diskutiert, obwohl er da schon vorlag, er wurde auch im ZG nicht diskutiert. Dabei war dieser Artikel die erste wichtige Publikation der Organisation. Er entstand individualistisch, die Auseinandersetzung wurde individualistisch geführt.

Der Anspruch unserer Organisation, eine proletarische Linie zu vertreten, war gerade in dieser Auseinandersetzung den Genossen der Grundschulungsgruppen nicht mehr einsehbar. Dadurch, daß die Aktivisten nicht in den Massen verankert waren, konnten sie diese Auseinandersetzung nur im studentischen Stil führen und vermitteln.

Die Folgen waren Schwächung der eigenen Reihen, individualistischer Arbeitsstil, die Genossen in in den Grundschulungsgruppen verloren das Vertrauen. Die nächste Etappe: von den Massen lernen wurde hinausgezögert. Stadien dieser Verzögerung: unangemessene Diskussionen über Propaganda, diffuse Praxisdiskussionen, Metadiskussionen, Diskussionen unpolitischen Stils über persönliche Schwächen."
Q: ML Westberlin:Info Nr.1,Berlin 1969,S.10ff

Dezember 1969:
Zu den Auseinandersetzungen in der 'RPK'-Redaktion verteilt Spartacus - IAfeKJO in Berlin ein Flugblatt "Äußerst freudige Nachricht:Friedliche Koexistenz der schwarzen und der weißen Linie !!!".
Q: Spartacus - IAfeKJO:Üußerst freudige Nachricht: Friedliche Koexistenz der schwarzen und der weißen Linie!!!,Berlin o.J. (1969)

Dezember 1969:
Aus der Basisgruppe Tegel und der Betriebsgruppe Bosch/Siemens, bildet sich, laut Langguth, in Berlin die Projektgruppe Elektroindustrie (PEI), die sich später in Proletarische Linke Parteiinitiative (PL/PI) umbenennt. Sie ist auch als Harzer Gruppe bekannt. Führend ist u. a. Wolfang Lefevre. Wir halten dies allerdings nicht für sonderlich wahrheitsgemäß. Der Name Harzer Gruppe bzw. PEI nämlich wurde von der BG Bosch/Siemens angenommen, um auf der RPK-Arbeitskonferenz nicht den eigenen Betrieb zu verraten, Teil dieser Gruppe sind aber derzeit auch noch die späteren Gründer der KPD/AO.
Q: Langguth,Gerd:Die Entwicklung der Protestbewegung und ihre gesellschaftliche Bedeutung in der Bundesrepublik, in:Die studentische Protestbewegung, Analysen und Konzepte,Mainz 1971,S.69

05.12.1969:
In der 'RPK' Nr.42 (vgl. 28.11.1969) erscheint der Artikel "Den Kampf gegen die Schwarze Linie führen". Mit diesem Artikel geht der RPK-Beirat auf die Stellungnahmen der ML-Gruppen und der abgesetzten RPK-Redaktion "Der Putsch der ROTZEG-Häuptlinge" und "Den Kampf zweier Linien führen" ein. Aus diesen Dokumenten soll hervorgehen, "daß sich die Marxisten-Leninisten ungerecht behandelt und arglistig getäuscht fühlen". Der RPK-Beirat zieht Vergleiche mit dem Streit über die Funktion des 'Extra-Dienstes':"
Die Barthel-Guggomos und Co. bezogen darin eine Haltung, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit der abgesetzten Redaktion der RPK, der ML-Fraktion und der Strategen der Ruhrkampagne hat."
Der RPK-Beirat verteidigt sein Vorgehen und stellt desweiteren fest:"
Der Beschluß des Beirats der RPK, gegen den Willen einer Minderheitenfraktion den Abdruck eines Artikels zu verschieben und diesen Beschluß nicht nur zu fassen, sondern auch (durch Absetzung der Redaktion) durchzusetzen" erscheint als gerechtfertigt. Diese Erklärung schließt einen Mißtrauensantrag gegen die Redaktion und die Geschäftsführung ein, diese war "weder bereit zurückzutreten, noch kam sie der Auffasssung nach, sich an den Beiratsbeschluß ... zu halten." Der Beirat der RPK setzt die Redaktion der RPK ab, nachdem tags zuvor der Redaktion das Mißtrauen ausgesprochen wurde.
Q: RPK Nr.42,Berlin 5.12.1969

