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Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 11.3.2008

Hier werden nur wenige Dokumente vorgestellt, während sich zahlreiche weitere, u.a. von der Zelle BVG des KBW im Uniarchiv der FU Berlin befinden.

Von dem Streik 1969 berichtet die Betriebsgruppe BVG (vgl. 18.9.1969), von der aber in der Folge keine weiteren Aktivitäten gefunden werden konnten, auch wenn das Proletarierinnenzentrum sich um die Verbindung zwischen den Kämpfen bemühte (vgl. 24.10.1969).

Die Lage der Beschäftigten bei der BVG scheint so zunächst nur im Zusammenhang mit den Fahrpreiserhöhungen 1971/72 ins Blickfeld der hier natürlich nur unvollständig ausgewerteten linken Presse zu geraten (vgl. 14.2.1972), auch wenn es sicher einzelne Artikel gegeben hat (vgl. 24.10.1972).

Vom Streik und der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst 1974 berichtet vor allem die KPD wiederholt (vgl. 24.1.1974, 20.2.1974, 27.2.1974, Apr. 1974) und auch ihr Maikomitee befasst sich immer wieder mit der BVG, ohne aber die Mitarbeit von BVG-Beschäftigten bekannt zu geben (vgl. 25.3.1974, 1.4.1974, 8.4.1974). Später agitiert die KPD nicht nur bei der BVG (vgl. 15.3.1976), sondern legt auch die weiteren Sparpläne des Senats dar (vgl. 10.11.1976).


Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

18.09.1969:
In Berlin streiken heute, laut IMSF, 1 200 Beschäftigte der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und der Berliner Stadtreinigung (BSR).

Von dem Streik berichtet auch die Arbeiterkonferenz bzw. die BVG-Betriebsgruppe, die dazu eine 'Arbeiterpresse' veröffentlicht'. Vermutlich eine Woche nach dem Streik erscheint ein Flugblatt der Betriebsgruppe BVG.
=IMSF:Die Septemberstreiks 1969,Frankfurt Nov. 1969;
Arbeiterpresse Streik,Berlin o. J. (1969);
Betriebsgruppe BVG:Kollegen!,Berlin o. J. (1969)

Arbeiterpresse, hg. von der Arbeiterkonferenz, Redaktion: BVG_Betriebsgruppe (Vorderseite, oben) Arbeiterpresse, hg. von der Arbeiterkonferenz, Redaktion: BVG_Betriebsgruppe (Vorderseite, unten)

Arbeiterpresse, hg. von der Arbeiterkonferenz, Redaktion: BVG_Betriebsgruppe (Rückseite, oben) Arbeiterpresse, hg. von der Arbeiterkonferenz, Redaktion: BVG_Betriebsgruppe (Rückseite, unten)
Arbeiterpresse, hg. von der Arbeiterkonferenz, Redaktion: BVG-Betriebsgruppe


Flugblatt der Betriebsgruppe BVG
Flugblatt der Betriebsgruppe BVG

24.10.1969:
In der heutigen 'RPK' berichtet das:"
PROLETARIERINNEN ZENTRUM (PROZ-ML)

KRITIK UND SELBSTKRITIK DER BISHERIGEN BETRIEBS- UND BASISGRUPPENARBEIT AM BEISPIEL DES BETRIEBS KINDERLADENPROJEKTS UND DER FRAUENBETRIEBSGRUPPE WEDDING. ...

Die Agitation und Propaganda unterstützt die Aufhebung der Konkurrenz zwischen den Parteiungen des Proletariats. Ihr Inhalt beantwortet immer wieder die Frage "wie wächst das Proletariat zur kämpferischen Klasse zusammen?" durch Beispiele des solidarischen Kampfes von Proletariern und Proletarierinnen. Wir propagieren die Übernahme von Parolen der Arbeiterinnen und Jungarbeiter (z. B. Forderung nach 500 DM Lehrlingsgehalt) durch das gesamte Proletariat. Wir beschreiben und propagieren den Zusammenhang z. B. zwischen dem Kindergärtnerinnen-Streik und dem BVG-Streik in Berlin."
=Rote Pressekorrespondenz Nr.36,Berlin 24.10.1969

14.02.1972:
Die KPD (vgl. 25.2.1972) berichtet vermutlich u.a. aus dieser Woche:"
ZUR LAGE DER ARBEITER BEI DER BVG

Im Kampf gegen die Fahrpreiserhöhung bei der BVG sind die Kampfkomitees der KPD seit einigen Wochen dazu übergegangen, ihre Agitation nicht nur an den Bushaltestellen und vor den U-Bahnhöfen zu machen, sie führen die Agitation gegen die Fahrpreiserhöhung in den U-Bahnzügen selbst durch.