06.12.1969:
In Berlin beginnt die zweitägige RPK-Arbeitskonferenz, auf der von einer Reihe Berliner und bundesdeutscher Gruppen die Organisationsfrage diskutiert wird.
Die AK war wie folgt zusammengesetzt: Aktionsrat zur Befreiung der Frauen - Gruppe Dernburgstraße (4 Delegierte), Aktionsrat zur Befreiung der Frauen - Mehrheitsfraktion (4), Sozialistisches Arbeitskollektiv OSI (4), Sozialistische Assistentenzelle am OSI (4), Ad-hoc-Physik-TU (4), Ad-hoc-Chemie-TU (4), Ad-hoc-Maschinenbau-TU (4), Ad-hoc-Wirtschaftswissenschaften-TU (4), SALZ-Fraktion (4), SALZ-ML-Fraktion (4), Arbeiterkonferenz-Mehrheitsfraktion (2), Arbeiterkonferenz-ML-Fraktion (2), Proz-ML (4), Druck-ML (4), Ruhrkampagne (4), Kommunistische Zelle Historiker (4), Institutsgruppe Rote Publizistik (4), Ad-hoc-Biologie-FU (4), 883-Redaktion (3), Rotzeg (4), Rotzmath (4), Rotzök (4), Rotz-Psych (4), Rotzjur (4), Rotzing (4), Rotzmed (4), Projektgruppe Elektroindustrie (4), Basisgruppe Moabit (4), Betriebsgruppe NCR (4), Betriebsgruppe Neckermann (4), Sektion Produktion der Soziologen (4), INFI-Projektgruppe Afrika (4), Italien-Arbeitskreis (3), Vietnam-Komitee (4), Palästina-Komitee (4), RPK-Geschäftsführung und Vertrieb (2).

Als Gäste waren anwesend: Betriebsgruppe Schering, Betriebsgruppe Telefunken, Sozialarbeitergruppe, Arbeitsgruppe Revolutionäre Erziehung, Rote Zelle PH, Ad-hoc-Gruppe Soziologie (FU), TU-Politreferat, Medizinerladen, Sozialistisches Anwaltskollektiv, Unione Emigrati Progressisti (Italien,d. Vf.), Konföderation Iranischer Studenten (CISNU,d.Vf.), Rote Garde (RG,d. Vf.), SDS-Tübingen, SDS-Gießen, SDS-Hamburg, SIZ-München, SDS-BV.

Laut der späteren KPD waren insgesamt ca. 60 Gruppen vertreten.

Diskutiert wird vor allem über 3 Papiere:
1. das Harzer Papier (vgl. 1.11.1969) der Harzer Gruppen, die sich für die AK den Namen Projektgruppe Elektroindustrie zulegen, da sie befürchten durch die Verwendung des Namens Betriebsgruppe Bosch-Siemens identifizierbar zu sein,
2. die Thesen zum Aufbau der KP der späteren KPD/AO-Gründer (von denen allerdings zumindest einige derzeit noch in den Harzer Gruppen sind,
3. das Papier der ML, den Aufbau der ML-Organisation in Angriff nehmen.

Die Vorstellung von der RPK als einem "organisationsstiftendem Organ" setzt sich, laut RPK, nicht durch. Die ML-Fraktion und die Ruhrkampagne gehen davon aus, daß der RPK-Beirat kein eigenständiges Gremium" ist. "Die im Beirat vertretenen Roten Zellen und die auf der Grundlage des Harzer Papiers zusammengeschlossenen Betriebsgruppen erwarteten dagegen von der AK die Klärung inhaltlicher Fragen … um die Fraktionierung über … inhaltliche Fragen voranzutreiben und schließlich aus diesem Zusammenhang heraus die Funktion der RPK neu zu bestimmen". "Die quantitativ überwiegende Mehrheit der Versammlung schwankte zwischen Organisationsfeindlichkeit und abstrakter Bereitschaft zur organisatorischen Veränderung. Sie sah die Notwendigkeit der Überwindung des alten Pluralismus ein, wollte sich aber auf keine der bestehenden Fraktionierungen festlegen lassen. … Zum Richter über die Rolle der RPK gemacht, wählte sie das, was ihr als kleinstes Übel erschien, eine drittelparitätisch besetzte Redaktion".

Die ML-Gruppen vertraten die Auffassung, "daß die RPK auch weiterhin ein Blatt der antirevisionistischen Gruppen" bleiben dürfe und wollten primär darüber die Diskussion führen. "Die Mehrheit der Versammelten stimmte dafür, die Debatte mit der Diskussion eines von der provisorischen Redaktion in Auftrag gegebenen und von den Genossen Semler, Neitzke, Hartung, Jaspers, Horlemann, Heinrich u. a. verfaßtes 'Thesenpapier' zu eröffnen." Aus dem Papier wurden 4 Thesen diskutiert:
a) Über das richtige Verhältnis von Theorie und Praxis,
b) Über die Beziehung von Praxis und Organisation,
c) Über die Partei und die erste Etappe des Parteiaufbaus,
d) Stellung und Aufgaben der RPK.

Vor allem die Positionen der ML wurden hinsichtlich der Organisationsfrage kritisiert. Die wichtigsten Fragen werden diskutiert in der Polemik zwischen den Thesenverfassern und den Vertretern des sogenannten Harzer Papiers.

Vor allem das Thesenpapier von Semler, Neitzke u.a. spricht bereits über die "bolschewistischen Partei als die einzige Organisation, die die Leitung des Kampfes des Proletariats in die Hände nehmen, zentralisieren und die Arbeiterklasse siegreich zur Diktatur des Proletariats führen kann".

Im "Harzer Papier" wird u.a. der Versuch unternommen, "einen Arbeitsansatz im Produktionsbereich zu entwickeln, der implizit auch die Kritik an den bisherigen Experimenten in der Betriebs- und Basisarbeit enthält".

Die Genossen des Thesenpapiers und die Harzer Gruppe unternahmen den Versuch, als "gemeinsame Fraktion aufzutreten". Dies führte zu "einer Verdeutlichung des Konflikts, zu taktischen Absicherungen, die die theoretische Diskussion immer wieder durchkreuzten. Das Zurückziehen des Thesenpapiers zu Gunsten des Harzer Papiers war ein Symptom für dieses Dilemma". Konkreter Ausdruck der Diskussion ist die Bildung einer von den ml Organisationen bestimmten Redaktion der RPK, die sich aus folgenden Gruppen zusammensetzt: Harzer Gruppen, Rotzeg, Rotzing, Rotzök, ML, Ruhrkampagne, Geschäftsführung und Vertriebsleitung. Ab Nr.43/44/45 wird die RPK von diesen Gruppen herausgegeben.

Zur Arbeitskonferenz lagen auch u.a. noch folgende Papiere vor, "Bericht der Roten Zelle Germanistik" (vgl. 26.11.1969), "Die Situation der Arbeiterkonferenz" von deren ML-Fraktion (vgl. 26.11.1969).

In einer Stellungnahme der ML, Ruhrkampagne und der Institutsgruppe Rote Publizistik zur Neubestimmung des Organs RPK wird unter dem Titel "Einschätzung der Arbeitskonferenz der RPK" u.a. ausgeführt:"
1. Die RPK ist ein theoretisches Organ der revolutionären Gruppen in Westberlin.
2. Ihr Adressat sind in erster Linie Intellektuelle. Sie ist kein proletarisches Kampfblatt.
3. Es besteht heute innerhalb dieser Gruppen eine Fraktionierung, die nicht mehr von einem opportunistischen Geschwätz von Einheit übertüncht werden kann. Dieser Prozeß der Fraktionierung hat gerade erst begonnen.
4. Die RPK muß daher Ausdruck dieser ideologischen Auseinandersetzung sein. Das setzt voraus, daß die an der Fraktionierung beteiligten Gruppen in der RPK vertreten sind.
5. Der RPK-Beirat setzt sich nur aus Vertretern derjenigen Gruppen zusammen, die die praktische Fraktionierung vorantreiben. Es kann kein beliebiges Forum von 'freischwebenden' Intellektuellen sein, sondern es können dorthin nur Gruppen und Mitglieder delegiert werden, die den praktischen und ideologischen Kampf führen.
6. Der so zusammengesetzte Beirat nimmt die Auswahl der Artikel vor.
7. Der Beirat ist kein eigenständiges Gremium. Er kann keine Avantgarderolle spielen.
8. Erst im Rahmen einer einheitlichen Avantgarde-Organisation kann die RPK eine einheitliche politische und ideologische Linie vertreten. Die bereits bestehenden Organisationen als Avantgarde-Organisationen zu begreifen, hieße zum augenblicklichen Zeitpunkt, in dem weder ideologische Standpunkte noch die unterschiedliche Praxis in proletarischen Bereichen einen solchen Anspruch rechtfertigen würde, sektiererisch vorzugehen."