Diese Form des Kampfes hat den Genossen der Kampfkomitees gezeigt, daß es dem SPD-Senat nicht gelungen ist, die Arbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe von der übrigen werktätigen Bevölkerung abzuspalten. Obwohl die Arbeiter und Angestellten zentrale Anweisung haben, sofort die Kontrolleure oder die Polizei zu holen, wenn Agitationstrupps der KPD in der U-Bahn auftauchen, kommt es fast nie dazu. Wenn jemand die Polizei holt, dann sind es die Kontrolleure selbst. Die Kollegen von der BVG stellen in Diskussionen mit den Genossen der Kampfkomitees immer wieder ihre eigene schlechte wirtschaftliche Lage dar, die durch politische Unterdrückung mit schärfsten Methoden der Disziplinierung aufrechterhalten wird. Es gibt bei der BVG 10 Lohngruppen von monatlich 802 DM bis 1 125 DM brutto und nach 18 Jahren von 931 bis 1 309 DM brutto. Die höchsten Löhne erhalten die Busfahrer mit anfangs 1 191 DM und nach 18 Jahren 1 391 DM.

DIE DURCH LOHNGRUPPEN HERVORGERUFENE SPALTUNG ERGIBT NOCH KEIN BILD VON DER WIRKLICHEN SPALTUNG, denn seit die BVG verstärkt rationalisiert, werden die Ergebnisse der Rationalisierung nicht in der Neufassung von Lohngruppen sichtbar, sondern sämtliche Zuschläge, die man sich denken kann, werden jetzt auf diesen niedrigen Grundlohn aufgeschlagen. 8% mehr erhält der Kollege, wenn er zusätzlich die Fahrscheine noch verkauft, 4% mehr bei Fernsehüberwachung der Bahnsteige, 15% bei Lehrtätigkeit, 30% sonntags, 15% nachts, 60% an dienstfreien Tagen.

Gerade die ersten beiden Zuschläge sind wichtig für die Beurteilung der Frage, wie sich die Lage der BVG-Arbeiter real verschlechtert hat; zusätzlicher Fahrscheinverkauf heißt Einmannbus, Fernsehüberwachung heißt 1 Mann für 2 Bahnsteige, beides zusammen sind Zeichen der Rationalisierung, die unter der Devise: 'Einer arbeitet für zwei!' vorgenommen wurde.

Das Ausmaß der Rationalisierung bei der BVG wird dadurch deutlich, daß in den letzten 10 Jahren der Personalstand von 15 600 auf 13 200 gesenkt wurde. Die Rationalisierungsabteilung bei der Verwaltung der BVG hat in den letzten Jahren 'ganze Arbeit' geleistet. Die BVG-Bonzen sagen nicht ohne Stolz, daß sie mit 'Erfolg rationalisiert' hätten.

WIE SEHEN NUN DIESE ERFOLGE AUS?

Von den 80 Bus-Linien wurden 53 auf den Einmannbetrieb umgestellt. Die Mehrentlohnung der Busfahrer beträgt ganze 50 bis 100 DM. Auch die Zugabfertiger ersetzen heute fast überall zwei Kollegen. Jeder Unfall beim Einsteigen wird dem Zugabfertiger mit Strafandrohungen angelastet. Die Einführung der Fahrscheinautomaten zeigt, wie kapitalistisch rationalisiert wird. Bisher waren die Kassiererposten immer noch Posten für alte BVG-Arbeiter, die die Belastung der Schaffner- und Fahrerarbeit nicht mehr aushalten konnten. Heute hat man Automaten, und die alten Arbeiter haben kaum Gelegenheit, sich umsetzen zu lassen. Vor wenigen Wochen erst starb ein 62-jähriger Busfahrer am Steuer. Die BVG-Bonzen sprachen ihr 'Beileid' aus, die BZ von Springer redete von einer möglichen Gefährdung der Passagiere, aber keiner fragte nach den Ursachen: nämlich Arbeitshetze und kapitalistische Rationalisierung bei der BVG!