Dieser Auffassung wurde prinzipiell widersprochen, da man der Ansicht war, "daß die RPK schon zum jetzigen Zeitpunkt zum Propagator einer einheitlichen Linie werden sollte". Der Artikel wurde mit der Behauptung abgelehnt, "daß er die Ergebnisse der Arbeitskonferenz vorwegnehme".

Ein weiteres Papier, das sogenannte Harzer Papier, hatte die Schwerpunkte Betriebsarbeit und Zentralismus (vgl. 1.11.1969).

U.a. gehen die Verfasser davon aus, "daß zu allererst durch die Arbeit studentischer Genossen im Betrieb die Möglichkeit besteht, systematisch und zielstrebig eine Betriebsgruppe aufzubauen". Für diese Arbeit favorisieren sie: vorpolitisierte Arbeiter; Aufbau von Kollektiven am Arbeitsplatz sowie ein Kommunikationsnetz für den Betrieb; Herausfinden von Interessenkonflikten in den verschiedenen Abteilungen; Aufbau, Planung und Durchführung einer Betriebsgruppe und Betriebsgruppenarbeit; Schulung; Zentralisierung der Betriebsarbeit unter Einschluß der Roten Zellen an der Uni.

Entscheidende Diskussionsgrundlage war jedoch: "Die erste Etappe des Aufbaus der Kommunistischen Partei des Proletariats - Thesen". Das Papier wurde vorgelegt von u.a. Christian Semler, Peter Neitzke und Jürgen Horlemann. In diesen Thesen wird im Prinzip die "Schaffung einer bolschewistischen Partei leninschen Typus" als Ziel angegeben. Das Papier enthielt bereits alle Elemente, die die zukünftige KPD/AO in ihrer "Vorläufigen Plattform der Aufbauorganisation für die Kommunistische Partei Deutschlands" (13.3.1970) vertreten sollte. Danach sollte die RPK praktisch schon die Rolle eines Zentralorgans übernehmen. So heißt es u. a.:"
Wir schlagen der Arbeitskonferenz vor, über folgende Linie zu beraten: Der frühere 'Beirat' der RPK wird durch ein Initiativ- und Kontrollaktiv ersetzt. Dieses Initiativ- und Kontrollaktiv ist in der Phase des Aufbaus der Parteiorganisation die politische Führung und hat den Auftrag, auf die Bildung der politischen Partei des Proletariats, auf die Bildung einer revolutionären antirevisionistischen Partei hinzusteuern. Das Organ dieses Initiativ- und Kontrollaktivs ist die Rote Presse Korrespondenz als Zeitung der Mehrheitsfraktion. Das Aktiv verwirklicht das revolutionäre Prinzip des demokratischen Zentralismus durch Initiative und Kontrolle, es ist das Aktiv von Genossen, die an langandauernder solidarischer politischer Arbeit ihre Entschlossenheit zeigen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die politische Revolution unter Führung der Arbeiterklasse vorzubereiten." Das Papier kritisiert vor allem auch die Positionen der ML in der Organisationsfrage (These der "Übergangsorganisation"). Andere, die auf der Konferenz als "spontaneistische Gruppen" bezeichnet wurden (keine Zwänge einer Verbindlichkeit), lehnten das "Thesenpapier" ab. Die wichtigsten Fragen wurden dennoch "fast ausschließlich diskutiert in der Polemik zwischen Thesenverfassern und den Genossen um das "Harzer Papier".

Das Papier der ML "Die marxistisch-leninistische Organisation in Angriff nehmen (Organisationspapier der ML)" geht von dem Scheitern, "die Arbeiterkonferenz zur zentralen Organisation der Arbeiter zu machen" aus und folgert u.a.:"
Die wichtigste Voraussetzung ist eine einheitliche marxistisch-leninistische Grundlage, auf der die Schaffung der Kaderorganisation erst möglich wird. Um diese einheitliche Grundlage zu erlangen, ist es unbedingt notwendig, die Schulung in Organisationsform durchzuführen, die schon auf die künftige Kaderpartei hinsteuert. … Der erste Schritt zur Bildung einer Übergangsorganisation kann kein anderer sein, als eine zentralisierte Grundlagenschulung".

Das Papier "Arbeitsvorstellungen der Ruhrkampagne" ging von dem Ziel aus, "Praxis im proletarischen Bereich des Ruhrgebiets" zu machen.

Die Arbeitskonferenz brachte durch Wahl eine neue Redaktion hervor, die von den Gruppen bestimmt wurde, die sich zum Marxismus-Leninismus bekannten und die auf der Arbeitskonferenz die Diskussion bestimmt hatten. ML und Ruhrkampagne bekamen in der neunköpfigen Redaktion drei Sitze (ML zwei, Ruhrkampagne einen), die PEI behielt drei Sitze, die Roten Zellen (Thesenverfasser) bekamen drei Sitze. Die Fraktionierung der RPK-Konferenz hielt jedoch an: Die Ruhrkampagne löste sich auf (ein Teil ging zur "ML Westberlin", ein anderer zur KPD/ML-ZB), aus den ML rekrutierte sich der KB/ML Westberlin. Die Thesenverfasser gründeten im März 1970 die "Aufbauorganisation für die KP". Die PEI nennt sich im Juli 1970 in PL/PI um. Von Seiten der KPD/ML wird die Berliner Projektgruppe Elektroindustrie (PEI), nach deren eigenen Angaben, so kritisiert:"
Ihr redet hier über die Bedeutung der Großbetriebe wie von der Bedeutung einzunehmender Festungen. Überhaupt ich höre hier immer nur von Großbetrieben reden, als seien die Betriebe schon der Inbegriff der Politik. Bisher ist von euch nicht ein einziges politisches Wort gesprochen worden. Wozu sollen denn die Arbeiter in den Großbetrieben mobilisiert werden? Oder sollen sie nur um den Mobilisierung willen mobilisiert werden, weil es euch Spaß macht, euch mobilisierte Arbeitermassen vorzustellen - übernehmt ihr dann auch die Verantwortung für die aus zielloser Mobilisierung resultierende Demoralisierung? Oder wollt ihr die Arbeiter zur Ergreifung der politischen Macht im Staate mobilisieren? Na schön - aber bitte in welchem Staat: im Staate Westberlin, oder in Westdeutschland oder in ganz Deutschland? Warum sagt ihr nichts zu dieser brennend wichtigen Frage? Warum glaubt ihr wohl hat es in Westberlin seit 1945 keine relevanten Streiks gegeben? Deshalb weil das Proletariat nicht ganz so dumm ist wie ihr glaubt. Das Proletariat weiß sehr wohl, daß Streik Klassenkampf bedeutet, und den Klassenkampf führen die Machtfrage stellen heißt - wie aber soll die Machtfrage in Westberlin gestellt werden?

Das Proletariat kämpft nicht, wenn es nicht weiß wofür! Ihr aber sagt nicht, wofür gekämpft werden soll - ihr sagt nichts über die Deutschlandfrage, nichts zur Ostpolitik, nichts zu den Mieten, nichts zur Preisentwicklung, zu keinem einzigen politischen Punkt macht ihr auch nur die kleinste Äußerung - Ihr habt einfach wieder einmal das Proletariat entdeckt!"

Laut GIM (vgl. Feb. 1972) bildet ein Teil der auf der Arbeitskonferenz als ML Westberlin Firmierenden später den KB/ML (vgl. Mai 1970), während sich andere den KPD/MLs anschließen.
Quellen: GIM: Zur Intervention im Hochschulbereich,Berlin o.J. (1972; Fichter,Tilman,Lönnendonker,Siegward:Von der 'Neuen Linken' zur Krise des Linksradikalismus,in:Die Linke im Rechtsstaat Band 2,Berlin 1979,S.114;ML-Fraktion der Arbeiterkonferenz: Die Situation der Arbeiterkonferenz,o.O. (Berlin) o.J. (1969);PEI:Die Kommunistische Partei des Proletariats und die korrekte Methode des Parteiaufbaus - Selbstkritik der PEI (Internes Diskussionsmaterial),Berlin o.J. (1970),S.11f;Kukuck,Margareth:Student und Klassenkampf,Hamburg 1977,S.100;Rotzeg:Bericht der Roten Zelle Germanistik,o.O. (Berlin) o.J. (1969);Rote Pressekorespondenz Nr.43/44/45,Berlin ****1969;Rote Fahne Nr.74/75,Dortmund 20.12.1972;SDS-Info Nr.26/27,Frankfurt 22.12.1969