Die weiteren Hebel, um das Arbeitstempo zu steigern, und die Arbeitskraft mehr auszusaugen, sind einmal die 'Erhöhung der Wagenumlaufzeiten' und dazu die Einführung von Akkordarbeit in den Betriebswerkstätten. Mit dem verräterischen Abschluß der Gewerkschaft ÖTV von 4% (ÖDTR - vgl. 8.1.1972,d.Vf.) haben sich auf dieser Grundlage die wirtschaftlichen Bedingungen der Lebenssituation der BVG-Arbeiter real verschlechtert. Die schon vor einigen Jahren eingeführte Arbeitszeitregelung mit großem Turnus und dem sogenannten geteilten Turnus sind ein Beispiel dafür, wie kapitalistische Rationalisierung auch die kleinsten Lücken in der Arbeitszeit ausfüllt, denn der normale Lebensrhythmus des Arbeiters wird dem Fahrplan unterworfen, der Busfahrer wird zum Anhängsel seines Busses bzw. des Fahrplans.

Im Gegensatz zu den Arbeitern in den Betriebsbahnhöfen und Werkstätten, die einem normalen 8-Stundentag haben, muß sich dieser Teil der BVG-Arbeiter an einen unmenschlichen Arbeitsrhythmus von drei Schichten halten, der noch zusätzlich von dem geteilten Turnus verschärft wird. Dieser läßt dem Arbeiter zwischen den zwei Teilen seiner Schicht in der Regel 2 1/2 bis 6 Stunden Zeit, was soviel heißt, daß der Arbeiter teilweise überhaupt nicht die formal freie Zeit zu seiner Reproduktion nutzen kann. Betrachtet man sich noch die Urlaubsregelung im Verhältnis zur Industrie, dann wird das Bild von der wirtschaftlichen Lage noch klarer: In der Industrie waren durchschnittlich 1969 115 arbeitsfreie Tage im Jahr, bei der BVG jedoch nur 80.

KORRUMPIERUNG UND UNTERDRÜCKUNG, DAS DOPPELGESICHT DER SOZIALDEMOKRATISCHEN WIRTSCHAFTSFÜHRUNG BEI DER BVG!

Die wirtschaftliche Lage der BVG-Arbeiter und die dabei erkennbaren Widersprüche haben innerhalb der BVG ein umfangreiches System der Korrumpierung und der politischen Disziplinierung hervorgebracht. Wesentlicher Hebel ist dabei die Spaltung der in Büro und Verwaltung arbeitenden von denen, die in den Bahnhöfen, in den Bussen und Werkstätten arbeiten. Die den besonderen Bedingungen der Rationalisierung und der Arbeitshetze unterworfenen Arbeiter in den zuletzt genannten Bereichen sind einem unfangreichen System der Überwachung unterworfen, für das die Handhabung der Regelung für Zuspätkommen exemplarisch ist.

Nicht der normale Gang der Ahndung mit Anrechnung der Fehlzeit wie in der Industrie wird hier praktiziert, sondern ein Einschüchterungs-Zeremoniell von Aussprachen mit den Vorgesetzten, von Formularen, Vermerken und Degradierungen. Umgekehrt wird Wohlverhalten mit entsprechenden Vergünstigungen 'belohnt', deren Kernstück die Versetzung in die Verwaltung ist.

Dabei spielt die gewerkschaftliche Korrumpierung eine wichtige Rolle, denn nach Ablauf der Amtszeit von Gewerkschaftsfunktionären wird ihnen die Übernahme in die Verwaltung in Aussicht gestellt. Kollegen, die wirklich die Interessen der Kollegen vertreten, werden dabei sicherlich dieses 'Anrecht' der Gewerkschaftsfunktionäre verlieren. Auf diese Weise hat sich die BVG-Verwaltung eine ihr völlig ergebene Gewerkschaftsclique geschaffen, die aus Angst, wieder in den alten Dienst zurückkehren zu müssen, schon lange aufgegeben hat, sich für die Kollegen einzusetzen. Darauf haben die BVG-Arbeiter beim Streik vor mehreren Jahren (vgl. S3.*+.196*,d.Vf.) die richtige Antwort gegeben. STREIK! Damals haben die Kollegen die Spaltung in ihren eigenen Reihen überwinden können, damals konnten die Kollegen spontan sich zusammenschließen, im Kampf um ihre Interessen. In den letzten 3 Jahren haben sich die wirtschaftlichen Bedingungen der Lebenssituation der BVG-Arbeiter weiter verschlechtert.