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Januar 1970:
Die KPD/AO erklärt später zu Ereignissen, die vermutlich im Januar oder Februar in Berlin stattfanden:"
Die Roten Zellen befanden sich mitten in einem Fraktionierungsprozeß, durch den sie auf die Grenzen ihrer Politik und Organisationsformen stießen, ohne daß sich schon klare Linien herausgebildet hatten. Die Koalition der 'Harzer Gruppen' war schon wenige Wochen nach der Arbeitskonferenz (der 'RPK' am 6.12.1969,d.Vf.) im Kampf zwischen der marxistisch-leninistischen Linie und spontaneistischen Positionen vollständig auseinandergebrochen."
Q: Rote Presse Korrespondenz Nr.96/97,Berlin 8.1.1971

09.01.1970:
In der 'RPK' Nr.46/47 (vgl. 16.1.1970) erscheint der Artikel "Über die Arbeit der Roten Zellen. Aus den Berichten zur Arbeitskonferenz der RPK". Vertreten sind in diesen Berichten: ROTZING, ROTZJUR, ROTZMED, ROTZÖK.
Q: Rote Presse Korrespondenz Nr.46/47,Berlin 9.1.1970

27.01.1970:
In Bonn erscheint die Nr.3 der 'Arbeitermacht' (vgl. 16.12.1969, 22.4.1970), die nun nicht mehr allein durch die BPG des SDS herausgegeben wird, sondern von den Gruppen BPG, Rote Zelle Pädagogik, Gruppe für eine Rote Zelle Jura, Rote Zelle Germanistik, Lotta Continua und Kommune Waldorf im SDS Bonn.
Vermutlich in Brüngsberg wurde das Bonner Diskussionsprotokoll zur Berliner RPK-Arbeitskonferenz mit den 3 Hauptlinien ML, Horlemann und Harzer Papier verfaßt.
Q: Arbeitermacht Nr.3,Bonn 27.1.1970

01.03.1970:
In der Berliner PEI wird vermutlich Anfang März ein Papier "Die Kommunistische Partei des Proletariats und die korrekte Methode des Parteiaufbaus (Internes Diskussionsmaterial)" von einem Mitglied verfaßt bzw. verbreitet.
"Aber die Abkehr von den alten Autoritäten wurde zur Intellektuellenfeindlichkeit, zur schieren Feindseligkeit ohne politischen Inhalt.
...
Bei der ML war das nicht anders, ... . Im Kampf gegen die Autoritäten fanden wir auch zur ML. Auf der Arbeitskonferenz der RPK machten wir gemeinsam mit ihnen Front gegen die Thesenpapierleute - ... .
...
Als die alten Autoritäten sich als KPD/AO konstituierten, wollten wir abermals mit der ML gegen sie Front machen."

Angenommen wird die Kritik der KPD/ML an der PEI, wie sie auf der RPK-Arbeitskonferenz (vgl. 6.12.1969) geäußert wurde:"
Offenbar hatten wir alles vergessen was uns einmal beschäftigt hatte - von Vietnam bis zur Bildungsmisere. Übrig war geblieben die transitorische Rolle, die Studenten in den Betrieben spielen sollten bei der Entwicklung des Riesen Proletariat. ... Dagegen hatten wir jetzt zu lernen, daß der Klassenkampf und die Initiative zum Aufbau einer Partei des Proletariats langfristig und verantwortlich zu organisieren sei - nicht nur von Studenten, die eine einjährige Stippvisite in Betrieben machen, sondern von Genossen, die sich als Berufsrevolutionäre würden qualifizieren müssen."
Q: PEI:Die Kommunistische Partei des Proletariats und die korrekte Methode des Parteiaufbaus (Internes Diskussionsmaterial),Berlin o.J. (1970)

Letzte Änderungen: 23.1.2011

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