Wir sind sicher, daß die Mehrheit der BVG-Arbeiter auf der Seite aller Arbeiter und Werktätigen stehen wird, die sich zum Kampf gegen die Fahrpreiserhöhungen zusammenschließen."
=Rote Fahne Nr.37,Berlin 25.2.1972,S.3

24.10.1972:
Es erscheint die Nr.21 der 'Roten Fahne' der KPD/ML-ZB (vgl. 4.10.1972, 7.11.1972). Es erscheint der Artikel "Rationalisierung in den Westberliner Verkehrsbetrieben" (BVG).
=Rote Fahne Nr.21,Bochum 24.10.1972

24.01.1974:
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wird, laut KPD und SAG, von 3 bis 6 Uhr morgens im Bus- und U-Bahnverkehr gestreikt. Die Deutsche Reichsbahn (DR) zeigt sich, laut KPD, unsolidarisch, indem sie den Streik durch Einsatz von Sonderzügen schwächt.
=Rote Fahne Nr.5 und 7,Dortmund 30.1.1974 bzw. 13.2.1974;
Klassenkampf Nr.31/32,Frankfurt Jan./Feb. 1974


02.02.1974:
Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' Nr.5 (vgl. 26.1.1974, 9.2.1974) heraus. Aus Berlin wird berichtet von der BVG.
=Roter Morgen Nr.5,Dortmund 2.2.1974

20.02.1974:
In der Nr.8 ihrer 'Roten Fahne' (vgl. 13.2.1974, 27.2.1974) befaßt sich die KPD u.a. mit der Tarifrunde im ÖD u.a. beim BVG Betriebshof Cicerostraße.
=Rote Fahne Nr.8,Dortmund 20.2.1974

27.02.1974:
In der Nr.9 ihrer 'Roten Fahne' (vgl. 20.2.1974, 6.3.1974) befaßt sich die KPD u.a. mit der Tarifrunde im ÖD. Von dieser wird u.a. berichtet von den BVG-Betriebshöfen Usedomer Straße, Cicerostraße und Hindenburgdamm.
=Rote Fahne Nr.9,Dortmund 27.2.1974

25.03.1974:
In Berlin wird vermutlich noch in dieser Woche die Plattform des Maikomitee oppositioneller Gewerkschafter (vgl. 24.3.1974, 1.4.1974) veröffentlicht. Eingegangen wird u.a. auf die SEW bei der BVG.
=Maikomitee oppositioneller Gewerkschafter 1974:Plattform,Berlin 1974

April 1974:
Die Gewerkschaftsabteilung des ZK der KPD gibt ihre 'Revolutionäre Gewerkschaftsopposition' (RGO) Nr.2 (vgl. 18.2.1974, Okt. 1974) heraus. Von der BVG wird berichtet von den Betriebshöfen Cicerostraße, Hindenburgdamm und Usedomer Straße.
=Revolutionäre Gewerkschaftsopposition Nr.2,Dortmund Apr. 1974

01.04.1974:
In Berlin gibt vermutlich in dieser Woche das Maikomitee (MK) oppositioneller Gewerkschafter der KPD (vgl. 25.3.1974) erstmals seine Zeitung '1. Mai Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse' (vgl. 8.4.1974) heraus. Die SEW mobilisiere u.a. bei der BVG und der Deutschen Reichsbahn (DR) für ihre eigene Demonstration in Neukölln.
=1. Mai Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse Nr.1,Berlin 1974

08.04.1974:
In Berlin gibt vermutlich in dieser Woche das Maikomitee (MK) oppositioneller Gewerkschafter der KPD seine Zeitung '1. Mai Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse' Nr.2 (vgl. 1.4.1974, 15.4.1974) heraus. Berichtet wird u.a. von der BVG von der SEW und den Busbahnhöfen Cicerostraße, Hindenburgdamm und Winfriedstraße.
=1. Mai Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse Nr.2,Berlin 1974

15.03.1976:
Vermutlich in dieser Woche will in Berlin, laut und mit KPD, das Koordinierungstreffen oppositioneller ÖTV-Mitglieder eine Kundgebung vor Einrichtungen der BVG durchführen.
=Rote Fahne Nr.11,Köln 17.3.1976

10.11.1976:
Die KPD gibt ihre 'Rote Fahne' (RF) Nr.45 (vgl. 3.11.1976, 17.11.1976) heraus. Aus Berlin wird u.a. berichtet über das Sparprogramm des Senats und dessen Auswirkungen u.a. bei der BVG.
=Rote Fahne Nr.45,Köln 10.11.1976

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